Wir freuen uns im Monat März wieder einen Beitrag eines Mitglieds des Phi Delta Phi – Michael Hoffmann-Becking Inn Frankfurt am Main veröffentlichen zu können. Der Beitrag stammt diesmal von Michele Maurice Stephan. Er ist aktuell Student im siebten Fachsemester und befindet sich in der Vorbereitung auf das erste Staatsexamen. Als Gründungsinitiator stand er dem Michael Hoffmann-Becking Inn als Magister im vergangenen Jahr vor.
Juristisches Praktikum im Start-up
Landauf und landab werden seit einigen Jahren auch in Deutschland zahlreiche junge Wirtschaftsunternehmen gegründet, sog. Start-ups, von denen manche mehr und manche weniger Erfolg haben. Um einen Blick hinter die Kulissen eines Start-ups zu werfen, insbesondere aus der Sicht eines Jurastudenten, habe ich im vergangenen Jahr ein dreimonatiges Praktikum in einem Frankfurter Fintech-Start-up (B2C) absolviert. Der Grundstein für die Gründung wurde bereits im Frühjahr 2013 durch drei ehemalige Absolventen der Goethe-Universität Frankfurt am Main gelegt. Allerdings fiel die Eröffnung des Online-Services (Release), also das Entwicklungsstadium, in dem zum ersten Mal Kunden offiziell das Produkt auf der Plattform in Anspruch nehmen durften, in den Zeitraum meines Praktikums. In meinem Beitrag möchte ich über meine Erfahrung mit der Bewältigung typischer rechtlicher Herausforderungen in einem jungen Start-up berichten.
I. Einleitung
Nach einer kurzen Einarbeitungsphase in den aktuellen Stand des Gründungsprozesses sollten mich insbesondere folgende Fragen beschäftigen: (i) Schutz des Firmennamens- und Logos, (ii) Impressum auf der Internetseite und (iii) Datenschutz.
II. Gewerblicher Rechtsschutz – Marken- und Namenrecht
Existenzielle Bedeutung hat zunächst der Schutz der Leistungen von Existenzgründern vor Nachahmern. Als Teilgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ist insbesondere dem Markenrecht erhebliche Bedeutung beizumessen. Das Markenrecht berührt im Zusammenhang mit dem Namen des Unternehmens und seinem Auftreten im Geschäftsverkehr nahezu jeden Existenzgründer. Das Namenrecht zählt selbst nicht zu den gewerblichen Schutzrechten, steht aber mit dem Markenrecht in einem engen Zusammenhang.
Bereits im Zusammenhang mit der Namensfindung sind verschiedene Aspekte und rechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Dabei stellt im Großen und Ganzen das Firmenrecht des HGB das Namensrecht dar, wobei insbesondere ein Blick in die §§ 17 ff. HGB zu werfen ist. In meinem konkreten Fall hatten die Gründer bereits einen Namen für ihr Start-up gefunden, sodass sich die Frage anschloss, wie sich der Name mit dem dazugehörigen Logo als Gemeinschaftsmarke (darunter versteht man den entsprechenden Schutz einer Marke innerhalb des gesamten Binnenmarktes der Europäischen Union) schützen lässt. Dazu bedarf es zunächst einer Recherche im DPMA-Register, Amtliche Publikations- und Registerdatenbank des Deutschen Patent- und Markenamts (https://register.dpma.de/DPMAregister/Uebersicht) und im Register des Europäischen Netzwerks für Marken und Geschmacksmuster (ETMDN) (https://www.tmdn.org/network/), um sicherzustellen, dass der Name als Gemeinschaftsmarke nicht bereits existiert. Falls das Ergebnis positiv ausfällt oder ein ähnlicher Name auftaucht, muss zwischen verschiedenen Klassen unterschieden werden. Die Klassifikation des DPMA entspricht derjenigen nach Nizza. Die „Nizza-Klassifikation“ stellt dabei ein internationales Klassifikationssystem für Markenanmeldungen dar, in welchem Waren und Dienstleistungen in insgesamt 45 „Klassen“ eingruppiert sind. Im Anschluss bedarf die Eintragung der Marke in das Register eines Antrags, um das alleinige Recht daran zu erwerben. Allerdings empfiehlt