Wie den aktuellen Nachrichten zu entnehmen ist, wird die Bundesregierung sieben alte AKW abschalten lassen. Sie beruft sich dabei auf § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtomG, der eine Abschaltung vorsehen kann.
Begeben wir uns in die Situation der mündlichen Prüfung. Niemand wird erwarten, dass man die Tatbestandsmerkmale der Norm auswendig aufsagen kann. Vielmehr ist es wichtig, sich dieser methodisch zu nähern.
- Bei der Untersagung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtomG handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Das ist problemlos festzustellen.
- Voraussetzung für eine endgültige Einstellung ist allerdings, dass die zu Grunde liegende Genehmigung wirksam widerrufen worden ist. Für eine Rücknahme dürfte im Rahmen eines erst-recht-Schlusses das gleiche gelten.
- Vorliegend handelt es sich soweit man den Ankündigungen Glauben schenken darf um eine einstweilige Stilllegung (3 Monate), sodass eine Aufhebung der zu Grunde liegenden Genehmigung nicht erforderlich ist.
- In den Nr. 1-3 finden sich Regelbeispiele („insbesondere“); die allgemeinen Voraussetzungen finden sich in Art. 19 Abs. 3 Satz 1 AtomG.
- Erforderlich ist ein Zustand, der dem Gesetz widerspricht oder der Gefahren für Leib oder Leben befürchten lässt.
- Ein AKW ist eine Anlage nach § 7 Abs. 1 AtomG und unterfällt damit der Genehmigungspflicht. Diese wird zur Zeit ebenso „betrieben“ im Sinne des Gesetzes.
- Ein AKW kann also in der Rechtsfolge übergangsweise oder auf Dauer stillgelegt werden.
Fraglich bleibt also, auf welche Voraussetzungen sich die zuständige Behörde stützen will. Vorliegend könnte der Betrieb der angesprochenen AKW gegen geltendes Recht verstoßen. Das könnte allenfalls auf Grund des Alters und der daraus resultierenden fehlenden Sicherheit folgen.
Bei Fragen der Gesundheitsgefährdung wäre zu fragen, ob hier von einer konkreten oder abstrakten Gefahr die Rede ist. Auf Grund des nicht besonders ausgestalteten „Gefahrbegriffs“ und der besonderen Gefährlichkeit könnte man vertreten, dass eine abstrakte Gefahr vorliegend ausreicht. Nichtsdestotrotz müsste sich diese begründen lassen und dürfte nicht „aus der Luft gegriffen sein“. Hier wäre wieder mit dem Alter zu argumentieren. Allein die Tatsache, dass im Fall der Fälle eine besondere Katastrophe wie in Japan droht, kann nicht ausreichend sein. Dann müsste man alle AKW schließen. Zudem ist § 19 AtomG eine Ermessensnorm („kann“). Bei konkreter Gefahr ist davon auszugehen, dass ohnehin eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, gerade im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Strahlung. Die abstrakte Gefahr kann man vorliegend durchaus bejahen, wenn man sich darauf beruft, dass AKW auf Grund ihrer Bauweise und ihres Alters ein übergroßes Risiko darstellen. Das sind aber technische Fragen, die der Sachverhalt hergeben muss.
Im Rahmen des Ermessens kann man noch fragen, ob dieses fehlerfrei ausgeübt worden ist. Denn vorliegend könnte man anbringen, dass den AKW Betreibern auf Grund der neuen Energiestrategie ein Vertrauensschutz zukommt. Denn dort hatte sich der Bund explizit für eine Laufzeitverlängerung auch dieser AKW ausgesprochen. Die Betreiber durften also darauf vertrauen, insbesondere weil sich im Hinblick auf die deutschen AKW durch das Unglück in Japan nichts geändert hat. Dennoch wird man, soweit eine abstrakte Gefahr im obigen Sinne festgehalten worden ist, spätestens im Rahmen der Angemessenheit den Vertrauensschutz und das unternehmerische Interesse (Art. 12, 14 GG) zurücktreten lassen.
Gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde ist die Anfechtungsklage statthaft.