berichtete kürzlich mit Verweis auf einen auf der Internetpräsenz der veröffentlichten Artikel, wonach der Online-Redakteur eines Internetforums in Beugehaft muss, weil er die Identität eines Foren-Nutzers nicht preisgeben will. Die Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) mittels derer der Online-Redakteur Rechtsschutz gegen einen Beschluss des AG Duisburg, der ihm Beugehaft androhte sowie gegen ein bereits vorher verhängtes Ordnungsgeld ersuchte, wurde vom LG Duisburg mit bisher unveröffentlichtem Beschluss abgewiesen. Nach Ansicht des entscheidenden Gerichts könne der Redakteur sich nicht auf das strafprozessrechtliche Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. S. 1 Nr. 5 StPO berufen. Gegen die Entscheidung erhob der Redakteur nunmehr vor dem BVerfG Verfassungsbeschwerde. Der Umstand, dass die Verfassungsbeschwerde keine aufschiebende Wirkung zeitigt, scheint den Redakteur mittlerweile allerdings dazu bewogen zu haben sein Schweigen zu brechen und die Nutzerdaten preiszugeben, um so den drohenden Antritt der Beugehaft abwenden zu können (s. hier).
I. Sachverhalt
Der Online-Redakteur betreut ein. Nutzer des Internet-Portals müssen sich dort gegenüber dem Portalbetreiber mit authentischen User-Daten registrieren. Ein User hatte in dem Bewertungsportal einen Kommentar über eine Klinikmitarbeiterin hinterlassen und der Ärztin dabei unterstellt, sie habe ein sexuelles Interesse an ihren Patienten. Die Medizinerin stellte daraufhin Strafanzeige wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) und verlangte vom Portalbetreiber, den Beitrag zu löschen sowie die Anmeldedaten des Nutzers herauszugeben, der den unflätigen und ehrrührigen Kommentar gepostet hatte. Der Online-Redakteur des Portals löschte daraufhin den Beitrag. Die Herausgabe der User-Daten verweigerte er allerdings, sowohl gegenüber der Medizinerin, als auch gegenüber den zuständigen Strafverfolgern.
II. Rechtliche Problemstellung
Das LG Duisburg hatte sich im Rahmen der Entscheidung mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich der Online-Redakteur auf das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten berufen kann. Das Gericht hatte dabei zu prüfen , ob der Redakteur als Zeuge iSd § 69 StPO hier einer Maßnahme nach § 70 Abs. 1 StPO unterworfen werden kann. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO zustünde. Danach sind im Strafprozess zur Zeugnisverweigerung berechtigt
„Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben“
Die vom Anwendungsbereich des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO erfassten Personen dürfen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 StPO
„das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihrer Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.“ (Hervorhebung durch d. Autor)
Im Wesentlichen ging es also um die Frage, ob der Redakteur sich im Hinblick auf die geposteten Userkommentare auf das hier in Rede stehende strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten berufen kann, was dann der Fall wäre, wenn es sich – und hier liegt das Hauptproblem des Falles – bei den Postings um Beiträge bzw. Mitteilungen für redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikatonsdienste handelt. Dies verneinte das LG Duisburg, da die User-Kommentare in dem Internetportal ungefiltert und ohne eine vorherige redaktionelle Kontrolle von den User eingestellt werden können. Etwas anderes gelte hingegen für Leserbriefe, die in der Regel vor ihrer Veröffentlichung einer redaktionellen Überprüfung standhalten müssen. Da die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, kann insoweit auf die entscheidenden Passagen einer Entscheidung des LG Augsburg verwiesen werden, die eine ähnlich gelagerte Konstellation zum Gegenstand hatte (Beschl. v. 19.03.2013 – x Qs 151/13). Dort heißt es:
Zwar unterfällt die Beschwerdeführerin als Herausgeberin einer Zeitung grundsätzlich dem Schutzbereich des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO. Jedoch ist dieser Schutzbereich gemäß § 53 Abs. 1 S. 3 StPO nur dann eröffnet, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialen für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt. Zwar sind in einer Zeitung gedruckte Leserbriefe nach ständiger Rechtsprechung dem redaktionellen Bereich zuzuordnen (BVerfG 36, 193, 204).
