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Schlagwortarchiv für: Straßenverkehr

Gastautor

BGH: Aufhebung des Mordurteils für Ku’damm-Raser

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Gastbeitrag von Tobias Vogt veröffentlichen zu können. Der Autor ist am Institut für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit an der Universität Bonn und bei Flick Gocke Schaumburg tätig.
 
Der BGH hat mit Urteil vom 1.3.2018 (Az. 4 StR 399/17, DAR 2018, 216) das Urteil des LG Berlin vom 27.2.2017 (Az. 535 Ks 8/16, NStZ 2017, 471) aufgehoben, in dem die Berliner Richter die beiden Ku´damm-Raser eines gemeinschaftlich begangenem Mordes schuldig erklärten. Nicht nur wegen seiner enormen medialen Präsenz sollte dieses Urteil jedem Examenskandidat bekannt sein. Es eignet sich auch gerade deshalb für Examensklausuren und mündliche Prüfungen, da sich hier allgemeine Probleme des Vorsatzes, insbesondere die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit in der besonderen Konstellation eines riskanten Verhaltens im Straßenverkehr abprüfen lassen und sich Raum für eine ausgiebige Argumentation anhand der Sachverhaltsangaben bietet. Man muss kein Hellseher sein, um voraussehen zu können, dass diese Entscheidung Gegenstand von Examensprüfungen sein wird.
I. Hauptproblem: Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit bei Tötung durch illegales Straßenrennen?
Die Hauptproblematik des Falls liegt in der Frage, ob die beiden Autofahrer, die sich spontan ein illegales Rennen lieferten und dabei mit immens überhöhter Geschwindigkeit rote Ampeln überfuhren, bei der Tötung eines anderen Verkehrsteilnehmers mit bedingtem Tötungsvorsatz oder nur bewusst fahrlässig handelten. Für die Abgrenzung von bedingtem Vorsatz zur bewussten Fahrlässigkeit gelten allgemein folgende Grundsätze, wie auch der BGH in seiner aktuellen Entscheidung darlegt:
„In rechtlicher Hinsicht ist nach ständiger Rspr. bedingter Tötungsvorsatz gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement).“
„Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.“
Diese Abgrenzung „erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht“
Bisher wurde in ähnlichen Raser-Fällen ein Vorsatz abgelehnt. Das Urteil des LG Berlin sorgte für Aufsehen, da zum ersten Mal ein Schuldspruch gegen rücksichtslose Raser wegen vorsätzlicher Tötung erging. Das LG Berlin entschied dabei sogar auf Mord wegen des Mordmerkmals des gemeingefährlichen Mittels § 211 Abs. 2 StGB. Schließlich hatten die Täter keine Kontrolle mehr über ihre Wagen und gefährdeten Leib und Leben einer Vielzahl von Personen, sodass ihre Wagen im konkreten Fall ein gemeingefährliches Mittel darstellten.
II. Sachverhalt (gekürzt)
Die Angeklagten H und N verabredeten sich gegen 0:30 Uhr, während sie nebeneinander an einer roten Ampel hielten, durch Gesten und dem Spiel mit dem Gaspedal zu einem spontanen Autorennen über den Berliner Kurfürstendamm. Sie überfuhren anschließend mehrere rote Ampeln bis N mit wenigen Metern Vorsprung und einer Geschwindigkeit von mindestens 139 km/h und H mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 km/h trotz roten Ampelsignals in eine Kreuzung einfuhren. Spätestens jetzt war H und N bewusst, dass ein bei grünem Ampelsignal einfahrender Fahrzeugführer bei einer Kollision mit großer Wahrscheinlichkeit sterben würde. In der Kreuzung kollidierte H – absolut unfähig noch zu reagieren – mit dem regelkonform in die Kreuzung einfahrenden W. W verstarb noch am Unfallort. Der Wagen des H drehte sich nach links und kollidierte sodann mit dem neben ihm fahrenden PKW des N. Die Beifahrerin des N wurde dabei erheblich verletzt.
III.  Urteil des BGH
Der BGH hob das Urteil des LG Berlin gleich aus mehreren Gründen auf:
1. Nach Ansicht des BGH konnte aus den tatsächlichen Feststellungen des LAG nicht in schlüssiger Weise ein bedingter Tötungsvorsatz der Angeklagten festgestellt werden. Zwar „ist die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung wesentlicher Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes“, was hier zunächst für eine Bejahung des Vorsatzes spricht. Der BGH betont, dass „die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts […] jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien“ sind. „Vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an.“
Laut BGH spricht insbesondere die mögliche Eigengefährdung der Täter gegen die Annahme eines Tötungsvorsatzes:

„In Fällen einer naheliegenden Eigengefährdung des Täters – wie hier – ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Zwar gibt es keine Regel, wonach es einem Tötungsvorsatz entgegensteht, dass mit der Vornahme einer fremdgefährdenden Handlung auch eine Eigengefährdung einhergeht. Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann aber eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat.“

Wesentliche Indizien sind dabei das täterseitig genutzten Verkehrsmittel und die konkret drohenden Unfallszenarien.

„So kann es sich etwa unterschiedlich auf das Vorstellungsbild des Täters zu seiner Eigengefährdung auswirken, ob er sich selbst in einem Pkw oder auf einem Motorrad befindet und ob Kollisionen mit Fußgängern oder Radfahrern oder mit anderen Pkw oder gar Lkw drohen.“

Das LG Berlin ging davon aus, dass sich Fahrer tonnenschweren, stark beschleunigenden und mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteten Autos überlegen und sicher fühlen und daher jegliches Eigenrisiko ausblenden. Einen solchen Erfahrungssatz gibt es jedoch nach Ansicht des BGH nicht. Gerade aufgrund der objektiv drohenden Kollision mit anderen PKW oder sogar mit Bussen bei mindestens 139 bzw. 160 km/h verstehe sich das Ausblenden der Eigengefährdung auch nicht von selbst.
Zudem erscheint es widersprüchlich, wenn das LG Berlin davon ausgeht, die Täter schlossen eine Eigengefährdung aus, zugleich aber den Vorsatz in Bezug auf eine gefährliche Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung zu Lasten der eigenen Beifahrerin bejahen. Das LG unterstellt den Tätern damit eine unterschiedliche Gefahreneinschätzung bezüglich desselben Fahrzeugs.
2. Außerdem stellte das LG Berlin den Tötungsvorsatz nicht zum Tatzeitpunkt fest. Die Berliner Richter stellten auf den Zeitpunkt ab, als die Angeklagten trotz roter Ampel in die Kreuzung einfuhren, in der sich die tödliche Kollision ereignete. Dies ergibt sich aus der Formulierung „Spätestens jetzt war beiden Angeklagten bewusst, …“. Zugleich stellte das Gericht fest, dass die Angeklagten zu diesem Zeitpunkt aufgrund der hohen Geschwindigkeit absolut unfähig waren, noch zu reagieren und ihnen eine Vermeidung der Kollision nicht mehr möglich war. Der BGH weist zurecht darauf hin, dass „Voraussetzung für die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat […] nach § 16 Abs. 1 StGB [ist], dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei ihrer Begehung kennt“.

