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Schlagwortarchiv für: Skandal

Dr. Melanie Jänsch

Examensrelevante Probleme zum VW-Abgasskandal

Aktuelles, Examensvorbereitung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Ein halbes Jahr ist es her – am 22.9.2015 hatte der VW-Konzern bekanntgegeben, dass sich die Software zur Manipulation der Abgaswerte in weltweit 11 Millionen Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 189 befinde. Diese ermögliche, dass iRv Testverfahren ein weitaus geringerer Abgasausstoß verzeichnet wird als unter tatsächlichen Fahrbedingungen. Für Käufer eines Pkw mit manipuliertem Abgassystem stellte sich schnell die Frage nach Gewährleistungsrechten gegenüber dem Verkäufer (dem Autohaus). Besteht ein Anspruch auf Nacherfüllung, Minderung oder Schadensersatz? Ist ggf. sogar ein Rücktritt vom Kaufvertrag möglich? Diese Fragen sind auch sehr gut für eine mündliche Prüfung oder für das Examen selbst geeignet.
Mittlerweile gibt es erste Rechtsprechung:

  • Das LG Münster hat mit Urteil v. 14.3.2016 entschieden, „dass der Käufer eines von der manipulierten Abgassoftware betroffenen VW keinen Anspruch auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages hat, sondern von dem Autohändler lediglich die Nachbesserung des Abgassystems verlangen kann.“ (Pressemitteilung)
  • Auch das LG Bochum hat mit seinem Urteil v. 16.3.2016 (Az. I-2 O 425/15) ein Rücktrittsrecht eines betroffenen Kunden verneint. Ferner stellte es fest, dass das beklagte Autohaus, den Verkäufer, wegen des Mangels kein Verschulden treffe, da ihm das Verhalten des Herstellers nicht zugerechnet werden könne (s. auch hier).

Die Entscheidungen sollen in diesem Beitrag zum Anlass genommen werden, noch einmal die allgemeinen Grundsätze der hier in Betracht kommenden Gewährleistungsrechte – angewandt auf den konkreten Fall – darzustellen. Die aktuelle Thematik der Mangelhaftigkeit der Abgassysteme lässt sich hervorragend in Fallkonstellationen integrieren, in denen Gewährleistungsrechte, deren Prüfung für jeden Examenskandidaten sowieso zum Standardrepertoire gehören sollte, abgeprüft werden.

A. Sachverhalte
(leicht abgewandelt)

In beiden Fällen hat der Kläger, Käufer eines VW Tiguan, in dem der Motortyp EA 189 verbaut ist, gegen sein Autohaus geklagt. Nach den Feststellungen des Gerichts steht der Motor des betroffenen VW in Verbindung mit einer manipulierten Abgassoftware, welche Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimiere. Nur aufgrund der manipulierten Software, die erkenne, ob das Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzogen werde oder sich auf der Straße befinde, halte der genannte Motor die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte ein. Der Kläger will nun Gewährleistungsrechte geltend machen.


B. Lösung


I. Anspruch auf Nacherfüllung, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB

Der Käufer könnte einen Anspruch auf Nacherfüllung geltend machen, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. Hierbei handelt es sich um eine Modifikation des ursprünglichen Anspruchs auf Lieferung einer mangelfreien Sache, § 433 I 2 BGB. Grds. kann der Käufer gem. § 439 I BGB wählen, ob er die Lieferung einer neuen, mangelfreien Sache (Nachlieferung) oder die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) verlangt. Der Verkäufer kann allerdings die gewählte Art der Nacherfüllung gem. § 439 III BGB verweigern, wenn sie mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Angesichts des hohen Preises eines Neuwagens kommt vorliegend demnach nur die Nachbesserung in Betracht.

1. Vorliegen eines wirksamen Kaufvertrages

Die Parteien haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen.

