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Schlagwortarchiv für: Tierarzt

Tom Stiebert

BGH: Grobe Behandlungsfehler des Tierarztes führen zur Beweislastumkehr

Arztrecht, Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Das Deliktsrecht – insbesondere die sehr umfangreiche Kasuistik zu § 823 BGB – gehört wohl zu den meist unterschätzten juristischen Bereichen. Hier können in der Klausur massiv Punkte verloren oder aber eben auch gewonnen werden – je nachdem wie sauber die Prüfung der Voraussetzungen gelingt. Insofern ist die Kenntnis eines Urteils des BGH v. 10.5.2016 (VI ZR 247/15) absoluter Pflichtstoff, der auch interessante Zusammenhänge zu anderen Bereichen zeigt.
I. Sachverhalt
Was war passiert? Ein Pferd hatte durch den Tritt eines anderen Pferdes eine Fissur (einen Haarriss) des Knochens erlitten, die sich zu einer vollständigen Fraktur (einen Bruch) entwickelt hatte. Die Eigentümerin hatte die Fissur nicht erkannt, brachte ihr Pferd aber aufgrund der Beinverletzung zu einem Tierarzt. Dieser verschloss lediglich die von außen sichtbare Wunde, nahm aber keine weiteren Untersuchungen vor. Einige Tage später wurde eine Fraktur des verletzten Beines diagnostiziert, die es sich beim aufstehen an dem bereits vorgeschädigten Bein zugezogen hatte. Eine Operation gelang nicht, sodass das Pferd getötet werden musste. Im Streitfall blieb ungeklärt, ob der grobe Behandlungsfehler dafür ursächlich war, dass sich das Pferd beim Aufstehen das Bein brach.
Die Eigentümerin verlangte vom Tierarzt nun Schadensersatz wegen der fehlerhaften Behandlung ihres Pferdes.
II. Rechtliche Würdigung
Denkbar ist hier entweder ein vertraglicher Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB iVm dem Behandlungsvertrag oder aber ein deliktischer Anspruch aus § 823 BGB. In beiden Konstellationen muss die Rechtsgutsverletzung (hier ggf. fehlerhafte Behandlung) bzw. die Pflichtverletzung (unzureichende Untersuchung) kausal für den eingetretenen Schaden, also den Bruch des Beines sein. Dies war hier gerade nicht aufzuklären. Zwar hätte der Arzt die Fissur entdecken und behandeln müssen, es konnte aber nicht bewiesen werden, dass diese Nichtbehandlung bzw. die Fissur an sich kausal für den Bruch des Beines gewesen sind. Fraglich ist, wer das Risiko dieser Unsicherheit zu tragen hat.
An sich ist derjenige beweisbelastet, der diejenigen Tatsachen vorbringt, die seinen Anspruch begründen. Da hier die Eigentümerin einen Schadensersatzanspruch geltend macht, müsste sie folglich auch sämtlich hierfür notwendigen Tatsachen, mithin also auch die Kausalität beweisen. Dies ist häufig nahezu unmöglich. Auch der BGH hat dies so bestätigt:

Sie knüpfen vielmehr daran an, dass die nachträgliche Aufklärbarkeit des tatsächlichen Behandlungsgeschehens wegen des besonderen Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in einer Weise erschwert ist, dass der Arzt nach Treu und Glauben – also aus Billigkeitsgründen – dem Patienten den vollen Kausalitätsnachweis nicht zumuten kann. Die Beweislastumkehr soll einen Ausgleich dafür bieten, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitert oder verschoben worden ist (ständige Rechtsprechung so etwa Senat, BGHZ 72, 132, 136; 132, 47, 52; 159, 48, 55; Urteile vom 7. Juni 1983 – VI ZR 284/81 – VersR 1983, 983; vom 28. Juni 1988 – VI ZR 217/87 – VersR 1989, 80, 81; vom 4. Oktober 1994 – VI ZR 205/93 – VersR 1995, 46, 47; vom 16. April 1996 – VI ZR 190/95 – VersR 1996, 976, 979; und vom 11. Juni 1996 – VI ZR 172/95 – VersR 1996, 1148, 1150; Steffen in Festschrift für Brandner 1996 S. 327, 335 f.)
(BGH, Urteil vom 06. Oktober 2009 – VI ZR 24/09 –, Rn. 14, juris)

