Einleitung
Zwei Jahre fleißig gelernt und nun am Ziel angekommen. Vor kurzem hatte ich meine Mündliche Prüfung und sehe nun einer kurzen Zeit wundervollen Nichtstuns entgegen, in der ich endlich wieder meine Seele baumeln lassen kann. Na gut, so ganz untätig wollte ich nicht bleiben, sondern z.B. den einen oder anderen Artikel schreiben. Und auf diesen Artikel freue ich mich ganz besonders, denn hier werfe ich mal alle Förmlichkeiten über Bord und schildere frei und vergnügt, wie ich den ganzen Examensstress im Nachhinein betrachte, verbunden mit der großen Hoffnung, dass der ein oder andere „jüngere“ Student – ach nein, es heißt ja jetzt „Studierender“ – es nicht als Angeberei, sondern vielmehr als konstruktiven Hinweis versteht, wie man das Erste Juristische Staatsexamen erfolgreich gestalten kann. Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich stets hilfsbereit bin und gerne etwas zurückgebe, denn auch ich habe sehr von meinen „älteren“ Freunden und Bekannten profitiert. So viel schon einmal zu meinem ersten Tipp: Schaut auch das an, was die „älteren“ Semester anstellen, denn dann seht ihr meistens, wie man es nicht macht!
Macht euch gleich zu Beginn klar: Das Examen ist eine Gesamtschau, welche aus vielen verschiedenen Bausteinen besteht. Juristisches Verständnis, ausreichende Intelligenz, Arbeitseifer und Disziplin, effektive Vorbereitung sowie das nötige Glück sind diese Elemente, auf die teilweise nur begrenzt Einfluss zu nehmen ist. Also konzentriert euch immer auf solche Faktoren und Entscheidungen, die ihr bestmöglich beeinflussen könnt.
1. Entscheidung: Freischuss oder nicht? Oder gleich abschichten?
Diese erste Entscheidung ist mir besonders leicht gefallen, da ich mich recht gut kenne und weiß, wie gut ich Wissen aufnehmen und behalten kann. Von vorne herein kam daher nur der Freischuss in Frage, denn es wäre fahrlässig gewesen, auf die Möglichkeit zur Wahrnehmung eines möglichen Verbesserungsversuches zu verzichten. Hinzu kam, dass ich nicht gleich sechs Klausuren zu einem Termin schreiben, sondern lieber alles schön „gestückelt“ (sog. Abschichten) haben wollte, um mich auf jedes Rechtsgebiet einzeln aber effektiv vorzubereiten. So schrieb ich im Mai die Klausuren im Öffentlichen Recht, im Juni die im Strafrecht und im November schließlich die verbliebenen drei Klausuren im Zivilrecht. Nach einem Block ging es also immer direkt weiter mit dem nächsten Rechtsgebiet, sodass „altes Wissen“ schnell wieder verdrängt wurde, um sogleich neuem Wissen „Platz zu schaffen“. Eine gute Freundin von mir bezeichnet so etwas als Bulimie-Lernen. Mir hat diese Vorgehensweise jedenfalls sehr geholfen, denn so war ich nicht mit Wissen überladen, sondern gut auf jedes einzelne Rechtsgebiet vorbereitet. Solange ihr die nötige Disziplin und den erforderlichen Ehrgeiz habt, nach einem Block mit einem anderen Rechtsgebiet sofort zu beginnen und bei Null zu starten, ist dies aus meiner Sicht der erste Schlüssel zum Erfolg. Stellt euch aber darauf ein, alles lange im Voraus recht genau zu planen. Sollte euch das Abschichten abschrecken, so lasst aber jedenfalls bitte nicht den Freischuss aus, wenngleich es auch nichts bringt, vollkommen unvorbereitet ins Examen zu gehen, um sich „dit Janze mal anzuschauen“. Wir sind hier nicht beim Poker, wo man sich auch einfach mal so die Hände anschaut, denn ein Misserfolg bleibt für die Psyche ein Misserfolg – und den wünsche ich euch auf keinen Fall!