Dies gilt aber nicht für Beiträge von Nutzern in einem Onlineforum. Eine redaktionelle Überarbeitung, die die Zuordnung von Leserbriefen zum redaktionellen Bereich einer Zeitung begründet, findet in den Fällen der Einstellung eines Beitrags in ein Onlineforum gerade nicht statt. Vielmehr erfolgt die Einstellung eines solchen Beitrags durch den Nutzer selbst, ohne dass eine Überarbeitung durch die Redaktion oder eine Prüfung der Einträge vor Veröffentlichung erfolgt. Eine vom Gesetz gem. § 53 Abs. 1 S. 3 StPO geforderte „Aufbereitung“ der Onlinebeiträge findet daher gerade nicht statt.
Eine Auslegung der Vorschrift, bei der primär darauf abgestellt wird, ob die im Rahmen einer Kommentarfunktion gepostete, einzelne Mitteilung bzw. Information als solche einer vorherigen redaktionellen Aufbereitung oder Kontrolle unterliegt, kann bei genauerer Betrachtung des Normwortlauts durchaus angezweifelt werden. Der Wortlaut deutet wohl eher darauf hin, dass nicht darauf abzustellen ist, ob die einzelne Information oder Mitteilung „redaktionell aufbereitet“ wurde. Entscheidend dürfte danach vielmehr sein, ob der jeweilige Informations- und Kommunikationsdienst (bspw. ein Online-Blog) in seiner Gesamtheit das Gepräge redaktioneller Ausarbeitung aufweist, mit der Folge, dass die Eröffnung einer (ungefilterten) Kommentarfunktion dabei als Ausfluss der redaktionellen Gestaltungsfreiheit zu verstehen ist. Zieht man allerdings die einschlägige Gesetzesbegründung zu Rate (BT-Drucks. 14/5166, S. 8), so wird deutlich, dass die vom LG Duisburg betriebene Auslegung des § 53 Abs. 1 S. 3 StPO im Ergebnis dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entspricht und im Übrigen auch von weiten Teilen des Schrifttums befürwortet wird (statt vieler Huber, in: Graf, BeckOK StPO, § 53 Rn. 35; Senge, in: Hannich, KK-StPO, 6. Auflage 2008, § 53 Rn. 30, 34). In der entsprechende Passage der Gesetzeserläuterung heißt es:
Entsprechend dieser nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfGE 64, 108 ff.) verfassungskonformen Einschränkung müssen Informations- und Kommunikationsdienste redaktionell bearbeitet sein, sollen sie in den Schutzbereich fallen. Im Zusammenhang mit diesen neuen Erscheinungsformen im Medienbereich stellt sich nämlich das Problem der häufig anonymen und unkontrollierbaren Verbreitung insbesondere kinderpornographischer sowie rassistischer oder sonst extremistischer Inhalte, die dem Diensteanbieter (zunächst) unbekannt bleiben oder deren Nutzung er aus technischen Gründen überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in zumutbarer Weise verhindern kann und für die er deshalb – anders als für redaktionell bearbeitete Inhalte – auch nicht nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich ist (vgl. § 5 Abs. 1 und 2 des Teledienstgesetzes). Der Urheber dieser Inhalte kann in der Regel nur über Auskünfte der Diensteanbieter ermittelt werden. Es ist daher sicherzustellen, dass diese Auskünfte auch zukünftig zu erteilen sind und die Aufklärung solcher Straftaten nicht durch ein Zeugnisverweigerungsrecht der Diensteanbieter und ein damit korrespondierendes Beschlagnahmeverbot erheblich beeinträchtigt oder sogar ganz verhindert wird.
Der Gesetzgeber misst dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse in den hier in Rede stehenden Konstellationen einer ungefilterten Online-Kommentarfunktion demnach ein höheres Gewicht bei als den über die sog. Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundrechtlich geschützten Betätigungsweisen. Dies verdient Zustimmung, da die Folgen, die die Erstreckung des Zeugnisverweigerungsrecht auch auf ungefilterte User-Kommentare und ein damit einhergehendes Beschlagnahmeverbot (§ 97 Abs. 1 u. Abs. 5 StPO) mit sich bringen würde, keinesfalls befürwortet werden können. Jedermann könnte in entsprechenden Online-Portalen Aussagen tätigen durch die möglicherweise gegen Strafgesetze verstoßen wird, ohne befürchten zu müssen dafür strafrechtlich belangt zu werden. Auch unter Gesichtspunkten des Opferschutzes kann die in diesem Zustand eintretende Existenz (straf)rechtsfreier Räume auch und gerade von Mitarbeitern entsprechender Mediendienste kaum ernsthaft gewollt sein.