Aus diesem Grund wird eine Beweislastumkehr bejaht, sodass der Arzt nunmehr die fehlende Ursächlichkeit des Fehlers für den Schaden bejahen muss.
Im Bereich des Arzthaftungsrechts wurde dieses Recht durch § 630h BGB kodifiziert. Dieser gilt aber nicht für die Tierarztbehandlung, vgl. den klaren Wortlaut des § 630a Abs. 1 BGB. Auf diese Konstellationen hat nun aber die Rechtsprechung die Haftung ausgedehnt. Die Situationen seien hier vergleichbar:

Nach Auffassung des BGH sind die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern, insbesondere auch bei Befunderhebungsfehlern, auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden. Beide Tätigkeiten bezögen sich auf einen lebenden Organismus. Bei der tierärztlichen Behandlung komme – wie in der Humanmedizin – dem für die Beweislastumkehr maßgeblichen Gesichtspunkt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden sei, eine besondere Bedeutung zu. Auch der grob fehlerhaft handelnde Tierarzt habe durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen und dadurch die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten vertieft.

Der BGH bleibt hier also bei den ungeschriebenen Grundsätzen und wendet nicht, was auch möglich wäre, § 630h BGB analog an. Die genaue Begründung bleibt aber den Urteilsgründen vorbehalten.
III. Examensrelevanz
Tiere sind auch nur Menschen – das möchte der BGH in diesem Urteil wohl sagen. Für Menschen sollte die Rechtsprechung zu § 823 BGB, die eine entsprechende Beweislastumkehr postulierte, bekannt sein. Spätestens seit der expliziten Kodifizierung in § 630h BGB bedarf es aber dieser Rechtsprechung nicht mehr. Auch diese gesetzliche Regelung des Behandlungsvertrages sollte bekannt sein.
Wenige Gründe sind ersichtlich, warum diese Rechtsprechung nicht auch auf den Tierarzt ausgedehnt werden soll. Die Unterschiede sind gering, die Beweislastschwierigkeiten identisch. Insofern ist dem BGH absolut zuzustimmen. Für Examenskandidaten positiv ist, dass sie damit diese Fallgruppe der Beweislastumkehr nicht etwa wegen § 630h BGB umsonst gelernt haben, sondern nun auch auf den Tierarztvertrag anwenden können. Einem neuen Klausurfall sind damit Tür und Tor geöffnet.

11.05.2016/1 Kommentar/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-05-11 08:45:042016-05-11 08:45:04BGH: Grobe Behandlungsfehler des Tierarztes führen zur Beweislastumkehr
Dr. Jan Winzen

OLG Hamm: abweichende Rechtsprechung zur Ankaufuntersuchung beim Tierkauf

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

An dieser Stelle möchten wir Euch ausdrücklich auf eine weitere aktuelle Entscheidung des OLG Hamm zu der Frage hinweisen, ob der für Zwecke einer Ankaufuntersuchung zwischen einem Verkäufer und dem Tierarzt geschlossene Vertrag Schutzwirkung zu Gunsten des späteren Käufers entfaltet (21 U 143/12). Die Entscheidung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der 21. Zivilsenat die Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bejaht und sich dabei ausdrücklich gegen die erst vor wenigen Monaten ergangenen Rechtsprechung des 12. Zivilsenats wendet (wir hatten berichtet).
I. Sachverhalt
Der Sachverhalt ist in den hier problematischen Fällen in seinen Grundzügen gleich: Die Klägerin erwirbt von einem Pferdeverkäufer ein Pferd (hier eine Schimmelstute), das über eine im Kaufvertrag festgehaltene Eigenschaft verfügt (hier war die Stute laut Kaufvertrag vier Jahre alt und wurde als Reitpferd erworben). Das ganze erfolgt zu einem bestimmten Kaufpreis (hier 2.700 Euro). Der Kaufvertrag wird erst wirksam, wenn eine Ankaufsuntersuchung durch eine Tierarztpraxis erfolgreich durchgeführt worden ist. Der Verkäufer beauftragt daraufhin die Beklagte (Tierarztpraxis) mit der Ankaufsuntersuchung. Ansprüche der Käuferin gegen die Praxis sind in den Vertragsbedingungen, die dem Vertrag zwischen Verkäufer und Praxis zu Grunde liegen, ausgeschlossen. Die Untersuchung wird fehlerhaft durchgeführt (hier versäumte es der untersuchende Tierarzt, in dem über die Ankaufsuntersuchung erstellten Protokoll zu vermerken, dass das Tier noch ein vollständiges Milchgebiss hatte und deshalb – entgegen den Angaben im Kaufvertrag und im Pferdepass – noch keine vier Jahre alt sein konnte). Die Käuferin billigt das Protokoll und der Vertrag wird wirksam. Nachdem die Käuferin erfährt, dass das Tier erst ca. 2 ½ Jahre alt ist, nimmt sie die Tierarztpraxis auf  Schadensersatz in Höhe ihrer Aufwendungen für das Pferd (bis zum Erreichen des vierten Lebensjahres) in Anspruch, weil sie zum einen das Pferd vor diesem Hintergrund nicht gekauft hätte und es zum anderen vorher als Reitpferd nicht einsetzbar gewesen sei.
II. Anspruch der Käuferin gegen die Tierarztpraxis aus § 280 Abs. 1 in Verbindung mit dem Untersuchungsvertrag und den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte (VSD)
Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die Voraussetzungen eines VSD vorliegen.
a) Leistungsnähe der K und Erkennbarkeit für den Tierarzt