2. Entscheidung: Wie soll ich es mit dem Rep halten?
Zum Thema „Repetitorium“ wurde mit Sicherheit schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem! Ich selbst habe ein kommerzielles Rep besucht, das mir meine Eltern finanziert haben und denen ich an dieser Stelle auch gerne einmal für die Unterstützung während meiner Studienzeit danken möchte. Solange universitäre Reps jedenfalls nicht die gleiche Qualität aufweisen können, wie solche kommerziellen Reps (und ihr auch über das nötige „Kleingeld“ verfügt), solltet ihr wirklich nicht an einer guten Ausbildung sparen. Nicht, dass ich im Rep ständig anwesend war, im Gegenteil (meisten war es einfach zu früh am Morgen!), doch hat es mir erstmals geholfen, einen Gesamtüberblick des gewaltigen Stoffes zu erfassen. Daneben konnte ich die zahlreich ausgeteilten Fälle sehr gut zur Vorbereitung nutzen. Daran könnt ihr erstmals erkennen, wie wichtig fallorientiertes Lernen ist.
Welches Rep es später tatsächlich bei euch werden soll, solltet ihr nach einem Probehören entscheiden. Zum Abschluss aber noch mal ein eindringlicher Hinweis: Ruht euch bloß nicht auf eurer puren Anwesenheit im Rep aus, sondern arbeitet vor bzw. nach und fangt am besten da schon mal mit den ersten Probeklausuren an!
Wer im Übrigen mehr zu diesem Thema erfahren will, der sollte sich zudem unseren Gastbeitrag vom 14.09.2009 zu Gemüte führen.
3. Entscheidung: Wer lernt was, von wem und woraus?
Dies wird wohl die schwerste Entscheidung von allen sein, denn die vorhandenen Lernangebote sind derart zahlreich, dass man hieran schnell verzweifeln könnte. Dieses Problem habe ich letztlich dadurch gelöst, dass ich aus den vielen Lehrbüchern, Skripten und Folien der Professoren auf Gutsherren-Art (der Witz wird wohl nie alt) ein Skript im Öffentlichen Recht sowie im Strafrecht zusammengestellt habe, was an sich schon einen Lerneffekt hatte, ebenso wie das Schreiben von Karteikarten. Diese selbst erstellten Lernmittel haben mich während meiner gesamten Vorbereitung begleitet. Insbesondere durch das ständige Wiederholen anhand des Skriptes und weiterer kurzer Übersichten (siehe z.B. meine „Checklisten“) blieb genügend Stoff hängen. Ich vergleiche dieses Lernen immer mit einem Fischernetz, bei dem man die Maschen immer enger ziehen muss. Verschafft euch auf alle Fälle in irgendeiner Weise einen Überblick. Natürlich kann es lange dauern, bis ihr euren „Königsweg“ gefunden habt. Doch es wird sich lohnen, wenn man sich die Basics durch ein ständiges Wiederholen verinnerlicht und kontinuierlich darauf aufbaut. Dazu solltet ihr auch einen längerfristigen Lernplan entwickeln, der alle Rechtsgebiete und Themen abdeckt, denn so ein Plan hilft dabei, ständig dazu ermahnt zu werden diesen auch zu erfüllen und damit eben kontinuierlich zu lernen. Aufgeteilt habe ich die Rechtsgebiete in Lernblöcke zu je 2,5 Stunden: Wiederholung der vorherigen Themas, Bearbeitung eines neuen Themas und schließlich ein Fall aus dem Rep. Gelernt habe ich im Übrigen stets zu Hause, denn in der Uni wäre ich zu sehr abgelenkt worden. Wie ihr es aber im Einzelnen macht, müsst ihr selbst beurteilen!