es sich, auch nach Eintragung regelmäßige Recherchen durchzuführen, um die Marke wirkungsvoll zu verteidigen. Als mögliche Schutzmaßnahmen kommen dabei das Widerspruchs- und das Löschungsverfahren in Betracht. Nach erfolgreich durchgeführtem Widerspruch erlischt die neu eingetragene Marke. Daneben kann die Eintragung einer Marke einerseits mit Erhebung eines Löschantrags aufgrund absoluter Schutzhindernisse gelöscht werden, wenn sie entgegen § 3 (Fehlen der Markenfähigkeit), § 7 (Anmelder kann nicht Inhaber einer Marke sein) oder § 8 (Entgegenstehen absoluter Schutzhindernisse) des Markengesetzes (MarkenG) eingetragen worden ist. Andererseits wird die Eintragung einer Marke wegen Verfalls gelöscht, wenn die Marke nach der Eintragung innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht benutzt worden ist.
III. Internetauftritt
In der Regel präsentieren sich Start-ups im Internet, schon allein, um den heutigen Erwartungen der Kunden und Geschäftspartner im Hinblick auf einen schnellen Informationszugriff und eine schnelle Kontaktaufnahme gerecht zu werden. Nachdem eine passende Auswahl des Domainnamens getroffen worden ist, bedarf die korrekte Gestaltung des Impressums größerer Aufmerksamkeit. Dabei sind nämlich bestimmte Informationspflichten zu beachten und rechtliche Anforderungen an den Internetauftritt einzuhalten. Dies bestimmt sich insbesondere nach § 5 Telemediengesetz (TMG). Danach müssen alle diejenigen, die sich im Internet über eine Website oder eine Online-Plattform geschäftsmäßig präsentieren und damit sogenannte Teledienste anbieten, bestimmte Informationen in einem Impressum angeben. Unter Teledienste fallen dabei beispielsweise alle Homepages mit oder ohne Onlineshop. Für die Geschäftsmäßigkeit genügt eine gewisse Dauerhaftigkeit, wobei gerade nicht eine Gewinnabzielungsabsicht oder eine Gewerbeanmeldung vorliegen muss. Dabei sind folgende Informationen verpflichtend anzugeben: (i) der Name (z.B. bei juristischen Personen (GmbH oder AG) und rechtsfähigen Personengesellschaften (z.B. OHG und KG) die offizielle, im Handelsregister eingetragene, Firmierung), (ii) die vollständige ladungsfähige Anschrift (z.B. bei einer juristischen Person der Sitz der Gesellschaft), (iii) der Name des Vertretungsberechtigten (z.B. bei einer AG die Namen des Vorstands), (iv) die Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation ermöglichen, wobei eine Telefonnummer nicht zwingend erforderlich ist, (v) die Aufsichtsbehörde, soweit es sich um eine Tätigkeit handelt, für die eine behördliche Zulassung erforderlich ist, (vi) die Angabe des Registers und der Registernummer, bzw. für reglementierte Berufe wie beispielsweise bei Rechtsanwälten zusätzlich die Kammer und schließlich (vii) die Umsatzsteueridentifikationsnummer, sofern das Unternehmen eine besitzt. Dabei ist im Hinblick auf eine leichte Erkennbarkeit, eine unmittelbare Erreichbarkeit und eine ständige Verfügbarkeit zu empfehlen, alle diese Angaben zusammenfassend auf einer Seite unter der Rubrik Impressum darzustellen. Bei Nichtbeachtung der Pflichten kann nach § 16 TMG eine Geldbuße in Höhe von bis zu 50.000 Euro in Betracht kommen, wobei dies gleichermaßen für vorsätzliche und fahrlässige Verstöße gilt. Daneben können im Einzelfall noch weitere Informationen anzugeben sein, wie zum Beispiel im Rahmen von Fernabsatzverträgen das Widerrufs-und Rückgaberecht. Weiterhin sind sämtliche Bildnachweise anzugeben, die sich auf der Internetseite befinden, um insbesondere nicht Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche und/oder auch Schadensersatz- und Gewinnabschöpfungsansprüche Dritter aufgrund von Rechtsbrüchen im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auszulösen.