Insoweit hat der 21. Zivilsenat, genau wie auch der 12. Zivilsenat, keine Bedenken:

Ein – wie hier – zwischen Verkäufer und Tierarzt im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Kaufvertrages geschlossener Vertrag über die Durchführung einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung entfaltet Schutzwirkung für den Kaufinteressenten. Dies ergibt sich aus der – der Beklagten naturgemäß bekannten – Bestimmung der Ankaufsuntersuchung, der Klägerin als Kaufinteressentin Aufschluss über die gesundheitliche Verfassung des Tieres zu geben und ihr so als Grundlage für ihren Kaufentschluss zu dienen.

b) Einbeziehungsinteresse des Verkäufers
Während der 12. Zivilsenats das Einbeziehungsinteresse des Verkäufers mit dem Argument verneint hatte, durch den Ausschluss der Haftung gegenüber Dritten hätten die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Einbeziehung Dritter nicht gewollt sei (siehe dazu hier), bejaht der 21. Zivilsenat auch insoweit die Voraussetzungen des VSD.
Der Senat begründet seine Auffassung mit § 242 BGB. Denn der Untersuchungsvertrag sah ausdrücklich vor, dass der Verkäufer das Ergebnis der Untersuchung dem Käufer vorlegen konnte. Dann aber, so der 21. Zivilsenat, könne der Tierarzt sich nicht andererseits auf den ebenfalls in dem Vertrag vereinbarten Haftungsausschluss gegenüber Dritten (also dem Käufer) berufen.

Dabei verkennt der Senat zunächst nicht, dass sich die Klägerin grundsätzlich Haftungsbeschränkungen und -freizeichnungen, die sich aus dem Verhältnis zwischen der Beklagten und ihrem Vertragspartner, dem Verkäufer F, ergeben, analog § 334 BGB entgegenhalten lassen muss (vgl. BGH NJW 1971, 1931 [1932]). Eine Haftungsfreizeichnung nur zu Lasten der Klägerin ist aber in der vorliegenden Konstellation zum einen als venire contra factum proprium gem. § 242 BGB und zum anderen als AGB – was der Senat jedoch letztlich offen lassen kann – entweder bereits gem. §§ 309 Nrn. 7 und 8 lit. b) aa) BGB oder aber jedenfalls gem. § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam (vgl. MünchKomm/Gottwald, 6. Aufl. 2012, § 328 BGB, Rdnr. 191 mwN.).

Besonders wichtig ist es nun, zu erkennen, dass sich der Fall möglicherweise genau an dieser Stelle doch entscheidend von dem Sachverhalt, der dem 12. Zivilsenat zur Entscheidung vorlag, unterscheidet. Ob insoweit nämlich auch eine Klausel in dem Vertrag enthalten war, die eine Vorlage des Untersuchungsergebnisses beim Käufer ausdrücklich vorsah, lässt sich den Entscheidungsgründen nicht entnehmen.