„Aus der Notwendigkeit, dass der Vorsatz bei Begehung der Tat vorliegen muss, folgt, dass sich wegen eines vorsätzlichen Delikts nur strafbar macht, wer ab Entstehen des Tatentschlusses noch eine Handlung vornimmt, die in der vorgestellten oder für möglich gehaltenen Weise den tatbestandlichen Erfolg – bei Tötungsdelikten den Todeserfolg – herbeiführt.“

Daraus, dass die Angeklagten zum Zeitpunkt des Tatentschlusses – dem Einfahren auf die Kreuzung – den Erfolgseintritt nicht mehr verhindern konnten, ergibt sich, dass sie die für den Eintritt des Todes kausale Tathandlung bereits vorher getätigt haben. Zum Tatzeitpunkt – dem Autofahren vor dem Einfahren in die Kreuzung – bestand aber kein vom LG festgestellter Vorsatz. Der später gefasste Vorsatz (sog. dolus subsequens) kann keine Strafbarkeit begründen.
3. Auch ging das LG Berlin fehlerhaft von einer mittäterschaftlichen Begehung aus, die für die Strafbarkeit des N wegen Mordes erforderlich ist. Denn festgestellt wurde lediglich der gemeinsame Beschluss zur Durchführung eines spontanen Autorennens. Jedoch setzt ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt voraus, „dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist“, so der BGH. „Für die Annahme eines mittäterschaftlich begangenen Tötungsdelikts reicht es deshalb nicht aus, dass sich die Täter lediglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschließen, durch das ein Mensch zu Tode kommt.“ Eine gemeinschaftliche Sorgfaltsverletzung ist schließlich noch kein gemeinschaftliches Vorsatzdelikt.
IV. Folgen
Ist mit dem Urteil des BGH eine Verurteilung wegen Mordes in Raser-Fällen ausgeschlossen? Nein! Denn der BGH weist selbst an mehreren Stellen seines Urteils darauf hin, dass es stets auf den Einzelfall ankomme. In dem Fall der Ku´damm-Raser wird das LG Berlin nun aller Voraussicht nach einen Tötungsvorsatz verneinen. Denn es wird ihm wohl nicht gelingen, einen Tötungsvorsatz zum Tatzeitpunkt festzustellen. In ähnlich gelagerten Fällen ist eine Strafbarkeit nach § 211 StGB jedoch je nach Umständen des Einzelfalls denkbar. In einer Klausur oder mündlichen Prüfung ist daher stets auf die konkreten Sachverhaltsangaben zu achten und sich mit dieses argumentativ auseinanderzusetzten. Neben der objektiven Gefährlichkeit und der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts ist auch auf die mögliche Eigengefährdung des Täters einzugehen. Gerade in Fällen, in denen eine Kollision des Täters mit anderen PKW oder sogar Bussen oder LKW droht, spricht die sich daraus ergebende Eigengefährdung dafür, dass der Täter auf einen guten Ausgang vertraut und somit kein bedingter Tötungsvorsatz vorliegt. Dies gilt umso mehr, wenn der Täter statt mit einem PKW mit einem Motorrad fährt, wodurch er weniger geschützt ist. Droht eine Kollision dagegen mit Passanten, Fahrradfahrern oder Motorradfahrern, besteht dagegen objektiv eine geringere Eigengefährdung, sodass dann eher ein bedingter Tötungsvorsatz angenommen werden kann. Es ist zudem darauf zu achten, ob der Täter den nötigen Vorsatz bereits zu einem Zeitpunkt hatte, zu dem er noch den Erfolgseintritt beeinflussen konnte. Auch sollte, falls in einem entsprechenden Fall der Todeserfolg ausbleibt, nicht vergessen werden, einen versuchten Mord zu prüfen.
V. Weitere Straftatbestände
Wenn wie hier neben dem Todesopfer eine weitere Person verletzt wird, ist außer der Strafbarkeit aus vorsätzlichen oder bei Ablehnung des Tötungsvorsatzes aus fahrlässigem Tötungsdelikt eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5 StGB (falls ein gemeinschaftliches Handeln vorliegt, auch nach Nr. 3) zu prüfen. Es kommt zudem eine Strafbarkeit nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB in Betracht, insbesondere lit. a) und d). § 315b Nr. 3 StGB scheidet mangels pervertierter Nutzung des Autos als Waffe aus, da die Nutzung als Fortbewegungsmittel im Vordergrund steht und ein bloß riskantes Fahren im Rahmen des § 315b StGB nicht ausreicht. Seit dem 13.10.2017 besteht zudem eine Strafbarkeit gemäß dem neu eingeführten § 315d StGB. Bei Verursachung eines Todesfalls greift die Qualifikation des Abs. 5 ein, die keinen Tötungsvorsatz erfordert.

07.06.2018/2 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2018-06-07 10:00:332018-06-07 10:00:33BGH: Aufhebung des Mordurteils für Ku’damm-Raser
Redaktion

Schemata: Straßenverkehrsdelikte

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Schemata: Straßenverkehrsdelikte

A. § 315b StGB – Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr

  • Konkretes Gefährdungsdelikt
  • Funktion der Abwehr verkehrsfremder Eingriffe

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Objektiver Tatbestand

a) Handlungsteil: Verkehrsfremder Eingriff nach Abs. 1, d.h. der Eingriff in den Straßenverkehr muss von außen erfolgen.

– Nr. 1: Zerstören, beschädigen oder beseitigen von Anlagen oder Fahrzeugen
– Nr. 2: Bereiten eines Hindernisses
– Nr. 3: Vornahme eines ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriffs

– Grds. muss der Eingriff auch hier von außen erfolgen.
– Ausnahmsweise ist auch ein Eingriff von innen (d.h. durch einen Verkehrsteilnehmer) möglich durch ein bewusst verkehrswidriges Verhalten:

– Grds. ist in diesem Fall § 315c StGB vorrangig.
– Ausnahmsweise bei einem sog. „pervertierten Verkehrsvorgang“ greift § 315b I Nr. 3 StGB ein. Ein solcher liegt vor, wenn der Verkehrsteilnehmer den Straßenverkehr grob verkehrswidrig beeinträchtigt, dabei in verkehrsfeindlicher Absicht handelt (d.h. sein Fahrzeug primär als Schädigungsmittel einsetzt) und die Schädigung des Ofens dabei billigend in Kauf nimmt.

b)  Gefährdungsteil: Eintritt einer konkreten Gefahr für

aa) Leib oder Leben eines anderen Menschen oder

bb) Fremde Sachen von bedeutenden Wert

c)  Zurechnungszusammenhang: Die der Tathandlung inne wohnende Gefährlichkeit muss sich im Eintritt des Gefahrenerfolgs realisiert haben.