2. Vorliegen eines Sachmangels
(§ 434 BGB) bei Gefahrübergang (§ 446 BGB)
Zentrale Voraussetzung der kaufrechtlichen Gewährleistung ist das Vorliegen eines Sach- oder Rechtsmangels bei Gefahrübergang. Im vorliegenden Fall kommt ein Sachmangel in Betracht. Ein solcher liegt gem. § 434 I BGB vor, wenn der Kaufgegenstand bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte oder übliche Verwendung eignet. Zugrunde zu legen ist der subjektive Fehlerbegriff, nach dem ein Mangel jede für den Käufer nachteilige Abweichung der tatsächlich geschuldeten Beschaffenheit (Ist-Beschaffenheit) von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit (Soll-Beschaffenheit) ist (BGH v. 30.7.2015 – VII ZR 70/14, MDR 2015, 1359). Nach hM beschränkt sich der Begriff der Beschaffenheit nicht nur auf Eigenschaften, die der Sache physisch anhaften; vielmehr werden auch außerhalb liegende Umstände, insb. Beziehungen der Sache zu ihrer Umwelt, erfasst (vgl. Beck-OK/Faust, § 434 BGB Rn. 22; MüKo/Westermann, § 434 BGB Rn. 9 f.). Die etwa in einem Prospekt angegebenen Emissionswerte werden im vorliegenden Fall nur durch die manipulierte Software in Testverfahren eingehalten. Im regulären Fahrbetrieb weichen sie allerdings erheblich von den Angaben des Herstellers ab. Dass das Fahrzeug also tatsächlich einen viel höheren Schadstoffausstoß hat, als dies im Kaufvertrag, in Prospekten oder Werbung angegeben ist, stellt eine Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit dar, die darauf zurückzuführen ist, dass eine manipulierte Software eingebaut wurde. Ob die Emissionswerte als Beschaffenheit konkret zwischen den Parteien vereinbart wurden (§ 434 I 1 BGB), ist im jeweiligen Einzelfall zu klären. In den heutigen Zeiten, in denen ökologische Eigenschaften des Fahrzeugs immer weiter in den Vordergrund rücken, trägt der angegebene Emissionswert sicherlich in vielen Fällen zum Kaufentschluss bei – womit den Kunden umso wichtiger wäre, ob dieser mit dem tatsächlichen Schadstoffausstoß übereinstimmt. Vor dem Hintergrund, dass Einzelheiten des Sachverhalts noch nicht klar sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Sache jedenfalls durch den von den angegebenen Werten abweichenden Schadstoffausstoß, der seinerseits auf dem Vorhandensein eines manipulierten Abgassystems beruht, gem. § 434 I Nr. 2 BGB nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Das LG Münster argumentiert,

„[…] der Käufer eines Neufahrzeuges dürfe davon ausgehen, dass dessen Motor die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur aufgrund der manipulierten Software im Prüfstandlauf einhalte.“ (s. Pressemitteilung).

Ein Sachmangel, welcher bei Gefahrübergang vorlag, ist also gegeben.

3. Ergebnis
: Der Käufer kann mithin gem. §§ 437 Nr. 1, 439 BGB Nachbesserung verlangen. In der Praxis soll hierfür ein Software-Update bzw. der Einbau eines Zusatzteils genügen, welches je nach genauem Motortyp zwischen einer halben und einer Stunde dauert, und etwa 100 € kostet (s. hier). Hierbei soll ein Verfahren angewendet werden, das wohl weder Motor- und Fahrleistung beeinträchtigt noch den Verbrauch erhöht, sodass der Mangel damit vollständig beseitigt werden kann.
Hinweis: Die Bearbeitung geht hier aufgrund entsprechender Medienberichte davon aus, dass durch die Nachbesserung der erhöhte Schadstoffausstoß vollständig beseitigt wird.

II. Rücktrittsrecht, §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB

Fraglich ist indes, ob dem Käufer auch ein Rücktrittsrecht gem. §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB zusteht. Ist dies der Fall, könnte er gegen Rückgabe des Wagens Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Wertersatz für die gefahrenen Kilometer verlangen, §§ 346 I, 437 Nr. 2, 440, 323 I BGB. § 437 Nr. 2, 1. Alt. BGB verweist bei Vorliegen eines Sachmangels auf die den Rücktritt von gegenseitigen Verträgen betreffende Vorschrift des § 323 BGB.

1. Kaufvertrag als gegenseitiger Vertrag, § 323 I BGB

Der von den Parteien geschlossene Kaufvertrag über den Pkw ist ein gegenseitiger Vertrag, aus dem dem Käufer gegen Entrichtung des Kaufpreises ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Wagens frei von Sach- und Rechtsmängeln zusteht, § 433 BGB.

2. Nicht vertragsgemäße Leistung, § 323 I BGB = Sachmangel iSd § 434 BGB

Die Leistung einer mangelhaften Kaufsache iSd § 434 BGB stellt eine nicht vertragsgemäße Leistung (§ 323 I, 2. Alt. BGB) dar (s.o.).

3. Notwendigkeit der Fristsetzung
, § 323 I BGB
Zunächst müsste der Käufer dem Verkäufer grundsätzlich eine angemessene Frist einräumen, den Mangel zu beseitigen. Die Angemessenheit der Frist muss so bemessen sein, dass der Verkäufer die Nacherfüllung bewirken kann (MüKo/Ernst, § 323 BGB Rn. 72 f.). Da die Nachbesserung in höchstens einer Stunde durchgeführt werden kann und auch sonst nicht die Notwendigkeit komplizierter Verfahren ersichtlich ist, kann davon ausgegangen werden, dass eine Frist von wenigen Wochen wohl angemessen wäre. U.U. kann die Fristsetzung auch nach § 323 II BGB oder § 440 BGB entbehrlich sein; dies muss dann im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.