Der insoweit (möglicherweise) gegenteiligen Auffassung des 12. Zivilsenats (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 29.05.2013, Az. 12 U 178/12, Tz. 37, zit. nach juris, aus dem sich der genaue Wortlaut der dort einschlägigen Klausel allerdings nicht ergibt) folgt der erkennende Senat nicht. Die Beklagte kann nicht einerseits dadurch einen Vertrauenstatbestand schaffen, dass sie die Vorlage des Untersuchungsergebnisses an den jeweiligen Kaufinteressenten ausdrücklich gestattet, weil es gerade Sinn und Zweck einer – auch vom Verkäufer in Auftrag gegebenen – Ankaufsuntersuchung ist, dem Käufer hierdurch eine (entscheidende) Grundlage für seinen Kaufentschluss zu verschaffen, zugleich aber jegliche Haftung hierfür gegenüber dem Dritten ausschließen wollen. Dies gilt umso mehr, als ein Schaden infolge einer fehlerhaft durchgeführten Ankaufsuntersuchung typischerweise gerade – ausschließlich – beim Käufer eintritt.

III. Bewertung
Die Tatsache, dass zwei Senate desselben Gerichts binnen weniger Monate über grundsätzlich identische Sachverhalte unterschiedlich entschieden haben, dürfte schon Grund genug sein, die Thematik zum Gegenstand einer Examensklausur zu machen. Mit guter Argumentation dürfte hier vieles vertretbar sein. Enthält der Untersuchungsvertrag eine Klausel, wonach der Verkäufer ausdrücklich zur Vorlage des Untersuchungsergebnisses beim Käufer berechtigt ist, empfiehlt es sich aber, mit dem 21. Senat das Einbeziehungsinteresse des Verkäufers zu bejahen und die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses zu verneinen.
Darüber hinaus behandelt die neue Entscheidung des 21. Senats zahlreiche weitere examensrelevante Fragen. Hingewiesen sei insoweit auf folgende Gesichtspunkte (im Übrigen wird die Lektüre der Originalentscheidung dringend empfohlen):
Das Gericht spricht den Anspruch konkret aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des VSD zu. Da durch eine Nachbesserung des Gutachtens der streitgegenständliche Schaden, welcher der Klägerin durch den Ankauf des Pferdes entstanden ist, nicht mehr verhindert oder vermindert werden kann, sondern die Klägerin vielmehr Schadensersatz wegen Mangelfolgeschadens begehrt, war eine mit einer entsprechenden Fristsetzung verbundene Aufforderung zur Mängelbeseitigung (§§ 634 Nr. 4, 281 BGB) entbehrlich.
Fürs zweite Examen interessant ist die Frage der Kausalität des Fehlers für den Kaufentschluss der Klägerin. Insoweit lässt sich leicht eine Beweisaufnahme in die Akte einbauen.
Wird eine Tierarztpraxis in Anspruch genommen, muss sie sich das (gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutete) Verschulden des behandelnden Arztes über § 31 BGB zurechnen lassen.
Der Verkäufer und die Käuferin hatten im Laufe des Verfahrens einen Vergleich geschlossen. Insoweit wäre § 423 BGB zu erörtern, wonach ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass auch für die übrigen Schuldner wirkt, wenn die Vertragschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollen. Entsprechendes gilt zwar auch für den Vergleich, wenn der Tierarzt und der Verkäufer Gesamtschuldner sind. Die Auslegung des Vergleichs wird aber (wie hier) regelmäßig ergeben, dass eine Wirkung auch für den Tierarzt nicht gewollt gewesen sein dürfte.
 
 

12.11.2013/7 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-11-12 09:00:552013-11-12 09:00:55OLG Hamm: abweichende Rechtsprechung zur Ankaufuntersuchung beim Tierkauf
Dr. Jan Winzen

OLG Hamm: Ankaufuntersuchung beim Tierkauf ohne Schutzwirkung zugunsten Dritter

BGB AT, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

In einer aktuellen Entscheidung des OLG Hamm vom 29.05.2013 (12 U 178/12) ging es einmal mehr um einen „gescheiterten“ Pferdekauf. Das Gericht hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die Käuferin (K) eines Pferdes, das unter hochgradiger Arthrose eines Hufgelenks leidet, Schadensersatzansprüche (insgesamt 18.123,48 €) gegen den Tierarzt (T) geltend machen kann, der vor Abschluss des Kaufvertrags in einer allein durch den Verkäufer (V) in Auftrag gegebenen Ankaufuntersuchung Anhaltspunkte für erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen verneint hatte. Die in den Vertrag zwischen V und T einbezogenen AGB des Tierarztes sahen dabei einen Haftungsausschluss gegenüber im Vertrag namentlich nicht genannter Dritter vor.
A. Falllösung
I. Eigene vertragliche Ansprüche der Klägerin
Methodisch sauber kann man zunächst kurz feststellen, dass Ansprüche der K gegen T aus einem eigens von ihr geschlossenen Ankaufuntersuchungsvertrag nicht in Betracht kommen. Ausweislich des Sachverhalts wurde der Auftrag für die Ankaufuntersuchung nämlich allein durch V erteilt. Anhaltspunkte für eine Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) der K durch V mit der Folge, dass dessen auf den Vertragsschluss abgegebene Willenserklärung unmittelbar für und gegen K wirkt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), existieren ebenfalls nicht:

