• Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > StGB

Schlagwortarchiv für: StGB

Gastautor

Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände

Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Sabrina Prem veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Volljuristin. Ihr Studium und Referendariat absolvierte sie in Düsseldorf.

Ist das Betäubungsmittelstrafrecht – zumindest als Lehrmaterie – im Studium noch völlig unbekannt, so erhält es spätestens im Referendariat eine große Relevanz. Denn nicht zuletzt in der Strafstation, in der als Referendarin plötzlich die Rolle einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwaltes zu übernehmen ist, kommt es zu einer Konfrontation mit genau diesem strafrechtlichen Nebengebiet. Vor den Strafrichterinnen finden sich gerne verschiedenste Ausprägungen von Täterinnen, die mit dem Betäubungsmittelstrafrecht in Berührung gekommen sind. Sei es ein einmaliger Erwerb zur Erprobung, seien es Hobby-Kifferinnen oder sogar Kleindealer*innen, die am jeweiligen Hauptbahnhof ihre Runden drehen.

I. Der Begriff des „Betäubungsmittels“

Um in die Materie einzusteigen, drängt sich jedoch zunächst eine erste Frage auf: Wie wird überhaupt der Begriff des „Betäubungsmittels“ im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) bestimmt? Welche Substanzen dürfen denn gerade nicht hergestellt, verkauft oder erworben werden? Auf eine Legaldefinition hofft man hier vergeblich; es gibt keine abstrakt-generellen Merkmale, anhand derer eine Begriffsdefinition stattfindet (vgl. BeckOK BtMG/Exner BtMG § 1 Rn. 1). Um dieses Rätsel zu lösen, lohnt sich jedoch ein Blick in § 1 Abs. 1 BtMG und davon gleich weiter in die Anlagen I bis III. Denn: Betäubungsmittel im Sinne des BtMG sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen. Um die Schnelligkeit der Drogenszene hinsichtlich der Kreation neuer Suchtstoffe aber nicht außer Acht zu lassen, gibt es in § 1 BtMG noch die Abs. 2- 4, die eine Verordnungsermächtigung enthalten und die Bundesregierung ermächtigen, noch kurzfristig den Begriff des Betäubungsmittels über die Positivliste der Anlagen I-III hinaus zu weiten (vgl. JuS 2019, 211f.).

Mit Blick auf diese Anlagen fallen nun mehrere Dinge auf: Was viele erleichtern mag, sogenannte Genussdrogen (womit Alkohol, Koffein und Nikotin gemeint sind) sind keine Betäubungsmittel und nicht von der Positivliste umfasst. Ebenso nicht umfasst, sind solche Mittel des täglichen Lebens, die auf zweckentfremdende Weise wie beispielsweise mittels Inhalierens zum Rauschmittel gemacht werden. Man denke hier an das bekannte Phänomen des „Klebstoff-Schnüffelns“. Die Positivliste zeigt auf, nur besonders gefährliche psychotrop wirksame Stoffe und Zubereitungen sind als Betäubungsmittel erfasst (vgl. BeckOK BtMG/Exner BtMG § 1 Rn. 6). Diese werden wiederum in einer Dreiteilung aufgeführt: In Anlage I nicht verkehrsfähige, mithin medizinisch ungeeignete, gesundheitsschädliche Stoffe (zB Psilobycin-Pilze), in Anlage II verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Stoffe (zB Metamphetamin), in Anlage III verkehrsfähige und verschreibungsfähige Stoffe (zB Tilidin).

II. Die Mengenbegriffe des BtMG

Ist nun die Einordnung als Betäubungsmittel erfolgreich vorgenommen, stellt sich auch schon die zweite große Frage: In welcher Menge liegt das Betäubungsmittel im konkreten Fall vor? Denn das Betäubungsmittelstrafrecht ist nicht nur von der Art, sondern auch von der Menge des Rauschgiftes geprägt. Die jeweilige Menge gilt als Indikator für den Unrechtsgehalt der Tat (vgl. BeckOK BtMG/Schmidt BtMG Vorb. zu § 29 Rn 14) und wirkt sich somit auf die tatbestandliche Einordnung und die Rechtsfolgen aus. Dabei wird zwischen drei Mengenbegriffen differenziert: die geringe Menge, die nicht geringe Menge und die normale Menge. Die geringe Menge findet in den § 29 Abs. 5 und § 31a BtMG Erwähnung und ermöglicht unter Umständen das Absehen von Verfolgung oder Bestrafung. Unter der geringen Menge versteht man eine solche, die zum einmaligen bis höchstens dreimaligen Gebrauch geeignet ist (vgl. BeckOK BtMG/Schmidt BtMG Vorb. zu § 29a Rn.16). Die Grenzwerte sind je nach Betäubungsmittel verschieden und richten sich vorrangig nach dem Wirkstoffgehalt. Für einige Betäubungsmittel haben die Obergerichte entsprechende Grenzwerte festgelegt; im Übrigen ermittelt sich dieser regelmäßig aus dem Dreifachen einer Konsumeinheit des jeweiligen Betäubungsmittels für durchschnittliche Konsument*innen (vgl. BeckOK BtMG/Schmidt BtMG Vorb. zu § 29a Rn.17). Die nicht geringe Menge liegt bei sichtlichem Überschreiten der geringen Menge vor und katapultiert den Deliktscharakter von einem Vergehen auf ein Verbrechen. Das zeigen die §§ 29a ff. BtMG.Auch hierzu haben die Obergerichte einige Grenzwerte festgelegt. Die normale Menge erfasst den Raum zwischen der geringen und der nicht geringen Menge. Sie ist gesetzlich nicht normiert, findet sich aber in § 29 BtMG wieder (vgl. JA 2011, 613f.).

III. Die wichtigsten Straftatbestände

In den §§ 29 bis 30b BtMG sind die Straftatbestände des BtMG normiert. Dabei ist § 29 BtMG in Form eines Vergehenstatbestandes der Grundtatbestand und enthält eine umfangreiche Aufzählung von Handlungsmodalitäten, die unter Strafe gestellt sind. Dabei umfasst die Norm strafbare Verhaltensweisen für Konsumentinnen (zB „erwirbt“) sowie für Versorgerinnen (zB „veräußert“). Regelmäßig relevant werden dabei die Varianten des § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BtMG. In diese lohnt sich ein Blick. Die darauffolgenden §§ 29a ff. haben als Qualifikationen Verbrechenscharakter. Dass es eine so umfassende Normierung von Handlungsmodalitäten gibt, ist darauf zurückzuführen, dass Schutzgut der Straftatbestände die menschliche Gesundheit ist und daher möglichst jeder Kontakt zu Betäubungsmitteln strafrechtlich erfasst werden sollte (vgl. JA 2011, 614). Auch aus diesem Grund ist eine extensive Auslegung der Tatbestände vorzunehmen.

IV. Der Grundtatbestand

Da § 29 BtMG ein sehr umfangreicher Grundtatbestand ist, konzentrieren wir uns hier auf die praxisrelevantesten Handlungsmodalitäten: § 29 Abs. 1 Nr. 3, der erlaubnislose Besitz von Betäubungsmitteln, dient als Auffangtatbestand und soll dort Strafbarkeitslücken schließen, wo unklar ist, wie – also durch welche Handlung – es zu dem letztlich feststehenden Besitz gekommen ist. Erforderlich ist nur noch die tatsächliche Verfügungsmacht (vgl. JuS 2019, 214). Mit der Nr. 3 wurde mithin eine Beweiserleichterung für die Strafverfolgungsbehörden geschaffen (vgl. BeckOK BtMG/Wettley BtMG § 29 Rn 472). In allen anderen Fällen, in denen sich die Erlangung der Betäubungsmittel aufschlüsseln lässt, ist Nr. 3 nicht mehr anzuwenden. Weshalb wir uns nun Nr. 1 zuwenden. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG wird bestraft, wer Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft. Eigentlich ist diese Aufzählung trotz der verschiedensten Varianten sehr einfach: sobald man unerlaubt, also ohne behördliche Erlaubnis, in Kontakt mit Betäubungsmitteln kommt, ist das schlecht. Von besonderer Bedeutung ist aber das Handeltreiben. Denn dieses ist Dreh- und Angelpunkt für die effektive Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität. Das Handeltreiben setzt nämlich nicht den Erfolg eines Absatzes voraus, sondern umfasst alle Stadien, die einem Absatzgeschäft vorausgehen (vgl. BeckOK BtMG/Becker BtMG § 29 Rn. 53f.). Mit dem Handeltreiben wird damit ein ganzes Bouqet an strafwürdigem Verhalten erfasst, was die Abgrenzung zwischen Vollendung und Versuch sowie Täterschaft und Teilnahme oftmals erschwert. Ausreichend kann so beispielsweise bereits die erfolglose Bemühung um einen Ankauf von Betäubungsmitteln für einen späteren Weiterverkauf sein (JuS 2019, 214).

V. Die Verbrechenstatbestände

Was muss nun passieren, damit aus diesem Grundtatbestand ein Verbrechen wird? Das wiederum zeigen die §§ 29a, 30 und 30a BtMG. Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr werden Personen bestraft, die über 21 Jahre alt sind und Betäubungsmittel an solche Personen abgeben, verabreichen oder überlassen die unter 18 Jahre alt sind (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) sowie Personen, die – unabhängig vom Alter – mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge agieren (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Die Qualifizierung zum Verbrechen beruht damit im Falle der Nr. 1 auf der gehobenen Verwerflichkeit, als erwachsene Person Minderjährigen Betäubungsmittel zur Verfügung zu stellen und das unabhängig davon, ob dies in der Funktion als Dealer*in oder im privaten Umfeld erfolgt (vgl. BeckOK BtMG/Schmidt BtMG § 29a Rn. 1,2). Minderjährige sind immer besonders schutzwürdig und dürfen nicht zur Sucht „verführt“ werden. Im Falle der Nr. 2 beruht die Qualifizierung auf der unüblich hohen Menge. Einen weiteren Qualifikationstatbestand normiert § 30 BtMG, der seinen Verbrechenscharakter jedoch aus anderen Umständen erhält: Im Fokus stehen bei § 30 Abs. 1 BtMG eine Bandenmitgliedschaft, Gewerbsmäßigkeit, das leichtfertige Verursachen des Todes (Achtung: hierbei handelt es sich um eine Erfolgsqualifikation) und – hier zeigt sich ein Muster – das Einführen einer nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln. Der Strafrahmen steigt im Gegensatz zu § 29a BtMG auf eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Um sowohl die Bande als auch die Gewerbsmäßigkeit zu definieren, kann einfach auf die Definitionen des allgemeinen Vermögensstrafrechts zurückgegriffen werden (vgl. JuS 2019, 213). Fallen nun Bandenmitgliedschaft und nicht geringe Menge zusammen, wird § 30a Abs. 1 BtMG relevant und der Strafrahmen steigt erneut, nun auf ein Mindestmaß einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Wichtig ist, dass sich die Bandenabrede auch auf genau diese nicht geringe Menge beziehen muss (vgl. MüKoStGB/Oğlakcıoğlu BtMG § 30a Rn. 16). § 30a Abs. 2 BtMG ähnelt § 29a Abs. 1 BtMG. So wird in Nr. 1 wieder auf das Erwachsenen-Minderjährigen-Verhältnis abgestellt, allerdings mit dem Unterschied, dass es sich bei § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG um eine Anstiftungshandlung („bestimmt“) handelt. Die betroffenen Minderjährigen sollen nun auch noch für die erwachsene Person im Drogenmilieu tätig werden. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG kombiniert nun das Mitsichführen einer Schusswaffe oder sonstiger Gegenstände mit dem Agieren mit einer nicht geringen Menge. § 30b BtMG ist kein eigenständiger Straftatbestand, sondern weitet den Anwendungsbereich des § 129 StGB aus (vgl. BeckOK BtMG/Schmidt BtMG § 30b Vorb.). Relevant wird dies im Bereich der organisierten Betäubungsmittelkriminalität.

Wichtig ist stets, die Normen genau zu lesen, denn die Handlungsmodalitäten, die vom Grundtatbestand übernommen werden, variieren bei den Qualifikationen stets. Nicht immer sind alle Modalitäten erfasst; meist sogar nur eine Auswahl. Außerdem hat der Gesetzgeber ausreichend Gebrauch von minder schweren Fällen gemacht, wie sich meist am Ende der jeweiligen Norm zeigt.

VI. Konkurrenzen

Mit Blick auf die Handlungsmodalitäten des § 29 Abs. 1 BtMG und dabei insbesondere auf das unerlaubte Handeltreiben, ist leicht vorstellbar, dass mehrere Handlungsmodalitäten, die sich auf ein und dasselbe Betäubungsmittel beziehen, hintereinander auftreten können. Dies führt uns zu der Frage: Wie ist dieser Umstand konkurrenzrechtlich zu bewerten? Im Betäubungsmittelstrafrecht existiert die sogenannte Bewertungseinheit, die einen Fall der tatbestandlichen Handlungseinheit darstellt (vgl. BeckOK BtMG/Becker BtMG § 29 Rn 103-105). So wird beispielsweise Anbau, Lagerung, Transport und Verkauf einer bestimmten Rauschgiftmenge zu einer Tat, nämlich dem Handeltreiben zusammengefasst.

Das Betäubungsmittelstrafrecht ist folglich kein zu unterschätzendes strafrechtliches Nebengebiet, das sowohl in seinem Zweck herausragende Bedeutung innehat als auch in seiner Anwendung einige Abgrenzungsschwierigkeiten bereithält. Gerade in der Praxis sind die Strafverfolgungsbehörden einigen Hürden ausgesetzt und nicht stets ist zweifelsfrei zu klären, ob beispielsweise gewerbsmäßig gehandelt wird, wo die Betäubungsmittel versteckt sind und wer alles Teil der Organisationsstruktur ist.

01.02.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-02-01 10:00:002023-01-25 11:49:57Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände
Philip Musiol

BayObLG zu der Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Strafbarkeit wegen Beleidigung

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hatte über die Strafbarkeit eines Mannes zu entscheiden, der einen Richter am Amtsgericht in einer Dienstaufsichtsbeschwerde als „ekelig parteiischen Amtsrichter“ und dessen Urteil als eine „schikanöse Schandtat“ bezeichnete (BayObLG, Beschl. v. 04.07.2022 – 202 StRR 61/22). Es handelt sich hierbei um einen weiteren von zahlreichen Fällen, der im grundrechtssensiblen Bereich zwischen Meinungsfreiheit und Strafbarkeit nach dem 14. Abschnitt des StGB spielt. Ob eine Äußerung die Grenze zur Strafbarkeit überschreitet, ist durch eine Grundrechtsprüfung und eine umfassende Abwägung zu ermitteln. Diese Stichworte lassen schon vermuten, dass sich eine solche Konstellation gleichermaßen für eine Strafrechtsklausur gleichermaßen, wie für eine Verfassungsbeschwerde eignet.

I.             Sachverhalt

Ausgangspunkt des Strafverfahrens war ein Zivilverfahren, an dem der spätere Täter als Partei, das spätere Opfer als Richter beteiligt war. Bei dem Täter handelt es sich um einen promovierten Mediziner, der in dem Verfahren vor dem Amtsgericht die Räumung seiner Eigentumswohnung durch seinen damaligen Mieter geltend machte. In dem Räumungsverfahren obsiegte er – trotzdem gab es aus seiner Sicht Anlass für eine Dienstaufsichtsbeschwerde: Denn der Täter wurde durch das Gericht als Zweitschuldner für die Gerichtskosten in Anspruch genommen, die der Beklagte in dem Ausgangsverfahren zu tragen hatte. Von dem vom Täter eingezahlten Gerichtskostenvorschuss wurde nur ein Teilbetrag an ihn ausbezahlt, der Rest wurde auf die Gerichtskosten angerechnet. Für diesen angerechneten Restbetrag hätte der Täter seinen ehemaligen Mieter im Rahmen eines von ihm anzustrengenden Kostenfestsetzungsverfahrens gemäß den §§ 103 ff. ZPO in Anspruch nehmen müssen. Hierauf, sowie darauf, dass dies gängige Praxis ist, wurde der Täter dreimal hingewiesen, unter anderem durch das spätere Opfer und den Direktor des Amtsgerichts. Gleichwohl erhob der Täter gegen den Amtsrichter eine Dienstaufsichtsbeschwerde „wegen Entnahme von Geld aus einem Guthaben von mir (monatelang (!) ohne mich zu benachrichtigen!!?), um – ohne Not – die Schuld eines Dritten (!!?) zu begleichen!!? § 266 StGB (Untreue).“ In dem Schreiben führte der Täter weiterhin aus: „Der Beklagte musste aber aufgrund der extrem parteiischen Schandtat (Geldtransaktion) des Amtsrichters [namentliche Nennung des Richters] die 1. Gerichtskostenzahlung überhaupt nicht zahlen (!!?), wohl aber den ganzen Rest (2/3) […]“. Ferner wurde wiederum die angebliche „Entnahme aus dem Guthaben“ durch den zuständigen Richter, der namentlich genannt wurde, unter Hinweis auf § 266 StGB wiederholt. Die Dienstaufsichtsbeschwerde endete mit der Frage: „WIE bekomme ich jetzt meine 203,- € zurück? Billigt Präsident […] auch diese Schandtat des Herrn […]?“. In einer beigefügten Anlage zu der Dienstaufsichtsbeschwerde bezeichnete der Täter den Richter am Amtsgericht mit dessen namentlicher Nennung als „ekelig parteiischen Amtsrichter“, wiederholte den Vorwurf, der Richter habe sich „an einem Guthaben von mir vergriffen (§ 266 StGB/Untreue)“ und wertete dessen Verhalten als „schikanöse Schandtat“.

Wegen dieser Aussagen wurde der Täter vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe wegen übler Nachrede gemäß § 186 StGB verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg, stattdessen wurde aufgrund der Berufung der Staatsanwaltschaft, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, die Höhe der verhängten Tagessätze von 30 € auf 50 € festgesetzt. Hiergegen richtete sich der Täter nun in seiner Revision zum BayObLG.

II.            Entscheidung

Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Das BayObLG hielt die Revision für unbegründet und änderte dabei lediglich den Schuldspruch.

Zwar sei die Verurteilung wegen übler Nachrede nach § 186 Alt. 1 StGB rechtsfehlerhaft. Bei der Aussage, der Amtsrichter habe aus dem „Guthaben“ des Angeklagten „Geld entnommen“, um damit „die Schuld eines Dritten zu begleichen“, handele es sich nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Aus dem Gesamtzusammenhang der Äußerung ergebe sich ohne weiteres, dass der Täter die Tätigkeit des Richters insoweit als fehlerhaft beanstanden wollte. Nicht entnehmen ließe sich den Äußerungen des Täters, dass er falsche oder zumindest nicht erweislich wahre Tatsachen behauptet habe. Dennoch hatte die Revision keinen Erfolg, der Täter habe sich wegen Beleidigung nach § 185 Alt. 1 StGB strafbar gemacht. Der Vorwurf der strafbaren Untreue stelle schon für sich genommen einen Angriff auf den Achtungsanspruch des Richters dar. Dieser werde dadurch noch verstärkt, dass der Täter den Richter als „ekelig parteiischen Amtsrichter“ und dessen Wirken als „schikanöse Schandtat“ bezeichnete. Das Verhalten des Täters sei auch nicht nach § 193 StGB unter Berücksichtigung seiner Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt, die vorzunehmende Interessenabwägung zwischen Meinungsfreiheit des Täters und dem Schutz der Persönlichkeit des Opfers gehe zulasten des Täters. Hierbei ging das Gericht auf die Umstände des Einzelfalls, die Person des Täters und die Rahmenbedingungen ein, die der Äußerung des Täters vorausgingen.