IV. Datenschutz
Ein weiteres bedeutendes Thema für Existenzgründer ist der Datenschutz. Dieser erscheint auf den ersten Blick wenig übersichtlich und komplex. Die Bandbreite reicht dabei von einfacheren Fragen, wie dem Umgang mit dem „Papierabfall“ oder ausgedienten Datenträgern – beides gehört nicht etwa einfach in den gewöhnlichen Abfall – bis hin zu komplexeren Fragen, wie beispielsweise, ob das Unternehmen Daten geschäftsmäßig im Sinne des § 29 BDSG übermittelt. Dabei muss insbesondere zwischen Mitarbeiterdatenschutz und dem Schutz von Kunden- und Geschäftspartnerdaten differenziert werden. Hauptrechtsquelle ist dabei das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).
1. Mitarbeiterdatenschutz
Mitarbeiter sind hinsichtlich des Umgangs mit ihren personenbezogenen Daten gem. § 32 BDSG durch ihren Arbeitgeber geschützt. Dabei gilt das sogenannte Transparenzgebot, wonach jeder Betroffene erkennen können muss, welche seiner personenbezogenen Daten wann, von wem, zu welchem Zweck und in welchem Umfang erhoben oder in sonst einer Weise verwendet wurden. Natürlich empfiehlt es sich, Mitarbeiter nach § 5 BDSG bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit auf das Datengeheimnis hin zu verpflichten, wobei das Datengeheimnis auch nach Beendigung der Beschäftigung fortbesteht (§ 5 S. 3 BDSG). Mithin sind sie verpflichtet, über alle ihnen während ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Datengeheimnisse zu schweigen.
2. Schutz von Kunden- und Geschäftspartnerdaten
Weitaus relevanter ist für Start-ups allerdings der Datenschutz hinsichtlich Kunden- und Geschäftspartnern bzw. Nutzern. Insbesondere im Internet dürfen personenbezogene Daten der Nutzer von dem Anbieter nur erhoben und verwendet werden, wenn eine gesetzliche Erlaubnis (insbesondere nach dem TMG), die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, oder die Einwilligung des Nutzers in die Datenerhebung und -verwendung vorliegt. Dabei kommt insbesondere § 13 TMG in Betracht, wonach der Dienstanbieter zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung der Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG, also in Drittländern, in allgemein verständlicher Form unterrichten muss, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist. Weiterhin ist der Nutzer zu Beginn eines automatisierten Verfahrens (https://www.bfdi.bund.de/bfdi_wiki/index.php/3_BDSG_Kommentar_Absatz_2_Teil_1), das eine spätere Identifizierung des Nutzers ermöglicht und eine Erhebung oder Verwendung personenbezogener Daten vorbereitet, zu unterrichten. Anhand einer Checkliste bezüglich einer Vorabkontrolle (https://www.bfdi.bund.de/bfdi_wiki/index.php/Checkliste_Vorabkontrolle) empfiehlt es sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob ein Verfahren automatisierter Verarbeitungen verwendet wird, ob es darüber hinaus meldepflichtig ist (vgl. § 4d,e BDSG) und ob darüber hinaus ggf. ein Datenschutzbeauftragter bestellt werden muss (vgl. 4f BDSG).