Gewährleistungsansprüche als Vertragspartner des Beklagten scheiden deshalb aus, weil der Zeuge C2 im eigenen Namen und nicht als Vertreter der Klägerin den Vertrag mit dem Beklagten geschlossen hat. Das ergibt sich nicht nur aus der Aussage des Zeugen, sondern auch schon aus dem Vertrag selbst, in dem der Zeuge als Auftraggeber und die Klägerin nicht einmal namentlich erwähnt ist. Dass in erster Linie sie an einer korrekten Ermittlung des Gesundheitszustandes des Pferdes interessiert ist, ist für die Frage, wer Vertragspartner geworden ist, nicht von Belang.

II. Eigenhaftung Dritter
Eine Inanspruchnahme des T kommt vor diesem Hintergrund grundsätzlich noch über § 311 Abs. 3 BGB oder über eine Einbeziehung der K in den Schutzbereich des Unersuchungsvertrages zwischen V und T nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSD) in Betracht.
1. Anspruch K gegen T aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB

Ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB setzt zunächst ein Schuldverhältnis voraus. Nach § 311 Abs. 3 Satz 1 BGB kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst (§ 311 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Zum Hintergrund: § 311 Abs. 3 BGB sollte die Haftung Dritter wegen Verschuldens beim Vertragsschluss (c.i.c.) gesetzlich verankern. Die in § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB beispielhaft genannte Inanspruchnahme besonderen (d.h. über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehenden) Vertrauens ist dabei nur ein denkbarer Anwendungsfall. Daneben gibt es weitere Fallgruppen der Haftung Dritter, deren dogmatische Einordnung nicht abschließend geklärt wird. Hierzu zählt die Inanspruchnahme wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses (etwa des Gesellschafters der vertragsschließenden GmbH) und die sog. Sachwalterhaftung. § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB ist insoweit auch nicht abschließend formuliert („insbesondere“), so dass auch die Fallgruppe des wirschaftlichen Eigeninteresses hierunter fallen dürfte (siehe etwa Palandt, 71. Aufl. 2012, Rn. 60 f.). Im Hinblick auf die Sachwalterhaftung (verstanden als „Haftung von Sachverständigen oder anderen Auskunftspersonen, die nicht selbst ein Eigeninteresse an einem Abschluss des Vertrags haben, dennoch aber durch ihre Äußerungen entscheidend zum Vertragsabschluss beitragen, weil sich ein Verhandlungspartner auf ihre Objektivität und Neutralität verlässt“, siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 163), soll nach Ansicht des Gesetzgebers  eine Lösung über § 311 Abs. 3 BGB zumindest „auch“ möglich sein (BT-Drucks. 14/6040, aaO). Dieser Aussage haben sich große Teile der Literatur angeschlossen (siehe zum Meinungsstand etwa Emmerich, in: Münchener Kommentar BGB § 311, Rn. 197). Die Rechtsprechung erörtert Fragen der Sachwalterhaftung bislang gleichwohl überwiegend im Rahmen des VSD (siehe etwa zur Schutzwirkungen eines Gutachtenauftrags zur Grundstückswertermittlung, BGH, NJW 2004, 3035, 3036). Der BGH hat eine Subsumtion unter §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB zuletzt aber zumindest auch nicht verneint (BGH, NJW-RR 2011, 462, 463).
Das OLG Hamm lehnt im vorliegenden Fall eine Haftung des T aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB mangels wirtschaftlichen Eigeninteresses kategorisch ab:

Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 311 Abs. 3 BGB. Danach haftet ein Dritter, dessen Verhalten die Entscheidung für den Vertragsschluss beeinflusst hat, nur dann, wenn er ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss hat. Die Haftung des Gutachters für ein unrichtiges Gutachten ergibt sich nicht aus § 311 Abs. 3 BGB, sondern weiterhin aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