Bevor ich etwas ganz Wichtiges vergesse: Nehmt frühzeitig das Angebot der Universität in Bezug auf den Klausurenkurs in Anspruch. Euer gelerntes Wissen müsst ihr im Examen später praktisch anwenden können; nur darauf kommt es im Endeffekt an. Was nutzt einem Sportler das viele Training, wenn er keine Wettkampferfahrung hat? Zwar halte ich nichts davon, gänzlich unvorbereitet in eine Probeklausur zu gehen (auch das wird oft empfohlen), doch schiebt es dennoch nicht zu lange hinaus und scheut auch den Misserfolg nicht – meistens lernt ihr anhand der gemachten Fehler am meisten! Zur Orientierung: Bei mir waren es 35 Probeklausuren (Schnitt: 8,05 Punkte), jeweils ohne bzw. mit wenigen Hilfsmitteln. Betrügt euch nicht, sondern lasst die Hilfsmittel weg und geht selbst auf Rechtsfindungssuche!
Hinzukommt dann natürlich noch der Tipp hinsichtlich einer Lerngruppe, was für mich allerdings nie in Frage kam – woran das wohl liegen mag?!
Gegen Ende der Vorbereitung ist ein Überblick über die kürzlich ergangene Rechtsprechung (2-12 Monate vor den Klausuren) obligatorisch, wobei ich da nur eine euch bekannte Seite empfehlen kann: juraexamen.info! Genug der Eigenwerbung, aber ich hatte tatsächlich auch eine Klausur im Examen, zu der es einen Artikel von uns gab (siehe hier). Was glaubt ihr, wie ich mich darüber gefreut habe, nachdem ich in dieser Klausur einen unserer Artikel wiedererkannt hatte?
4. Entscheidung: Auch der Schwerpunkt muss gemacht werden! Aber wann?
Gleich vorweg: Ich will hier nicht über die unsinnigen und ungerechten Unterschiede zwischen den universitären Schwerpunktbereichen diskutieren, denn schließlich habe ich mir meine Universität selbst ausgesucht. Als „Bonner“ muss ich jedenfalls 5 von 7 Klausuren (2-stündig) sowie eine Seminararbeit einbringen. Von offizieller Stelle (JPA, Universität) wird vorgegeben, dass der Schwerpunkt zuerst komplett zu absolvieren sei und erst danach mit der Examensvorbereitung begonnen werden sollte. Wieder einmal ein Beispiel dafür, wie weit so mancher von den Studierenden entfernt ist, denn – und entschuldigt bitte die drastische Ausdrucksweise – eine solche Vorgabe ist absoluter Schwachsinn! Der einzige Vorteil ist, dass die Prüfer in der Mündlichen Prüfung euer Ergebnis aus dem Schwerpunktbereich kennen und die Notenfindung hieran anpassen können – mehr nicht! Insgesamt zählt der Schwerpunktbereich 30 % der Endnote und ist damit viel zu wertvoll, um diesen in zwei oder drei Semestern und zwischen Tür und Angel dahin zu schludern und etwas zu verschenken. Um einen Schwerpunktbereich komplett und souverän abzuschließen sowie sich ausreichend auf den Freischuss vorzubereiten reicht die Zeit bei über 95 % aller Studenten nie und nimmer aus, wenn es nach dieser Vorgabe ginge. Nach vielen Gesprächen wurde mir diese Meinung von fast allen Betroffenen bestätigt. Von daher solltet ihr euch stets gut auf den Freischuss vorbereiten und im Anschluss an den staatlichen Teil eure Erfahrungen aus dem Examen nutzen, um einen zufriedenstellenden Schwerpunktbereich vorweisen zu können. Natürlich könnt ihr auch anders vorgehen: Da ich nie mehr als zwei Schwerpunktklausuren in einem Semester schreiben wollte, habe ich diese vor und während meiner Examensphase geschrieben. Insoweit konnte ich mich zeitlich immer gut auf diese zwei Klausuren einstellen, ohne dabei meine Examensvorbereitung zu vernachlässigen. Der einzige Fehler in meiner Planung war, dass ich mich noch durch die ausstehende Seminararbeit „quälen“ muss, was die Studienzeit nun leider deutlich verlängert. Dies ist in erster Linie einem zusätzlichen Praktikum im Bundestag geschuldet, woran ich aber auch mal wieder erkenne, dass sich eine solche Freiwilligkeit selten auszahlt, wenngleich die gemachten Erfahrungen auch seinen Wert haben. Jedenfalls sollten euch eure Ergebnisse wichtiger als alles andere im Studium sein, denn nachher interessiert dann eben doch nur die Note, was zwar schade, aber leider nicht zu vermeiden ist.