2. Subjektiver Tatbestand

a)  Abs. 1: Grds. jedenfalls bedingter Vorsatz bzgl. der Handlung und der Gefahr
b)  Abs. 4: Es genügt auch die fahrlässige Herbeiführung der Gefahr bei vorsätzlicher Handlung.
c)  Abs. 5: Es genügt auch Fahrlässigkeit bzgl. der Handlung und der Gefahr.

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

 
B. § 315c StGB – Gefährdung des Straßenverkehrs

  • Konkretes Gefährdungsdelikt
  • Vorschriftswidriges Verkehrsverhalten im fließenden und ruhenden Verkehr „Sieben Todsünden“ des Straßenverkehrs

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Objektiver Tatbestand

a) Handlungsteil:

aa ) Nr. 1a: Führen eines Fahrzeugs im Zustand einer rausch- und insbesondere alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit
bb) Nr. 1b: Führen eines Fahrzeugs im Zustand einer infolge geistiger oder körperlicher Mängel bestehenden Fahruntüchtigkeit
cc) Nr. 2 a-g Grobe Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit („7 Todsünden“)
– Verstoß gegen eine in der StVO normierte Pflicht.
– Grob verkehrswidrig handelt, wer objektiv in besonders schwerem Maße gegen eine Verkehrsvorschrift verstößt.
– Rücksichtslos handelt, wer sich bewusst aus eigensüchtigen Motiven über die ihm bewusste Pflicht zur Vermeidung von Gefahren hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit keine Bedenken gegen das eigene Verhalten aufkommen lässt.

b)  Gefährdungsteil: Eintritt einer konkreten Gefahr für

aa) Leib oder Leben eines anderen Menschen
bb) oder fremde Sache von bedeutendem Wert (wohl ab 750€)

c)  Zurechnungszusammenhang zwischen Handlung und Gefahr

2. Subjektiver Tatbestand

a)  Abs. 1: Grds. jedenfalls bedingter Vorsatz bzgl. Handlung und Gefahr
b)  Abs. 3 Nr. 1: Es genügt auch Fahrlässigkeit bzgl. der Herbeiführung der Gefahr
c)  Abs. 3 Nr. 2: Es genügt auch Fahrlässigkeit bzgl. der Handlung und der Gefahr.

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

 
C. § 316 StGB – Trunkenheit im Verkehr

  • Abstraktes Gefährdungsdelikt
  • Formell subsidiär zu § 315a StGB und § 315c StGB
  • Eigenhändiges Delikt

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Objektiver Tatbestand

a)  Führen eines Fahrzeugs

b)  Im Verkehr

aa) alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit
Für Kraftfahrer: Grenzwert 1,1 Promille zur Tatzeit
Für Radfahrer: Grenzwert h.M. 1,6 Promille

bb) alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit
h.M. oberhalb von 0,3 Promille + Ausfallerscheinungen, die alkoholtypisch sind

2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz oder Fahrlässigkeit

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

 

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

23.02.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-02-23 10:00:322017-02-23 10:00:32Schemata: Straßenverkehrsdelikte
Dr. Stephan Pötters

Aktuelle Fälle zum Verkehrsrecht 2013

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Verkehrsrecht im Examen
Das Verkehrsrecht ist vor allem für das 2. Staatsexamen schon allein aufgrund der Fallzahl in der Praxis ein absoluter Dauerbrenner. Zudem lassen sich hier ideal materiell-rechtliche Probleme mit prozessualen Klassikern (z.B. Widerklage und Drittwiderklage gegen Versicherung) und Fragen des Beweisrechts (Anscheinsbeweise, Beweislastfragen, Beweiswürdigung von Zeugenaussagen etc.) verbinden. Neue Fälle und Entwicklungen im Verkehrsrecht sollten daher von Referendaren besonders aufmerksam beobachtet werden.
In der nachfolgenden Übersicht werden einige aktuelle examensrelevante Urteile aus dem vergangenen Jahr dargestellt.
OLG Koblenz: Haftung bei Kollision mit Schüler bei Überholen von Schulbus
Das OLG Koblenz (Urteil vom 12.08.2013 – 12 U 806/11) hatte über die Haftungsquote bei einem Verkehrsunfalls zu entscheiden, bei dem ein Pkw-Fahrer mit etwa 20 km/h an einem mit Warnblinklicht haltenden Schulbus vorbeigefahren war und mit einem Schüler, der von der anderen Straßenseite zum Bus lief, kollidiert ist. Das OLG ging von einer Haftungsquote von 75 % / 25 % zulasten des Autofahrers aus. In den Schutzbereich des § 20 Abs. 4 StVO fallen alle Fahrgäste, gleich aus welcher Richtung sie über die Straße zum Bus laufen. Damit ist ein Kraftfahrer verpflichtet, bei Annäherung an einen mit eingeschalteter Warnblinkanlage in einer Haltebucht stehenden Schulbus auch die Gegenfahrbahn zu beobachten, um rechtzeitig auf einen querenden Fußgänger reagieren zu können.  § 20 Abs. 4 StVO erfordert ein Herabsetzen der Geschwindigkeit auf 4 – 7 km/h bereits beim Vorbeifahren an einem mit Warnblinkleuchten ausgestatteten Bus, nicht erst, wenn ein Fußgänger sichtbar wird. Ein Kfz-Fahrer muss in der Situation, dass ein Bus mit eingeschalteter Warnblinkleuchte an einer Haltebucht steht, mit Personen rechnen, die den Bus noch erreichen wollen und deshalb den direkten Weg über die Straße wählen. Er kann nicht darauf vertrauen, dass die Fahrgäste eine Fußgängerfurt benutzen werden. Das Mitverschulden des geschädigten Schülers ist mit 25 % hinreichend berücksichtigt. § 20 Abs. 4 StVO schützt gerade auch unachtsame Fußgänger, die wegen des wartenden Busses nicht auf den Verkehr achten. Ein Kfz-Fahrer muss, alarmiert durch die eingeschaltete Warnblinkanlage, sein Augenmerk besonders auf querende Fußgänger richten, gerade morgens, wenn Schüler zum Schulbus laufen. Auch dass der Geschädigte nicht über die Fußgängerfurt gegangen, sondern direkt über die Straße zum Bus gelaufen ist, erhöht seine Mithaftung nicht. Die Fußgängerfurt war ein ganzes Stück entfernt. Ein Kfz-Fahrer muss in der Situation, dass ein Bus mit eingeschalteter Warnblinkleuchte an einer Haltebucht steht, mit Personen rechnen, die den Bus noch erreichen wollen und deshalb den direkten Weg über die Straße wählen. Er kann nicht darauf vertrauen, dass die Fahrgäste die Fußgängerfurt benutzen werden.
OLG Hamm: Haftung bei Überholen einer Fahrzeugkolonne
Das OLG Hamm entschied (Urteil vom 09.07.2013 – 9 U 191/12 ), dass beim Überholen einer Fahrzeugkolonne der Überholer haften muss, wenn es zu einer Kollision mit dem ersten, nach links in ein Grundstück abbiegenden Fahrzeug der Kolonne beziehungsweise mit einem „Lückenabbieger“ aus einer wartepflichtigen Querstraße kommt. In beiden Fällen ging das Gericht von einer Quote von 2/3 zu 1/3 zulasten des Überholers aus, im einen Fall mit Hinweis auf ein Überholen bei unklarer Verkehrslage, im anderen Fall wegen Verletzung des Rücksichtnahmegebots gegenüber dem „Lückenabbieger“.
OLG Hamm: Anschnallkontrolle bei Mitnahme von Kindern
Das OLG Hamm hat entschieden (Beschluss vom 05.11.2013 – 5 RBs 153/13, s. hierzu unseren ausführlichen Beitrag), dass der Führer eines Kraftfahrzeuges dafür Sorge zu tragen hat, dass ein im Fahrzeug befördertes Kind während der gesamten Fahrt vorschriftsmäßig gesichert ist und dies vor allem auch bleibt. Autofahrern, die Kinder befördern, wird nach der Entscheidung auferlegt, während der gesamten Fahrt zu kontrollieren, ob das Kind auch angeschnallt bleibt. Es genügt also nicht, lediglich zu Beginn der Fahrt zu überprüfen, ob das Kind angeschnallt war.
OLG Hamm: Amtshaftung bei Schlagloch auf Autobahn