III.          Einordnung der Entscheidung

Dass das BayObLG im ersten Schritt die Verurteilung wegen übler Nachrede für rechtsfehlerhaft hielt, zeigt, dass schon bei der Frage, ob es sich bei einer Äußerung um eine Tatsachenbehauptung handelt, eine Auseinandersetzung mit dem gesamten Sachverhalt und nicht nur der Äußerung selbst erforderlich ist. Auch dies kann aus Art. 5 Abs. 1 GG hergeleitet werden.

Bei der Prüfung von Beleidigungsdelikten ist § 193 StGB der Aufhänger für die vorzunehmende Grundrechtsprüfung. Die Meinungsäußerungsfreiheit des Täters ist in Ausgleich mit dem Persönlichkeitsschutz des Täters zu bringen: Nach gefestigter verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB regelmäßig auf der Grundlage der konkreten Umstände einer Äußerung und ihrer Bedeutung eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Nur in Ausnahmefällen tritt bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde eines anderen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf. Bei einer Äußerung handelt es sich um Schmähkritik, wenn sie keinen nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Von einer Formalbeleidigung ist bei der Verwendung besonders krasser, aus sich heraus herabwürdigender Schimpfwörter – etwa aus der Fäkalsprache – auszugehen, bei denen die gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit dazu führt, dass sie in aller Regel von vornherein nicht dem grundrechtlichen Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit unterliegen würde. Beides lag nicht vor, die Äußerungen des Täters hatten namentlich einen Bezug zu dem Verhalten des Richters, das er kritisierte. Gerade aufgrund dieses Bezuges zu dem richterliche Verhalten ist noch zu thematisieren, dass es sich um eine Äußerung gegen eine Person bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben handelt. In der Vergangenheit war das Bundesverfassungsgericht mit Fällen befasst, in denen Behördenmitarbeiter bzw. der Finanzminister verbal angegriffen wurden (BVerfG, Beschl. v. 19.05.2020 – 1 BvR 362/18; 1 BvR 1094/19). Auch Personen, die öffentliche Ämter bekleiden, genießen einen Persönlichkeitsschutz. Dennoch besteht ein berechtigtes Interesse daran, „Machtkritik“ äußern zu dürfen, zumal wenn man sich im „Kampf ums Recht“ befindet. Diese Schlagworte sollten in einer Klausur fallen! Freilich darf auch „Machtkritik“ nicht unbegrenzt geäußert werden, Machtkritik bedeutet nicht a priori einen Vorrang der Meinungsäußerungsfreiheit, sondern stellt (nur) einen Gesichtspunkt im Rahmen der gebotenen Abwägung dar. Es ist zu untersuchen, ob Anknüpfungspunkt der Äußerung ein dienstliches Verhalten ist und in welchem Kreis die Äußerungen getätigt wurden (hier nur ggü. dem Dienstvorgesetzen). Ebenso ist im Rahmen der Abwägung zu prüfen, ob es einen nachvollziehbaren Anlass für die Äußerung gab. Dies verneinte das BayObLG im vorliegenden Verfahren. Dem Täter als promoviertem Mediziner hätte, zumal nach dreimaligem gerichtlichem Hinweis, erkennen können, dass es sich bei der Kostenentscheidung um gängige Praxis und nicht etwa eine Einzelfallentscheidung zu seinen Lasten handelte. Schließlich berücksichtigte das Gericht zulasten des Täters, dass es sich nicht um eine spontane Äußerung „im Eifer des Gefechts“ handelte, sondern dass sie schriftlich vorbereitet wurde, sodass ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung hätte erwartet werden müssen.

Die Entscheidung zeigt, dass im Rahmen von Beleidigungsdelikten eine umfassende Auseinandersetzung mit allen Umständen des Einzelfalls erforderlich ist. Insbesondere gegenüber staatlichem Handeln ist ein billigenswertes Interesse des Bürgers an der Übung von „Machtkritik“ in die Interessenabwägung einzustellen. In welchen Fällen es dieser Interessenabwägung nicht bedarf, sollte bekannt sein und in einer Klausur benannt werden (Menschenwürdeverstoß, Schmähkritik, Formalbeleidigung). Je mehr Sachbezug eine Äußerung aufweist, desto eher wird sie von der Meinungsfreiheit gedeckt sein. Je weiter sie sich demgegenüber von der Sache selbst entfernt und die Person des Amtsträgers in den Fokus nimmt, desto eher wird von einer strafbaren Beleidigung auszugehen sein. Im Rahme der Frage, ob ein Sachbezug besteht, muss thematisiert werden, ob der Täter einen haltbaren Standpunkt vertritt, den er im Rahmen seiner Möglichkeiten überprüft hat.

05.09.2022/0 Kommentare/von Philip Musiol
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Philip Musiol https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Philip Musiol2022-09-05 10:10:132022-10-24 14:41:48BayObLG zu der Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Strafbarkeit wegen Beleidigung
Yannick Peisker

BGH: Neues zur Sterbehilfe im Rahmen des § 216 StGB

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Mit Entscheidung v. 28.6.2022 (Az. 6 StR 68/21) hat der BGH die bereits aus der „Gisela-Entscheidung“ bekannten Grundsätze zur Abgrenzung der straflosen Beihilfe zur strafbaren Tötung nach § 216 StGB weiter präzisiert. Dieses Problem ist ein echter Examensklassiker und immer wieder Gegenstand mündlicher und schriftlicher Prüfungen. Eine genaue Lektüre nicht nur dieses Beitrags, sondern auch der Entscheidungsgründe, die in Teilen wiedergegeben werden, kann sich daher bezahlt machen. Die neue Entscheidung des BGH soll zum Anlass genommen werden, die Problematik der Abgrenzung der straflosen Beihilfe von der strafbaren Tötung auf Verlangen noch einmal aufzubereiten. Auch sollen wertvolle Hinweise auf eine mögliche verfassungskonforme Auslegung infolge der Rechtsprechung des BVerfG zum grundrechtlichen Schutz der Selbsttötung. Eine klausurmäßige Aufbereitung der Probleme ist hier auffindbar.

I. Der Sachverhalt der Entscheidung

Der Sachverhalt, über den der sechste Senat des BGH zu entscheiden hatte, gestaltete sich wie folgt:

O wurde seit 2016 von der seiner Ehefrau T, einer ehemaligen Krankenschwester, betreut. Er hatte seit 1993 ein schweres chronisches Schmerzsyndrom entwickelt und war krankheitsbedingt berufsunfähig und in Rente. Er litt zudem unter zahlreichen Erkrankungen. Seine Schmerzen nahmen 2019 weiter zu und sein Zustand verschlechterte sich stetig, sodass er erwog, die Dienste eines Sterbehilfevereins in Anspruch zu nehmen. Nahezu wöchentlich äußerte er seinen Wunsch, sterben zu wollen. Er bat die T darauf hin, ihn ein paar Tage nicht zu pflegen und wegzufahren, damit er sich mit Tabletten das Leben nehmen wollte. Die T weigerte sich jedoch. Sein Leiden verschlimmerte sich weiter. Während eines gemeinsamen Kaffeetrinkens sagte O „Heute machen wir’s“, der T war klar, dass O sich das Leben nehmen wollte. Gegen 23:00 forderte O die T auf, ihm alle vorrätigen Tabletten zu geben, die O daraufhin selbständig einnahm. Dann forderte er die T auf, ihm alle noch vorhandenen Insulinspritzen zu geben, was sie auch tat. O und T sprachen noch miteinander, bevor er einschlief, gegen 3:30 konnte T seinen Tod feststellen. Er starb an Unterzuckerung infolge des Insulins, die eingenommenen Tabletten waren ebenfalls zur Herbeiführung des Todes geeignet, jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt. Ursächlich war damit die Gabe des Insulins.

II. Die Prüfung der Strafbarkeit der T

Täter des § 216 StGB ist nur, wer die Straftat auch selbst vornimmt. Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe. Auf eine erneute Darstellung der Abgrenzung zwischen subjektiver Theorie und Tatherrschaftslehre soll hier verzichtet werden. Denn auch der BGH ist zumindest im Kontext des § 216 StGB von seinem subjektiven Ansatz abgewichen und stellt prinzipiell ausschließlich darauf ab, wer das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrscht (BGH NJW 1965, 699, 701) Gerade im Falle des einseitig fehlgeschlagenen Doppelselbstmordes, wo grundsätzlich beide Suizidenten einen entsprechenden Willen gebildet haben, sei eine subjektive Abgrenzung fraglich (BGH NJW 1965, 699, 700).

In seiner jüngsten Entscheidung formuliert der BGH wie folgt:

„Täter einer Tötung auf Verlangen ist, wer das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrscht, auch wenn er sich damit einem fremden Selbsttötungswillen unterordnet. Entscheidend ist, wer den lebensbeendenden Akt eigenhändig ausführt. Gibt sich der Suizident nach dem Gesamtplan in die Hand des anderen, um duldend von ihm den Tod entgegenzunehmen, dann hat dieser die Tatherrschaft. Behält der Sterbewillige dagegen bis zuletzt die freie Entscheidung über sein Schicksal, dann tötet er sich selbst, wenn auch mit fremder Hilfe. Dies gilt nicht nur, wenn die Ursachenreihe von ihm selbst, sondern auch, wenn sie vom andern bewirkt worden war. Solange nach Vollzug des Tatbeitrags des anderen dem Sterbewilligen noch die volle Freiheit verbleibt, sich den Auswirkungen zu entziehen oder sie zu beenden, liegt nur Beihilfe zur Selbsttötung vor […]. Die Abgrenzung strafbarer Tötung auf Verlangen von strafloser Beihilfe zum Suizid kann dabei nicht sinnvoll nach Maßgabe einer naturalistischen Unterscheidung von aktivem und passivem Handeln vorgenommen werden. Geboten ist vielmehr eine normative Betrachtung.“

BGH, Beschl. v. 28.06.2022 – 6 StR 68/21 Rn. 14 f.

Der BGH verordnete die Tatherrschaft bei O selbst. T hingegen habe lediglich unterstützende Akte vorgenommen und sei demnach lediglich Gehilfin einer straflosen Beihilfe zum Suizid.

Dieses Ergebnis mag zunächst erstaunen, denn das Spritzen des Insulins hat ausschließlich T vorgenommen, bei genauer Betrachtung ist dies jedoch folgerichtig und nicht als Täterhandlung einzuordnen.

„[Denn] Eine isolierte Bewertung dieses Verhaltens trägt dem auf die Herbeiführung des Todes gerichteten Gesamtplan nicht hinreichend Rechnung. Danach wollte sich [O] in erster Linie durch die Einnahme sämtlicher im Haus vorrätigen Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmittel das Leben nehmen, während die zusätzliche Injektion des Insulins vor allem der Sicherstellung des Todeseintritts diente; er wollte keinesfalls „als Zombie zurückkehren“. Bei wertender Betrachtung bildeten die Einnahme der Tabletten und die Injektion des Insulins nach dem Gesamtplan einen einheitlichen lebensbeendenden Akt, über dessen Ausführung allein [O] bestimmte. Die Medikamente nahm er eigenständig ein, während die Angeklagte ihm der jahrelangen Übung entsprechend die Insulinspritzen setzte, weil ihm dies aufgrund seiner krankheitsbedingten Beeinträchtigungen schwerfiel. Nach dem Gesamtplan war es letztlich dem Zufall geschuldet, dass das Insulin seinen Tod verursachte, während die Medikamente ihre tödliche Wirkung erst zu einem späteren Zeitpunkt entfaltet hätten. In Anbetracht dessen wird die Annahme des Landgerichts, dass [O] sich in die Hand der Angeklagten begeben und den Tod duldend von ihr entgegengenommen habe, den Besonderheiten des Falles nicht gerecht. […].

BGH, Beschl. v. 28.06.2022 – 6 StR 68/21 Rn. 16.

In anderen Worten: Die Tatsache, dass sowohl der Suizident als auch die betreuende Person aktive Handlungen vornehmen ist unerheblich, sofern es sich um einen Gesamtplan handelt und über diesen Gesamtplan allein der Suizident die Tatherrschaft innehat.

III. Keine Strafbarkeit durch Unterlassen

Wird der Suizident bewusstlos oder schläft ein, kommt es vorliegend zu keinem Tatherrschaftswechsel und damit zu einer Strafbarkeit wegen Tötung auf Verlangen durch Unterlassen, §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB. Denn trotz kraft der hier bestehenden Ehe zu bejahenden Garantenstellung der T für den O, liegt keine Garantenpflicht für das Leben ihres Mannes vor. Ein frei und selbstbestimmt gefasster Sterbewille führt zur Suspendierung der Garantenpflicht. Es gilt dasselbe wie für ärztliche Garantenpflichten, zu denen sich der BGH bereits mit seinen beiden Entscheidungen vom 3.7.2019 – 5 StR 132/18; 5 StR 393/18 geäußert hatte. Die Besprechung durch Juraexamen.info lässt sich hier abrufen.

IV. Exkurs: Verfassungskonforme Auslegung des § 216?

In seiner Entscheidung reißt der BGH zudem die Problematik an, ob durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB auch eine Neubewertung der Verfassungsmäßigkeit des § 216 StGB angezeigt ist. Zur Erinnerung: Das BVerfG hat in seiner Entscheidung (BVerfGE 153, 182) aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch die grundrechtlich geschützte Freiheit abgeleitet, sein Leben eigenhändig bewusst und gewollt zu beenden und bei der Umsetzung dieser Selbsttötung auch auf die Hilfe Dritter zurückzugreifen. Wenn die betroffene Person zur Wahrnehmung dieses Freiheitsrechts auch auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, schützt das APR auch vor einer Beschränkung gegenüber Dritten, die eine solche Unterstützung anbieten (Rn. 213). Strafrechtliche Normen dürften nach Auffassung des BVerfG nicht dazu führen, dass diese freie Entscheidung letztlich unmöglich gemacht wird, anderenfalls wird der verfassungsrechtliche Schutz dieser Freiheit nicht mehr gewährleistet (Rn. 273).

Eine Vergleichbarkeit der Konstellationen ist nicht von der Hand zu weisen, denn auch hier wird die Möglichkeit des Sterbewilligen, auf die Unterstützung Dritter zurückzugreifen, durch die Strafandrohung des § 216 StGB beschränkt. Dies sieht auch der 6. Senat des BGH so. Nach den Angaben in der o.g. Entscheidung hält er es für naheliegend, dass § 216 Abs. 1 StGB stets einer verfassungskonformen Auslegung bedürfe. Es seien jedenfalls die Fälle vom Anwendungsbereich der Norm auszunehmen, in denen es einer sterbewilligen Person faktisch unmöglich ist, ihre frei von Willensmängeln getroffene Entscheidung selbst umzusetzen. Dies sei der Fall, wenn sie darauf angewiesen ist, dass eine andere Person die unmittelbar zum Tod führende Handlung ausführt.

Wie genau eine solch verfassungskonforme Auslegung auszusehen hat und an welchem Merkmal des § 216 Abs. 1 StGB hier anzuknüpfen sein sollte, lässt der BGH offen. Für Studierende stellt sich daher die schwierige Frage, an welcher Stelle dieses Problem verortet werden sollte. Denkbar ist die Anwendung des § 34 StGB unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertungen. Der Wunsch des Suizidenten müsste intern gegen sein Rechtsgut „Leben“ abgewogen werden. Sofern der Suizidwunsch selbstbestimmt und frei von Willensmängeln bestand, müsste eine entsprechende Abwägung von „Tod“ gegen „Leben“ ausnahmsweise zulässig sein.

V. Wann liegen die Voraussetzungen für eine solche verfassungskonforme Auslegung vor?

Nicht geklärt ist hingegen, wann es einer Person faktisch unmöglich ist, ihre frei von Willensmängeln getroffene Entscheidung umzusetzen. In der Kommentarliteratur wird teils eine solch faktische Unmöglichkeit ausgeschlossen, sie könne nahezu nie vorliegen. Denn so sei vorstellbar, dass durch eine technische Einrichtung, durch die der Suizident mittels eines Augenzwinkerns eine Maschine in Gang setzen könne, auch ein an Armen und Beinen gelähmter Suizident selbständig töten könne. Sofern eine solche Einrichtung verfügbar sei, werde bis zur Verfügungstellung lediglich die Lebenszeit verlängert, dies sei auch aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen (zu alldem Schneider, MüKoStGB, 4. Auflage 2021, § 216 StGB Rn. 60 mwN). Sofern der Sachverhalt auf eine solche Möglichkeit aber nicht ausdrücklich hinweist und er zugleich die körperliche Unfähigkeit zur Selbsttötung betont, liegt nahe, dass der Klausurersteller auf eine solch verfassungskonforme Einschränkung hinauswollte. Das genaue Lesen des Klausursachverhalts ist hier besonders essentiell. Gleichwohl ist damit natürlich nur Examenskandidaten, nicht aber der Praxis geholfen.

12.08.2022/von Yannick Peisker
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Yannick Peisker https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Yannick Peisker2022-08-12 08:22:172022-08-12 08:27:44BGH: Neues zur Sterbehilfe im Rahmen des § 216 StGB
Yannick Peisker

Strafbarkeit des Vorlegens gefälschter Impfausweise in der Apotheke

Examensvorbereitung, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht

Am 26. Oktober 2021 hat das LG Osnabrück (v. 26.10.2021 – 3 Qs 38/21) die Beschwerde gegen die Beschlagnahme eines mutmaßlich gefälschten Impfausweises mit der Begründung abgewiesen, die Vorlage eines gefälschten Impfausweises gegenüber einer Apotheke sei nicht strafbar.
Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, einen gefälschten Impfausweis in einer Apotheke in der Stadt Nordhorn zur Erlangung eines digitalen Impfausweises vorgelegt zu haben. Eine gerichtliche Bestätigung der Beschlagnahme lehnte das Amtsgericht Osnabrück  mit Beschluss v. 12.10.2021  ab, da das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten nicht strafbar sei.
Diese Rechtsauffassung bestätigte nunmehr auch das LG Osnabrück.

Auch wenn die strafprozessuale Einkleidung der Entscheidung den ein oder anderen Examenskandidaten abschrecken mag, dürfte diese dennoch insbesondere für die mündliche Prüfung eine enorme Relevanz aufweisen, da an ihr an und für sich Grundlagen der Urkundendelikte und allgemeines Systemverständnis abgeprüft werden können. Auch für anstehende schriftliche Prüfungen ist die Examensrelevanz dieser Fallkonstellation – womöglich in abgewandelter Form – nicht in Gänze zu verneinen. Ein Blick in die jeweiligen rechtlichen Grundlagen der Examensprüfung vermag überraschen, denn so ist unter anderem im Bundesland NRW der Pflichtstoff der Urkundendelikte keineswegs auf die §§ 267-271 StGB beschränkt. Vielmehr ist dort der gesamte 23. Abschnitt des StGB (§§ 267-282 StGB) Gegenstand der staatlichen Prüfung und mithin prüfungsrelevant. Daher kann es sich durchaus lohnen, einmal den Blick vom Bekannten abzuwenden und die Entscheidung zum Anlass zu nehmen, sich der ungeliebten Probleme der Urkundendelikte (erneut) anzunehmen.