V. Tipps
Es empfiehlt sich, soweit Juristen nicht selbst Bestandteil des Gründungsteams sind, von Anfang an mit anerkannten Kanzleien und Rechtsanwälten zusammen zu arbeiten, um ein Vertrauensverhältnis untereinander aufzubauen. Dabei ist von essenzieller Bedeutung, zumindest einmal das Konzept von juristischer Seite zu beleuchten, um insbesondere Bedenken bezüglich möglicher späterer Nebenpflichtverletzungen, wie einer möglichen Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten oder Aufklärungspflichten, auszuräumen. Während meines Praktikums haben wir mit einem Anwalt aus einer Großkanzlei zusammengearbeitet, der sich insbesondere auf Digitalisierung und Unterstützung von Start-ups spezialisiert hat. Um die Kosten nicht explodieren zu lassen, kann es hilfreich sein, am Anfang bzw. schrittweise einen sog. „Cap“ zu vereinbaren. Die Erstellung von rechtlichen Gutachten und die dazugehörigen Besprechungen nehmen in der Regel bereits mehrere Stunden in Anspruch, sodass zuvor vereinbarte Caps schnell erreicht sind.
VI. Fazit
Insgesamt ist ein Praktikum in einem Start-up gewinnbringend und damit empfehlenswert. Allerdings bewegt man sich ausschließlich in praxisrelevanten rechtlichen Themen, die kaum bis gar nicht für das Studium von Bedeutung sind. Neben neuen wirtschaftlichen Erkenntnissen wurde insbesondere mein Horizont dahingehend erweitert, dass gründliches juristisches Arbeiten in der Praxis für Nichtjuristen leicht und verständlich auf den Punkt gebracht werden muss, sodass Ausarbeitungen zum Teil mehrfach überarbeitet werden müssen. Das allgemein bekannte Prinzip der flachen Hierarchien in Start-ups traf auch in meinen Fall ausnahmslos zu. Vom ersten Tag an ist man vollwertiges Mitglied im Team und für seine Themen verantwortlich. Das führt dazu, dass es im Vergleich zu manchen großen Unternehmen oder Kanzleien nicht beim Verfassen von rechtlichen Gutachten bleibt, sondern man eigenverantwortlich die Gesprächsführung bezüglich der Ausarbeitungen im Team und dann mit den Anwälten übernehmen darf. Die anschließende tatsächliche Umsetzung rundet das Gesamtbild ab, sodass dadurch ein umfassender Einblick garantiert wird. Damit lässt sich zusammenfassend sagen, dass Start-ups gute Anlaufstellen für juristische Generalisten bieten, die sich schnell aber nicht zwangsläufig in die Tiefen verschiedener Rechtsgebiete einarbeiten wollen. Im Gegensatz zu anderen klassischen Anwaltsberufen sind seitenlange detaillierte Gutachten weniger gefragt. Hingegen kommt es verstärkt auf unternehmerisches Feingefühl und zügige praktische Umsetzung an.
Weitere Artikel
Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.
Eine Studie der deutschen Antidiskriminierungsstelle des Bundes “Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz” aus dem Jahr 2015 kommt zu dem Ergebnis, dass etwa die Hälfte der Befragten schon einmal sexueller Belästigung am […]
Seit dem Jahr 2015 ist es allgemein bekannt: Deutsche Automobilhersteller bedienten sich illegaler Abgasvorrichtungen an ihren Fahrzeugen, um gesetzlich vorgegebene Grenzwerte für Autoabgase einhalten zu können. Der dadurch entfachte Dieselskandal […]
Der Beitrag behandelt den examensrelevanten § 816 BGB. Welche Konstellationen regelt er? Was ist wichtig beim Umgang mit dem Nichtberechtigten im Bereicherungsrecht? Diesen Fragen geht unsere Gastautorin Monika Krizic in […]
Mitmachen
Du hast Lust, Autor bei uns zu werden? Wir freuen uns!
© 2024 juraexamen.info