4. Keine unerhebliche Pflichtverletzung
, § 323 V 2 BGB
Der Rücktritt könnte allerdings wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 V 2 BGB ausgeschlossen sein. Da die Pflichtverletzung in der mangelhaften Leistung besteht, ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein unerheblicher Mangel vorliegt. Nach der Rechtsprechung des BGH erfordere die Beurteilung des Kriteriums der Erheblichkeit

„eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. Bei einem behebbaren Mangel ist im Rahmen dieser Interessenabwägung von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB jedenfalls in der Regel nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt.“ (BGH v. 28.5.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229)

Vorliegend ist zwar ein Mangel gegeben; die Fahrtauglichkeit des Pkw wird hierbei aber in keiner Weise beeinträchtigt. Zudem kann der Mangel wohl durch das Software-Update unter geringem finanziellem Aufwand von etwa 100 € behoben werden, was jedenfalls unter einem Prozent des Kaufpreises liegt (s.o.). Man könnte zwar argumentieren, der Skandal erschwere dem Kunden die Möglichkeit, den Wagen anderweitig zu verkaufen. Unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der Bagatellklausel des § 323 V 2 BGB, dass geringfügige Pflichtverletzungen nicht den Rücktritt als schärfsten Eingriff in das Vertragsverhältnis rechtfertigen, erschiene ein Rücktrittsrecht in dem Fall aber wohl unverhältnismäßig.
So auch die Tendenz der Rechtsprechung – das LG Bochum sowie das LG Münster führen an, eine Rückabwicklung des Kaufvertrags könne der Käufer vor diesem Hintergrund nicht verlangen.
Anders könnte sich der Fall allerdings darstellen, wenn – was vorliegend noch unklar ist – ein bestimmter Emissionswert als Beschaffenheit explizit zwischen den Parteien vereinbart wurde. Eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I 1 BGB indiziert im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung die Erheblichkeit der Pflichtverletzung (vgl. MüKo/Ernst, § 323 BGB Rn. 251; BGH v. 28.5.2014 – VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229; v. 6.2.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365). Mit einer guten Argumentation wäre hier also sicherlich auch ein anderes Ergebnis vertretbar.

III. Minderung, §§ 437 Nr. 2, 441 BGB

Möglicherweise könnte der Käufer auch den Kaufpreis gem. §§ 437 Nr. 2, 441 BGB mindern. Dafür müssen die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen. Jedoch ist der Ausschlussgrund des § 323 V 2 BGB gem. § 441 I BGB auf die Minderung nicht anwendbar. Da der Rücktritt hier an der Bagatellklausel gescheitert ist, kommt eine Minderung (ggf. nach erfolglosem Ablauf einer Nacherfüllungsfrist) also grds. in Betracht.
Als Rechtsfolge wird der Kaufpreis hierbei in dem Verhältnis herabgesetzt, in welchem zur Zeit des Verkaufs der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand gestanden hätte, § 441 III BGB. Vorliegend wurde der Kaufpreis bereits entrichtet, weswegen der Käufer gem. § 441 IV BGB Rückzahlung des Mehrbetrags verlangen könnte. Allerdings ist auch hier die Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB vorrangig, da durch das Software-Update der Mangel behoben werden kann. Zudem ist nicht ganz klar, in welchem Maß der Wert des PKW gemindert ist.

IV. Schadensersatz, §§ 437 Nr. 3 BGB iVm 280 ff. BGB

Weiterhin ist fraglich, ob der Käufer auch Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3 iVm 280 ff. BGB verlangen kann.

1. Kaufvertrag als Schuldverhältnis

Das Schuldverhältnis besteht in dem von den Parteien geschlossenen Kaufvertrag.

2. Pflichtverletzung

Wird – wie vorliegend – das Bestehen eines Sachmangels bejaht, steht fest, dass der Verkäufer seine Pflicht aus § 433 I 2 BGB verletzt hat.