5. Entscheidung: „Soll ich mit dem Partner Schluss machen?“ „Was ist eine Party?“ „Oh Gott, mein Gewicht!“
An dieser Stelle wollte ich zwar keine Beziehungs- oder Fitnesstipps abgeben, aber eines kann ich euch verraten: Denkt an euren seelischen Ausgleich neben dem Lernen und bereitet euer Umfeld darauf vor, ab und an einen gestressten Freund oder Partner anzutreffen, wenn denn überhaupt mal Zeit hierfür sein sollte. Ein freier Tag in der Woche sollte in jedem Fall dabei sein, an denen ihr den lieben Gott mal einen guten Mann sein und die Bücher geschlossen lassen solltet. Klar ist es manchmal echt hart, auf Partys, Freunde oder Sport zu verzichten aber es wird für auch wieder andere Zeiten geben. Eine solche Phase durchlebt ihr (hoffentlich) nur einmal im Leben und wenn ihr schon so weit gekommen seid, solltet ihr es auch richtig durchziehen! Wenn es an der Motivation hapert, schafft euch weitere Anreize, um in irgendeiner Weise den erforderlichen „Druck“ aufzubauen oder hochzuhalten. Und am Ende hat man doch immer etwas zu feiern, oder nicht?
Fazit
Ich glaube, einer der größten Boxer aller Zeiten soll einmal gesagt haben, dass ein Kampf nicht im Ring entschieden wird, sondern in den Wochen und Monaten zuvor, in der Phase der Vorbereitung. So ähnlich trifft es auch auf das Examen zu, wobei ich die Worte „Wochen“ und „Monate“ gerne durch die Worte „Monate“ und „Jahre“ ersetzen möchte. Sich frühzeitig über seine Stärken, Schwächen und das eigene Können Gedanken zu machen, hilft jedenfalls, später nicht allzu überrascht auf die Schnauze zu fliegen, sondern einen Weg zu gehen, der sich am Ende auszahlen könnte. Natürlich kann nicht jede Eventualität mitbedacht und es vollkommen ausgeschlossen werden, eine schlechte Examensklausur im Portfolio zu haben. Zumindest kann man aber das Risiko zu scheitern angemessen begrenzen und mit ein wenig Glück sogar oben „mitspielen“. Macht euch eines immer klar: Keiner von uns kann alles in zwei Jahren erlernen, doch kommt es beim Examen ja nur darauf an, mehr zu wissen als die anderen – das reicht aus! Von daher solltet ihr euch nicht so stressen, aber jedenfalls Wert auf das ständige Wiederholen der Basics legen. Auch beim Wiederholen reichert ihr später Details an. Wie weit ihr nach oben wollt, bemisst sich schließlich danach, wie gut ihr euer Wissen anwenden und dazu noch Detailwissen vorweisen könnt.
Zum Abschluss hoffe ich sehr, dass ihr eventuell den ein oder anderen neuen Aspekt entdeckt habt, den ihr in der Examensvorbereitung gebrauchen könnt. Und sollten euch meine Hinweise nicht weiterbringen, so schaut doch mal in diesem Artikel vom 29.06.2009 oder diesem Artikel vom 05.07.2009 nach, ob da etwas für euch dabei ist. Wie ihr am besten zu eurem Ziel kommt, müsst ihr natürlich selbst entscheiden, denn nichts ist so individuell, wie euer bereits schon eingeschlagener Lebensweg. Die Hauptsache ist aber, dass ihr ein wirkliches Ziel vor Augen habt, es auch irgendwann erreicht und damit zufrieden seid! In diesem Sinne: Viel Erfolg!