2. Anspruch K gegen T aus § 280 Abs. 1 in Verbindung mit dem Untersuchungsvertrag und den Grundsätzen des VSD
Verortet man die Prüfung mit der Rechtsprechung und dem OLG Hamm nun im Rahmen des VSD, sind die Voraussetzungen dieses Instituts zu prüfen (siehe dazu auch sehr instruktiv hier):

  • Leistungsnähe des Dritten
  • Erkennbarkeit für den Schuldner
  • Einbeziehungsinteresse des Gläubigers
  • Schutzbedürftigkei des Dritten

a) Leistungsnähe der K
Leistungsnähe setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der geschuldeten Leistung in Berührung kommt und den Gefahren einer Pflichtverletzung ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst.
Diese Voraussetzung ist nach Ansicht des OLG erfüllt:

An einer korrekten Ermittlung des Gesundheitszustandes des Pferdes ist in erster Linie der potentielle Käufer interessiert, der sicher gehen will, dass das Tier nicht krank und seinen Preis wert ist.

b) Erkennbarkeit für den T
Die Drittbezogenheit seiner Leistung muss für den Schuldner erkennbar sein.
Auch insoweit sieht das OLG die Voraussetzungen des VSD als gegeben an:

Auch erscheint dem Senat die Erkennbarkeit der Drittbezogenheit seiner Leistung für den Beklagten schon deshalb eindeutig, weil der schriftliche Vertrag mit „Vertrag einer Kaufuntersuchung eines Pferdes“ überschrieben ist und den Zeugen C2, der von Beruf Pferdehändler ist, als Verkäufer ausweist.

c) Einbeziehungsinteresse des V
Das Einbeziehungsinteresse setzt voraus, dass der Vertragspartner ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat.
Anmerkung: Ausgangspunkt der Rechtsprechung des BGH zum VSD waren Fallgestaltungen, in denen einem Vertragspartner gegenüber Dritten eine gesteigerte Fürsorgepflicht obliegt, ihm also deren „Wohl und Wehe“ anvertraut ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn zwischen Gläubiger und Drittem eine Rechtsbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag – ein familienrechtliches, arbeitsrechtliches oder mietvertragliches Verhältnis – besteht. In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung sind in die Schutzwirkungen eines Vertrages im Wege ergänzender Vertragsauslegung auch Dritte einbezogen worden, wenn der Gläubiger an deren Schutz ein besonderes Interesse hat und wenn Inhalt und Zweck des Vertrages erkennen lassen, dass diesem Interesse Rechnung getragen werden sollte, und die Parteien den Willen hatten, zugunsten dieser Dritten eine Schutzpflicht des Schuldners zu begründen (instruktiv zur Entwicklung der Rechtsprechung: BGH, NJW 2001, 3115, 3116).
Das OLG Hamm legt den Untersuchungsvertrag aus und verneint das Einbeziehungsinteresse des V. Dabei stützt sich das Gericht im Wesentlichen auf zwei Argumente:
Durch den Ausschluss der Haftung gegenüber im Vertrag namentlich nicht genannten Dritten haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass eine Einbeziehung Dritter nicht gewollt ist:

Nach den in den Vertrag einbezogenen AGB des Beklagten ist dessen Haftung gegenüber im Vertrag namentlich nicht aufgeführten Dritten ausdrücklich ausgeschlossen. Eine solche Haftungsbegrenzung ist rechtlich unbedenklich. Ob und welche Dritte sie in den Schutzbereich des von ihnen geschlossenen Vertrages einbeziehen, unterliegt im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich der freien Disposition der Vertragsschließenden. AGB-rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer entsprechenden Vereinbarung ergeben sich nicht. Durch die Regelung wird nicht die Kardinalpflicht zur Erstellung eines inhaltlich richtigen Gutachtens als solche aufgehoben oder inhaltlich eingeschränkt, sondern lediglich der Kreis derjenigen Personen begrenzt, denen gegenüber gehaftet werden soll.