3. Vertretenmüssen, § 280 I 2 BGB iVm §§ 276, 278 BGB

Einzig problematisch erscheint hierbei die Frage, ob der Verkäufer die Pflichtverletzung zu vertreten hat, § 280 I 2 BGB. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den §§ 276, 278 BGB. Nach § 276 BGB hat er grds. Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Das manipulierte Abgassystem war für den Verkäufer ebenso wenig erkennbar wie für den Käufer, mithin scheidet eigenes Vertretenmüssen aus. Möglicherweise ist dem Verkäufer allerdings das Verhalten des Herstellers, die Manipulation des Systems, hier des VW-Konzerns, zuzurechnen, § 278 BGB. Das setzt voraus, dass der Hersteller als Erfüllungsgehilfe des Autohauses iSd § 278 BGB tätig geworden ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Hersteller einer Kaufsache jedoch nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache dem Kunden verkauft (s. z. B. BGH v. 19.6.2009 – V ZR 93/08, BGHZ 181, 317). Auch das LG Bochum entschied in seinem Urteil, dass dem beklagten Autohaus, welches das Fahrzeug lediglich verkauft habe, das Verhalten des Herstellers VW nicht zugerechnet werden könne.
Mithin hat der Verkäufer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten und ein Anspruch auf Schadensersatz scheidet aus. Darüber hinaus ist offen, welcher Schaden dem Käufer entstanden sein soll. In Betracht käme hierbei die Kompensation eines geringeren Wiederverkaufswertes.

V. Verjährung gem. § 438 BGB

Grds. verjähren Mängelansprüche 2 Jahre nach Ablieferung der Sache, §§ 438 I Nr. 3, II BGB. Da viele Kunden ihr Auto bereits vor einigen Jahren gekauft haben, könnte sich der Verkäufer u. U. auf die Verjährung berufen. Angesichts dessen erscheint eine Klage gegen den VW-Konzern direkt um einiges attraktiver, da hierbei die Verjährung 3 Jahre beträgt, §§ 438 III, 195 BGB, und frühestens mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Käufer von den mangelbegründenden Umständen erfahren hat, § 199 I BGB, also frühestens Ende 2015.

C. Fazit und Ausblick

Nach der hier vertretenen Auffassung kann der Käufer also lediglich Nachbesserung verlangen; ein Rücktrittsrecht oder Anspruch auf Schadensersatz bestehen nicht. Sofern zutreffend ist, dass durch das Software-Update der Mangel ohne Beeinträchtigung der Motor- und Fahrleistung oder der Erhöhung des Verbrauchs behoben werden kann, ist den Urteilen des LG Bochum und des LG Münster also i. E. zuzustimmen. Angesichts der Tatsache, dass Einzelheiten der Sachverhalte noch unklar sind, ist auch ein anderes Ergebnis gut vertretbar.
Im Bochumer Fall wird wohl nach Aussage des Klägeranwalts Berufung eingelegt werden. Vor allem vor dem Hintergrund, dass das OLG Hamm erst im Jahr 2015 (Urteil v. 9.6.2015 – 28 U 60/14) ein Urteil des LG Bochum abänderte und einen Rücktritt wegen eines Mangels an der Rückfahrkamera zuließ, wäre eine Befassung des Gerichts mit dem Fall sicherlich aufschlussreich.
Derzeit sind auch noch weitere Klagen gegen Autohäuser oder den VW-Konzern selbst anhängig. Abzuwarten bleibt, ob der Fall (oder ein ähnlicher) irgendwann vor dem BGH landet. So lange ist die Entwicklung der Rechtsprechung auf jeden Fall zu beobachten.
Ferner ist auch an Ansprüche gegen den Konzern VW selbst zu denken. Diese wurden hier bewusst ausgespart. Relevant sind hierbei insbesondere deliktsrechtliche Ansprüche.

23.03.2016/8 Kommentare/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2016-03-23 09:00:562016-03-23 09:00:56Examensrelevante Probleme zum VW-Abgasskandal
Dr. Johannes Traut

Der Dioxin-Skandal aus juristischer Sicht: Öffentliches Recht

Europarecht, Öffentliches Recht, Verwaltungsrecht

Der Dioxin-Skandal: Eine öffentlich-rechtliche Einordnung
Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die öffentlich-rechtliche Seite des Dioxinskandals und beschäftigt sich mit der Zulässigkeit von Betriebsschließungen in Folge des Dioxinverdachts oder im Falle einer vorgefundenden Belastung. Auch hier gilt: Es geht um einen ersten Blick auf die Rechtslage und darum Denkanstöße zu geben, nicht aber um die Abfassung eines erschöpfenden Gutachtens. Verbesserungsvorschläge sind willkommen.
A. Primärebene – Betriebsschließungen
Auch hier besteht ein nebeneinander von europäischen und nationalen Rechtsvorschriften. Auf der europäischen Ebene existiert eine EU-Lebensmittel-Rahmenverordnung (VO (EG) 178/2002), die die Grundsätze des Lebensmittelrechts enthält, so etwa in Art. 14 Abs. 1 das grundlegende Verbot, unsichere Lebensmittel in Verkehr zu bringen:

Art. 14 Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit

(1) Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.
[…]

Art. 15 Anforderungen an die Futtermittelsicherheit

(1) Futtermittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht oder an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere verfüttert werden.

