Das VG Berlin hat kürzlich entschieden, dass das durchaus strenge Spielhallengesetz des Landes Berlin nicht gegen geltendes Verfassungsrecht verstößt (Urteil vom 15.02.2013, Az.: VG 4 K 336.12, VG 4 K 342.12, VG 4 K 344.12).
Worum geht es ?
Nach Ansicht der Kläger sei das Berliner Spielhallengesetz mangels Gesetzgebungskompetenz der Länder bereits formell verfassungswidrig. Die Kläger beanstandeten zudem, dass einzelne Vorschriften, wie das Erlöschen der bisher erteilten Erlaubnisse bis zum 31.07.2016, das räumliche Abstandsgebot, das Verbot von Mehrfachkonzessionen, das Verbot des Spielhallenbetriebes in räumlicher Nähe von Kinder- oder Jugendeinrichtungen sowie die Reduzierung der zulässigen Anzahl von Geldspielgeräten in einer Spielhalle von zwölf auf acht Automaten bzw. drei Geräten (bei Speise- und Getränkeausschank im selben Betrieb), gegen materielles Verfassungsrecht, insbesondere gegen die Berufs- und Eigentumsfreiheit sowie den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen (Prüfungsschema zu Art. 12 GG siehe hier). Die strengeren Regelungen sollen nach dem Willen des Landesgesetzgebers der Spielsuchtprävention dienen und der stetigen Zunahme von Spielhallen entgegenwirken.
Kein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung
Die Reichweite des Kompetenztitels aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („ohne das Recht […] der Spielhallen“) ist seit langem sehr umstritten. Im Schrifttum wird überwiegend vertreten, dass die Ausnahme von der allgemeinen Wirtschaftskompetenz des Bundes nur den Regelungsgegenstand des bisherigen § 33i GewO erfasst, während die von den §§ 33c- h GewO erfasste Materie nach wie vor dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung („Recht der Wirtschaft“) zuzuordnen ist, den der Bundesgesetzgeber in den §§ 33c- h GewO sowie mit den Bestimmungen der SpielVO abschließend mit Sperrwirkung für die Länder geregelt hat (dazu Ennuschat/Brugger, ZfWG 2006, 292 ff.). Auf der dem Bund verbliebenen Gesetzgebungskompetenz beruhen beispielsweise die Regelungen in § 3 II SpielV über die zulässige Anzahl von Spielgeräten und die bei der Aufstellung einzuhaltenden Abstände. Die Vorschrift aus § 33i GewO statuiert einen Erlaubnisvorbehalt für den Betrieb einer Spielhalle und führt einige Versagungsgründe für die Erlaubniserteilung auf. Einzig diesen Regelungsbereich erfasse die den Ländern zugewiesene Gesetzgebungskompetenz für Spielhallen. Die angegriffenen Regelungen gehen allerdings weit über diesen Regelungsbereich hinaus und seien daher kompetenzwidrig. In Bundesländern ohne eigenes Spielhallengesetz gilt § 33i GewO weiterhin fort.
Zudem wird im Schrifttum vertreten, dass die den Ländern in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zugewiesene Gesetzgebungszuständigkeit für das Recht der Spielhallen sich nur auf solche Regelungen beschränke, die einen besonderen örtlichen Bezug aufweisen bzw. ausschließlich lokal radiziert sind (Seiler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 74 Rn. 44). Bei den angegriffenen Vorschriften, welche das Erlöschen bereits erteilter Genehmigungen anorden, dem Verbot von Mehrfachkonzessionen sowie den Abstandsbestimmungen fehle jedoch ein solcher örtlicher Bezug, da sie nicht an die konkreten örtlichen Bedingungen anknüpfen, sondern vielmehr losgelöst von konkreten örtlichen Verhältnissen allgemeine landesweite und landeseinheitliche Wirkung entfalten (Kluth, Die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Spielhallen nach der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, 2010; H.-P. Schneider, Das Recht der Spielhallen nach der Föderalismusreform, 2009).
Es wird außerdem vertreten, dass die landesrechtlichen Abstandsvorschriften und das Verbot von Mehrfachkonzessionen in erster Linie dem Bauplanungsrecht zuzuordnen sind. Sie beträfen primär die Nutzung von Grund und Boden und unterfallen daher dem Kompetenztitel aus § 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Den Bereich des Bodenrechts hat der Bundesgesetzgeber allerdings im BauGB sowie der BauNVO abschließend geregelt. Ein Tätigwerden sei dem Landesgesetzgeber wegen der daraus resultierenden Sperrwirkung folglich nicht gestattet.
Das VG Berlin kam allerdings zu dem Ergebnis, dass der verfassungsrechtliche Spielhallenbegriff im umfassenden Sinne zu verstehen sei und daher das gesamte Spielhallenwesen erfasse, sodass den Ländern eine vollumfängliche Gesetzgebungskompetenz für das Spielhallenwesen zukomme (in diesem Sinne: Dietlein, ZfWG 2008, 12 ff., 77 ff. m.w.N). Zur genaueren Konkretisierung der dies betreffenden Argumentation des Gerichts bleibt das Erscheinen der Entscheidungsgründe abzuwarten.
Restriktionen sind aus Gründen der Spielsuchtbekämpfung gerechtfertigt
Das Gericht konnte – wohl auch mit Blick auf die vom BVerfG im Bereich des Glücksspielrechts stets hervorgehobene gesetzgeberische Einschätzungsprärogative – keinen Verstoß gegen die Berufsfreiheit feststellen, da die Bekämpfung der Spielsucht ein legitimes Ziel darstelle, welches die Einschränkungen des Spielhallenwesens rechtfertige. Ferner trügen die normierten Übergangsfristen den (Vertrauensschutz-) Interessen der Spielhallenbetreiber hinreichend Rechnung.
Fazit
Der Entscheidung des VG Berlin kann gerade im Hinblick auf die spielhallenbezogenen Regelungen des GlüStV (2012) eine gewisse Signalwirkung beigemessen werden. Das letzte Wort ist in diesem Kontext (v.a. hinsichtlich der Reichweite der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder) allerdings längst noch nicht gesprochen, da sich momentan einige Verfassungsbeschwerden vor dem BVerfG gegen weitere Landesspielhallengesetze abzeichnen. Examenskandidaten wird empfohlen die Thematik im Auge zu behalten, da sie sich vorzüglich als Gegenstand von Examensklausuren eignet (vgl. Examenssachverhalt vom Februar 2013).
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