Das OLG Hamm (Urteil v. 15.11.2013 – 11 U 52/12) hat einen Amtshaftungsanspruch gegen das Land NRW wegen Schäden, die durch eine Schlagloch auf einer Autobahn verursacht wurden, bejaht. Das Schlagloch war im Bereich eines für den Baustellenbetrieb verschlossenen Gullyschachtes entstanden. Um den Standstreifen für den Verkehr befahrbar zu machen, hatte der für das beklagte Land handelnde Landesbetrieb Straßenbau NRW die zu überfahrenden Gullyschächte mit Eisendeckeln versehen und mit einer bituminösen Masse sowie mit einer Asphaltschicht auffüllen lassen. Im Bereich der Unfallstelle war diese Füllung zum Teil herausgebrochen, wodurch das Schlagloch entstanden war. Dem Kläger steht nach Ansicht des OLG ein Anspruch gem. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG und §§ 9, 9 a Abs. 1 StrWG NRW auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.198,58 € sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 272,87 € zu, weil das beklagte Land im Zuge der im Mai 2010 auf der BAB 52 in Höhe der Anschlussstelle Gelsenkirchen-Buer-West durchgeführten Straßenbauarbeiten die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt habe und dem Kläger dadurch ein Schaden in der vorgenannten Höhe entstanden sei. Das Schlagloch sei die Folge einer vom Landesbetrieb zu verantwortenden, vermeidbaren Gefahrenquelle. Die vom Landesbetrieb vorgegebene Ausführung zum Verschließen des Gullyschachtes habe selbst bei fachgerechter Ausführung ein nicht abschätzbares Risiko beinhaltet, dass die Schachtabdeckung durch das auf dem betreffenden Streckenabschnitt der BAB zu erwartende hohe Verkehrsaufkommen beschädigt werde. Dabei hätten andere, sichere Methoden wie das Herstellen provisorischer Schachtabdeckungen aus Schnellbeton zur Verfügung gestanden. Die Verkehrssicherungspflichtverletzung habe der Landesbetrieb zu vertreten. Die verschiedenen Möglichkeiten zur Herstellung von provisorischen Schachtabdeckungen und ihre Vor- bzw. Nachteile müssten der Fachbehörde bekannt sein. Ein Mitverschulden falle dem Kläger nicht zur Last, weil die unfallursächliche Schadstelle für ihn praktisch nicht zu erkennen gewesen sei.

AG München: Haftung bei Parken in zweiter Reihe
Das AG München (Urteil v. 26.03.2013, 332 C 32357/12) hat entschieden, dass beim Parken eines PKW in zweiter Reihe der Verkehr beeinflusst wird, so dass der Eigentümer des Autos einen Teil seines Schadens nach den Grundsätzen der Betriebsgefahr selbst zu tragen hat, falls ein anderer PKW gegen das geparkte Auto fährt und es dadurch beschädigt (§ 17 StVG). Auch ein (falsch) parkendes Fahrzeug kann also einen Unfall „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ i.S.v. § 7 StVG verursachen.
OLG Hamm: Keine Verkehrssicherungspflicht bei unberechtigtem Betreten von abgesperrter Baustelle
Das OLG Hamm hat entschieden (Beschluss vom 29.10.2013, I-9 U 135/13), dass auf einer durch Schranken und Verkehrszeichen abgesperrten Baustelle die dort zu beachtenden Verkehrssicherungspflichten auf die Personen beschränkt sind, die sich berechtigterweise in dem Baustellenbereich aufhalten.
OLG Hamm: Haftung für Nichtaufstellen eines Warndreiecks bei Autopanne

Das OLG Hamm hat entschieden (Urteil vom 29.10.2013 – 26 U 12/13), dass eine Haftungsquote von 50% angenommen werden kann, wenn jemand bei einem Nothalt auf der Autobahn kein Warndreieck aufstellt und ein anderer Verkehrsteilnehmer aus Unaufmerksamkeit auffährt.