Diese VO wird durch weitere Verordnungen auf europäischer Ebene konkretisiert. Hier interessiert insbesondere die  VO (EG) 882/2004 E(G-Lebens-/FuttermittelR-KontrollVO), dazu sogleich mehr. Ferner existiert auf der nationalen Ebene das deutsches Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), das die Rahmenverordnung konkretisiert und teilweise erweitert.
Eine Erweiterung besteht darin, dass das deutsche Recht nicht nur das Inverkehrbringen von gesundheitsschädlichen Lebensmitteln verbietet, sondern auch ihre Herstellung:

§ 5 Verbote zum Schutz der Gesundheit

(1) 1Es ist verboten, Lebensmittel für andere derart herzustellen oder zu behandeln, dass ihr Verzehr gesundheitsschädlich im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist.
[…]

I. EGL
1. Europarecht?

Wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts ist zunächst hier nach einer Ermächtigungsgrundlage zu suchen. Sie könnte sich aus aus  Art. 54 der VO (EG) 882/2004 EG-Lebens-/FuttermittelR-KontrollVO ergeben.

Art. 54 VO (EG) 882/2004 Maßnahmen im Fall eines Verstoßes

(1) 1Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. 2Sie berücksichtigt dabei die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers mit Blick auf Verstöße.
(2) Dazu können gegebenenfalls folgende Maßnahmen gehören:

  • a)Verhängung von Gesundheitsschutz- oder anderen Maßnahmen, die als notwendig erachtet werden, um die Sicherheit von Futtermitteln oder Lebensmitteln oder die Einhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz zu gewährleisten;
  • b)Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens und der Ein- oder Ausfuhr von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren;
  • c)Überwachung und, falls erforderlich, Anordnung der Rücknahme, des Rückrufs und/oder der Vernichtung der Futtermittel oder Lebensmittel;
  • d)Genehmigung zur Verwendung des Futtermittels oder Lebensmittels für andere als die ursprünglich vorgesehenen Zwecke;
  • e)Betriebsaussetzung oder Schließung des ganzen oder eines Teils des betreffenden Unternehmens für einen angemessenen Zeitraum;
  • f)Aussetzung oder Entzug der Zulassung des Betriebs;
  • g)Maßnahmen gemäß Artikel 19 in Bezug auf Sendungen aus Drittländern;
  • h)sonstige Maßnahmen, die von der zuständigen Behörde für angemessen erachtet werden.

(3) Die zuständige Behörde unterrichtet den betreffenden Unternehmer oder einen Vertreter

  • a)schriftlich über ihre Entscheidung über Maßnahmen nach Absatz 1 und die Gründe hierfür;
  • b)über sein Widerspruchsrecht gegen derartige Entscheidungen sowie über geltende Verfahren und Fristen.

(4) Gegebenenfalls teilt die zuständige Behörde ihre Entscheidung auch der zuständigen Behörde des versendenden Mitgliedstaats mit.
(5) Alle infolge der Durchführung dieses Artikels anfallenden Kosten sind von dem betreffenden Futtermittel- und Lebensmittelunternehmer zu tragen.

Zunächst ist allerdings zu klären, ob Art. 54 Abs. 1 S. 1 VO (EG) 882/2004 überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage darstellt. Als Teil einer europäischen Verordnung ist sie unmittelbar anwendbar und damit geeignet, der Behörde Rechte einzuräumen, vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV und die Schlussformel der VO. Allerdings könnte sie als Ermächtigungsgrundlage zu wenig konkret sein. Diese Bedenken verfangen jedoch nicht. Sie lässt, insbesondere durch den Maßnahmenkatalog in Abs. 2 konkretisierter, Weise erkennen, welche Maßnahmen die Behörden ergreifen können und vor allem an welchem Zweck der Eingriff zu messen ist. Deshalb totz ihres Charakters als Generalklausel hinreichend bestimmt, um unmittelbar als Ermächtigungsgrundlage herangezogen zu werden.
Allerdings ist ihre Reichweite nicht klar. Dem bloßen Wortlaut des Art. 54 folgend, kann man ihn als Ermächtigungsgrundlage dafür lesen, gegen sämtliche Verstöße gegen das europäische Recht vorzugehen, etwa gegen das in Art. 14 der EU-Lebensmittel-Rahmenverordnung (VO (EG) 178/2002) normierte Verbot, unsichere Lebensmittel in Verkehr zu bringen. Aus dem systematischen Zusammenhang folgt jedoch, dass sich Art. 54 der VO (EG) 882/2004 nur auf Verstöße gegen diese Verordnung bezieht. Da die VO nur die Durchführungen von Kontrollen regelt, ist damit nicht jeder Verstoß gegen die materiellen Verbote der Rahmen-VO auch einer gegen die Kontroll-VO. Demnach sind Maßnahmen nach Art. 54 VO (EG) 882/2004 etwa dann möglich, wenn ein Bauer entgegen den Vorgaben der VO nicht ordnungsgemäß mit den Behörden zusammenarbeitet. Hat er dagegen seine Kontrollverpflichtungen eingehalten – davon gehen wir hier aus – dann hat er nicht gegen die Kontroll-VO verstoßen und entsprechend kann Art. 54 nicht als EGL herangezogen werden.
Ein Indiz für den begrenzten Anwendungsbereich der Kontroll-VO ergibt sich aus Art. 17 Abs. 2 der Rahmen-VO, den sie konkretisiert , Meyer/Streinz, LFBG – BasisVO, 1. Auflage 2007, VO 178/2002/EG Art. 17  Rn. 47f. Angesichts ihres begrenzten Anwendungsbereichs bezieht sie sich nicht auf den gesamten Abs. 2, sondern nur auf Abs. 2 UAbs. 2. Die allgemeine Vorgehen gegen Verstöße gegen die Rahmen-VO ist den Mitgliedsstaaten überlassen, Art. 17 Abs. 2 UAbs. 1.