 
A. Der Impfpass als Urkunde iSd. § 267 Abs. 1 StGB
Zentraler Begriff der §§ 267 ff. StGB ist der Begriff der Urkunde. Unter einer solchen wird eine dauerhaft verkörperte menschliche Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion) verstanden, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion) und ihren Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion; so u.a. BGHSt 3, 84, 85; 4, 284, 285).
Ein Impfpass enthält die Erklärung, dass die bezeichnete Person die dort aufgeführten Schutzimpfungen erhalten hat. Diese Erklärung ist als Aufkleber mit dem Impfpass als Gegenstand fest verbunden, sodass auch eine dauerhafte Verkörperung der Erklärung zu bejahen ist. Im Übrigen ist der Impfausweis auch in der Lage, die Impfung als rechtserhebliche Tatsache zu beweisen. Hierzu ist er ebenfalls bestimmt, es handelt sich um eine sog. Absichtsurkunde. Darüber hinaus lässt sie auch ihren Aussteller erkennen, denn bereits gesetzlich ist gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 5 IfSG vorgeschrieben, dass der Impfausweis die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortliche Person bestätigen muss, sodass diese als Aussteller auch erkennbar ist (ebenso Lorenz, medstra 2021, 210, 212).
 
B. Darstellung der §§ 277 ff. StGB
Weiterhin sollen zunächst in Kurzfassung die Grundlagen der in diesem Zusammenhang ebenfalls relevanten §§ 277-279 StGB in ihrer Fassung vom 01.01.2000 dargestellt werden.
Es handelt sich hierbei um Sondertatbestände, die verschiedene Varianten einer Urkundenfälschung und verwandter Konstellationen in Bezug auf Gesundheitszeugnisse unter Strafe stellen. Gegenüber § 267 Abs. 1 StGB wird damit der Kreis der tauglichen Tatobjekte eingeschränkt. Nicht jede Urkunde ist taugliches Tatobjekt, sondern nur ein Gesundheitszeugnis, wobei unter Gesundheitszeugnissen Urkunden oder Datenurkunden verstanden werden, in denen der gegenwärtige oder vergangene Gesundheitszustand eines Menschen beschrieben wird (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 277 Rn. 2; MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 2). Ein Impfausweis erfüllt dabei die Tatbestandsmerkmale eines solchen Gesundheitszeugnisses. Er gibt Auskunft über die durchgeführten Schutzimpfungen und damit über den gesundheitlichen Umstand der Immunisierung gegen eine bestimmte Krankheit (zu einem Impfschein bereits RGSt 24, 284, 286; BeckOK StGB/Weidemann, 50. Edition Stand 01.05.2021, § 277 Rn. 4.1; Kritik äußert Lorenz, medstra 2021, 210, 212).
 
I. § 277 StGB – Fälschung von Gesundheitszeugnissen
Wirft man einen Blick auf den Strafrahmen des § 277 StGB (ein Jahr), wird erkennbar, dass die Norm die Urkundenfälschung eines Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft privilegiert. Inwiefern die Privilegierung heutzutage noch gerechtfertigt ist, wird zu Recht bestritten (instruktiv MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 1), dies soll jedoch nicht Gegenstand dieses Aufsatzes sein.
Anders als bei § 267 StGB handelt es sich bei der Norm um ein zweiaktiges Delikt. Erforderlich ist zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes ausweislich des Wortlautes nicht nur das Ausstellen eines unechten oder Verfälschen eines echten Gesundheitszeugnisses, sondern darüber hinaus muss von diesem gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft Gebrauch gemacht werden. Zudem reicht die bloße Unechtheit der Urkunde nicht aus, vielmehr muss die Urkunde den Anschein erwecken, dass ein Arzt oder eine andere approbierte Medizinalperson der Aussteller der Urkunde ist (MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 3 f.).
Die Norm beinhaltet drei verschiedene Varianten, die jeweils eine tatbestandliche Verwirklichung des ersten Aktes der Norm begründen. Zum einen kann der Täter unter dem richtigen Namen des Ausstellers, jedoch unter der unzutreffenden Bezeichnung eines Arztes oder einer anderen approbierten Person auftreten (Bsp.: Der Täter tritt unter seinem wahren Namen auf, bezeichnet sich selbst unzutreffend als Arzt). Hierbei handelt es sich nicht um eine Identitätstäuschung, sondern um eine schriftliche Lüge in Gestalt einer Täuschung über die Qualifikation der Person, sodass es sich, anders als bei Var. 2 und 3, um ein über den Grundtatbestand des § 267 StGB hinausgehendes strafbares Verhalten handelt (Fischer, StGB, 68. Auflage § 277 Rn. 1).
Ebenso verwirklicht den ersten Akt des Tatbestandes, wer unter Verwendung eines Namens eines Arztes oder einer anderen approbierten Medizinalperson ein Gesundheitszeugnis ausstellt (Bsp.: Der Täter verwendet nicht seinen eigenen Namen, sondern den eines Arztes). Weiterhin handelt tatbestandsmäßig, wer ein echtes Gesundheitszeugnis nachträglich verändert, sodass der Anschein entsteht, der Aussteller habe die Erklärung ursprünglich mit diesem Inhalt abgegeben.
Als zweiter Akt hinzutreten muss weiterhin das Gebrauchen des Zeugnisses gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft. Hierfür muss das Zeugnis der zu täuschenden Behörde oder Versicherungsgesellschaft zugänglich gemacht werden, wobei die Täuschung gerade in Bezug auf den Gesundheitszustand erfolgen muss (Vgl. MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 7).
Zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes ist – wie auch in Bezug auf § 267 Abs. 1 StGB – zumindest dolus eventualis sowie Täuschungsabsicht, allerdings mit dem speziellen Adressatenkreis einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft, erforderlich (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 277 Rn. 11; MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 10).
 
II. § 278 StGB – Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse
Der § 278 stellt im Gegensatz zu § 267 StGB die schriftliche Lüge unter Strafe, denn tatbestandsmäßig ist bereits das Anfertigen eines inhaltlich unrichtigen schriftlichen Gesundheitszeugnisses. Dieses ist bereits dann unrichtig, wenn das Zeugnis inhaltliche Fehler aufweist, wobei sich die inhaltlichen Fehler auch auf bloße Einzelheiten erstrecken können (BGHSt 10, 157). Tauglicher Täter kann hier nur ein Arzt oder eine andere approbierte Medizinalperson sein, es handelt sich mithin um ein Sonderdelikt. Ferner muss das Zeugnis zum Zwecke des Gebrauchs bei einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft ausgestellt sein, worauf sich ebenfalls der Vorsatz (zumindest dolus eventualis) beziehen muss. In Abgrenzung zu § 277 StGB ist die Tat bereits mit der Ausstellung vollendet, ein weiterer Gebrauch ist nicht vonnöten (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 278 Rn. 5).
 
III. § 279 StGB – Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse
§ 279 StGB stellt ausschließlich den Gebrauch (zum Begriff des „Gebrauchs“ bereits oben) eines unrichtigen oder gefälschten Gesundheitszeugnisses unter Strafe. Für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes ist ausreichend, dass das Zeugnis objektiv unrichtig ist, also entweder im Wege des § 277 StGB ausgestellt wurde oder inhaltlich unrichtig im Sinne des § 278 StGB ist. Verlangt wird gerade nicht, dass der Aussteller des Zeugnisses dieses wider besseren Wissens oder für den Gebrauch gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft angefertigt hat (BeckOK StGB/Weidemann, 50. Edition Stand 01.05.2021, § 279 Rn. 3). In subjektiver Hinsicht ist jedoch weiterhin erforderlich, dass der Täter selbst zumindest mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale – also auch in Bezug auf die Unrichtigkeit – sowie in der Absicht handelt, über den Gesundheitszustand zu täuschen (MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 4).
 
C. Strafbarkeit der Vorlage des Impfausweises in der Apotheke
Sofern man dem Beschuldigten (B.) die Ausstellung des Gesundheitszeugnisses selbst nicht nachweisen kann, kommt aus Beweisgründen zunächst nur eine Strafbarkeit nach § 279 StGB in Betracht.
Mit Vorlage des gefälschten Impfausweises gegenüber der Apotheke könnte sich der B. somit gemäß § 279 StGB wegen des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse strafbar gemacht haben. Zwar handelt es sich bei dem Impfausweis um ein Gesundheitszeugnis (s.o.) jedoch müsste die Vorlage in der Apotheke auch zur Täuschung einer Behörde erfolgen (eine Versicherungsgesellschaft scheidet hier offensichtlich aus).
Der Behördenbegriff wird in § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB nicht legaldefiniert, zurückzugreifen ist vielmehr auf den verwaltungsrechtlichen Behördenbegriff (MüKo StGB/Radtke, 4. Auflage 2020, § 11 Rn. 149). Danach sind Behörden ständige, vom Wechsel der in ihr tätigen Personen unabhängige, in das Gefüge der staatlichen Verwaltung eingeordnete Organe, die mit öffentlicher Autorität Aufgaben des öffentlichen Rechts vollziehen (vgl. Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Auflage 2018, § 11 Rn. 20).
Zu überlegen ist, ob es sich bei einer Apotheke um einen Beliehenen oder um einen Verwaltungshelfer handelt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt und Grundlage ihres Tätigwerdens bildet dabei § 22 Abs. 5 IfSG. Unabhängig von der Einordnung nach öffentlichem Recht soll jedoch das Tätigwerden Privater auch in öffentlicher Funktion nicht die Behördeneigenschaft begründen können (MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 8; für den TÜV ausdrücklich entschieden durch OLG Stuttgart, Urt. v. 25.09.2013 – 2 Ss 519/13).
Dieser Auffassung hat sich im Ergebnis wohl auch das LG Osnabrück angeschlossen, wenn es die Strafbarkeit des Verhaltens verneint, eine Veröffentlichung der Urteilsgründe steht jedoch noch aus. Letztlich besteht in der mündlichen Prüfung an dieser Stelle jedoch ein Einfallstor in das Öffentliche Recht, um die Voraussetzungen einer Beleihung zu klären und diese im Einzelfall von einem bloßen Verwaltungshelfer abzugrenzen. Gerade diese Verknüpfung begründet die Attraktivität dieser Konstellation für die mündliche Prüfung.
 
I. Verhältnis der §§ 277 ff. StGB zu § 267 Abs. 1 StGB
Nachdem mangels Gebrauch des Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Behörde die Verwirklichung des § 279 StGB (oder auch § 277 StGB) ausscheidet, stellt sich die zentrale Frage, ob ein Rückgriff auf § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB in Gestalt des Gebrauchmachens möglich ist, denn ein Gesundheitszeugnis stellt zugleich eine Urkunde iSd. § 267 Abs. 1 StGB dar.
Klärungsbedürftig ist mithin das Verhältnis zwischen den Vorschriften.
Allgemein gilt, dass bei einer privilegierenden Spezialität der allgemeine Tatbestand nicht anwendbar ist, denn anderenfalls würde die Privilegierung leerlaufen (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 30. Auflage 2019, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 138). Dieses Argument ist jedoch nur im Rahmen des Anwendungsbereiches der Norm belastbar. Jedenfalls bezüglich der Vorlage eines Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft sind die Normen daher abschließend. Problematisch ist indes, inwiefern sich die abschließende Wirkung auf alle Gesundheitszeugnisse erstreckt.
Nach überwiegender Ansicht entfalten die §§ 277 und 279 StGB eine umfassende Sperrwirkung gegenüber § 267 StGB bei Vorliegen eines Gesundheitszeugnisses, selbst wenn die übrigen Voraussetzungen der Norm nicht gegeben sind (u.a. RGSt 6, 1; 31, 298; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Auflage 2019, § 277 Rn. 12). Es sei absurd, den Gebrauch eines Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Privatperson unter eine höhere Strafe zu stellen, als dies bei Gebrauch gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft der Fall ist (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Puppe/Schumann, StGB, 5. Auflage 2017, § 277 Rn. 13).
Vertreten lässt sich aber wohl auch die gegenteilige Position, denn ebenso fragwürdig ist es, den Gebrauch eines solchen Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Privatperson gar nicht unter Strafe zu stellen (so ebenfalls Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Puppe/Schumann, StGB, 5. Auflage 2017, § 277 Rn. 13; MüKo StGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 9). So lasse sich die Vorschrift auch dahingehend interpretieren, dass sie nur den Einsatz eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses gegenüber einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft privilegieren möchte. Sofern ein Gesundheitszeugnis gegenüber einer privaten Person verwendet wird, wäre § 267 StGB damit weiterhin anwendbar.
In der mündlichen Prüfung besteht hier Raum für Argumentation. Hat der Prüfling es erfolgreich bis hierhin geschafft, wird vieles vertretbar sein. Zu beachten ist, dass es sich nicht um eine verbotene Analogie der Vorschrift zu Lasten des Täters iSd. Art. 103 Abs. 2 GG handeln muss, denn im Wege der Auslegung lassen sich durchaus noch beide Ergebnisse vertreten. Art. 103 Abs. 2 GG greift erst ein, sobald die Schwelle der Auslegung überschritten und der Weg der Rechtsfortbildung beschritten wird (Maunz/Dürig/Remmert, GG-Kommentar, 94. EL Januar 2021, Art. 103 Abs. 2 Rn. 83).
 
Exkurs: Die Spezialität der §§ 277 ff. StGB hat zur Folge, dass eine Versuchsstrafbarkeit mangels ausdrücklicher Anordnung, wie bei § 267 Abs. 2 StGB, ausscheidet. Ebenso besteht keine Möglichkeit eines Rückgriffes auf § 267 Abs. 3 StGB als besonders schwerer Fall und Absatz 4 als Qualifikation [Lorenz, medstra 2021, 210, 213].)
 
Folgt man der überwiegenden Auffassung und dem LG Osnabrück, besteht eine Strafbarkeitslücke, die es mit Blick auf die mit einem gefälschten Impfausweis für die Allgemeinheit verknüpften Gesundheitsgefahren zu schließen gilt. Sofern sich die Generalstaatsanwaltschaft Niedersachsens auf den Standpunkt stellt, die Herstellung und Vorlage gefälschter Impfzertifikate zur Erlangung eines digitalen Impfzertifikats in einer Apotheke sei strafbar, entspricht dies jedenfalls nicht der bisher herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (die Position der Generalstaatsanwaltschaft ist abrufbar unter: Generalstaatsanwaltschaft Celle, zuletzt abgerufen am 10.11.2021).
 
II. Strafbarkeit des Gebrauchs unrichtiger Impfbescheinigungen nach § 75a Abs. 2 IfSG
Im Zuge der Covid-19 Pandemie wurde im Zweiten Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze v. 28.05.2021 der § 75a IfSG eingeführt, der unter anderem in Absatz 2 Nr. 1 den Gebrauch einer in § 74 Abs. 2 IfSG bezeichneten nicht richtigen Dokumentation (unrichtige Impfdokumentation im Impfausweis) oder gemäß Absatz 2 Nr. 2 Var. 1 den Gebrauch einer in § 75a Abs. 1 IfSG bezeichneten nicht richtigen Bescheinigung (unrichtige Bescheinigung einer Impfung im digitalen Covid-19-Zertifikat) zur Täuschung im Rechtsverkehr unter Strafe stellt.
Augenscheinlich schließt diese Vorschrift die zuvor aufgezeigten Lücken der Urkundendelikte, allerdings setzt der in den Normen in Bezug genommenen § 22 IfSG voraus, dass der Impfausweis von einer zur Schutzimpfung berechtigten Person ausgestellt wurde. Hieraus wird geschlussfolgert, dass auch iRd. § 75a Abs. 2 IfSG nicht solche Impfausweise gemeint sein können, die von Privatpersonen gefälscht wurden (so Solmecke, Gesetzgeber muss Strafbarkeitslücken schließen, v. 02.11.2021, abrufbar unter: WBS-Law, Gefälschte Impfpässe, zuletzt abgerufen am 10.11.2021; die Problematik wird ebenfalls von Gaede/Krüger, NJW 2021, 2159, 2161 ff. aufgeworfen).
 
D. Fazit
Trotz des bestehenden rechtlichen Argumentationsspielraumes zeigt das Urteil des LG Osnabrück bedenkliche Lücken auf, die mit Blick auf die Strafbarkeit rund um die Fälschung von Impfausweisen bestehen. Rechtspolitisch wünschenswert wäre sicherlich gewesen, die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens zu bejahen. Nichtsdestotrotz ist die Position des LG Osnabrück rechtlich valide und juristisch wohl gut begründet. Es ist eben Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Gerichte, entsprechende rechtliche Grundlagen für eine Verurteilung zu schaffen.
Eben dieser möchte nunmehr nachbessern. Geplant ist die Streichung der Var. 2 und 3 des § 277 StGB, sodass die Handlungsmodalitäten, die von § 267 Abs. 1 StGB und § 269 StGB erfasst sind, nicht mehr in § 277 StGB privilegiert werden (BT-Drs. 20/15, S. 34). Dies löst das Konkurrenzverhältnis der beiden Vorschriften auf. Ferner soll nunmehr das bloße Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr genügen (BT-Drs. 20/15, S. 34). Die Vorschriften §§ 278 und 279 sollen ebenfalls dahingehend angepasst werden, dass ein Handeln zur Täuschung im Rechtsverkehr genügt (BT-Drs. 20/15, S. 35). Damit würde die Einengung mit Blick auf Täuschungen zu Lasten von Behörden und Versicherungsgesellschaften entfallen. Weiterhin soll § 275 um einen Absatz 1a ergänzt werden, der die Manipulation von Blankett-Impfausweisen als Fälschungsvorbereitungshandlung unter Strafe stellt (BT-Drs. 20/15, S. 33). Geplant ist auch eine Ergänzung des § 281 Abs. 2, sodass auch das Verwenden fremder Gesundheitszeugnisse ein strafbares Verhalten darstellt (BT-Drs. 20/15, S. 34).
Examenskandidaten sollten daher etwaige künftige Änderungen der Vorschriften, aber auch das Urteil des LG Osnabrück im Blick behalten. Für Altfälle vor einer etwaigen Gesetzesänderung gilt weiterhin die bisherige Rechtslage.
 