Daneben billigt das Gericht dem T ein (erkennbares) Interesse an der Beschränkung der Haftung auf seinen Vertragspartner zu, da er andernfalls mit einer nicht kalkulierbaren Haftungsausweitung konfrontiert würde:

Daran, dass die Haftung gegenüber Dritten auf die im Vertrag ausdrücklich benannten Personen beschränkt wird, hat der Beklagte ein schutzwürdiges Interesse. Ohne diese Begrenzung ist er der Gefahr der Inanspruchnahme gegenüber einem nicht überschaubaren Personenkreis ausgesetzt. So ist denkbar, dass das Pferd nach einer Rückabwicklung des ersten Kaufvertrages erneut unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung des Beklagten veräußert wird und deshalb mehrere Erwerber Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend machen. Auch kann sich die Konstellation ergeben, dass mehrere Dritte den Beklagten dafür verantwortlich machen, dass sie wegen eines fehlerhaft negativen Untersuchungsbefundes von einem für sie günstigen Kauf Abstand genommen haben.

d) Schutzbedürftigkeit der K
Neben dem fehlenden Einbeziehungsinteresse fehlt es nach Ansicht des Gerichts schließlich auch an der Schutzbedürftigkeit der K, da diese zum einen gegen ihren Vertragspartner V vorgehen kann und sie, sofern Ansprüche gegen den V verjährt sein sollten, für die Verjährung allein verantwortlich ist:

Zu verneinen ist auch die Schutzbedürftigkeit der Beklagten. Diese entfällt regelmäßig, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben, wie diejenigen Ansprüche, die ihm bei einer Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages zuzubilligen wären. Unter diesem Gesichtspunkt hat das OLG Celle (RdL 2010, RDL Jahr 2010 Seite 262-RDL Jahr 2010 263) die Verpflichtung des Dritten angenommen, vorrangig den Verkäufer nach § BGB § 437 BGB in Anspruch zu nehmen (im Ergebnis ebenso LG Verden RdL 2008, RDL Jahr 2008 Seite 153-RDL Jahr 2008 154). Dem folgt der erkennende Senat.

Die Schutzbedürftigkeit besteht auch nicht deshalb, weil Ansprüche gegen den Verkäufer inzwischen wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar sind. Abgesehen davon, dass – was im vorliegenden Fall keiner abschließenden Beurteilung bedarf – die Frage der Schutzbedürftigkeit nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen sein dürfte, hat die Klägerin nach eigenem Vorbringen bereits in unverjährter Zeit deutliche Mangelsymptome festgestellt, dennoch aber die Verjährungsfrist verstreichen lassen. Jedenfalls dies lässt ihre Schutzbedürftigkeit entfallen.

Im Ergebnis stehen der K damit auch unter dem Gesichtspunkt des VSD keine Schadensersatzansprüche gegen den T zu.
B. Fazit
Die Entscheidung eignet sich hervorragend für Examensklausuren und mündliche Prüfungen. Denkbar ist etwa die Frage nach der Rechtslage. Hier könnten dann (kaufvertragliche) Ansprüche der K gegen V erörtert werden. Dabei ließen sich neben den üblichen Gewährleistungsthemen vor allem auch Verjährungsfragen einbauen. Daneben ließen sich Regressansprüche des V gegen T aus werkvertraglicher Gewährleistung (§§ 634 ff. BGB) und schließlich – im Verhältnis K zu T – die hier erörterten Anspruchsgrundlagen abprüfen.
Zum Hintergrund (keine deliktsrechtliche Haftung für Vermögensschäden, Herleitung aus §§ 328 ff. BGB) und zur Wiederholung der Voraussetzungen sei hier auch nochmal auf unseren Grundlagenbeitrag zum VSD verwiesen.
 
 
 
 
 
 
 

 

09.07.2013/2 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-07-09 08:00:312013-07-09 08:00:31OLG Hamm: Ankaufuntersuchung beim Tierkauf ohne Schutzwirkung zugunsten Dritter
Tom Stiebert