Art. 17 Zuständigkeiten

[…]
(2) Die Mitgliedstaaten setzen das Lebensmittelrecht durch und überwachen und überprüfen, dass die entsprechenden Anforderungen des Lebensmittelrechts von den Lebensmittel und Futtermittelunternehmern in allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen eingehalten werden.
Hierzu betreiben sie ein System amtlicher Kontrollen und führen andere den Umständen angemessene Maßnahmen durch, einschließlich der öffentlichen Bekanntgabe von Informationen über die Sicherheit und Risiken von Lebensmitteln und Futtermitteln, der Überwachung der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit und anderer Aufsichtsmaßnahmen auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen.
1Außerdem legen sie Vorschriften für Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen gegen das Lebensmittel- und Futtermittelrecht fest. 2Diese Maßnahmen und Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Damit ist Art. 54 Abs. 1 der VO (EG) 882/2004 E(G-Lebens-/FuttermittelR-KontrollVO)vorliegend nicht als Ermächtigungsgrundlage einschlägig. [Anmerkung: Das ist die Ansicht des Verfassers, eine andere ist ebenfalls vertretbar. In der Literatur wurde, soweit ersichtlich, das Thema bisher nicht behandelt, vgl. Zipfke/Rathke, Lebensmittelrecht, 141. Ergänzungslieferung 2010, § 39 LFGB Rn. 53a. Meine Ansicht beruht entscheidend darauf, dass der Anwendungsbereich der Kontroll-VO im obigen Sinne eingeschränkt ist. Da ich kein Experte im Lebens- und Futtermittelrecht bin, lasse ich mich diesbezüglich jedoch gerne eines besseren Belehren.]
2. Deutsches Recht
Somit ist eine Ermächtigungsgrundlage im deutschen Recht zu suchen. In Betracht kommt hier vor allem § 39 Abs. 2 S. 1 Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB):

39 Aufgabe und Maßnahmen der zuständigen Behörden

(1) 1Die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes über Erzeugnisse und lebende Tiere im Sinne des § 4 Absatz 1 Nummer 1 ist Aufgabe der zuständigen Behörden. 2Dazu haben sie sich durch regelmäßige Überprüfungen und Probennahmen davon zu überzeugen, dass die Vorschriften eingehalten werden.
(2) 1Die zuständigen Behörden treffen die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. 2Sie können insbesondere

  • 1.anordnen, dass derjenige, der ein Erzeugnis hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht hat oder dies beabsichtigt,
    • a)eine Prüfung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Prüfung mitteilt,
    • b)ihr den Eingang eines Erzeugnisses anzeigt,

    wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Erzeugnis den Vorschriften dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht entspricht,