11.11.2021/1 Kommentar/von Yannick Peisker
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Yannick Peisker https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Yannick Peisker2021-11-11 09:00:492022-05-20 11:12:06Strafbarkeit des Vorlegens gefälschter Impfausweise in der Apotheke
Dr. Lena Bleckmann

BGH entscheidet erstmals zum Alternativvorsatz – Neues im Strafrecht AT

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Wenn es um den allgemeinen Teil des Strafrechts geht, mögen Studenten vor lauter Problemen und Streitigkeiten den Eindruck bekommen, das Meiste müsste so langsam geklärt sein. Dass aber tatsächlich auch noch ganz grundlegende Fragen offen sind, zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 14.1.2021 (Az. 4 StR 95/20). Der Gerichtshof musste hier erstmalig zum strafrechtlichen Alternativvorsatz urteilen. Die Entscheidung dürfte alsbald Einzug in Universitäts- und Examensklausuren finden. Hier ein Überblick.
I. Worum geht es?
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: A schlug mit einem Hammer in Richtung der F. Ihr Bruder B stand dabei direkt hinter ihr. Dem A war dabei bewusst, dass er sowohl F als auch B mit dem Hammer treffen und verletzen könnte, was er billigend in Kauf nahm. Die F konnte den Schlag abwenden, der B wurde allerdings leicht am Kopf getroffen.
Strafbarkeit des A?
II. Die Entscheidung des BGH 
Hier geht es nun ersichtlich um Körperverletzungsdelikte. Zulasten der F kommt – mangels Taterfolgs – nur eine versuchte Körperverletzung nach § 223 Abs. 1, 2, i.V.m. §§ 22, 23 StGB in Betracht. Der Hammer ist zudem ein Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzung herbeizuführen und somit ein gefährliches Werkzeug, sodass die Tat nach § 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 qualifiziert ist. Zulasten des B liegt objektiv eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB vor. So weit so gut – der objektive Tatbestand ist hier in beiden Fällen schnell abgehandelt.
Das Problem liegt allerdings im subjektiven Tatbestand. Denn das Besondere an diesem Sachverhalt ist, dass der A zwar davon ausging, entweder die F oder den B verletzen zu können, nicht aber davon, dass der Taterfolg bei beiden eintreten könnte. Es handelt sich also um einen Fall des sog. Alternativvorsatzes, bei dem der Täter von der Möglichkeit des Erfolgseintritts bei mehreren Personen, dies aber nur alternativ, ausgeht. Abzugrenzen ist das von Fällen des Kumulativvorsatzes, bei dem der Täter beispielsweise den Erfolgseintritt bei einem Opfer bewusst anstrebt, bei dem anderen billigend in Kauf nimmt und dabei davon ausgeht, dass beide Erfolge zugleich eintreten können. Hierzu hat der BGH bereits 2005 – wenn auch nicht ausdrücklich – entschieden, dass beide Vorsätze nebeneinanderstehen und einander nicht ausschließen (s. BGH, Urt. v. 15.9.2005 – 4 StR 216/05, zur Erläuterung siehe das aktuell besprochene Urteil in Rn. 6). Darüber hinaus ist anerkannt, dass mehrere Vorsätze nebeneinander bestehen können, wenn der Täter sich mehrere einander ausschließende Folgen seiner Tat vorstellt – so ist es etwa, wenn er alternativ den Tod des Opfers oder aber das Weiterleben mit schweren Folgen i.S.d. § 226 StGB in Kauf nimmt (s. etwa BGH, Beschl. v. 3.7.2012 – 4 StR 16/12, Rn. 4).
In seiner neuen Entscheidung zum Alternativvorsatz setzt der BGH sich nun mit den in der Literatur vertretenen Ansichten auseinander (s. BGH, Urt. v. 14.1.2021 – 4 StR 95/20, Rn. 8). Hier wird vertreten, es könne nur einer der beiden Vorsätze, etwa nur der hinsichtlich des schwereren Delikts, zur Strafbarkeit führen, weil der Täter es für sich ausgeschlossen habe, mehrere Delikte zu vollenden (s. etwa Lackner/Kühl/Kühl, 29. Aufl. 2018, § 15 StGB Rn. 29 m.w.N.). Überwiegend geht man allerdings davon aus, beide Vorsätze könnten nebeneinanderbestehen und zur Strafbarkeit führen, es soll sich letztlich um ein Konkurrenzproblem handeln (s. etwa Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, 30. Aufl. 2019, § 15 StGB Rn. 91 m.w.N.).
Dem schließt sich der BGH nun ausdrücklich an:

„Der Senat geht entsprechend der überwiegenden Meinung in der Literatur davon aus, dass der Angeklagte mit zwei ‒ ihm zurechenbaren ‒ bedingten Körperverletzungsvorsätzen gehandelt hat. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen sowohl hinsichtlich der Nebenklägerin als auch in Bezug auf ihren Bruder erfüllt. Für die Annahme von nur einem zurechenbaren Vorsatz besteht kein Grund. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nicht vor, denn auf sich gegenseitig ausschließende Erfolge gerichtete Vorsätze können miteinander verbunden werden, solange sie – wie hier – nicht den sicheren Eintritt eines der Erfolge zum Gegenstand haben.“ (BGH, Urt. v. 14.1.2021 – 4 StR 95/20, Rn. 9-11, Nachweise im Zitat ausgelassen)

Mithin verwirklicht der A die §§ 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 22, 23 StGB zulasten der F sowie § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zulasten des B. Die Delikte stehen zueinander in Tateinheit nach § 52 StGB, denn der A hat durch eine Handlung denselben Tatbestand mehrmals verwirklicht und dadurch die Rechtsgüter verschiedener Personen beeinträchtigt. Hierzu der BGH:

„Daran gemessen ist auch im vorliegenden Fall von (gleichartiger) Tateinheit auszugehen. Denn der Angeklagte hat sowohl die zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Nebenklägerin als auch die zum Schutz der körperlichen Integrität ihres Bruders aufgestellten Verhaltensnormen verletzt und in Bezug auf beide ein Delikt verwirklicht bzw. unmittelbar dazu angesetzt. Obgleich er davon ausgegangen ist, dass allenfalls ein tatbestandsmäßiger Erfolg eintreten wird, hat er damit eine größere Tatschuld auf sich geladen, als derjenige, der nur einen einfachen Vorsatz aufweist.“ (BGH, Urt. v. 14.1.2021 – 4 StR 95/20, Rn. 14, Nachweise im Zitat ausgelassen)

Im Übrigen setzt sich der BGH ausführlich mit dem Strafmaß auseinander, da das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass der Alternativvorsatz einen verminderten Handlungsunwert bedeute und daher nicht beide Delikte uneingeschränkt strafschärfend zu gewichten seien (s. (BGH, Urt. v. 14.1.2021 – 4 StR 95/20, Rn. 17). Auf die Ausführungen des Senats sei an dieser Stelle verwiesen, für Kandidaten des ersten Examens sind sie zunächst von geringerer Relevanz.
III. Ausblick
Wenn der BGH grundlegende Aussagen zum allgemeinen Teil des Strafrechts trifft, ist das für Studierende und Examenskandidaten stets von besonderer Relevanz. Nichts anderes gilt für die hier besprochene Entscheidung. Der BGH schließt sich insgesamt der in der Literatur herrschenden Meinung an und hält den Alternativvorsatz, d.h. zwei nebeneinanderstehende Vorsätze, sofern der Täter davon ausgeht, der Erfolg werde nur bei einem von mehreren möglichen Opfern eintreten, für möglich. Das sollte man sich merken. Wer darüber hinaus noch etwas zur sich anschließenden Konkurrenzfrage sagen kann, wird in Klausuren und mündlichen Prüfungen punkten können.
 

09.02.2021/3 Kommentare/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-02-09 08:30:212021-02-09 08:30:21BGH entscheidet erstmals zum Alternativvorsatz – Neues im Strafrecht AT
Redaktion

Strafrecht – Berlin/Brandenburg – Oktober 2020 – 1. Staatsexamen

Berlin, Brandenburg, Examensreport

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zu einer Examensklausur im Strafrecht, die im Oktober 2020 in Berlin/Brandenburg gestellt wurde. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt.
 
A braucht Geld und will aus der Tiefgarage seines Wohnhauses, in der auch andere Mieter ihre Autos lagern, ein Auto stehlen. Er geht zu P und erklärt er wöllte ein Auto klauen und es P verkaufen. P sagt zu, 15.000 Euro für jedes Auto zu zahlen.
A geht in die Tiefgarage und öffnet mit einem Werkzeug ein Auto, schließt es kurz und fährt davon.
Um in dem gestohlenen Wagen nicht entdeckt zu werden, fährt A statt auf der Autobahn über diverse Landstraßen um den, mittlerweile telefonisch vereinbarten, Treffpunkt mit P zu erreichen. In einem dunkeln Dorf fährt er auf der Hauptstraße ordnungsgemäß an eine Kreuzung heran. Der von einer Nebenstraße kommende Mopedfahrer M sieht den A zu spät und muss eine Vollbremsung hinlegen, um nicht mit A zu kollidieren. Dabei stürzt M, ohne das Auto zu berühren und verletzt sich schwer. M bleibt bewegungsunfähig liegen. A denkt, da er nichts falsch gemacht habe und sich die beiden nicht berührt haben, müsse er nicht helfen. A fährt weiter.
B kommt mit seine Auto vom Nachbardorf mit 0,7 Promille Blutalkoholkonzentration auf der Straße entlanggefahren, auf der M liegt. B hat alkoholbedingte Ausfallerscheinungen und weiß das. Aufgrund der Alkoholisierung sieht er den M zu spät auf der Straße liegen und kann nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Er überfährt den M und verletzt ihn dabei schwer. B ruft jedoch sofort Hilfe herbei. Durch die Hilfeleistung konnte M später wieder voll genesen.
A hat P mittlerweile angetroffen und ihm das Auto übergeben. P überreicht dem A im Gegenzug einen Koffer mit (im Dunklen nicht erkennbaren) 15.000 Euro Falschgeld. A bemerkt nicht, dass es sich um Falschgeld handelt. A zeigt P noch wie man das Auto kurzschließt, um es zu starten und geht. P fährt weg. Später merkt A, dass es sich bei den von P überreichten Banknoten um Falschgeld handelt.
Strafbarkeit der Beteiligten?
 
Zusatzfrage
Im Verfahren schweigt A. Dies empfindet der Vater (V) des M als gehässig und entführt den A deshalb eines Abends. V fesselt den A an einen Stuhl ein schlägt ihn mehrfach. Daraufhin erzählt A dem V das komplette, wahre Unfallgeschehen. Kann V im Prozess über das, was A ihm deshalb erzählt hat, vernommen werden?

18.01.2021/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2021-01-18 09:00:442021-01-18 09:00:44Strafrecht – Berlin/Brandenburg – Oktober 2020 – 1. Staatsexamen
Dr. Lena Bleckmann

BGH: Neues zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei Versterben des Opfers

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Äußert sich der Bundesgerichtshof zu grundlegenden Fragen des Strafrechts, so sollte das Studenten und Examenskandidaten gleichermaßen aufhorchen lassen. So verdient auch die Entscheidung vom 17. März 2020 (Az. 3 StR 574/19) besondere Aufmerksamkeit. Sie beantwortet entscheidende Fragen zum spezifischen Gefahrzusammenhang beim Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) und gibt so Anlass, die objektive Zurechnung allgemein sowie die Voraussetzungen erfolgsqualifizierter Delikte zu wiederholen.
I. Was ist passiert?
Eine 84 Jahre alte Frau, die nicht mehr bei guter Gesundheit war, hatte bei ihrer Bank 600 Euro abgehoben und diese in ihrer Handtasche verstaut. Die Handtasche legte sie wiederum in den Korb ihres Rollators und wickelte den Gurt um den Rollatorgriff. So machte sie sich zu Fuß auf den Heimweg, als der Täter von hinten mit dem Fahrrad an ihr vorbeifuhr und die Handtasche ergriff. Dies tat er, obwohl er sah, dass die Tasche am Rollator befestigt war und sich so aufdrängen musste, dass die Gefahr bestand, dass das Opfer den Halt verlieren und schwer stürzen würde. So kam es auch: Der Frau entglitt der Rollator, sie stürzte und schlug mit dem Kopf auf dem Gehweg auf. Sie erlitt schwerste Schäden. Nach einer Operation erlangte sie aufgrund des während dieser erlittenen Blutverlustes das Bewusstsein nicht wieder. In Übereinstimmung mit der bestehenden Patientenverfügung der Frau stellten die Ärzte die Behandlung ein, sodass die Frau schließlich verstarb.
II. Hat der Täter sich wegen Raubes mit Todesfolge nach § 251 StGB strafbar gemacht?
Mit dieser Frage setzte sich der BGH auseinander. Bevor man sich in einer vergleichbaren Klausur mit den im Mittelpunkt stehenden Fragen des Zurechnungszusammenhangs auseinandersetzen kann, sind die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen dieses erfolgsqualifizierten Delikts zu prüfen.

  1. Verwirklichung des Grunddelikts

Der Anfang ist schnell gefunden: Zunächst muss das Grunddelikt des § 249 StGB verwirklicht sein. Hierzu muss der Täter ein qualifiziertes Nötigungsmittel eingesetzt haben. In Betracht kommt hier allein die Anwendung von Gewalt gegen eine Person, d.h. die Zufügung eines gegenwärtigen, auf den Körper bezogenen Übels von einiger Erheblichkeit.

Anmerkung:  In einer Klausur kann an dieser Stelle durchaus diskutiert werden, ob das Wegreißen der Tasche ausreicht, um das Merkmal der Gewalt gegen eine Person zu erfüllen. Bloße Sachgewalt reicht nicht aus, ebenso darf der eingesetzte Kraftaufwand nicht allein der Ergreifung der Sache dienen. Der Täter muss in zur Überwindung eines zumindest erwarteten Widerstandes handeln.

Der BGH ging vorliegend davon aus, dass das Wegreißen der Tasche als Gewalt gegen eine Person eingeordnet werden kann. Bei der Tasche als Raubobjekt handelt es sich auch um eine fremde bewegliche Sache. Diese muss der Täter weggenommen, d.h. fremden Gewahrsam gebrochen und neuen, nicht notwendigerweise eigenen Gewahrsam begründet haben. Zwar kann man das Bestehen fremden Gewahrsams aufgrund der Platzierung der Tasche in dem offenen Korb des Rollators kurz problematisieren, im Ergebnis ist dies jedoch eindeutig zu bejahen, zumal das Opfer den Gurt der Tasche zusätzlich am Rollator befestigt hatte. Die übrigen Merkmale der Wegnahme sind ebenfalls zu bejahen – insbesondere bedarf es hier keiner breiten Auseinandersetzung mit der typischen Problematik der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung. Nach dem äußeren Erscheinungsbild der Tat liegt eindeutig ein „Nehmen“ vor und auch eine Mitwirkung des Opfers ist zur Erlangung des Gewahrsams nicht erforderlich, sodass die Ansichten der Literatur und Rechtsprechung zu demselben Ergebnis kommen. Auch der notwendige räumlich-zeitliche Zusammenhang sowie der subjektive Finalzusammenhang zwischen Einsatz des Nötigungsmittels und Wegnahme liegen vor. Der Täter handelte vorsätzlich hinsichtlich des Einsatzes des Nötigungsmittels sowie der Wegnahme und auch in der Absicht rechtswidriger Bereicherung.

  1. Erfolgsqualifikation

Neben den Merkmalen des Raubes muss auch der qualifizierte Erfolg des § 251 StGB eingetreten sein. Mit dem Tod des Opfers ist das der Fall. Ohne die Gewaltausübung zur Wegnahme der Tasche wäre die Frau auch nicht gestürzt und schließlich nicht verstorben, sodass der notwendige Kausalzusammenhang zwischen Grunddelikt und Erfolg nach der Äquivalenztheorie vorliegt.
Der Tod muss nach § 251 StGB „wenigstens leichtfertig“ herbeigeführt worden sein. Da sich dem Täter der Geschehensablauf ebenso aufdrängen musste, dass ein solch schwerer Sturz einer älteren Person gravierende Gesundheitsschäden oder den Tod zur Folge haben könnte, kann die Leichtfertigkeit bejaht werden (zu den Anforderungen der Leichtfertigkeit siehe MüKoStGB/Sander, 3. Aufl. 2017, § 251 Rn. 12).
Dies allein reicht jedoch nicht aus, um die Voraussetzungen des gegenüber dem bloßen Raub wesentlich höher bestraften Tatbestands des § 251 StGB zu erfüllen. Erforderlich ist – wie bei jedem erfolgsqualifizierten Delikt – das Vorliegen eines spezifischen Gefahrzusammenhangs. Der BGH führt hierzu aus:

„Die deutlich erhöhte Strafdrohung für den Raub mit Todesfolge gebietet eine einschränkende Auslegung des § 251 StGB. Eine wenigstens leichtfertige Todesverursachung durch die Tat ist danach nur dann anzunehmen, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen. Dem speziellen Unrechtsgehalt des § 251 StGB ist nur genügt, wenn sich die dem Raub innewohnende Gefahr für die betroffenen Rechtsgüter in einer über den bloßen Ursachenzusammenhang hinausgehenden Weise in der Todesfolge niedergeschlagen hat. Dieser qualifikationsspezifische Zusammenhang ist allerdings auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigene besondere Gefährlichkeit verwirklicht.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 7)

Es bietet sich an, in zwei Schritten vorzugehen: Zunächst ist zu prüfen, ob der Todeserfolg nach allgemeinen Kriterien objektiv zurechenbar ist. In einem zweiten Schritt ist zu hinterfragen, ob sich die dem Raub typischerweise anhaftende Gefahr, d.h. die Gefahr der qualifizierten Nötigung, verwirklicht hat. Vorliegend liegt das Problem bereits auf der Stufe der objektiven Zurechnung: Der Zusammenhang kann unterbrochen sein, wenn der Todeserfolg erst durch Handeln eines Dritten oder des Opfers selbst eintritt. Allerdings genügt nicht jedes Dazwischentreten des Opfers oder eines Dritten: Nach dem BGH sind „das Gewicht und die Bedeutung des Eingriffs für den weiteren Geschehensablauf in Betracht zu ziehen. Insoweit ist etwa von Belang, ob die Realisierung der spezifischen Todesgefahr durch das Eingreifen des Opfers nur beschleunigt oder durch diese erst geschaffen wurde.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 8)
a. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch die Operation
Als den Zurechnungszusammenhang unterbrechende Umstände kommen die Operation des Opfers sowie der Behandlungsabbruch aufgrund der Patientenverfügung in Betracht.
Die Operation stellte einen Versuch dar, das Leben des Opfers zu retten. Als solcher unterbricht sie den Zurechnungszusammenhang nicht:

„Der im Krankenhaus unternommene Behandlungsversuch wurde mit dem Ziel durchgeführt, der mit der Tat in Gang gesetzten Risikoverwirklichung Einhalt zu gebieten. Dass diese Bemühungen fehlschlugen, beruhte nicht auf einem eigenständigen, von den behandelnden Ärzten verantworteten neuen Risiko für das Leben der dann Verstorbenen. Vielmehr war ein möglicher tödlicher Ausgang der medizinisch indizierten und lege artis durchgeführten Operation bereits zum Zeitpunkt der Tat in der Konstitution des Raubopfers angelegt.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 13)

b. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch den Behandlungsabbruch
Und auch die Patientenverfügung als solche bzw. der ihr nachfolgende Behandlungsabbruch kann nicht dazu führen, dass die objektive Zurechenbarkeit des Todeserfolgs verneint wird. Anerkannt ist, dass ein bloßes Unterlassen des Opfers oder eines Dritten nicht geeignet ist, den Zurechnungszusammenhang zwischen einer aktiven Handlung des Täters und dem Erfolg zu unterbrechen – vielmehr verwirklicht sich allein das vom Täter gesetzte Risiko. Nimmt das Opfer also keine ärztliche Hilfe in Anspruch, obwohl ihm dies möglich wäre, und verstirbt in der Folge, bleibt dies dem Täter zurechenbar. Nichts anderes kann gelten, wenn das Opfer sich nicht erst nach der Tat, sondern bereits zuvor im Rahmen einer Patientenverfügung gegen die Inanspruchnahme bestimmter ärztlicher Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere lebensverlängernder Maßnahmen entschieden hat. Dies muss umso mehr gelten, als dass das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts besonders geschützt ist (siehe hierzu auch unsere Besprechung der wichtigen BVerfG-Entscheidung zum Grundrecht auf Suizid). Der BGH führt hierzu aus:

„Zudem vermag die in der Patientenverfügung der Verstorbenen zum Ausdruck kommende eigenverantwortliche Entscheidung, auf eine „Maximaltherapie“ im Sinne einer apparategestützten Lebensverlängerung verzichten zu wollen, bei wertender Betrachtung auch aus rechtlichen Gründen eine zurechnungsunterbrechende Wirkung nicht zu entfalten. Der eigenverantwortlich in der Patientenverfügung niedergelegte Wille der Verstorbenen ist als Ausdruck ihres verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts zu werten, wonach ein Patient in jeder Lebensphase, auch am Lebensende, das Recht hat, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen will.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 15)

An dieser Wertung ändert sich auch nichts durch die Tatsache, dass die Ärzte die Behandlung einstellten:

„Der Arzt, der in Umsetzung einer Patientenverfügung einen moribunden Zustand nicht durch intensivmedizinische Maßnahmen verlängert, beugt sich damit in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben lediglich dem Patientenwillen. Eine Zurechnungsunterbrechung folgt hieraus nicht.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 17)

Es handelt sich auch nicht um einen inadäquaten Geschehensverlauf: Sowohl die Schwere der Verletzung, als auch die Möglichkeit des Bestehens einer Patientenverfügung waren vorhersehbar (so auch BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 18). Mithin verwirklicht sich in dem Tod des Opfers das vom Täter durch die gewaltsame Wegnahme der Tasche gesetzte Risiko, der Erfolg ist ihm objektiv zurechenbar.
Die übrigen Prüfungspunkte sind schnell abgehandelt: Neben der objektiven Zurechnung verwirklicht sich auch die spezifische Gefahr der Gewaltanwendung, sodass der gefahrspezifische Zusammenhang gegeben ist. Der Täter handelte auch rechtswidrig und schuldhaft – wobei im Rahmen der Schuldprüfung auf die subjektive Leichtfertigkeit des Täters einzugehen ist – und hat sich somit gemäß § 251 StGB strafbar gemacht.
III. Ausblick
Der vom BGH zu beurteilende Sachverhalt könnte ohne große Veränderung als Klausur gestellt werden. Trotz der Einkleidung in eine Prüfung des § 251 StGB liegt der Schwerpunkt der Problematik vielmehr im Allgemeinen Teil des Strafrechts. Die aufgeworfenen Fragen können nicht nur im Zusammenhang mit erfolgsqualifizierten Delikten relevant werden, sondern betreffen grundlegend die objektive Zurechenbarkeit des Erfolgs. Durch das Spezialproblem der Patientenverfügung erfordert die Prüfung ein gewisses Argumentationsgeschick. Wer sich indes die Grundlagen der objektiven Zurechnung vergegenwärtigt und die grundrechtliche Wertung hinsichtlich des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben berücksichtigt, wird diesen und ähnliche Fälle ohne Probleme bewältigen können.