Ob und inwieweit in dem Verdikt aus Duisburg ein Verfassungsverstoß zu erblicken ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht hinreichend bzw. allenfalls dezidiert beantwortet werden. Insoweit bleibt die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe abzuwarten. Hinsichtlich der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte ist allerdings zu beachten, dass das BVerfG keine Superrevisionsinstanz ist. Es beschränkt seine Kontrolle daher auf die Überprüfung von Verletzungen „spezifischen Verfassungsrechts“. Es prüft indes nicht, ob das angegriffene Urteil mit einfachem Recht übereinstimmt oder dagegen verstößt; dies bleibt den Fachgerichten vorbehalten. Als Verletzung spezifischen Verfassungsrechts kommen die folgenden, gemeinhin anerkannten Fallgruppen in Betracht (vgl. Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 8. Auflage 2010, Rn. 286 ff. mw.N.):
- Das Fachgericht hat überhaupt nicht erkannt bzw. in Erwägung gezogen, dass Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte einschlägig sein könnten.
- Das Fachgericht hat de Bedeutung einschlägiger Grundrechte oder grundrechtsgleicher Rechte grundsätzlich verkannt, in dem es eine grundsätzlich falsche Gewichtung vorgenommen hat oder den Umfang eines grundrechtlichen Schutzbereiches falsch bestimmt hat.
- Das der Entscheidung zugrundeliegende Gesetz ist verfassungswidrig.
- Durch das fachgerichtliche Verfahren selbst wurden (Justiz-) Grundrechte verletzt.
Im vorliegenden Fall dürfte allenfalls eine der beiden erstgenannten Fallgruppen einschlägig sein. Dabei muss allerdings zunächst genauer untersucht werden auf welches der in Art. 5 Abs. 1 GG aufgeführten Mediengrundrechte sich Betreiber und Redakteure von reinen Online-Zeitschriften oder Blogs überhaupt berufen können. Insoweit können im Einzelnen durchaus schwierige Abgrenzungsfragen aufgeworfen werden. Dem äußeren Erscheinungsbild nach zu urteilen, erscheint zunächst eine Zuordnung zur Pressefreiheit aufgrund der überwiegenden Kombination von Standbild und Text näher. Damit würde man sich aber über das für die Schutzbereichseröffnung der Pressefreiheit konstitutive Merkmal des Druckerzeugnisses hinwegsetzen. Daher dürfte die Zuordnung zur Rundfunkfreiheit wohl sachnäher sein, handelt es sich mit Blick auf die gängige Definition bei solchen Medienangeboten doch um „die Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art für einen unbestimmten Personenkreis unter Zuhilfenahme elektischer Schwingungen“ (umfassend zu den Abgrenzungsfragen Neuhoff, ZUM 2012, 371 ff.). Aufgrund der essentiellen Bedeutung der Medienfreiheiten für eine freiheitlich-demokratische (Informations-) Gesellschaft dürfte das verfassungsrechtliche Schutzniveau unabhängig von der konkreten Zuordnung ohnehin regelmäßig gleich hoch anzusetzen sein.
III. Fazit
Der Fall eignet sich vortrefflich als Gegenstand einer mündlichen Examensprüfung. Dies gilt nicht zuletzt wegen der Vielzahl ähnlich gelagerter Lebenssachverhalte, sondern auch weil das ihm zugrundeliegende Spannungsverhältnis zwischen Mediengrundrechten und dem gleichsam mit Verfassungsrang ausgestattetem staatlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung durchaus als „Klassikerproblem“ bezeichnet werden darf. Das Themenfeld rund um die strafprozessrechtlichen Zeugnisverweigerungsrechte kann zudem ohne weiteres als Zusatzfrage einer strafrechtlichen Examensklausur auftauchen.