Mit Urteil vom 7.3.2017 – VI ZR 125/16 hat der BGH eine auf den ersten Blick überraschende Entscheidung zur Zurechnung der Betriebsgefahr im Anwendungsbereich des StVG getroffen. Demnach kann dem Schadensersatzanspruch des nichthaltenden Sicherungseigentümers aus § 7 Abs. 1 StVG die reine Betriebsgefahr des sicherungsübereigneten Kraftfahrzeugs nicht entgegengehalten werden. Eine in vielerlei Hinsicht spannende Konstellation, die genauerer Betrachtung verdient.
I. Sachverhalt (dem Urteil entnommen)
Der Kläger nimmt nach einem Verkehrsunfall die Beklagten auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Anspruch. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter des an eine Bank sicherungsübereigneten Fahrzeugs. Die den Fahrzeugkredit finanzierende Bank und Sicherungseigentümerin des beschädigten Fahrzeugs (hiernach „Sicherungseigentümerin“) ermächtigte den Kläger, ihre Schadensersatzansprüche aus dem Unfallgeschehen gegen die Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen. Der Kläger begehrte in gewillkürter Prozessstandschaft Ersatz restlicher Reparaturkosten, der Wertminderung des Fahrzeugs und vorgerichtlicher Sachverständigenkosten sowie aus eigenem Recht Ersatz des Nutzungsausfalls und einer allgemeinen Kostenpauschale. Der Hergang des Unfalls ließ sich nicht aufklären, ein Verschulden der jeweiligen Fahrzeugführer ebenso wenig feststellen.
II. Rechtliche Würdigung
Die grundsätzliche Haftung der Beklagten als Halter bzw. als Haftpflichtversicherung aus § 7 Abs. 1 StVG sowie § 115 VVG war zwischen den Parteien unstreitig. Fraglich war hingegen deren quotale Höhe: Diese hing davon ab, ob die das (Sicherungs-)Eigentum am beschädigten PKW innehabende Bank sich die Betriebsgefahr des PKW anrechnen bzw. das Verschulden des Halters zurechnen lassen muss. Ohne Normanknüpfung könnte man zunächst denken: Natürlich! Schließlich geht von dem PKW, der im Eigentum der Beklagten steht, die Betriebsgefahr aus. Anders wertet jedoch das StVG in §§ 17, 7 StVG. Danach wird die Betriebsgefahr gerade nur zwischen den Haltern berücksichtigt, wobei das Eigentum keine Rolle spielt. Schließlich sind Haltereigenschaft und Eigentum gerade nicht das gleiche!
Eine direkte Anwendung von § 17 Abs. 1, 2 StVG muss damit ausscheiden. Auch einer analogen Anwendung erteilt der BGH eine Absage:
Eine Erstreckung des Normanwendungsbereichs auf den nicht haltenden Sicherungseigentümer ist abzulehnen, insbesondere nachdem der Gesetzgeber durch die Änderung des § 17 Abs. 3 Satz 3 StVG mit dem 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl I, S. 2674) zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich der Möglichkeit des Auseinanderfallens von Halter- und Eigentümerstellung bewusst war (BT-Drucks 14/8780, S. 22 f.), und eine über § 17 Abs. 3 Satz 3 StVG hinausgehende Änderung nicht vorgenommen hat. Eine durchgehende Gleichstellung von Eigentümer und Halter im Rahmen des § 17 StVG ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Auch ist der Wortlaut der Vorschrift insoweit eindeutig.
Übrig bleibt damit nur ein Mitverschulden nach § 9 StVG iVm. § 254 BGB. Danach findet § 254 BGB im Fall der Beschädigung einer Sache mit der Maßgabe Anwendung, dass das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht. Folglich müsste ein Verschulden des Fahrzeugführers festgestellt werden, dass dann dem Sicherungseigentümer zugerechnet werden könnte. Dies war jedoch gerade nicht der Fall, der Unfallhergang war letztlich unaufklärbar.
Auch kommt eine Zurechnung gem. § 278 BGB mangels Bestehens einer Sonderverbindung zwischen der Sicherungseigentümerin und den Bekl. nicht in Betracht. § 278 BGB setzte schließlich voraus, dass im Zeitpunkt des Unfallereignisses bereits eine pflichtenbegründende Rechtsbeziehung vorlag – hier hätte sie ohnehin erst durch den Unfall selbst entstehen können.
Wir sehen: Ein in mehrerer Hinsicht schöner Fall. Insbesondere die differenzierte Betrachtung von Zurechnung der Betriebsgefahr auf der einen Seite (§ 17 StVG) und eigenem oder zugerechnetem Mitverschulden (§ 9 StVG) macht die Konstellation des Sicherungseigentums gerade für Klausuren im Zweiten Staatsexamen besonders interessant.