LG Köln: Mitverschulden eines Motorradfahrers bei fehlender Schutzkleidung
Das LG Köln hat entschieden, dass das Nichttragen einer ausreichenden Schutzkleidung regelmäßig dazu führt, dass sich der geschädigte Motorradfahrer ein anspruchsminderndes Mitverschulden allein aus diesem Umstand entgegenhalten lassen muss (LG Köln, 15.05.2013 – 18 O 148/08; im Anschluss an OLG Brandenburg, 23.07.2009 – 12 U 29/09; entgegen OLG Nürnberg, 09.04.2013 – 3 U 1897/12). Dies gilt jedoch nicht, wenn sich die fehlende Schutzkleidung nicht kausal auf die von dem Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen ausgewirkt hat.
AG München: Geltung der StVO in Tiefgaragen
Das AG München hat entschieden, dass die StVO grundsätzlich auch in Tiefgaragen gilt (Urteil vom 13.02.2013 – 343 C 26971/12). Ein Hinweisschild auf die Geltung der StVO sei nicht erforderlich.
OLG Hamm: Vorfahrtsregeln bei Kreisverkehr mit Fahrradweg

Nach einer Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 17.07.2012 – 9 U 200/11) ist ein Radfahrer wartepflichtig, wenn er auf einem neben einem Kreisverkehr geführten Radweg das Verkehrszeichen „Vorfahrt gewähren“ zu beachten hat und eine Zufahrtstraße zum Kreisverkehr queren will. Das gilt selbst dann, wenn die Autofahrer vor dem Radweg und dem Erreichen des Kreisverkehrs selbst das Zeichen „Vorfahrt gewähren“ in Kombination mit dem Zeichen „Kreisverkehr“ passieren müssen.

31.01.2014/0 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2014-01-31 10:00:362014-01-31 10:00:36Aktuelle Fälle zum Verkehrsrecht 2013
Dr. Christoph Werkmeister

OLG Hamm: Sorgfaltspflichten eines Autofahrers bei Mitnahme von Kindern

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Das OLG Hamm hat kürzlich eine examensrelevante Entscheidung zu den Verkehrssicherungspflichten von Autofahrern gefällt (Beschluss vom 05.11.2013 – 5 RBs 153/13). Hiernach hat der Führer eines Kraftfahrzeuges dafür Sorge zu tragen, dass ein im Fahrzeug befördertes Kind während der gesamten Fahrt vorschriftsmäßig gesichert ist und dies vor allem auch bleibt. Autofahrern, die Kinder befördern, wird nach der Entscheidung auferlegt, während der gesamten Fahrt zu kontrollieren, ob das Kind auch angeschnallt bleibt. Es genügt also nicht, lediglich zu Beginn der Fahrt zu überprüfen, ob das Kind angeschnallt war.
Grundsätzlich ist jeder Mitfahrer selbst verantwortlich
Das OLG Hamm stellte zwar fest, dass es im Regelfall dem jeweiligen Mitfahrer obliegt, sich anzuschnallen. Bei schutzbedürftigen Mitfahrern, wie etwa Kindern, treffe den Fahrzeugführer aber eine besondere Fürsorgepflicht. Deswegen müsse er auf deren vorschriftsmäßige Sicherung achten und dies während der gesamten Fahrt kontrollieren. Der Fahrzugführer ist deshalb gehalten, regelmäßig zu prüfen, ob das Kind sich nicht während der Fahrt abgeschnallt hat. Sofern der Fahrzeugführer bemerkt, dass sich das Kind abgeschnallt hat, hat er nach Auffassung des OLG Hamm die Fahrt zu stoppen und die Sicherung wiederherzustellen.
Darüber hinaus könne ein Fahrzeugführer im Einzelfall sogar gehalten sein, seine Route so zu wählen, dass er nur solche Straßen befahre, auf denen er sich regelmäßig nach einem zu sichernden Kind umsehen und erforderlichenfalls sofort anhalten könne. Ausnahmsweise könne der Fahrzeugführer sogar verpflichtet sein, die Sicherung eines beförderten Kindes durch eine mitgenommene Begleitperson zu gewährleisten.
Berücksichtigung beim (Mit)Verschulden
Die vom OLG Hamm aufgestellten Wertungen lassen sich wunderbar in eine Examensklausur verpacken. Man stelle sich vor, der Fahrzeugführer ist in einen Unfall verwickelt und es kommt zu Schäden bei dem mitfahrenden Kind, das sich während der Fahrt abgeschnallt hat. Sofern das Kind deliktische Ansprüche gegen den Fahrer (oder gegen den anderen Unfallbeteiligten) geltend macht, wird die hier geschilderte Problematik bei der Mitverursachung nach § 254 Abs. 1 BGB eine Rolle spielen. An dieser Stelle kann dann zugunsten des Kindes argumentiert werden, sofern es der Fahrer unterlassen hat auch während der Fahrt zu prüfen, ob das Kind angeschnallt war.
Zudem kann die Problematik beim Verschulden relevant werden, sofern  man ein schädigendes Verhalten des Fahrers darin sieht, dass dieser es unterlassen hat, darauf zu achten, ob das Kind auch während der Fahrt angeschnallt war. Nach Auffassung des OLG Hamm stellt die unterlassene Aufsicht (oder unter Umständen sogar bereits das Unterlassen, Begleitpersonen für die Kontrolle hinzuzuziehen) eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht dar, womit eine fahrlässige Verletzungshandlung zu bejahen wäre.
Haftung von Eltern
Sofern es sich bei dem Fahrer um einen Elternteil des verletzten Kindes handelt, ist im Hinblick auf das Verschulden zudem § 1664 Abs. 1 BGB zu beachten. Hiernach haften Eltern eines Kindes bei der Ausübung der elterlichen Sorge nur für die eigenübliche Sorgfalt, sprich die sog. diligentia quam in suis nach § 277 BGB. Sofern § 1664 BGB anwendbar sein sollte, käme eine Haftung der Eltern damit im Regelfall nur bei grober Fahrlässigkeit in Betracht.
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die eigenübliche Sorgfalt gerade nicht im Straßenverkehr gelten soll. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist bei der Teilnahme am Straßenverkehr nämlich im Grundsatz kein Raum für eine eigenübliche Sorgfalt (vgl. etwa BGH, NJW1967, 558). Dogmatisch lässt sich ein solches Ergebnis durch eine teleologische Reduktion des § 277 BGB konstruieren, denn die Besonderheiten und Gefahren des Straßenverkehrs gebieten, dass bei Haftungsfällen in diesem Kontext ein objektiver Haftungsmaßstab gelten muss. Ein subjektiver, auf die Veranlagung und das gewohnheitsmäßige Verhalten des Handelnden abstellender Maßstab wird der Situation im Straßenverkehr hingegen regelmäßig nicht gerecht (vgl. Werkmeister, NJW 2012, 1820). Bei der gegenständlichen Konstellation, bei der es die Eltern unterließen, zu prüfen, ob das Kind angeschnallt war, lässt sich indes gut vertretbar gegen die Übertragbarkeit der vorgenannten Rechtsprechung des BGH argumentieren. Die vom Fahrer verletzte Sorgfaltspflicht bezieht sich nämlich nicht unmittelbar auf die Sicherheit im Straßenverkehr, sondern stellt eher eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Kind dar. Wenn nämlich das Kind nicht angeschnallt ist, sind die anderen Teilnehmer im Straßenverkehr genauso sicher, wie sie es bei angeschnalltem Gurt wären.
Sofern man sich in dieser Hinsicht also für eine Anwendbarkeit des verringerten Haftungsmaßstabes nach §§ 1664, 277 BGB zugunsten der Eltern entscheidet, stellen sich bei Verkehrsunfallskonstellationen zusätzlich noch Probleme rund um die gestörte Gesamtschuld. Dies ergibt sich daraus, dass dem Kind zum einen Ansprüche gegen den Elternteil (als Fahrer) und zum anderen gegen den Unfallverursacher zustehen können. Die Handhabe derartiger Konstellationen haben wir bereits eingehender in diesem Beitrag behandelt. Das Grundlagenwissen zur Thematik der gestörten Gesamtschuld findet ihr hier. Für den Prüfungsaubau ist an dieser Stelle noch relevant, dass nach wohl h.M. § 1664 BGB auch als eigene Anspruchsgrundlage gegen die Eltern geprüft werden kann. Da es keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Aufbaufrage gibt, ist es indes genauso vertretbar, §§ 1664, 277 BGB (wie hier suggeriert) im Rahmen des Verschuldens (etwa bei § 823 Abs. 1 BGB) zu prüfen.
Examensrelevanz
Der kursorische Problemaufriss zeigt, dass Sachverhalte, bei denen Kinder in Kraftfahrzeugen mitfahren, einige haftungsrechtliche Probleme mit sich bringen. Die Rechtsprechung des OLG Hamm macht darüber hinaus deutlich, dass neben den bekannten Anknüpfungspunkten ebenfalls eine Haftung des Fahrers wegen Unterlassen der regelmäßigen Kontrolle des Kindes während der Fahrt in Betracht kommen kann.