23.11.2020/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2020-11-23 08:30:062020-11-23 08:30:06BGH: Neues zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei Versterben des Opfers
Gastautor

Rechtsprechungsüberblick Strafrecht und Strafprozessrecht 2019

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Wir freuen uns, heute einen Beitrag von Charlotte Schippers veröffentlichen zu können. Die Autorin hat an der Universität Bonn Jura studiert und ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Bonn (Lehrstuhl Thüsing).
 
Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung unbedingt erforderlich. Neue Urteile und Beschlüsse werden immer wieder als ein Teil der Prüfung herangezogen oder bei besonders wichtigen Entscheidungen ausdrücklich abgefragt. Der folgende Überblick soll für die examensrelevanten Entscheidungen in Strafsachen des Jahres 2019 als Stütze dienen und Ausgangspunkt für eine tiefere Auseinandersetzung sein.
 
Strafrecht
 
BGH, Beschl. v. 8.1.2019 – 1 StR 356/18: Bestätigung der Verurteilung gegen Waffenverkäufer im Fall des Amoklaufs in Münchener Olympia-Einkaufszentrum
Der BGH hat Anfang des Jahres das Urteil des LG München (19.1.2018 – 12 KLs 111 Js 239798/16) gegen den Verkäufer der Waffe, die der Amokläufer im Münchener Olympia-Einkaufszentrum verwendete, bestätigt, indem er die Rechtsmittel von Verteidigung und Nebenklage zurückwies: Der Verkäufer wurde durch das LG München wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen und wegen fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen verurteilt. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord, wie sie auch die Nebenkläger forderten, lehnte das LG München ab, denn der notwendige doppelte Beihilfevorsatz fehle. Es liege aber eine Sorgfaltspflichtverletzung durch den illegalen Verkauf von Schusswaffen und Munition, der sogar selbst den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG verwirklicht, vor. Darüber hinaus sei der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs erkennbar und vorhersehbar. Das Dazwischentreten eines Dritten, also des Täters, stehe der Strafbarkeit nicht entgegen:

„[E]ine Mitverantwortung Dritter [führt] nur dann zum Wegfall des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Täters und dem eingetretenen Erfolg, wenn das für den Erfolg ebenfalls kausale Verhalten des Dritten außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Erforderlich ist demnach, dass die vom Täter ursprünglich gesetzte Ursache trotz des in den Kausalverlauf eingreifenden Verhaltens des Dritten wesentlich fortwirkt, der Dritte also hieran anknüpft. Hiervon ist jedenfalls in solchen Fallgestaltungen auszugehen, in denen sich in dem pflichtwidrigen Handeln des Dritten gerade das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Täters selbst verwirklicht.“

Vgl. hier unsere ausführliche Besprechung.
 
Raserfälle: Relevant waren dieses Jahr auch die Verurteilungen von Rasern. Dies ist gerade mit Blick auf die Neueinführung des § 315d StGB ein hoch examensrelevantes Themengebiet, aber auch das mediale Interesse um die Verurteilungen wegen Mordes rückt entsprechende Urteile auch in den Fokus der Examensprüfer.
BGH, Beschl. v. 16.1.2019 – 4 StR 345/18: Bestätigung des Mordurteils gegen einen Raser
Anfang des Jahres hat der BGH ein Mordurteil gegen einen Raser bestätigt. Vorangegangen war die Entscheidung des LG Hamburg (Az.: 621 Ks 12/17) zu folgendem Sachverhalt: Bei einer Verfolgungsfahrt mit der Polizei in einem gestohlenen Taxi und fuhr der alkoholisierte A in der Innenstadt bewusst auf die Gegenfahrbahn. Diese war leicht kurvig und baulich von der übrigen Fahrbahn abgetrennt. A fuhr mit einer Geschwindigkeit von bis zu 155 km/h, bis er wegen Kollisionen mit dem Kantstein der Fahrbahn und einer Verkehrsinsel die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und nach Überqueren einer Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h frontal mit einem ihm mit nur ca. 20 km/h entgegenkommenden Taxi zusammenstieß. Einer der Insassen verstarb, zwei weitere wurden schwer verletzt.
Das LG ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass A mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe, was auch der BGH bestätigte:

„[A war] bewusst, ,dass es mit hoher, letztlich unkalkulierbarer und nur vom Zufall abhängender Wahrscheinlichkeit zu einem frontalen Zusammenstoß mit entgegenkommenden Fahrzeugen kommen würde.‘ Ihm war auch ,bewusst, dass ein Frontalunfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod eines oder mehrerer direkter Unfallbeteiligter sowie eventuell zur Schädigung weiterer Personen führen würde.‘ All dies, auch der eigene Tod, wurde vom Angekl. gebilligt, weil er ,kompromisslos das Ziel, der Polizei zu entkommen‘, verfolgte.“

Das Vorliegen eines Mordmerkmals mag mit Blick auf die Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels einschlägig sein, das ließ der BGH aber offen. Erfüllt sei vorliegend jedenfalls die Verdeckungsabsicht, da es A maßgeblich darauf ankam, zu entkommen.
Zu mehr Einzelheiten vgl. auch unsere Besprechung.
 
LG Berlin, Urt. v. 26.3.2019 – 532 Ks 9/18: Bedingter Tötungsvorsatz bei Autorennen
Im medialen Fokus stand bereits letztes Jahr das Urteil des LG Berlin, mit dem es zwei Raser, die bei einem illegalen Autorennen einen unbeteiligten Verkehrsteilnehmer getötet hatten, wegen Mordes verurteilte. Dieses erste Urteil hatte der BGH zwar aufgehoben, sodass das LG Berlin erneut entscheiden musste. Es blieb aber dabei, die Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen: Zunächst maßgeblich war der Vorsatz. Die Angeklagten hätten das Risiko des Todes anderer Verkehrsteilnehmer erkannt, hätten aber – aus Gleichgültigkeit – dennoch entsprechend gehandelt. Dieses Bewusstsein habe schon in dem Zeitpunkt vorgelegen, in dem die volle Kontrolle über das Fahrzeug noch vorhanden gewesen sei – zur Erinnerung: Der BGH war davon ausgegangen, dass der Tötungsvorsatz erst nach der Tat gegeben sei und demnach unbeachtlich war.
An Mordmerkmalen bejahte das LG das Auto als gemeingefährliches Mittel, die Heimtücke, da das Opfer die Ampel bei Grün überquert habe und damit arglos gewesen sei, sowie niedrige Beweggründe.
Zu weiteren Details sei auf unsere ausführliche Besprechung verwiesen.
 
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.1.2019 – 2 Ws 341/18: Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel
Das OLG Karlsruhe hatte dieses Jahr darüber zu entscheiden, ob die Ankündigung der Beendigung einer Beziehung als ein empfindliches Übel bei der Strafbarkeit wegen (sexueller) Nötigung verstanden werden kann. Nachdem der Täter T die 17 Jahre alte O über ein soziales Netzwerk kennengelernt und mit dem falschen Profil X eine Internet-Beziehung aufgenommen hatte, traf er sich selbst als T mit O und kündigte an, dass, sollte sie sich weigern, mit ihm in sexuellen Kontakt zu treten, die Internet-Beziehung mit X beendet werde.
Das OLG entschied, dass T hierdurch den Tatbestand der sexuellen Nötigung gem. § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB verwirklicht habe, da bei der Frage, ob eine Drohung mit einem empfindlichen Übel vorliege, ein individuell-objektiver Maßstab zugrunde zu legen sei:

„Danach ist das angedrohte Übel dann empfindlich, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von solcher Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinn des Täterverlangens zu motivieren, und von dem Bedrohten in seiner Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält. Mithin kommt es auf eine den Opferhorizont berücksichtigende Sichtweise und nicht auf einen besonnenen Durchschnittsmenschen an. Auch unter Berücksichtigung des Schutzgutes der Nötigungsdelikte – die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung – kommt deshalb der Individualität des Bedrohten und der Frage, weshalb gerade von ihm in seiner konkreten Situation ein Standhalten gegenüber der Drohung erwartet werden kann, entscheidende Bedeutung. Danach kann auch ein angedrohter Beziehungsabbruch ein empfindliches Übel darstellen, wenn dieser Beziehung für den Bedrohten ein hoher Stellenwert zukommt.“

Das OLG Karlsruhe ging mithin im Ergebnis von der Strafbarkeit des T wegen sexueller Nötigung aus, s. auch unsere Besprechung.
 
OLG Köln, Beschl. v. 4.4.2019 – 2 Ws 122/19: Strafbarkeit eines gedopten Profiboxers nach § 223 StGB
Das OLG Köln beschäftigte sich im April mit der Strafbarkeit eines gedopten Profiboxers wegen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB. Profiboxer T besiegte in einem Boxkampf seinen Kontrahenten; allerdings war die nachfolgende Dopingprobe im Hinblick auf das synthetische anabole Steroid Stanozolol positiv. Nach Bejahung des objektiven Tatbestandes der einfachen Körperverletzung – ein Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs wegen der eingesetzten Boxhandschuhe lehnte des OLG ausdrücklich ab – ist maßgeblich nach der rechtfertigenden Einwilligung zu fragen, die bei einem Sportwettkampf regelmäßig konkludent vorliegt. Hierbei ist ein Irrtum des Einwilligenden denkbar, denn der Gegner geht regelmäßig von einem anderen Leistungsniveau aus, als von dem, welches erst durch das Doping erzielt wird. So führt das OLG Köln aus:

„Die vom Teilnehmer eines Boxkampfes zumindest konkludent erteilte Einwilligung erstreckt sich ausschließlich auf solche Verletzungen, die bei regelkonformem Verhalten des Gegners üblich und zu erwarten sind. Doping als schwere Missachtung der anerkannten Sport- und Wettkampfregeln, die der Gegner nicht zu erwarten braucht, kann der wirksamen Einwilligung entgegenstehen.“

All dies steht unter dem Vorbehalt, dass das Doping dem Täter sicher nachgewiesen wird, was im konkreten Fall noch aussteht. Sollte dies jedenfalls der Fall sein, handelte er ohne Rechtfertigung und hat sich mithin wegen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Vgl. hierzu unsere ausführlichere Besprechung.
 
BGH, Urt. v. 6.4.2019 – 5 StR 593/18: Konkretisierung des Gewahrsamswechsels bei kleinen, leicht transportablen Sachen
Im Frühjahr dieses Jahres hat der BGH eine Konkretisierung des Gewahrsamswechsels beim Diebstahl vorgenommen, wobei es insbesondere um die examensrelevante Frage der Begründung neuen Gewahrsams durch Verbringen der Sache in eine Gewahrsamsenklave ging. Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Es ging um die Mitnahme von sechs Flaschen Alkohol, die der Täter T in einen Einkaufskorb und dann in seine Sporttasche legte, welche er verschloss, um die Flaschen ohne Bezahlung für sich zu behalten. Er wurde aber vor Verlassen des Ladens vom Ladendetektiv aufgehalten.
Zur Bestimmung, ob eine Wegnahme vorliegt, stellt der BGH auf die Gesamtumstände des konkreten Falls unter Berücksichtigung von Größe, Gewicht und Transportmöglichkeit der jeweiligen Sache ab:

„Danach macht es einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen […] lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen. Steckt der Täter einen Gegenstand in Zueignungsabsicht in seine Kleidung, so schließt er allein durch diesen tatsächlichen Vorgang die Sachherrschaft des Bestohlenen aus und begründet eigenen ausschließlichen Gewahrsam.“

Das gilt unabhängig davon, wenn sich die handelnde Person noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten – hier des Supermarktes befindet. Für Fälle wie den Vorliegenden gilt daher:

„Für ohne Weiteres transportable, handliche und leicht bewegliche Sachen kann jedenfalls dann nichts anders gelten, wenn der Täter sie in einem Geschäft – wie hier – in Zueignungsabsicht in eine von ihm mitgeführte Hand-, Einkaufs-, Akten- oder ähnliche Tasche steckt; hierdurch bringt er sie in ebensolcher Weise in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich wie beim Einstecken in seine Kleidung.“

Die Strafbarkeit wegen vollendeten Diebstahls ist im vorliegenden Fall somit gegeben. S. zu diesem Urteil unsere Besprechung.
 
BGH, Beschl. v. 7.5.2019 – 1 StR 150/19: Niedrige Beweggründe bei Tötung des Intimpartners
Zu folgendem Fall (gekürzt) erging im Mai dieses Jahres ein Beschluss des BGH: Zwischen T und seiner Ehefrau F kam es vor allem wegen des täglichen Alkoholkonsums des T zu Streit, wobei sich F von T trennte und ihn aufforderte, aus ihrer Wohnung auszuziehen. Auch am nächsten Morgen beharrte sie auf ihrem Entschluss. Als sie das Haus verließ, um zur Arbeit zu gehen, folgte T ihr mit einem Messer in der Jackentasche und dem Vorhaben, sie zu töten, sollte sie ihm keine weitere Chance geben. F verneinte das Ansinnen des T und wandte sich von ihm ab, sodass T ihr, die sich keines Angriffs versah, von hinten vier Mal in den Rücken stach. F drehte sich überrascht um und ging infolge weiterer gegen die Brust geführter Stiche zu Boden. T setzte sich sodann auf die auf dem Rücken liegende F und stach weiter wuchtig auf ihren Brustbereich ein, wobei ihre Versuche, die Stiche abzuwehren, erfolglos blieben. T ließ erst von ihr ab, als sie regungslos liegenblieb. F starb durch die Blutungen.
Die Überlegungen des LG München, es handle sich um einen Mord, bei welchem die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe vorliegen, stimmte der BGH nur teilweise zu: Während das Merkmal der Heimtücke gegeben sei, sei hinsichtlich der niedrigen Beweggründe, anders als vom LG vorgenommen, weder maßgeblich darauf abzustellen,

„ob der Täter tatsachenfundiert auf den Fortbestand der Verbindung zum Opfer vertrauen durfte, noch darauf, wie der Zustand der Beziehung war, ob sich das Tatopfer aus nachvollziehbaren Gründen zur Trennung entschlossen hat, ob der Täter seinerseits maßgeblich verantwortlich für eine etwaige Zerrüttung der Partnerschaft war und ob er – dies ist ohnehin stets der Fall – ,die Trennungsentscheidung‘ des Partners ,hinzunehmen‘ hatte. Derartige Erwägungen sind zwar für die entscheidende Frage, ob die – stets als verwerflich anzusehende – vorsätzliche und rechtswidrige Tötung eines Menschen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehrt, nicht ohne jede Bedeutung; allein der Umstand, dass sich die Trennung des Partners wegen des Vorverhaltens des Täters und des Zustands der Beziehung als „völlig normaler Prozess“ darstellt und (daher) von diesem hinzunehmen ist, ist aber nicht geeignet, die Tötung des Partners, die wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung verwerflich ist, als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen.“

Zu beachten ist bei der Prüfung auch, dass nach Auffassung des BGH der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden darf.
 
BGH, Urt. v. 3.7.2019 – 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18: Grundsatzurteile zur Sterbehilfe
Medial auch im Fokus standen zwei Urteile zur Sterbehilfe, die der BGH diesen Sommer erlassen hat. Es ging um die Strafbarkeit zweier Ärzte: Der im Hamburger Verfahren angeklagte Facharzt erstellte für zwei Frauen, die sich an einen Sterbehilfeverein gewandt hatten, neurologisch-psychiatrische Gutachten zu ihrer Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Hierbei hatte er an der Festigkeit und Wohlerwogenheit ihrer Suizidwünsche keine Zweifel. Auf ihr Verlangen wohnte er auch der Einnahme der tödlich wirkenden Medikamente bei und unterließ Rettungsmaßnahmen. Eine Strafbarkeit nach §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB und nach § 323c StGB wurde bereits in der Vorinstanz aufgrund der Tatherrschaft der Frauen über die Todesherbeiführung verneint. Der andere Arzt, um dessen Strafbarkeit es im Berliner Verfahren ging, war Hausarzt der Suizidwilligen, die an einer nicht lebensbedrohlichen, aber stark krampfartige Schmerzen verursachenden Krankheit litt und bereits mehrere Suizidversuche unternommen hatte. Er besorgte ihr ein tödlich wirkendes Medikament und betreute sie, als sie nach der Einnahme des Medikaments bewusstlos wurde. Auch er nahm keine Rettungsmaßnahmen vor. Auch hier wurde die Strafbarkeit abgelehnt, denn die Beschaffung des Medikaments eine straflose Beihilfe zur eigenverantwortlichen Selbsttötung.
Zwar lagen die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit durch Unterlassen im Grundsatz wohl vor, wenn auch die Frage nach der Garantenstellung weitestgehend offen gelassen wurde. Allerdings verneinte der BGH die Pflicht zur Abwendung des Todeserfolgs:

„Beide Angeklagte waren nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Suizidentinnen auch nicht zur Rettung ihrer Leben verpflichtet. Der Angeklagte des Hamburger Verfahrens hatte schon nicht die ärztliche Behandlung der beiden sterbewilligen Frauen übernommen, was ihn zu lebensrettenden Maßnahmen hätte verpflichten können. Auch die Erstellung des seitens des Sterbehilfevereins für die Erbringung der Suizidhilfe geforderten Gutachtens sowie die vereinbarte Sterbebegleitung begründeten keine Schutzpflicht für deren Leben. Der Angeklagte im Berliner Verfahren war jedenfalls durch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der später Verstorbenen von der aufgrund seiner Stellung als behandelnder Hausarzt grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Rettung des Lebens seiner Patientin entbunden.“ (Pressemitteilung Nr. 90/2019)

Konsequenterweise war daher auch nicht von einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB auszugehen. Im Ergebnis verneinte der BGH daher insgesamt die Strafbarkeit der Ärzte. Da sich im Rahmen der Sterbehilfe jedenfalls komplizierte Fälle stellen lassen, sind diese Entscheidungen besonders (examens-)relevant.
Vgl. hierzu auch unsere umfassende Besprechung.
 