  • 2.vorübergehend verbieten, dass ein Erzeugnis in den Verkehr gebracht wird, bis das Ergebnis einer entnommenen Probe oder einer nach Nummer 1 angeordneten Prüfung vorliegt,
  • 3.das Herstellen, Behandeln oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten oder beschränken,
  • 4.eine Maßnahme überwachen oder, falls erforderlich, anordnen, mit der verhindert werden soll, dass ein Erzeugnis, das den Verbraucher noch nicht erreicht hat, auch durch andere Wirtschaftsbeteiligte weiter in den Verkehr gebracht wird (Rücknahme), oder die auf die Rückgabe eines in den Verkehr gebrachten Erzeugnisses abzielt, das den Verbraucher oder den Verwender bereits erreicht hat oder erreicht haben könnte (Rückruf),
  • 5.Erzeugnisse, auch vorläufig, sicherstellen und, soweit dies zum Erreichen der in § 1 Absatz 1 Nummer 1 oder 4 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa oder Absatz 2, stets jeweils auch in Verbindung mit Absatz 3, genannten Zwecke erforderlich ist, die unschädliche Beseitigung der Erzeugnisse veranlassen,
  • 6.das Verbringen von Erzeugnissen, einschließlich lebender Tiere im Sinne des § 4 Absatz 1 Nummer 1, in das Inland im Einzelfall vorübergehend verbieten oder beschränken, wenn
    • a)die Bundesrepublik Deutschland von der Kommission hierzu ermächtigt worden ist und dies das Bundesministerium im Bundesanzeiger bekannt gemacht hat oder
    • b)Tatsachen vorliegen, die darauf schließen lassen, dass die Erzeugnisse oder lebenden Tiere ein Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier mit sich bringen,
  • 7.anordnen, dass diejenigen, die einer von einem in Verkehr gebrachten Erzeugnis ausgehenden Gefahr ausgesetzt sein können, rechtzeitig in geeigneter Form auf diese Gefahr hingewiesen werden,
  • 8.Anordnungen zur Durchsetzung der Pflicht des Lebensmittelunternehmers zur Unterrichtung der Verbraucher nach Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Pflicht des Futtermittelunternehmers zur Unterrichtung der Verwender nach Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 treffen und
  • 9.die Öffentlichkeit nach Maßgabe von § 40 informieren.

3Artikel 54 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. L 165 vom 30.4.2004, S. 1, L 191 vom 28.5.2004, S. 1, L 204 vom 4.8.2007, S. 29), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1029/2008 (ABl. L 278 vom 21.10.2008, S. 6) geändert worden ist, über Maßnahmen im Fall eines Verstoßes bleibt unberührt.
(3) Eine Anordnung nach

  • 1.Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 5 kann auch in Bezug auf das Verwenden eines zugelassenen Erzeugnisses ergehen, soweit dies erforderlich ist, um eine unmittelbare drohende Gefahr für die Gesundheit des Menschen abzuwehren; die Anordnung ist zu befristen, bis über die weitere Zulassung des betroffenen Erzeugnisses von der zuständigen Stelle entschieden ist,
  • 2.Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 3 und 5 kann auch in Bezug auf das Verfüttern eines Futtermittels ergehen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 Satz 1 und 2 sowie § 40 gelten für mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte entsprechend.
[…]
(7) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Anordnungen, die der Durchführung von Verboten nach

  • 1.Artikel 14 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
  • 2.Artikel 15 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 erster Anstrich der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 oder
  • 3.§ 5, § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, § 26 oder § 30

dienen, haben keine aufschiebende Wirkung.
(7a) Soweit im Einzelfall eine notwendige Anordnung oder eine sonstige notwendige Maßnahme nicht auf Grund der Absätze 2 bis 4 getroffen werden kann, bleiben weitergehende Regelungen der Länder, einschließlich der Regelungen auf dem Gebiet des Polizeirechts, auf Grund derer eine solche Anordnung oder Maßnahme getroffen werden kann, anwendbar.

II. Formelle Rechtmäßigkeit

  • Zuständigkeit: § 38 Abs. 1 LFGB: Richtet sich nach Landesrecht, dort suchen. In NRW grundsätlich Kreisordnungsbehörde, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Zuständigkeitsverordnung Verbraucherschutz NRW – ZustVOVS NRW.
  • Verfahren: Anhörung häufig entbehrlich nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwvfG
  • Form: § 37 Abs. 2 S. 1 VwvfG

III. Materielle Rechtmäßigkeit
Die zuständigen Behörden treffen die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Letzter Var. ist freilich überflüssig, da durch die vorherigen bereits abgedeckt, s. auch Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 141. Erg.-Lfg 2010, § 39 LFGB Rn. 23.
1. Materielle Voraussetzungen der EGL
a) Vorliegen eines Verstoßes (Var. 2)
„Verstoß“ bedeutet im Zusammenhang mit § 39 Abs. 1 LFGB Verstoß gegen die Vorschriften dieses Gesetzes, gegen die der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und gegen die unmittelbar geltenden Rechtsakte  der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Man subsumiert also die Verbote die oben bereits kurz angerissen wurden:

  • Art. 14 Abs. 1 VO (EG) 178/2002: Verbot, unsichere Lebensmittel in den Verkehr zu bringen
  • Art. 15 Abs. 1 Alt. 2 VO (EG) 178/2002: Verbot, unsichere Futtermittel zu verfüttern
  • § 5 LFGB: Verbot, unsichere Lebensmittel herzustellen

Immer ist die Subsumtion gefordert. Die Verbote erfordern kein Verschulden, ein objektiver Verstoß reicht aus. Umfangreiche Definitionen sowohl am Anfang der VO wie auch am Anfang des LFGB.
Man beachte: Wenn man die Anscheinsgefahr nicht unter die Var. 1 (dazu sogleich) fast, wird man sie hier zulassen müssen, analog zum allgemeinen Ordnugnsrecht (vgl. § 14 Abs. 1 OBG). Bei so wichtigen Gütern muss man auch bei einem ernsthaften Verdacht sofort handeln können.
b) Hinreichender Verdacht auf einen Verstoß (Var. 1)
Fraglich wie auszulegen, da der Begriff des hinreichenden Verdachts aus dem Strafrecht stammt (hinreichender Tatverdacht = wenn Verurteilung wahrscheinlich). Man kann dies entsprechend eng auslegen. Damit wären nur dann Eingriffe zulässig, wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass tatsächlich ein Verdachte vorliegt. Gefahrerforschungseingriffe wäre damit eher nicht zulassen, Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 141. Erg.-Lfg 2010, § 39 LFGB Rn. 20.
Damit hätte die Variante praktisch keine eigene Bedeutung. M.E. ist es sinnvoller, hier mit den üblichen ordnungsrechtlichen Begriffen zu hantieren und hinreichenden Verdacht als Anscheinsgefahr zu verstehen. Dann Abgrenzung zur Scheingefahr. Ferner darauf achten, dass, obwohl eine „Gefahr“ vorliegt, erstmal Gefahrerforschungseingriffe vorzunehmen sind.
c) Gefahr künftiger Verstöße (Var. 3)
Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne? Jedenfalls nicht allzu engherzig auslegen, das Rechtsgut ist ja von überragender Bedeutung.
2. Störerverantwortlichkeit?
Ist nicht ausdrücklich erwähnt, könnte sich aber aus § 12 Abs. 2 OBG NRW i.V.m. §§ 17ff. OBG ergeben. Daher die Frage: Lässt das LFGB dafür Raum? Eher nicht, eigene Regelung z.B. in § 39 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 „derjenige“. Die §§ 17ff. OBG würden aber vor allem zu einer zu engen Bindung führen. Letztlich kann man hier aber offen diskutieren.
IV. Rechtsfolge: Ermessen
Formulierung des § 39 Abs. 2 S. 1 LFGB ist insofern nicht ganz klar, s. aber  § 39 Abs. 2 S. 2 „kann“. Hier kann man dann recht frei argumentieren. Folgende Leitlinien sind zu beachten:
– Anbindung an den Katalog des § 39 Abs. 2 S. 2 LFGB.
– Gesundheit der Bevölkerung ist ein überragend wichtiges Rechtsgut und kann daher sehr einschneidende Maßnahmen rechtfertigen.
– Bei der Verhältnismäßigkeit ist die wirtschaftliche Schädigung zu beachten, insofern aber auch Ausgleichsansprüche (soweit werthaltig) usw.
– Die Bauern sind je schutzwürdiger desto „unverschuldeter“ sie in die Lage gekommen sind.
– Differenzierung zwischen Gefahrbeseitigungs- und erforschungseingriffen
B. Sekundärrechtliche Ebene – Ausgleichsansprüche für Inanspruchnahme?
Hier nur ein paar Stichworte. M.E. dürften, so lange die Behörden nach pflichtgemäßem Ermessen gehandelt habe, leer ausgehen.
I. Aus enteignendem/enteignungsgleichen Eingriff
§ 39 Abs. 1 OBG NRW i.V.M. § 12 OBG NRW?

§ 39 Zur Entschädigung verpflichtende Maßnahmen

(1) Ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, ist zu ersetzen, wenn er

  • a)infolge einer Inanspruchnahme nach § 19 oder
  • b)durch rechtswidrige Maßnahmen, gleichgültig, ob die Ordnungsbehörden ein Verschulden trifft oder nicht,

entstanden ist.
[…]

(-) weil 1. Nicht Inanspruchnahme nach § 19 OBG (entweder eigene Regelung oder Bauer Handlungs-/Zustandsstörer nach §§ 17f. OBG).und 2. nicht rechtswidrig.
II. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG?
(-) bei rechtmäßiger Maßnahme

19.01.2011/0 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2011-01-19 15:35:312011-01-19 15:35:31Der Dioxin-Skandal aus juristischer Sicht: Öffentliches Recht

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