06.01.2014/5 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2014-01-06 08:16:412014-01-06 08:16:41OLG Hamm: Sorgfaltspflichten eines Autofahrers bei Mitnahme von Kindern
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuelle examensrelevante verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit weiterführenden Hinweisen

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verwaltungsrecht

In den letzten Tagen sind erneut eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemkreisen durch die verwaltungsgerichtliche Judikatur gegangen (siehe zur Examensrelevanz der aktuellen Judikatur hier). Kandidaten, für die bald die mündliche Prüfung ansteht, sollten sich deshalb mit den im Folgenden genannten Problemkreisen einmal kurz auseinandergesetzt haben. Daneben ist es zumindest denkbar, dass die folgenden Sachverhalte zu gegebener Zeit auch als Aufhänger in Klausuren für das erste sowie zweite Staatsexamen Eingang finden werden.
Da die Pressemitteilungen der genannten Fälle die jeweils einschlägige Problematik bereits ausreichend erläutern, werden im Folgenden lediglich Auszüge aus den respektiven Mitteilungen zitiert, wobei jeweils am Ende auf weiterführende Lektüre hingewiesen wird.
VG Neustadt: Gewerberechtliche Untersagung einer „Seitensprungagentur“ (Beschluss vom 21.12.2012 – 4 L 1021/12.NW)

Der Antragsteller betrieb in Ludwigshafen eine sogenannte Seitensprungagentur nebst Partnervermittlung, ohne das Gewerbe angemeldet zu haben. Kunden übergab er gegen Entgelt eine Liste mit Telefonnummern von angeblich an Seitensprüngen oder einer näheren Beziehung interessierten Frauen. In der Folgezeit beschwerte sich bei der Stadt eine Frau über zunehmende telefonische Belästigungen von Männern. Sie habe dem Antragsteller ihre Daten nicht zur Verfügung gestellt. Eine Bundeszentralregisterauskunft ergab, dass der Antragsteller im Zeitraum 1997 – 2011 in 13 Fällen zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt worden war. Die Stadt untersagte diesem daraufhin wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit die Ausübung der Seitensprungagentur und ordnete die sofortige Vollziehung an.
Bei der Ausübung einer «Seitensprungagentur» handelt es sich nach dem VG wegen der Schutzbedürftigkeit der Kunden und der Missbrauchsanfälligkeit um ein nach der Gewerbeordnung besonders überwachungsbedürftiges Gewerbe („Vermittlung von Eheschließungen, Partnerschaften und Bekanntschaften“, vgl. § 38 Abs. 1 Nr. 3 GewO). Nach dem Gesamteindruck des bisherigen Verhaltens des Antragstellers fehle diesem jedoch die erforderliche Zuverlässigkeit für die Ausübung eines solchen Gewerbes. Er sei in der Vergangenheit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zwar hätten die meisten der 13 im Bundeszentralregister eingetragenen Straftaten keinen Gewerbebezug. In ihrer Häufigkeit zeigten diese aber, dass der Antragsteller dazu neige, in strafbewehrter Weise die Rechtsordnung zu verletzen. Durch das bisherige gewerbliche Verhalten des Antragstellers sieht das VG die sich aufdrängende Prognose eines künftig rechtswidrigen Verhaltens bei der Ausübung des Gewerbes bestätigt. So habe er den Gewerbebetrieb erst angemeldet, nachdem ihn die Stadt dazu aufgefordert habe. Aus den Akten ergebe sich ferner, dass der Antragsteller Telefonnummern von Damen an potentielle Kunden weitergegeben habe, die ihm diese nicht zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt hätten.

Anmerkung: Das Gewerberecht ist äußerst häufig Gegenstand von Examensklausuren. Zum besseren Verständnis und zur Einordnung der hiesigen Entscheidung, empfiehlt sich insofern die Lektüre des „Mini-Crashkurses Gewerbeordnung“. Im Übrigen ergingen erst kürzlich andere äußerst examensrelevante Entscheidungen zum Rechtsbegriff der Zuverlässigkeit – dies jedoch in einem anderen Kontext, nämlich dem Schornsteinfegerrecht, siehe dazu hier).
VGH Mannheim: Disziplinarische Maßnahme gegen Pfarrer gerichtlich nicht überprüfbar (Beschluss vom 18.12.2012 – 4 S 1540/12)