Strafprozessrecht
 
BVerfG, Beschl. v. 5.7.2019 – 2 BvR 167/18: Neues zur Wahlfeststellung
Das BVerfG hat sich im Sommer mit der echten Wahlfeststellung beschäftigt. Zur Erinnerung: Die echte Wahlfeststellung kommt infrage, wenn sicher ist, dass der Täter einen von mehreren möglichen Straftatbeständen erfüllt hat, aber nicht klar ist, welches Delikt er tatsächlich vorliegt. Daher erfolgt nach Auffassung der Rechtsprechung bei rechtsethischer und physiologischer Vergleichbarkeit oder nach der h. L. bei Identität des Unrechtskerns eine wahlweise Bestrafung. Teilweise bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Wahlfeststellung, insbesondere da es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, die aber wegen ihrer strafbarkeitsbegründenden Wirkung erforderlich sei, vgl. Art. 103 Abs. 2 GG. Das BVerfG hat nun jedoch die Verfassungsmäßigkeit bejaht. Zunächst stellte es heraus, dass es sich um eine Entscheidungsregel des Strafverfahrens handle, die nicht den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG berühre. Darüber hinaus sei auch kein Verstoß gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ festzustellen:

„In der Wahlfeststellungssituation hat das Tatgericht aufgrund des jeweils anwendbaren Straftatbestands zu prüfen, auf welche Strafe zu erkennen wäre, wenn eindeutig die eine oder die andere strafbare Handlung nachgewiesen wäre. Von den so ermittelten Strafen ist dann zugunsten des Angeklagten die mildeste zu verhängen. Dass sich hiernach die zu verhängende Strafe durch einen Vergleich (der für jede Sachverhaltsvariante konkret ermittelten Strafen) bestimmt, ändert nichts daran, dass das Tatgericht Art und Maß der Bestrafung einem gesetzlich normierten Straftatbestand entnimmt, genauer dem Gesetz, das für den konkreten Fall die mildeste Bestrafung zulässt.“

Auch der Unschuldsvermutung sei Genüge getan: Zwar könne dem Angeklagten eine konkrete, schuldhaft begangene Straftat nicht nachgewiesen werden, dennoch stünde zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Angeklagte sicher einen von mehreren alternativ in Betracht kommenden Straftatbeständen schuldhaft verwirklicht habe. Demnach ist die echte Wahlfeststellung als verfassungsgemäß zu betrachten.
Diesen Beschluss haben wir ebenfalls ausführlich besprochen.
 
 

11.11.2019/2 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-11-11 09:51:002019-11-11 09:51:00Rechtsprechungsüberblick Strafrecht und Strafprozessrecht 2019
Dr. Yannik Beden, M.A.

Karteikarte Rücktritt vom Versuch; § 24 I StGB

Karteikarten, Strafrecht

Neue Karteikarten findet ihr regelmäßig auf Instagram:
https://www.instagram.com/juraexamen.info/?hl=de

 
 

05.02.2019/0 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2019-02-05 17:31:112019-02-05 17:31:11Karteikarte Rücktritt vom Versuch; § 24 I StGB
Dr. Matthias Denzer

Karteikarte Untersuchungshaft; §§ 112 ff. StPO

Karteikarten, Strafrecht


Neue Karteikarten findet ihr regelmäßig auf Instagram:
https://www.instagram.com/juraexamen.info/?hl=de
 

04.02.2019/0 Kommentare/von Dr. Matthias Denzer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Matthias Denzer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Matthias Denzer2019-02-04 17:57:442019-02-04 17:57:44Karteikarte Untersuchungshaft; §§ 112 ff. StPO
Redaktion

Strafrecht – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen

Examensreport, Nordrhein-Westfalen, Schon gelesen?, Startseite

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur im Strafrecht, 1. Staatsexamen, NRW, November 2018. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken A.P. sehr herzlich für die Zusendung.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info.
 
Sachverhalt

A betritt kurz vor Ladenschluss den Kiosk des K. Während der Inhaber K die Kasse zählt, schleicht sich A von hinten an den K heran und hält ihm eine fünfzig Zentimeter lange und schwere Brechstange in den Rücken und schreit: „Nicht bewegen, sonst mache ich dich kalt!“. Wie von K erwartet, hält K die Brechstange für eine Waffe und erstarrt vor Angst. So kann K ungehindert die Geldscheine ergreifen und fliehen.

Aufgrund der Beschreibung des K wird A sodann von den Polizeibeamten aufgefunden und (ordnungsgemäß) in die Strafvollzugsanstalt gebracht. Dort trifft A auf den X, der A in seine Ausbruchspläne einweiht und diesen auffordert, seinen Plan mit ihm durchzuziehen und auszubrechen. Der Plan des X sieht es vor, den gehbehinderten Strafvollzugsbeamten B während der Essensausgabe mit abmontierten Stuhlbeinen niederzuschlagen. Dass B dabei tödlich verletzt werden könnte, nimmt X billigend in Kauf. A stimmt dem X bei dem Plan zu, will insgeheim jedoch gar nicht ausbrechen. Erst durch die Zustimmung des A fühlt sich X in seinem Tatentschluss endgültig bestärkt. A und X schrauben die Beine eines Stuhls ab und legen sie im Essensraum für den nächsten Tag bereit. A erzählt den Beamten jedoch von diesem Plan. So können sie rechtzeitig die Stuhlbeine beiseiteschaffen und verlegen X in einen anderen Bereich.

Nach der Freilassung des A wird er aufgrund seiner kriminellen Ader von seiner Freundin aus der Wohnung geworfen. Sodann ruft er die Wohnwagenvermietung an, um in einem Wohnwagen zu leben, bis er eine neue Wohnung findet. Er vereinbart mit dem Vermieter einen Termin. Um zu der Wohnwagenvermietung zu gelangen, benutzt er die Straßenbahn, ohne einen Fahrschein zu lösen. Die Aufschrift „Zutritt nur mit gültigem Fahrschein“ umgeht er bewusst, jedoch mit schlechtem Gewissen. Als der Kontrolleur M den A erreicht, zeigt A sein längst abgelaufenes Semesterticket, in der Hoffnung, dass der Kontrolleur aufgrund des Gedränges nicht so genau hinschaut und das Ticket für „echt“ hält. So geschieht es auch. A ist stolz, aufgrund des „taktischen Schachzuges“ sich das erhöhte Entgelt von 60 Euro gespart zu haben.

Nachdem A die Miete für den Mietwagen zahlt, nimmt er den Mietwagen mit. Da er allerdings in nächster Zeit keine neue Wohnung findet, beschließt er, über die Vertragslaufzeit hinaus, den Wohnwagen nicht zurückzugeben. Dies obwohl er ausdrücklich wegen lukrativen Vermietungsmöglichkeiten darauf hingewiesen wurde, dass die Vertragslaufzeit nicht verlängert werden kann. Um nicht aufzufallen fährt A nicht mehr mit dem Wohnwagen.

Da A denkt, dass er sich durch den Vertragsbruch strafbar gemacht hat, will er diese Straftat vertuschen, in dem er den Wohnwagen verbrennt. Er holt einen Benzinkanister und verteilt das Benzin im Wohnwagen und zündet diesen von außen an. In der Hoffnung, dass der Vermieter diesen gegen Diebstahl und sonstige Beeinträchtigungen des Mieters versichert hat, will er dem Vermieter keinen „Schaden“ zufügen. Dafür will er ihn am nächsten Tag, also noch vor Ende der Vertragslaufzeit, als gestohlen melden. Aufgrund des Feuers wird der Wohnwagen komplett zerstört. Außerdem kommt auch der wohnungslose O, der sich hinter dem Wohnwagen schlafen gelegt hat um ein Haar durch die herunterfallenden Teile mit seinem Leben davon. Von dem O wusste A nichts.

Noch bevor A den Wohnwagen als gestohlen melden kann, wird er festgenommen.

Strafbarkeit von A und X?
Bearbeitevermerk: Nicht zu prüfen sind §§ 303, 234, 239a StGB. Sämtliche Anträge sind noch nicht gestellt.
Facebook: juraexamen.info
Instagram: @juraexamen.info

26.11.2018/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2018-11-26 11:06:222018-11-26 11:06:22Strafrecht – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen
Dr. Yannik Beden, M.A.

Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick: Strafrecht (Quartal 3/2018)

Rechtsgebiete, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT, Verschiedenes

Sowohl während des Studiums, als auch in der Vorbereitung auf Examensklausuren oder die mündliche Prüfung: Nur wer die aktuelle Rechtsprechung im Blick hat, ist auf neue Sachverhaltskonstellationen gut vorbereitet. Für das dritte Quartal 2018 haben wir euch im Zivilrecht und Öffentlichen Recht bereits die prüfungsrelevantesten Gerichtsentscheidungen präsentiert. Zur Vervollständigung unseres Quartalsberichts werden im nachstehenden Beitrag die wichtigsten Urteile und Beschlüsse zum materiellen Strafrecht und Strafprozessrecht besprochen:
I. Materielles Strafrecht
1. BGH Beschl. v. 5.7.2018 – 1 StR 201/18 zu den Rücktrittsanforderungen bei beendetem Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB
Die Entscheidung des Ersten Senats betraf den Rücktritt vom versuchten Mord, §§ 211, 22, 23 StGB sowie der versuchten Brandstiftung mit Todesfolge, §§ 306c, 22, 23 StGB. Im zu entscheidenden Fall setzte der Angeklagte – ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr – ein mehrstöckiges Wohnhaus in Brand, um dadurch einen Feuerwehreinsatz auszulösen und im Anschluss an der Bekämpfung des Feuers mitzuwirken. Damit wollte der Täter die auszulobende Einsatzvergütung erlangen, um seine schlechte finanzielle Situation aufzubessern. Der Täter wirkte dabei nicht vor Ort, sondern verrichtete seine Dienste in der Funkzentrale. Der BGH sah hierdurch die Voraussetzungen des Rücktritts vom beendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB nicht erfüllt. Eine – für einen wirksamen Rücktritt notwendige – eigene Kausalkette, die für die Nichtvollendung der Tat zumindest mitursächlich ist, habe der Täter durch sein Verhalten nicht in Gang gesetzt:

„Nach der Rechtsprechung des BGH kommt ein Rücktritt vom Versuch gem. § 24 Absatz I 1 Var. 2 StGB schon dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder „optimale“ gewählt hat, sofern sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten des Versuchstäters als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweist. Es kommt nicht darauf an, ob dem Täter schnellere oder sicherere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden hätten; das Erfordernis eines „ernsthaften Bemühens“ gem. § 24 Absatz I 2 StGB gilt für diesen Fall nicht. Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich geworden ist. Ohne Belang ist dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können, sofern er nur die ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel benutzt hat, die aus seiner Sicht den Erfolg verhindern konnten.“

2. BGH Beschl. v. 7.8.2018 – 3 StR 47/18 zum Totschlag in besonders schwerem Fall
Die bisherige Rechtsprechung zur Frage, wann von einem besonders schweren Fall eines Totschlags i.S.v. § 212 Abs. 2 StGB ausgegangen werden kann, wurde vom BGH nochmals bestätigt. Es handelt sich um ein Problem der Strafzumessung, welches grundsätzlich eine Würdigung und Abwägung aller Einzelfallumstände bedarf. Im Ausgangspunkt nimmt die Rechtsprechung erst dann einen besonders schweren Fall an, wenn das Verschulden des Täters ebenso schwer wiegt wie das eines Mörders nach § 211 StGB. Dieses Verständnis liegt bereits aufgrund des gleichen Strafmaßes (lebenslange Freiheitsstrafe!) nahe. Im Einzelnen führte das Gericht aus:

„Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, dass das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muss ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Dafür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind“

Sowohl in subjektiver als auch objektiver Hinsicht bedarf es jedoch mehr als einer bloßen Möglichkeit, dass der Täter gleichermaßen wie ein Mörder hätte handeln können. Für den vom Dritten Senat zu entscheidenden Fall bedeutete das:

„Daraus, dass „zahlreiche, nicht fernliegende Handlungsalternativen und Motivationslagen in Betracht“ kommen, die Mordmerkmale ausfüllen könnten, ergibt sich indes noch keine Nähe zu diesen. Das gilt insbesondere in Bezug auf die subjektive Tatseite. So vermochte die Strafkammer keine Feststellungen zu den „Vorstellungen und Motiven“ des Angeklagten zu treffen. Damit fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, dass eine Nähe zu den Mordmerkmalen der niedrigen Beweggründe oder der Verdeckungsabsicht bestehe. Entsprechendes gilt im Hinblick auf das Mordmerkmal der Heimtücke. Da die Strafkammer nicht ausschließen konnte, dass das Kind zum Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mehr arglos war, kann nicht ohne Weiteres von einer Nähe zu heimtückischem Handeln ausgegangen werden.“

Deutlich wird, dass der BGH für das Merkmal der „Nähe zum Mord“ äußerst hohe Anforderungen stellt. In der Klausur bedeutet das, dass in Ermangelung eines Mordmerkmals tendenziell von einem „normalen“ Totschlag gem. § 212 Abs. 1 StGB und nicht von einem besonders schweren Fall ausgegangen werden sollte.
3. BGH Beschl. v. 8.8.2018 – 2 ARs 121/18 zur Strafvereitelung durch einen Strafverteidiger – § 258 StGB
Im streitgegenständlichen Verfahren teilte der Strafverteidiger der Ermittlungsbehörde wahrheitswidrig mit, dass die gesuchten Unterlagen sich in der Garage seines Mandanten befänden, obwohl sich tatsächlich noch wesentliche Teile der Dokumente in den Räumlichkeiten des Strafverteidigers befanden. Zudem erklärte der Strafverteidiger nach einer Sichtung seiner Büroräume, im Rahmen derer beweiserhebliche Materialien gefunden wurden, dass er über keine weiteren Beweismittel dieser Art verfüge, obwohl er jedenfalls über einen weiteren Ordner mit wichtigen Beweisurkunden verfügte. Der BGH entschied hier:

„Eine Strafvereitelung in diesem Sinn kann auch durch Vereitelung des staatlichen Beschlagnahmezugriffs auf Beweisgegenstände durch einen Strafverteidiger begangen werden. So gehen etwa wahrheitswidriges Bestreiten des Besitzes gesuchter Beweisurkunden und ein falscher Hinweis auf einen anderweitigen Belegenheitsort zur Vereitelung eines bevorstehenden Beschlagnahmezugriffs über die Grenzen zulässiger Strafverteidigung hinaus. Ein solches Verhalten erfüllt den Tatbestand der Strafvereitelung, wenn dadurch der Abschluss des staatlichen Strafverfahrens für geraume Zeit verzögert wird und der Strafverteidiger absichtlich oder wissentlich handelt.
[…]
Anders liegt es, wenn durch die Ermittlungsbehörde oder das Strafgericht die Herausgabe solcher Beweismittel, die nicht originär durch die Verteidigung hervorgebracht wurden, verlangt (§ 95 Abs. 1 StPO) oder deren Beschlagnahme (§ 94 Abs. 2 StPO) angestrebt wird. In diesem Fall darf der Verteidiger solche Beweismittel, die nicht spezifisches Verteidigungsmaterial darstellen, nicht dem staatlichen Zugriff entziehen, indem er sie verborgen hält oder falsche Angaben zum Belegenheitsort macht. In Bezug auf solche Beweismittel, namentlich „verfängliche Geschäftsunterlagen“, besteht kein Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
[…]
Der Verteidiger darf „Überführungsstücke“, auf die ein staatlicher Beschlagnahmezugriff zielt, nicht in seinen Räumen verstecken. Sein Mandat soll nicht dazu genutzt werden können, gesuchten Beweisgegenständen „Asyl“ zu gewähren. Erst recht gestattet keine der Regelungen zum Schutz des Vertrauensverhältnisses gemäß §§ 53, 97, 160a, 148 StPO es dem Strafverteidiger, falsche Angaben über seinen Besitz an Beweisgegenständen zu machen.“

4. BGH Urt. v. 15.5.2018 – 2 StR 152/18 zur Sittenwidrigkeit einer Körperverletzung nach § 228 StGB
Wird in eine Körperverletzung eingewilligt, ist die Tat nur rechtswidrig, wenn sie trotz Einwilligung gegen die „guten Sitten“ verstößt. Dieses äußert weit gefasste Merkmal konkretisierte der BGH erneut. Für die ex-ante zu bestimmende Sittenwidrigkeit sei vordergründig auf die Art und Schwere des Rechtsgutsangriffs abzustellen. Die Tat müsse in Anbetracht des Umfangs der Verletzung sowie des damit verbundenen Gefahrengrads für Leib und Leben trotz Einwilligung des Rechtsgutsträgers „nicht mehr als von der Rechtsordnung hinnehmbar erscheinen“. Viel ist damit freilich noch nicht gesagt, da auch der Begriff der Hinnehmbarkeit vieles bedeuten kann. Der BGH grenzt allerdings ein: Ebenso wie die Zwecksetzung der Tat sei unbeachtlich, welche gesellschaftliche Vorstellung über die Tat vorliegen mögen.