OLG Celle: Reichweite der Tierhalterhaftung nach § 833 BGB

Deliktsrecht, Für die ersten Semester, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Das OLG Celle hat in einem Urteil vom 11.06.2012 (20 U 38/11) bestimmt, wie weit die Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB reicht und ob diese dann ausgeschlossen ist, wenn sich das Tier in der Obhut eines Dritten befindet.
I. Sachverhalt
Dem Ganzen lag folgende Fallgestaltung zu Grunde: Ein Schäferhund wurde für eine ärztliche Behandlung in eine Kleintierklinik gebracht. Zum Zwecke einer Operation wurde eine Narkose durchgeführt. Beim Erwachen biss der Hund den Arzt in dessen Hand mit der Folge, dass dieser seine Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Aus diesem Grund begehrt der Tierarzt einen Schadensersatzanspruch aus § 833 BGB.
III. Rechtsnatur der Tierhalterhaftung
Grundsätzlich handelt es sich bei der Regelung des § 833 S. 1 BGB um eine Norm der Gefährdungshaftung (St Rspr, vgl BGH NJW 1992, 2474; NJW 1974, 234, 235; NJW 1977, 2158). Hintergrund der Regelung ist, dass von einem Tier grundsätzlich eine nicht gänzlich auszuschließende Gefahr ausgeht, die nicht vollständig steuerbar ist. Aus diesem Grund gebietet sich ein weiter Haftungsmaßstab.
II. Möglicher Haftungsausschluss?
Fraglich ist aber, ob nicht in Ausnahmefällen ein Ausschluss der Haftung geboten sein kann. Nach Ansicht der Rechtsprechung soll die Haftung in zwei Fällen ausgeschlossen sein: bei einem konkludent geschlossenen Haftungsausschluss oder bei einer besonderen Tiergefahr, die freiwillig übernommen wird (BeckOK/Spindler, § 833 BGB Rn. 19). Gerade im letzten Fall muss die spezifische Gefahr aber freiwillig übernommen und erkannt worden sein.
Im Ergebnis wird damit differenziert, ob eine allgemeine Gefahr bestanden hat (dann kein Ausschluss) oder eine besondere Gefährdungslage vorlag (dann ggf. Haftungsausschluss). Dies stößt in der Literatur zuweilen auf starke Kritik (vgl. BeckOK/Spindler, § 833 BGB Rn. 21). Aus diesem Grund wird erwogen, als Maßstab das Handeln auf eigene Gefahr heranzuziehen und damit maßgeblich auf § 254 BGB abzustellen.
IV. Jedenfalls Haftung auch bei fehlendem Einfluss
Im konkreten Fall werden diese Ansichten vermischt: Eine Prüfung, ob die Tiergefahr freiwillig übernommen worde, unterbleibt hier. In der Klausur wäre dies ein Fehler, müsste man sich zumindest mit dem Haftungsausschluss auseinandersetzen. Das Gericht wirft lediglich die Frage auf, ob nicht die Norm bereits auf den konkreten Fall gar nicht mehr anwendbar ist, weil der Tierhalter keine Möglichkeit hatte Einfluss zu nehmen. Dies verneint das Gericht wie folgt:

Das Oberlandesgericht ist der Auffassung, dass allein der Umstand, dass man sein Tier zum Zweck der Behandlung o.ä. in die Obhut einer anderen Person gibt, nicht dazu führen kann, dass die Haftung des Halters ausgeschlossen ist. Denn die Haftung des Tierhalters bestehe unabhängig von der Möglichkeit seiner Einflussnahme. Der Halter eines Tieres hafte für Schäden, die durch typisches Tierverhalten wie etwa das Beißen eines Hundes oder Austreten eines Pferdes verursacht werden.

Diese Ansicht erscheint auch vollständig überzeugend, denn es ist gerade Inhalt der Gefährdungshaftung, dass der Halter des Tieres für alle denkbaren Gefahren zu haften hat. Die potentielle Unkontrollierbarkeit eines Tieres ist gerade Motiv der Haftung des § 833 BGB.
V. Allenfalls Mitverschulden
Es bleibt damit beim Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB. Dieser kann allenfalls – wie das OLG Celle erkennt – über § 254 BGB gemindert werden:

Allerdings könne die Haftung beschränkt werden, wenn der Geschädigte durch inadäquates Verhalten zu der Verletzung selbst beigetragen habe. Da Hunde während des Erwachens aus der Narkose mitunter außergewöhnlich und aggressiv reagieren würden, hätte der Tierarzt im zu entscheidenden Fall besondere Vorsicht beim Herangehen an den Hund walten lassen müssen, was er jedoch nicht getan hatte. Dementsprechend konnte er nur einen Teil der geltend gemachten Schäden ersetzt verlangen.

VI. Fazit
Der Fall eignet sich gut als Teil einer Examensklausur. Dort müsste aber zumindest ein möglicher Haftungsausschluss angeprüft werden. Dass aber zumindest die Anwendbarkeit der Norm bejaht wurde, überzeugt vollkommen, denn sonst würde der Charakter der Regelung entscheidend verkannt.

16.07.2012/1 Kommentar/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-07-16 15:00:102012-07-16 15:00:10OLG Celle: Reichweite der Tierhalterhaftung nach § 833 BGB

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