Einem katholischen Pfarrer im Ruhestand wurde vorgeworfen, in den 1960er Jahren sexuelle Handlungen an Minderjährigen vorgenommen zu haben. Der Bischof erteilte ihm mit Dekret vom 22.06.2011 nach kanonischem Recht einen Verweis und fügte dem eine Buße hinzu. Insoweit erlegte er dem Antragsteller eine 20-prozentige Kürzung seiner Bezüge auf.
Das Gericht nahm an, dass die kirchenrechtliche Gehaltskürzung als disziplinarische Maßnahme nach kanonischem Recht nicht der Kontrolle durch ein staatliches Gericht unterliegt. Zwar sei es den öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften überlassen, für Streitigkeiten aus den Rechtsverhältnissen ihrer Beamten und Seelsorger den Rechtsweg zu staatlichen Verwaltungsgerichten wie bei Klagen staatlicher Beamter zu eröffnen. Eine solche kirchenrechtliche Rechtswegzuweisung gebe es hier aber nicht. Den Kirchen sei das Recht zur eigenständigen Ordnung und Gestaltung ihrer inneren Angelegenheiten verfassungsrechtlich gewährleistet. Soweit dieses Selbstbestimmungsrecht reiche, unterlägen sie nicht der staatlichen Gerichtsbarkeit. Das gelte insbesondere für die Art und Weise, in der die Kirche ihren geistlich-religiösen Auftrag auffasse und erfülle. Insoweit gehöre auch das Dienstrecht der Geistlichen zum Kernbereich innergemeinschaftlicher Angelegenheiten der Kirchen. Diesbezügliche Entscheidungen der Kirchen und Kirchengerichte seien von den staatlichen Gerichten hinzunehmen.
Auch die Justizgewährungspflicht des Staates und das Rechtsstaatsprinzip ermächtigten staatliche Gerichte nicht, über kircheninterne Maßnahmen zu entscheiden, heißt es im Beschluss weiter. Denn die nach kanonischem Recht als Werk der Caritas auferlegte Buße in Gestalt einer Gehaltskürzung sei eine solche rein innerkirchliche Maßnahme als Folge eines innerkirchlichen Pflichtenverstoßes des Antragstellers. Das Disziplinarrecht der Kirchen wurzele als Teil ihres Amtsrechts in ihrem geistlichen Wesen und bilde einen Kern ihres Selbstbestimmungsrechts.

Anmerkung: Der hier dargestellte Sachverhalt eignet sich – aufgrund der Verneinung des Verwaltungsrechtswegs – weniger für eine Examensklausur. Wahrscheinlicher ist, dass dieser Sachverhalt im Rahmen von mündlichen Prüfungen abgefragt wird. Die Entscheidung ist insofern besonders interessant, da im Querschnitt noch weitere aktuelle Entwicklungen, etwa im kirchlichen Arbeitsrecht, in das Gespräch mit einfließen können (siehe dazu hier). Gleichzeitig bietet sich der Fall für den Prüfer als Eingangstor an, um verwaltungs- sowie verfassungsrechtliche Fragestellungen rund um die Religionsfreiheit zu erörtern (siehe dazu aktuell etwa hier).
VG Neustadt: Zur Entziehung der Fahrerlaubnis in einem Sonderfall (Urteil vom 18.12.2012 – 1 L 986/12.NW)

Der Antragsteller besitzt nur die Fahrerlaubnis für die Klassen M, L und S […]. Er fährt dementsprechend ein Elektrofahrzeug, dessen Geschwindigkeit auf 45 km/Std. beschränkt ist. Nach einem Unfallgeschehen mit dem Fahrzeug im Straßenverkehr wurde er mit rechtskräftigem Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt wegen Verkehrsunfallflucht und fahrlässiger Körperverletzung. Im Verkehrszentralregister wurden dafür 12 Punkte eingetragen und er nach dem im Punktesystem vorgesehenen Maßnahmenkatalog verwarnt. Die Straßenverkehrsbehörde forderte ihn darüber hinaus auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten über seine Fahreignung vorzulegen und entzog ihm, nachdem er das Gutachten nicht vorlegte, die Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zum Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr und ordnete den sofortigen Vollzug an.
Nach Auffassung des Gerichts hat die Behörde das medizinisch-psychologische Gutachten nicht rechtmäßig angefordert, deshalb dürfe sie aus der unterbliebenen Vorlage des Gutachtens nicht den Schluss ziehen, dass der Antragsteller zum Führen von Fahrzeugen ungeeignet sei. Bei der Anordnung des Gutachtens habe sie ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt und sei nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls eingegangen. Diese bestünden hier darin, dass der Antragsteller im Unterschied zum Regelfall eines Kraftfahrers nur deutlich in der Geschwindigkeit reduzierte Fahrzeuge führen dürfe und nach seinen Angaben zudem nur einen eingeschränkten örtlichen Bereich befahre. Außerdem sei bei der Ermessensausübung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er durch die Verwarnung und den Strafbefehl nachdrücklich im Hinblick auf seine Pflichten als Verkehrsteilnehmer ermahnt worden sei. Der Gesetzgeber gehe grundsätzlich davon aus, dass die abgestuften Maßnahmen nach dem Punktekonto im Verkehrszentralregister ausreichend seien, auch dies habe in die Ermessenserwägungen mit einbezogen werden müssen.

Anmerkung: Fälle zur Entziehung des Führerscheins werden durchaus Gegenstand von Examensklausuren. Zum Verständnis des einschlägigen Rechtsrahmens, der FeV sowie dem StVG, sei aus diesem Grund auf einen weiterführenden Beitrag verwiesen.

11.01.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-01-11 15:30:092013-01-11 15:30:09Aktuelle examensrelevante verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit weiterführenden Hinweisen
Dr. Christoph Werkmeister

BGH zur Mitverursachung eines Unfalls bei Nichtanlegen des Sicherheitsgurts

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Zivilrecht, Zivilrecht

Der BGH entschied gestern einen äußerst examensrelevanten Fall, bei dem es um die Mitverursachung eines Unfalls beim Nichtanlegen des Kfz-Sicherheitsgurts  ging (Az. VI ZR 10/11).
Sachverhalt (vereinfacht)
Die A befuhr mit ihrem Pkw nachts eine Autobahn und verlor aus ungeklärten Gründen die Kontrolle über ihr Fahrzeug. Ihr Fahrzeug geriet ins Schleudern, stieß gegen eine Leitplanke und kam auf der linken Fahrspur unbeleuchtet zum Stehen. Kurz darauf prallte der B, der mit eingeschaltetem Abblendlicht gefahren war, auf das Fahrzeug der A. Diese wurde schwer verletzt. Die A war bei dem Zweitunfall nicht angeschnallt. Die A fordert Schadensersatz von B.
Gegenseitige Ansprüche nach § 7 Abs. 1 StVG
Die Vorinstanz billigte der A dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gemäß § 7 Abs. 1 StVG zu. Fraglich ist jedoch, ob dieser Anspruch wegen einer Mitverursachung durch die A gekürzt werden konnte.
Vorliegend gilt es nämlich zu berücksichtigen, dass die A dem B genauso nach § 7 Abs. 1 StVG haften würde. Auch das Fahrzeug der A war i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG „in Betrieb“, obwohl das Fahrzeug stand und sich nach dem Unfall auch nicht mehr bewegte. Beim Betrieb eines Fahrzeuges hat sich der Unfall schließlich bereits dann ereignet, wenn sich eine Gefahr realisiert, die mit dem Fahrzeug als Verkehrsmittel verbunden ist. Der Begriff „bei dem Betrieb“ ist dabei weit zu fassen. Ein Kfz ist demnach in Betrieb, solange es sich im Verkehr befindet und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden können. Es genügt dabei auch ein naher zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang. Mithin genügt es, dass sich eine vom Kfz ausgehende Gefahr verwirklicht. Ein Unfallwagen, der auf dem Seitenstreifen liegen bleibt, befindet sich noch in einem räumlichen Zusammenhang zur Autobahn. Das Fahrzeug der A bewegt sich zwar nicht, jedoch gehen immer noch die typische fahrzeugspezifische Gefahren von dem Wagen aus.
Anmerkung: Das Urteil des BGH ist noch nicht im Volltext verfügbar. Die derzeit erhältliche Pressemitteilung lässt nicht durchblicken, ob  der BGH eine Haftung der A aus § 7 Abs. 1 StVG bejaht hat. Sofern eine solche Haftung entgegen der oben geäußerten Ansicht verneint würde, wären die folgenden Ausführungen nicht auf Ebene des § 17 StVG, sondern bei § 254 BGB zu berücksichtigen.
Auch die Ausnahmevorschrift für langsam fahrende Fahrzeuge nach § 8 Nr. 1 StVG kann vorliegend nicht greifen, da nur solche Fahrzeuge vom Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 StVG ausgenommen sind, die konstruktionsbedingt weniger als 20 km/h fahren.
Haftungsquotelung
Sofern zwei Fahrzeughalter sich jeweils nach § 7 Abs. 1 StVG verpflichtet sind,  greift die Vorschrift des § 17 Abs 2 StVG. Diese Vorschrift stellt eine Sonderregelung im Verhältnis zu § 254 Abs 1 BGB dar und gebietet eine Haftungsquotelung zwischen den Fahrzeughaltern. § 9 StVG, der auf § 254 BGB verweist, ist bei solchen Fällen hingegen nicht einschlägig.
Gemäß § 17 Abs. 2 StVG ist grundsätzlich von einer Haftungsquote von 50:50 auszugehen. Dies ergibt sich daraus, dass beide Halter zumindest für die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs einzustehen haben. Die standardmäßige Haftungsquote nach § 17 Abs. 2 StVG kann jedoch durch eine Haftungsabwägung verschoben werden (wodurch u.U. auch ein vollständiger Ausschluss des Anspruchs bewirkt wird). In diese Abwägung werden die jeweiligen Verursachungsanteile gegeneinander abgewogen. Nur, wenn Gewichtsunterschiede nicht festzustellen sind, ergibt sich die vorgenannte Haftungsquote von 50% auf Basis der gegeneinader anzuführenden Betriebsgefahr.
Anmerkung: Die vorgenannte Verursachungssabwägung hat gemäß § 17 Abs. 3 StVG nicht zu erfolgen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde. Ein unabwendbares Ereignis liegt dann vor, wenn der Unfall selbst bei höchster Sorgfalt nicht hätte verhindert werden können. Ein solcher Fall lag hier wohl nicht vor, da die Erwägungen zur Haftungsquotelung ansonsten obsolet wären. 
Im konkret zu entscheidenden Fall begründete die Vorinstanz einen besonderen Mitverursachungsanteil der A auf Basis der Tatsache, dass die A nicht in ihrem Unfallfahrzeug angeschnallt war. Die Vorinstanz kam aufgrund dieser Erwägungen zu einer Anspruchskürzung von 60%. D.h. zu Lasten der A wurde die Quote von 50% um 10 % gemindert.
Anmerkung: Das Urteil des BGH ist im Volltext noch nicht verfügbar. Es kann durchaus sein, dass noch eine Vielzahl weiterer Faktoren in die Verursachungsabwägung eingestellt wurden. 
Folgerung des BGH
Der BGH kam hingegen zu einem geringeren Mitverursachungsanteil der A. Das Gericht führte hierzu aus, dass nach § 21a Abs. 1 StVO vorgeschriebene Sicherheitsgurte zwar während der Fahrt grundsätzlich angelegt sein müssen und dass ein Verstoß gegen diese Vorschrift hinsichtlich unfallbedingter Körperschäden zu einer Haftungskürzung wegen Mitverursachung führe.
Da der B hier aber nur für die Folgen des Zweitunfalls hafte, sei für die Frage der Mitverursachung durch die A allein von Bedeutung, ob zum Zeitpunkt des Zweitunfalls noch eine Anschnallpflicht bestand. Dies war nach dem BGH nicht der Fall, denn der Aufprall auf das Fahrzeug der A ereignete sich nicht „während der Fahrt“ ihres eigenen Pkw. Dessen Fahrt war vielmehr dadurch beendet worden, dass der Pkw unfallbedingt an der Leitplanke zum Stehen gekommen war. Nachdem es zu diesem Unfall gekommen war, war die Klägerin mithin nicht nur berechtigt, den Gurt zu lösen, um ihr Fahrzeug verlassen und sich in Sicherheit bringen zu können, sondern gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO sogar dazu verpflichtet, nämlich um die Unfallstelle sichern zu können. Ihr könne deshalb nicht angelastet werden, unangeschnallt gewesen zu sein, als sich der Zweitunfall ereignete.
Der BGH änderte das Urteil der Vorinstanz deshalb zugunsten der A auf einen geringeren Mitverursachungsanteil ab. Sofern der Sachverhalt keine sonstigen Aspekte, die eine Haftungsverschiebung begründen könnten, enthält, käme es damit zu einer Quotelung von 50:50.
Examensrelevanz
Der hier geschilderte Fall eignet sich hervorragend für Klausuren im ersten sowie im zweiten Staatsexamen. Das Ergebnis lässt sich mit gesundem Menschenverstand auch gut selbst herleiten. Gleichwohl verstärken die Bezüge zu den einschlägigen Normen der StVO die Argumentation. Bei der Abwägung von Mitverursachungsanteilen nach dem StVG gilt ohnehin der Grundsatz, dass sich beinahe jede Sorgfaltswidrigkeit an einem Paragraphen der StVO festmachen lässt. Selbst, wenn man in der StVO gar nichts findet, kann im Regelfall zumindest ein Verstoß gegen den Grundsatz des Rücksichtnahme im Verkehr nach § 1 Abs. 2 StVO angenommen werden.

29.02.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-02-29 09:04:182012-02-29 09:04:18BGH zur Mitverursachung eines Unfalls bei Nichtanlegen des Sicherheitsgurts

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