„Die Weite und Konturenlosigkeit des Merkmals der guten Sitten in § 228 StGB erfordert, dieses strikt auf das Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte zu beziehen und auf seinen Kerngehalt zu reduzieren. Gesellschaftliche Vorstellungen oder der durch die Tat verfolgte Zweck können lediglich dazu führen, dass ihretwegen eine Einwilligung trotz massiver Rechtsgutsverletzungen Wirksamkeit entfalten kann. Zur Feststellung eines Sittenverstoßes und damit – über die Unbeachtlichkeit der Einwilligung – zur Begründung der Strafbarkeit von einvernehmlich vorgenommenen Körperverletzungen können sie nicht herangezogen werden.“ 

5. BGH Beschl. v. 12.6.2018 – 3 StR 171/17 zum subjektiven Schadenseinschlag beim Betrug (Nachtrag zu Quartal 2/2018)
Besondere Prüfungsrelevanz dürfte die Entscheidung des BGH zu den Grundsätzen des subjektiven Schadenseinschlags bei § 263 StGB haben. Das Gericht konkretisierte die Anforderungen an den persönlichen Schadenseinschlag: Ausgehend vom Grundsatz, dass ein Vermögensschaden trotz objektiver Gleichwertigkeit der Gegenleistung auch vorliegen kann, wenn diese für das Opfer unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse subjektiv wertlos ist, stellte der Dritte Senat nun fest:

„Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Gesch. anzusehen sein, wenn die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck brauchbar ist und er sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden, namentlich ohne besondere Schwierigkeiten wieder veräußern kann“  

Da im streitgegenständlichen Verfahren die verkauften Geräte nur mit „erheblichen Verlusten“ hätten weiterveräußert werden können, nahm der BGH einen persönlichen Schadenseinschlag und mithin einen Vermögensschaden an. Eine ausführliche Besprechung dieses besonders prüfungsrelevanten Urteils findet sich im hierzu erstellen Beitrag von Sebastian Rombey.
II. Strafprozessrecht
1. BGH Urt. v. 4.7.2018 – 5 StR 46/18 zur Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten
Die Entscheidung behandelt die Grenze zur Verhandlungsunfähigkeit bei einem Angeklagten, dessen geistige, psychische oder körperliche Fähigkeit zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte eingeschränkt ist. Der 5. Strafsenat geht von einer Verhandlungsunfähigkeit erst aus, wenn dem Angeklagten auch bei Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Hilfe – also insbesondere einem Verteidiger – eine eigenständige, selbstverantwortliche Entscheidungen über die wesentlichen Belange seiner Verteidigung sowie eine sachgerechte Wahrnehmung der ihm zustehenden Verfahrensrechte nicht mehr möglich ist. Dabei geht es vor allem um solche Verfahrensrechte, die der Angeklagte selbst, d.h. persönlich wahrnehmen muss. Danach soll es speziell für das Revisionsverfahren ausreichen, wenn der Beschwerdeführer zumindest zeitweilig zur Konsensfindung mit seinem Verteidiger darüber, ob das Rechtsmittel aufrechterhalten oder zurückgenommen werden soll, in der Lage ist.

„Verhandlungsfähigkeit im strafprozessualen Sinne bedeutet, dass der Angekl. in der Lage sein muss, seine Interessen in und außerhalb der Verhandlung vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Angekl. auch tatsächlich fähig sein muss, die ihm gesetzlich eingeräumten Verfahrensrechte in jeder Hinsicht selbständig und ohne fremden Beistand wahrzunehmen. Auch bei solchen Angekl., deren geistige, psychische oder körperliche Fähigkeit zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte eingeschränkt ist, muss die Schuld- und Straffrage in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren geklärt und entschieden werden können. Danach liegt Verhandlungsunfähigkeit bei solchen Einschränkungen der geistigen, psychischen oder körperlichen Fähigkeiten nicht vor, wenn die Auswirkungen dieser Einschränkungen auf die tatsächliche Wahrnehmung der Verfahrensrechte durch Hilfen für den Besch. hinreichend ausgeglichen werden können. Die Grenze zur Verhandlungsunfähigkeit ist erst dann überschritten, wenn dem Angekl. Auch bei Inanspruchnahme solcher verfahrensrechtlichen Hilfen eine selbstverantwortliche Entscheidung über grundlegende Fragen seiner Verteidigung und eine sachgerechte Wahrnehmung der von ihm persönlich auszuübenden Verfahrensrechte nicht mehr möglich ist“

2. BGH Beschl. v. 5.7.2018 – 1 StR 42/18 zur Selbstbelastungsfreiheit, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO
Äußert sich der Angeklagte nicht zu den Gründen seines Aufenthalts am Ort seiner polizeilichen Festnahme und stellt das erkennende Gericht sowohl in seiner Beweiswürdigung, als auch seiner rechtlichen Würdigung ausdrücklich hierauf ab, wird das Schweigen zum Nachteil des Angeklagten gewertet, sein Schweigerecht mithin konterkariert. Dies verstößt gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit gem. §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1 StPO:

„Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. Es steht dem Angeklagten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Absatz 5 Satz 1 StPO). Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. So liegt der Fall aber hier.
Es ist zwar rechtlich zutreffend, dass der Zweifelssatz es nicht gebietet, zugunsten eines Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen keine Anhaltspunkte bestehen. Das Landgericht stellt jedoch in seiner Beweiswürdigung, aber auch in der rechtlichen Würdigung, an mehreren Passagen ausdrücklich darauf ab, dass sich die Angeklagten nicht zu den Gründen ihres Aufenthalts im Bereich des Festnahmeortes geäußert oder erklärt haben. Damit wird im Ergebnis zum Nachteil gewertet, dass die Angeklagten von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht haben.“


Facebook: juraexamen.info
Instagram: @juraexamen.info

23.10.2018/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-10-23 09:30:292018-10-23 09:30:29Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick: Strafrecht (Quartal 3/2018)
Dr. David Saive

Gruppenstrafbarkeit im StGB

Startseite, Strafrecht, Tagesgeschehen

Mit der Änderung des Sexualstrafrechts soll u.a. ein neuer § 184j StGB eingefügt werden. Dieser sieht eine Bestrafung des einzelnen Gruppenmitglieds schon dann vor, wenn aus der Gruppe heraus sexuelle Übergriffe begangen werden, ohne dass der Einzelne selbst übergriffig wurde.
Auch wenn der Bundesrat den Gesetzesänderungen noch zustimmen muss, lohnt sich im Hinblick auf Prüfungsgespräche der mündlichen Prüfung eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Thema.
 
1. Der Tatbestand
Der Originaltext des neuen § 184j StGB-E lautet wie folgt:

Straften aus Gruppen
Wer eine Straftat dadurch fördert, dass er sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn von einem Beteiligten der Gruppe eine Straftat nach den §§ 177 oder 184i begangen wird und die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Gesetzgeber eine derartige Strafnorm geschaffen hat. Der neue § 184j StGB weist strukturelle Ähnlichkeiten zu § 231 StGB, Beteiligung an einer Schlägerei auf:

(1) Wer sich an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt, wird schon wegen dieser Beteiligung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn durch die Schlägerei oder den Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 226) verursacht worden ist.
(2) Nach Absatz 1 ist nicht strafbar, wer an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne daß ihm dies vorzuwerfen ist.

 
Beide Tatbestände setzen die „Beteiligung“ an einer Gruppenhandlung voraus. Zudem muss jeweils – als objektive Strafbarkeitsvoraussetzung – eine Straftat aus dieser Gruppe heraus begangen worden sein.
 
2. Verfassungsmäßigkeit des § 231 StGB
Da die beiden Tatbestände den klassischen Teilnahmebegriff des Strafrechts erweitern, stellt sich unweigerlich die Frage, wie diese mit Schuldprinzip vereinbar sind.
Das Schuldprinzip kann gleich an mehreren Stellen verfassungsrechtlich herangezogen werden. Zum einen ergibt sich aus dem in Art. 20 III GG normierten Rechtsstaatsprinzip, dass man nur für solche Taten belangt werden darf, die man auch zu verantworten, d.h. verschuldet hat.
Zum Anderen folgt auch aus Art. 103 II GG, nulla poena sine lege, dass ein Täter nur dann für eine Tat bestraft werden darf, wenn diese zuvor mit Strafe bedroht war und er diesen Verstoß auch persönlich zu verantworten hat – nulla poene sine culpa.
Hinzukommt, dass das Schuldprinzip in § 46 I 1 StGB ausdrücklich als Strafbarkeitsvoraussetzung genannt wird:

Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe.

Aus dem Schuldprinzip erwächst gerade die Notwendigkeit, klare Regeln für die Strafbarkeit zu entwickeln, wenn der eigentliche Tatbestand nicht von einer Person selbst verwirklicht worden ist. Aus diesem Grund wurden die Kriterien für Täterschaft und Teilnahme geschaffen.
Werden diese nicht erfüllt, kann die Verantwortlichkeit bzw. Schuld nicht ausgeweitet werden und die Strafbarkeit für Dritte entfällt.
Der neue § 184j StGB, sowie der bereits bestehende § 231 StGB setzen sich in ihren Formulierungen indes über die Kriterien von Täterschaft und Teilnahme hinweg.
Zwar muss sich hiernach eine Person an einer Ansammlung beteiligen, aus der eine Straftat heraus begangen wird, jedoch genügt dieses Verhalten schon allein, um die Strafe zu begründen.
 
Um diesem Konflikt zu begegnen, erblickt die h.M. zumindest in § 231 StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt.[1] Insofern wird schon die bloße Beteiligung an einer Schlägerei als potentiell gefährlich eingestuft und somit unter Strafe gestellt.
Dem Kernproblem der generellen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von abstrakten Gefährdungsdelikten wird somit jedoch nicht begegnet. Allerdings hat hierzu das BVerfG in seiner Entscheidung zu § 100e StGB a.F. festgestellt, dass solche abstrakten Gefährdungsdelikte dann verfassungskonform sind, wenn der erstrebte Zweckt und die Strafandrohung in einem sachgerechten Verhältnis zueinander stehen.[2]
231 StGB sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vor. Es handelt sich somit um ein Vergehen. Sinn und Zweck der Norm ist es, die undurchsichtige Situation einer Schlägerei und der damit verbundenen besonderen Stärke des Angriffs, sowie den damit zusammenhängenden Beweisschwierigkeiten Rechnung zu tragen.[3] Insoweit steht die Strafandrohung noch in einem sachgerechten Verhältnis zum erstrebten Zweck.
 
3. Verfassungsmäßigkeit des § 184j StGB-E
Wie steht es allerdings mit der Verfassungsmäßigkeit des neuen § 184j StGB-E? Vorausgesetzt, § 184j StGB-E ist ebenfalls als abstraktes Gefährdungsdelikt einzuordnen, stellt sich auch hier die Frage, ob der Sinn und Zweck der Norm, sowie die Strafandrohung in einem sachgerechten Verhältnis zueinander stehen.
Sinn und Zweck der Norm soll es sein, die Beteiligung an einer objektiv gefährlichen Situation zu unterbinden.[4] Damit ist die Zugehörigkeit zu einer Gruppe gemeint, die eine Person i.S.d. neuen § 184j StGB-E bedrängt. Vorgesehen ist hierfür eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe. Insoweit liegt die Strafandrohung noch unter der des § 231 StGB. Ebenso wie in § 231 StGB liegt auch bei § 184j StGB-E eine undurchsichtige Situation vor, aus der eine besondere Gefährdung für das Opfer erwächst. Dieses sieht sich nunmehr nicht nur einer Einzelperson ausgesetzt, sondern gleich einer ganzen Gruppe von – zumindest aus Opfersicht – potentiellen Tätern.
 
a) Gruppe
Allerdings scheint im Hinblick auf den Begriff der Beteiligung an einer Gruppe, die Verfassungsmäßigkeit der Norm äußerst fraglich. Aus dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 II GG, nulla poene sine lege certa, folgt die Pflicht des Gesetzgebers, Strafnormen so genau und bestimmt wie möglich zu formulieren.
Ab wann jedoch eine Gruppe vorliegt, ist unklar. Denkbar wäre es, eine Gruppe schon bei einer Ansammlung von zwei Personen anzunehmen. Schließlich meint Gruppe nur die Mehrzahl von Menschen und somit mehr als eine Person allein.
Andererseits vermögen zwei Personen alleine noch keine, wie vom Gesetzgeber geforderte, Undurchsichtigkeit der Situation, zu verursachen. Folglich müssten es wohl mindestens drei, oder vier, vielleicht auch sieben Personen, wie im Vereinsrecht sein.
Für drei Personen spricht immerhin, dass diese Anzahl auch von § 231 StGB verlangt wird.[5] Zudem spricht auch der Entwurf von einer Mindestanzahl von drei Personen.[6] Eine Begründung hierfür fehlt jedoch. Für Klarheit sorgt der Entwurf somit nicht. Es bleibt weiterhin bei den verfassungsrechtlichen Bedenken.
 
b) Beteiligung
Dabei ist der Frage, ab wann eine Beteiligung an einer solchen Gruppe vorliegt, noch überhaupt nicht nachgegangen worden. Muss es den Mitgliedern der Gruppe um einen gemeinsamen Zweck gehen oder genügt der bloße räumliche Zusammenhang der Einzelnen?
Es wäre durchaus denkbar, zwischen den einzelnen Mitglieder der Gruppe eine gewisse Verbundenheit zu fordern. So wird im Versammlungsrecht zumindest irgendein gemeinsamer Zweck der Versammlung gefordert.
Ginge man hiervon aus, stellt sich die Folgefrage, ab wann diese Verbundenheit bestehen muss. Ist eine ausdrückliche vorherige Abmachung von Nöten, nunmehr als Gruppe aufzutreten oder genügt schon die spontane, womöglich noch konkludente Billligung dessen?
 
Im Gesetzesentwurf wird diesem Problem auf zweierlei Weise begegnet:
Zum einen wird festgestellt, dass ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken nicht verlangt wird.[7] Bloße Ansammlungen von Menschen sind jedoch nicht erfasst.[8] Eine wirkliche Abgrenzung kann somit jedoch nicht vorgenommen werden.
Vielmehr wird das Problem in den subjektiven Tatbestand verschoben. Der Täter muss demnach mindestens billigen in Kauf nehmen, dass aus der Gruppe heraus Straftaten begangen werden.[9]
Dies vor Gericht nachzuweisen, wirft wohl mehr Beweisschwierigkeiten auf, als es ursprünglich zu beseitigen galt.
 
4. Fazit
Letztendlich bestehen zumindest hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines neuen § 184j StGB. Gerade deshalb lädt dieser Paragraph zu Diskussionen in mündlichen Prüfungen, aber auch im Freundeskreis (gerne auch in unserer Kommentarspalte) ein. Die wichtigsten Schlagwörter sollten dabei Schuldprinzip, Einordnung der Delikte als abstrakte Gefährdungsdelikte und Bestimmtheitsgebot sein.
 
 
________________________________________________________
[1] Z.B. BGH 14, 134; Lackner/Kühl, Kühl, § 231, Rn.1; MüKo StGB, Hohmann,
§ 231, Rn.2; Schönke/Schröder, Sree/Sternberg-Lieben, § 231, Rn.1.
[2] BVerfGE 28, 175 (188f.).
[3] Schönke/Schröder, Sree/Sternberg-Lieben, § 231, Rn.1.
[4] BT Drucksache 18/9097, S.32, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/090/1809097.pdf; zuletzt abgerufen am 09.08.2016.
[5] Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Paeffgen, § 231, Rn.6.
[6] BT Drucksache 18/9097, S.32.
[7] BT Drucksache 18/9097, ebd.
[8] BT Drucksache 18/9097, ebd.
[9] BT Drucksache 18/9097, ebd.

09.08.2016/3 Kommentare/von Dr. David Saive
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. David Saive https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. David Saive2016-08-09 18:46:552016-08-09 18:46:55Gruppenstrafbarkeit im StGB
Dr. Christoph Werkmeister

Zur Hemmschwellentheorie bei den Tötungsdelikten – Anmerkung zu BGH NJW 2012, 1524 ff.

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Strafrecht, Strafrecht AT

Von Dominik Schnieder
In seinem Urteil vom 22.03.2012 (BGH NJW 2012, 1524 ff.) hatte der Bundesgerichtshof Anlass, sich erneut mit den Anforderungen an den bedingten Tötungsvorsatz auseinander zu setzen. Durch die Studienliteratur und Rechtsprechung geistert dabei immer wieder der Begriff der „Hemmschwellentheorie“. Was darunter zu verstehen ist, erscheint auf den ersten Blick klar: Bei Tötungsdelikten sind höhere Voraussetzungen an den Vorsatz zu stellen (so in aller Schlichtheit: Rengier, BT II, § 4, Rn. 9). Dass dem in dieser Einfachheit nicht so ist, soll im Folgenden dargelegt werden.
I. Sachverhalt
Nachdem es sowohl inner- als auch außerhalb eines Nachtclubs wiederholt zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Angeklagten und seinem späteren Opfer gekommen war, gelang es den Türstehern, den Streit zunächst zu schlichten und die Gruppen zu trennen.
Der Angeklagte, der sich damit nicht abfinden wollte, setzte dem Opfer nach und stach diesem unter dem Ausruf „Verreck‘, du Hurensohn!“  von hinten kommend ein 22 cm langes Messer in den Rücken, wobei er die achte Rippe durchtrennte und mit der Klinge in die Lunge eindrang. Das Opfer befand sich in akuter Lebensgefahr und wäre ohne sofortige Notoperation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verstorben.
Das LG verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft war erfolgreich.
II. Erläuterungen
Ansatzpunkt für die Diskussion um die Hemmschwellentheorie ist das voluntative Vorsatzelement beim dolus eventualis. Ist in der Literatur lebhaft umstritten, ob neben das cognitive auch ein voluntatives Element tritt, um insbesondere bewusste Fahrlässigkeit und bedingt vorsätzliches Handeln voneinander abzugrenzen (vgl. Fischer, § 15, Rn. 9 ff.), geht der BGH wie selbstverständlich davon aus:

 „[26] Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des BGH voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet“

Doch welche Anforderungen sind nun an das vom BGH vorausgesetzte billigende Inkaufnehmen des Todes zu stellen?
So weist das Gericht selbst darauf hin:

 „[35] Der Hinweis [des LG] auf eine „Hemmschwellentheorie“ entbehrt somit jedes argumentativen Gewichts.“

Vielmehr gelte:

 „[34] Im Verständnis des BGH erschöpft sich die „Hemmschwellentheorie“ somit in einem Hinweis auf § 261 StPO.“

III. Würdigung
1. Anforderungen
Ausgangspunkt für die Bestimmung, ob der Täter mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, muss demnach sein, dass es zwar grundsätzlich, aber nicht ohne weiteres möglich ist, von der Gefährlichkeit einer gewalttätigen Handlung auf das Vorliegen des Vorsatzes zu schließen (Verrel, NStZ 2004, 309).
Vielmehr obliegt es dem erkennenden Gericht, umfassende Feststellungen zum Geschehen zu treffen. Es muss eine Gesamtbetrachtung anstellen, die neben der Tat auch den Täter umfasst [BGH NStZ 2003, 431 (432)]. Einzubeziehen sind insbesondere die Motivation des Täters und sein Nachtatverhalten, Äußerungen vor, bei oder nach der Tat sowie die Tatausführung selbst (so: Trück, NStZ 2005, 233 m.w.N.) – kurz: alle objektiven und subjektiven Tatumstände (Fischer, § 212, Rn. 8).
Die anschließende Gesamtbetrachtung geschieht letztlich durch Hypothesenbildung. Das erkennende Gericht kann die den beweisenden Sachverhalt tragende Hypothese als zutreffend belegen, indem es alle dem konkreten Fall entsprechenden Alternativhypothesen aufstellt und für unvereinbar mit dem relevanten Geschehen erklärt (MüKo-Schneider, § 212, Rn. 11).
Es ist also dazu aufgerufen, Gegenindizien zu suchen, die es ermöglichen können, den Schluss von der äußeren Gefährlichkeit der Tathandlung auf das voluntative Vorsatzelement zu entkräften [Verrel, NStZ 2004, 309 (310)]. Findet es solche Gegenindizien nicht oder können sie den äußeren Schluss nicht wiederlegen, so handelte der Täter bedingt vorsätzlich.
An dieser Stelle wird auch der Hinweis des BGH auf § 261 StPO virulent. Dieser verlangt, dass das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung entscheidet. Das zur Entscheidung berufene Gericht muss sich subjektive Gewissheit über die entscheidungserheblichen Tatsachen verschaffen (Joecks, StPO, § 261, Rn. 2), gebildet auf einer rational-objektiven Grundlage [BGH NJW 1999, 1562 (1564)]. Sicheres Wissen an sich kann es dabei nicht geben [vgl. BGH NStZ 1995, 590 (591)]. Doch muss das Gericht auf Grund der ermittelten Hypothesen zu der Überzeugung gelangen, dass kein vernünftiger Zweifel an der den Sachverhalt tragenden Hypothese besteht. Diesen Anforderungen genügte das Landgericht nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall nicht.
Es hätte sich vielmehr:

 „[35]… damit auseinandersetzen müssen, dass schon der festgestellte Handlungsablauf, nämlich das wuchtige und zielgerichtete Stechen eines Messers aus schnellem Lauf in den Rücken eines ahnungslosen Opfers, das Überwinden einer etwa vorhandenen Hemmschwelle voraussetzt.“

2. Kritik
Hinter der Konstruktion, die weitläufig als „Hemmschwellentheorie“ bekannt geworden ist, versteckt sich also mehr als ein glitzernder Name für eine plakative Aussage. Natürlich sind die Anforderungen an den Tötungsvorsatz höher als diejenigen, welche an den Diebstahl einer Cola-Flasche gestellt werden. Doch lässt sich dieses Verhältnis sicher nicht in Zahlen fassen. 10% mehr Tötungsvorsatz – so etwas gibt es nicht.
Die „Hemmschwellentheorie“ ist keine naturwissenschaftliche Gegebenheit, die durch bloßes Erwähnen umfassende Rückschlüsse auf die Wirklichkeit zuließe. Hinter ihr verbirgt sich vielmehr ein komplexes Ausschlussmodell, dessen Grundlage auf umfassenden Tatsachenermittlungen und-würdigungen fußt.
Dass diese Tatsachenermittlung in der Instanzenrechtsprechung häufig zu kurz kommt und mit pauschalen Hinweisen auf ebenjene „Theorie“ übergangen wird, moniert der BGH somit zu Recht [BGH NJW 2012, 1524 (1526 f.)]. Nichtsdestotrotz muss sich auch die Rechtsprechungspraxis des BGH in der Literatur Kritik gefallen lassen. Es wird beanstandet, es hinge teils mehr vom Zufall, denn von der tatrichterlichen Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt ab,  ob das gefällte Urteil nun „revisionssicher“ sei oder nicht. Dabei wird dem BGH sogar eine gewisse Beliebigkeit unterstellt (so etwa Wojtech, NJW-Spezial 2012, 312).
Solch pauschale Aussagen sind sicherlich nicht richtig. Vielmehr sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein und nicht extra eines Hinweises des BGH bedürfen, dass die Gerichte eine vollständige Sachverhaltsaufklärung und –würdigung zu betreiben haben. Zutreffender Ansatzpunkt für Kritik dürfte aber einerseits die Spruchpraxis des Bundesgerichtshofs sein, andere (niedrigere)  Maßstäbe für Unterlassungsdelikte anzusetzen (für Nachweise der Praxis vgl. Fischer, § 212, Rn. 14). Warum hier eine Unterscheidung zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikten zu treffen sein soll, erscheint nicht ersichtlich [Puppe, NStZ 1992, 576 (577)].
Zudem macht es wenig Sinn, eine höhere „Hemmschwelle“ dann anzunehmen, wenn es um Gegebenheiten geht, die gerade eher für ein Enthemmen sprechen. Alkohol- und Drogenkonsum oder affektive Erregungszustände sollen nach der Praxis des BGH nämlich noch einmal erhöhte Voraussetzungen an die Vorsatzfeststellung stellen [mit Beispielsfällen: Trück, NStZ 2005, 233 (237)].
Der Autor Dominik Schnieder ist Lehrassistent bei Prof. Dr. Schlehofer an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Er promoviert zurzeit bei Prof. Dr. Michael zu einem verfassungsschutzrechtlichen Thema.

21.05.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-05-21 16:44:372012-05-21 16:44:37Zur Hemmschwellentheorie bei den Tötungsdelikten – Anmerkung zu BGH NJW 2012, 1524 ff.
Dr. Christoph Werkmeister

Über den Umgang mit den »Konkurrenzen« in der Strafrechtsklausur

Für die ersten Semester, Schon gelesen?, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Über den Umgang mit den »Konkurrenzen« in der Strafrechtsklausur” von Georg Steinberg und Andrea Bergmann

befasst sich mit dem äußerst examensrelevanten Thema der Konkurrenzen im Strafrecht. Die Konkurrenzen bilden selten den Schwerpunkt einer strafrechtlichen Klausur, andererseits sind sie aber in fast jeder Klausur zu erörtern. Fehler sollten und können in diesem Bereich leicht vermieden werden. Aus diesem Grund sei die Lektüre dieses Beitrags wärmstens empfohlen.
Den Beitrag findet ihr hier.

13.04.2012/3 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-04-13 15:06:362012-04-13 15:06:36Über den Umgang mit den »Konkurrenzen« in der Strafrechtsklausur
Dr. Stephan Pötters

Examensrelevante Reform: Sicherungsverwahrung ab 1.1. neu geregelt

Europarecht, Öffentliches Recht, StPO, Strafrecht

Fast einjährige Debatte
Eine der wichtigsten Debatten des letzten Jahres ist nun seit dem 1.1.2011 vorläufig durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers beendet worden. Ausgelöst durch ein Urteil des EGMR (Urteil vom 17.12.2009, Az.: 19359/04) wurde in Deutschland fast ein Jahr lang über eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung diskutiert. Der EGMR hatte die deutsche Regelung für menschenrechtswidrig erklärt. Die BRD habe nach Ansicht der Strasbourger Richter mit der rückwirkenden Anwendung des § 67d Abs. 3 StGB in seiner Fassung nach Streichung der zeitlichen Begrenzung der Sicherungsverwahrung die EMRK verletzt. Die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung verstoße gegen das Recht auf Freiheit in Art. 5 EMRK und das Rückwirkungsverbot in Art. 7 EMRK. Über dieses Urteil und auch die andere Ansicht des BVerfG haben wir bereits berichtet (s. hier).
Gesetzgeberische Lösung
Nachdem nun fast ein Jahr über die Konsequenzen der EGMR-Entscheidung und die erforderlichen Reformen gerungen wurde, hat der Bundestag im Dezember 2010 eine Reform beschlossen, die so nun auch sehr zügig vom Bundesrat bestätigt wurde und nunmehr seit dem 1.1.2011 in Kraft ist. Sie sieht eine Streichung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB), eine Ausweitung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung (§ 66a StGB) und eine Beschränkung der normalen Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) auf schwere Gewalt- und Sexualdelikte vor. Vgl. ausführlich zur Sicherungsverwahrung auch den Wikipediaartikel.
Die Sicherungsverwahrung war schon Gegenstand einiger öffentlich-rechtlicher Examensklausuren. Mit der Neuregelung ist sie zumindest weiterhin für die mündlichen Prüfungen interessant, vielleicht sogar auch für eine Zusatzfrage im Strafrecht.

03.01.2011/2 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2011-01-03 12:17:502011-01-03 12:17:50Examensrelevante Reform: Sicherungsverwahrung ab 1.1. neu geregelt
Dr. Johannes Traut

Zur Wiederholung: Niedrige Beweggründe, Rücktrittshorizont, Gewahrsam

Schon gelesen?, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

In der aktuellen NStZ finden sich zwei BGH-Entscheidungen, die sich gut zur Wiederholung eignen; sie fassen die Rechtsprechung zu niedrigen Beweggründen i.S.d. § 211 StGB, zum Rücktrittshorizont nach § 24 Abs. 1 StGB und zur Frage, wann der Dieb Gewahrsam i.S.d. § 242 Abs. 1 StGB erlangt, zusammen.
BGH Beschluss vom 22. 7. 2010 – 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35:
1. § 211 StGB: Niedrige Beweggründe in der BGH-Rechtsprechung

Beweggründe zu einem Tötungsverbrechen sind „niedrig”, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. BGH Urt. v. 2. 12. 1987 – 2 StR 559/87, BGHSt 35, 116, 127; Beschl. v. 21. 12. 2000 – 4 StR 499/00, StV 2001, 571).
[…]
Das LG hat dabei nicht bedacht, dass Gefühlsregungen wie Eifersucht, aber auch Rache, Wut und Hass nach ständiger Rechtsprechung nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kommen, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren (vgl. BGH Urt. v. 6. 3. 1992 – 2 StR 551/91, BGHR § 211 II niedrige Beweggründe 22; Beschl. v. 21. 12. 2000 – 4 StR 499/00, aaO – jew. mwN; vgl. auch Fischer 57. Aufl., § 211 Rn 19 mwN).
Die vom LG zum Verhalten der Zeugin K gegenüber dem Angekl. getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Bewertung der Eifersucht als „krankhaft übersteigert” nicht, denn danach bestand für den Angekl. mehrfach begründeter Anlass zur Eifersucht, weil die Zeugin Kontakte zu anderen Männern suchte und sich zweimal wegen einer neuen Bekanntschaft kurzzeitig vom Angekl. getrennt hatte. Auch während des der Tat vorangegangenen Diskothekenbesuchs, für dessen Kosten – wie stets – der Angekl. aufkam, flirtete sie intensiv mit dem Zeugen R, außerdem verursachte sie eine ungewöhnlich hohe Zeche, die nahezu 2/5 des monatlichen Einkommens des Angekl. betrug. Im Rahmen der Strafzumessung bezeichnet das LG die Empörung des Angekl. über das Verhalten seiner Verlobten als nachvollziehbar und hält dem zur Tatzeit alkoholisierten Angekl. zugute, dass dieser sich in einer in gewisser Weise sogar noch verständlichen Aufwallung von Jähzorn, Enttäuschung, Wut aber auch Angst davor, verlassen zu werden, zur Tat entschlossen habe.

Anmerkung: Der BGH scheint hier nahezulegen, dass es zumindest dann verständlich ist, jemand zu töten, wenn er einen finanziell ausnutzt. Ob das überzeugt…

2. § 24 Abs. 1 StGB: Zum Rücktrittshorizont

Rücktrittshorizont dient der Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch. In der Prüfung des § 24 Abs. 1 StGB ist er folgendermaßen zu verorten (hier für den Einzeltäter)
§ 24 Abs. 1 StGB

  1. Kein Fehlschlag des Versuchs (Hier: Gesamtbetrachtungs- gegen Einzelaktslehre)
  2. Beendeter oder unbeendeter Versuch? (Hier: Rücktrittshorizont)
  3. „Rücktritt“
  • Wenn unbeendet: Freiwillige Aufgabe der weiteren Ausführung (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB)
  • Wenn beendet: Verhinderung der Vollendung (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB) oder Nichtvollendung ohne Zutun des Täters und ernsthaftes Bemühen des Täters um Verhinderung der Vollendung (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB)

Der BGH fasst schulbuchmäßig seine Rechtsprechung dazu zusammen:

Für die Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. auch BGH Urt. v. 3. 12. 1982 – 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170, 175 und v. 22. 8. 1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 299; Beschl. v. 19. 5. 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227) oder sich keine Gedanken darüber macht, ob sein bisheriges Verhalten ausreicht, um den Erfolg herbeizuführen (vgl. BGH Urt. v. 2. 11. 1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304).
Hält er den Erfolgseintritt für möglich, so ist der Versuch beendet. In diesem Fall setzt ein strafbefreiender Rücktritt voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt durch eigene Tätigkeit verhindert oder sich, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt, darum bemüht.
Rechnet der Täter dagegen nach der letzten Ausführungshandlung (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolges, so ist der Versuch unbeendet, wenn die Vollendung aus Sicht des Täters noch möglich war. In diesem Fall genügt das bloße Aufgeben weiterer Tatausführung, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat.

Anmerkung: Nach dem BGH kann der Täter seinen Rücktrittshorizont „korrigieren„. Wenn der Täter zunächst von einem beendeten Versuch ausgeht, weil er glaubt, alles für die Tatbestandsverwirklichung Nötige getan zu haben, dann aber noch im räumlich-zeitlichen Zusammenhang erkennt, sich geirrt zu haben, so wird nach dem korrigierten Rücktrittshorizont aus dem beendeten Versuch ein unbeendeter, von dem der Täter durch bloßes Nicht-Weiterhandeln zurücktreten kann (BGH NJW 1989, 3231). Auch insofern spielt die Gesamtbetrachtungslehre der h.M. eine Rolle, wonach es für den Rücktritt nicht auf den einzelnen Akt ankommt, sondern auf eine einheitliche Betrachtung des Lebenssachverhaltes.
BGH Beschluss vom 6. 7. 2010 – 3 StR 180/10, NStZ 2011, 36
§ 242 Abs. 1 StGB: Abgrenzung Gewahrsamslockerung / Wegnahme

[Das LG] ist indes der Auffassung, dass der Angekl., als er dem Zeugen das Mobiltelefon aus der Hand genommen habe, dessen Gewahrsam nur gelockert habe; gebrochen habe er ihn erst, als er dieses, nunmehr in Zueignungsabsicht, eingesteckt und sich damit entfernt habe. Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Der Täter bricht fremden und begründet neuen eigenen Gewahrsam dann, wenn er unter Ausschluss des Berechtigten die tatsächliche Sachherrschaft erlangt. Bei handlichen und leicht zu bewegenden Gegenständen genügt hierfür ein bloßes Ergreifen und Festhalten jedenfalls dann, wenn der Berechtigte seine ungehinderte Verfügungsgewalt nur noch gegen den Willen des Täters und unter Anwendung von körperlicher Gewalt wiederherstellen könnte (BGH NStZ 2008, 624, 625 mwN). Nach diesen Maßstäben war die Wegnahme bereits vollendet, als der Angekl. dem Zeugen das Mobiltelefon aus der Hand nahm, denn um die ungehinderte eigene Verfügungsgewalt wiederzuerlangen hätte der Zeuge es ihm gegen dessen Widerstand entwinden müssen. Der Wille des Angekl., den Zugriff des Zeugen hierauf auszuschließen, ergibt sich schon daraus, dass ihm der Sachentzug als Mittel zur Durchsetzung seiner unberechtigten Geldforderung dienen sollte. [Hervorhebung vom Verfasser]

03.01.2011/0 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2011-01-03 09:25:382011-01-03 09:25:38Zur Wiederholung: Niedrige Beweggründe, Rücktrittshorizont, Gewahrsam
Dr. Christoph Werkmeister

§ 46b StGB: Die neue Kronzeugenregelung im Strafrecht

Strafrecht

Neue Kronzeugenregelung
Straftätern, die zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten beitragen, kommt ab dem 01.09.2009 die neue Kronzeugenregelung zugute. Danach dürfen Richter die Strafe der Kronzeugen mildern oder ganz von einer Strafe absehen. Die relevante Norm in diesem Zusammenhang wird der neue § 46b StGB sein.
Voraussetzungen
Von der neuen Strafzumessungsregelung kann ein Täter dann profitieren wenn er selbst eine mittelschwere bzw. schwere Tat begangen hat und sein Wissen über Tatsachen offenbart, die wesentlich zur Aufklärung einer schweren Straftat nach § 100a Abs. 2 StPO beitragen oder durch die eine schwere Straftat nach § 100a Abs. 2 StPO verhindert werden kann.
Ausschluss
Die neue Regelung finde keine Anwendung wenn der Kronzeuge sein Wissen erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens offenbart. Damit soll insbesondere erreicht werden, dass die Angaben des Täters von den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten auf Ihre Stichhaltigkeit hin überprüft werden können, bevor über die jeweilige Strafmilderung entschieden wird.
Zudem werden die Strafen der für Falschangaben einschlägigen Straftatbestände (§ 145 d und § 164 StGB) erhöht werden, wenn der Täter die Falschangaben macht, um sich die Strafmilderung der Kronzeugenregelung zu erschleichen.
Ermessen des Richters
Es erfolgt keine automatische Strafmilderung. Es muss abgewogen werden, ob der konkrete Nutzen der Aussage und die Schwere der dadurch aufgeklärten oder verhinderten Taten es rechtfertigen, dem Kronzeugen für seine eigene Tat eine Strafmilderung zu gewähren.
Altes Recht
Im Vergleich zu früheren Kronzeugenregelungen (teils noch von 1980) unterscheidet sich der neue Maßstab dadurch, das er nicht an bestimmte Delikte gebunden ist (Bisher gab es z.B. vereinzelt Regelungen für die Geldwäsche oder im Betäubungsmittelstrafrecht). Die alten Regelungen werden, soweit sich der Anwendungsbereich überschneidet gestrichen bzw. angepasst.
Examensrelevanz
Der Problemkreis ist momentan ausschließlich für die mündliche Prüfung relevant und Spezialwissen wird natürlich nicht erwartet. Sobald die nächste Nachlieferung vom Schönfelder erscheint, empfiehlt es sich jedoch, sich mit dieser Norm etwas mehr als einmal auseinandergesetzt zu haben. Es gibt hier nicht bloß zahlreiche Fallkonstellationen, in denen die Anwendung dieser Norm Schwierigkeiten bereiten könnte. Ein Anwendungsfall der Norm kann z.B. weiterhin  Folgen für eine Einstellung nach § 153 ff. StPO nach sich ziehen, wodurch die Kronreugenregelung auf einmal auch hervorrangend für das schriftliche Examen taugt.
Wer sich bereits jetzt für eine halbwegs vertiefende Lektüre begeistern kann, dem sei der Aufsatz von König in NJW 2009, 2481 ans Herz gelegt. Der Author äußert sich mitunter kritisch über die Regelung. Insbesondere fehlen Anreize für die Angeklagten, Falschaussagen, um eine Strafmilderung zu erreichen, zu unterlassen. Des Weiteren würde die Strafverteidigung mit dieser Regelung nach Meinung von König in einen „fatalen Rollenkonflikt“ getrieben: Sie werde nämlich den Strafverfolgungsbehörden mögliche Straftäter ans Messer liefern müssen, und damit gleichzeitig in die Rolle eines Anklägers gedrängt. Ob diese Kritik haltbar ist, wird sich im Laufe der nächsten Monate zeigen. M.E. jedenfalls nette Argumente, die im Rahmen einer Diskussion bei der mündlichen Prüfung angebracht werden können.

01.09.2009/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2009-09-01 21:53:412009-09-01 21:53:41§ 46b StGB: Die neue Kronzeugenregelung im Strafrecht

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände
  • Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“
  • Praktikum in einer Großkanzlei – Einblicke in das FGS „Intern-Programm“

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Gastautor

Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände

Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Sabrina Prem veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Volljuristin. Ihr Studium und Referendariat absolvierte sie in Düsseldorf. Ist das Betäubungsmittelstrafrecht – zumindest als Lehrmaterie – im […]

Weiterlesen
01.02.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-02-01 10:00:002023-01-25 11:49:57Das Betäubungsmittelstrafrecht – Ein Überblick über Begriff, Menge und Straftatbestände
Gastautor

Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Simon Mantsch veröffentlichen zu können. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg tätig. Ein nach §§ 823 […]

Weiterlesen
16.01.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-01-16 15:42:082023-01-25 11:42:19Neue Rechtsprechung des BGH zur Ersatzfähigkeit von „Schockschäden“
Gastautor

Praktikum in einer Großkanzlei – Einblicke in das FGS „Intern-Programm“

Alle Interviews, Für die ersten Semester, Interviewreihe, Lerntipps, Rezensionen, Startseite, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Maximilian Drews veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und berichtet über sein absolviertes Pflichtpraktikum in einer Bonner Großkanzlei. […]

Weiterlesen
03.01.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-01-03 07:26:222023-01-04 10:57:01Praktikum in einer Großkanzlei – Einblicke in das FGS „Intern-Programm“

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen