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Schlagwortarchiv für: Schutzzweck der Norm

Carlo Pöschke

OLG Frankfurt am Main zur deliktsrechtlichen Haftung im Mannschaftssport

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Fußball ist der Nationalsport Nummer eins in Deutschland. Mit mehr als sieben Millionen Mitgliedern in 2019 ist der Deutsche Fußball-Bund der größte Sportverbund Deutschlands. Aber auch andere Mannschaftssportarten erfreuen sich großer Beliebtheit. So hatte der Deutsche Handball-Bund in 2019 fast 750.000 Mitglieder und der Deutsche Basketball-Bund brachte es immerhin auf deutlich über 200.000 Mitglieder. Schon allein aufgrund der großen Popularität dieser Sportarten dürfte es wenig überraschend sein, dass Mitspielerverletzungen an der Tagesordnung stehen und nicht selten juristische Streitigkeiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld daraus entstehen. In seinem Urteil vom 14.11.2019 – 22 U 50/17, BeckRS 2019, 29048 beschäftigte sich das OLG Frankfurt am Main mit der Ersatzfähigkeit von Personenschäden, die eine Handballspielerin beim Torwurf erlitt. Da Kenntnisse rund um den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu den absoluten Basics im Zivilrecht gehören, erscheint es nicht nur für Examenskandidaten, sondern auch für Jura-Studenten in unteren Semestern lohnenswert, sich mit dem Urteil des OLG Frankfurt auseinanderzusetzen.
 
I. Sachverhalt (leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: K und B waren Spielerinnen gegnerischer Mannschaften bei einem Handballspiel. Kurz vor Schluss machte K im Rahmen eines Tempo-Gegenstoßes einen Sprungwurf. B, Torfrau der Gegnerinnen, versuchte den Wurf abzuwehren. Dabei trafen beide zusammen. K stürzte beim Aufkommen und erlitt einen Kreuzbandriss im linken Knie. Der Schiedsrichter erteilte der B eine rote Karte, allerdings ohne Bericht, sodass diese lediglich für das fragliche Spiel weiter gesperrt war. K wurde daraufhin operiert. Es stellt sich heraus, dass sie dauerhaft nicht mehr Handball spielen kann.
K verlangt von B Schmerzensgeld und Schadensersatz. Zu Recht?
Auszüge aus den Internationalen Hallenhandballregeln:
Regel 8:2:

Es ist nicht erlaubt:
a) dem Gegenspieler den Ball aus der Hand zu entreißen oder wegzuschlagen.
b) den Gegenspieler mit Armen, Händen oder Beinen zu sperren, ihn durch Körpereinsatz wegzudrängen oder wegzustoßen, dazu gehört auch ein gefährdender Einsatz von Ellbogen in der Ausgangsposition und in der Bewegung.
c) […]
d) […]

Regel 8:5:

Ein Spieler, der seinen Gegenspieler gesundheitsgefährdend angreift, ist zu disqualifizieren […]. Die hohe Intensität der Regelwidrigkeit oder die Tatsache, dass diese den Gegenspieler unvorbereitet trifft und er sich deshalb nicht schützen kann, machen die besondere Gefahr aus (siehe nachstehenden Kommentar zu Regel 8:5).
[…]
Kommentar: Auch Vergehen mit geringem Körperkontakt können sehr gefährlich sein und zu schweren Verletzungen führen […]. In diesem Fall ist die Gefährdung des Spielers und nicht die Intensität des Körperkontakts maßgebend für die Beurteilung, ob auf Disqualifikation zu entscheiden ist. Dies gilt auch, wenn ein Torwart den Torraum verlässt, um den für den Gegenspieler gedachten Ball abzufangen. […]

 
II. Gutachterliche Falllösung
K könnte gegen B einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB haben.
1. Handlung
Ausgangspunkt des Anspruchs gem. § 823 Abs. 1 BGB ist ein menschliches Verhalten in Form eines Handelns oder pflichtwidrigen Unterlassens. Der Versuch, den Wurf der Gegnerin abzuhalten, stellt ein positives Tun dar. Mithin liegt eine Handlung der B vor.
2. Rechtsgutsverletzung
Weiterhin müsste B ein durch § 823 Abs. 1 BGB absolut geschütztes Rechtsgut der K verletzt haben. Vorliegend kommt sowohl eine Verletzung des Körpers als auch der Gesundheit der K in Betracht. Eine Körperverletzung umfasst dabei jeden Eingriff in die Integrität der körperlichen Befindlichkeit einschließlich der bloßen Schmerzzufügung. Unter einer Gesundheitsverletzung versteht man jedes Hervorrufen oder Steigern eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustands. Durch den Versuch, den Wurf abzuwehren, erlitt K einen Kreuzbandriss im linken Knie. Eine solche Verletzung verursacht typischerweise starke Schmerzen und greift daher in die körperliche Integrität der K ein. Gleichzeitig ist mit der Verletzung ein Zustand eingetreten, der negativ vom körperlichen Normalzustand abweicht. Somit liegt sowohl eine Körper- als auch eine Gesundheitsverletzung vor.
3. Haftungsbegründende Kausalität
Darüber hinaus müsste zwischen der Handlung der B und der Rechtsgutsverletzung ein haftungsbegründender Kausalzusammenhang bestehen. Zur Feststellung des Kausalzusammenhangs wird auf die Äquivalenztheorie, die Adäquanztheorie und den Schutzzweck der Norm zurückgegriffen.
Eine Handlung ist kausal für den Eintritt des Erfolgs (die Rechtsgutsverletzung) i.S.d. Äquivalenztheorie, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Hätte K nicht versucht, den Wurf abzuwehren, dann wäre B nicht gefallen und sie hätte sich nicht verletzt. Die Handlung der B ist äquivalent kausal für den Erfolgseintritt.
Die Handlung ist kausal nach der Adäquanztheorie, wenn sie im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges der eingetretenen Art geeignet ist. Vorliegend ist kein atypischer Kausalverlauf eingetreten. Vielmehr liegt es innerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, dass ein Mitspieler im Handball durch die beschriebene Handlung stürzt und sich verletzt. B hat die Rechtsgutsverletzung daher adäquat kausal verursacht.
Auch liegt die eingetretene Rechtsgutsverletzung (Körper- und Gesundheitsverletzung) nicht außerhalb des Schutzzwecks des § 823 Abs. 1 BGB.
Somit ist die haftungsbegründende Kausalität gegeben.
4. Rechtswidrigkeit
Nach der ganz herrschenden Lehre vom Erfolgsunrecht indiziert die Verletzung eines in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsguts die Rechtswidrigkeit.
5. Verschulden
Fraglich ist, ob B auch schuldhaft handelte. Eine vorsätzliche Handlung scheidet aus. In Betracht kommt allein fahrlässiges Handeln. § 276 Abs. 2 BGB definiert Fahrlässigkeit als die Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
Im Kontext der Kontrahentenverletzungen im Mannschaftssport hat der BGH den Sorgfaltsmaßstab präzisiert und klargestellt, dass nicht jede geringfügige (objektive) Verletzung einer dem Schutz der Spieler dienende Spielregel bereits als fahrlässiges Verhalten zu werten ist. Ein die Gefahr vermeidendes Verhalten müsse im konkreten Fall zumutbar sein. Dies sei insb. für Sportarten von Bedeutung, bei denen eine gewisse Gefährlichkeit meist nicht ganz ausgeschaltet werden kann. Daher sei für die Beurteilung, ob die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet wurde, ein durch die Eigenart des Spiels geprägter Maßstab anzulegen (BGH NJW 1976, 957, 958; NJW 1976, 2161, 2161 f.).
Das OLG Frankfurt führte aus, dass die vom BGH aufgestellten Grundsätze in ausgeprägter Weise beim Hallenhandball gelten würden, bei dem der körperliche Einsatz erlaubt ist und dies notwendigerweise zu körperlichem Kontakt von Gegenspielern führt. Regel 8:2 der Internationalen Hallenhandballregeln verbietet es u.a., dem Gegenspieler den Ball aus der Hand zu entreißen oder wegzuschlagen sowie den Gegenspieler mit Armen, Händen oder Beinen zu sperren, ihn durch Körpereinsatz wegzudrängen oder wegzustoßen. Nach Ansicht der Frankfurter Richter genüge zur Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfs jedoch eine Verletzung der Regel 8:2 der Internationalen Hallenhandballregeln nicht. Diesbezüglich führt das Gericht aus:

Für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB kommt es […] darauf an, dass die Verletzung eines Spielers auf einen Regelverstoß eines Gegenspielers zurückzuführen ist, der über einen geringfügigen und häufigen Regelverstoß – wie sie in Ziffer 8:2 der Internationalen Hallenhandballregeln erfasst sind – deutlich hinausgeht und auch einen Grenzbereich zwischen gebotener kampfbedingter Härte und unzulässiger Unfairness klar überschreitet […]. Voraussetzung für ein haftungsbegründendes Verhalten ist mithin das Vorliegen einer groben Verletzung einer zum Schutz von Spielern bestimmten Wettkampfregel […]. Zu solchen zum Schutz der Gesundheit der Spieler bestimmten Wettkampfregeln gehört Regel 8:5 der Internationalen Hallenhandballregeln.

In diesem Zusammenhang erlange die Frage, ob eine rote Karte mit oder ohne Bericht erteilt wurde, Bedeutung. Erst ein Bericht liefere die Basis für die spielleitende Stelle, um später über Sanktionen zu entscheiden. Nach dem Regelwerk sei bei schwerwiegenden Regelverstößen eine rote Karte mit Bericht vorgesehen. Der Bericht ermögliche eine eindeutige Tatsachenfeststellung. Fehle hingegen der Bericht wie im vorliegenden Fall, sei davon auszugehen, dass die Regelwidrigkeiten sich im Rahmen des körperbetonten Spielbetriebs halten.
Hinsichtlich des Verstoßes gegen die Regel 8:5 sei nach der Kommentierung zu unterscheiden, ob es sich um die Torfrau oder eine Spielerin handelt. Der Raum im 6m-Bereich gehöre der Torfrau; springt ein Spieler dort hinein, sei ein Zusammenstoß sein Risiko. In der Kommentierung zu der Regelung 8:5 werde im zweiten Teil davon gesprochen, dass der Torwart den Torraum verlässt, um den für den Gegenspieler gedachten Ball abzufangen. In diesem Fall treffe ihn die Verantwortung, dass keine gesundheitsgefährdende Situation entsteht. Dies sei so zu verstehen, dass ein Zusammenprall im Torraum keine Regelwidrigkeit des Torwarts darstellt. Zwar dürfe auch der Torwart keine besonders aggressive Aktion vornehmen. Eine solche könne aber der Beschreibung des Schiedsrichters nicht entnommen werden.
Folglich verletzte B nicht die Regel 8:5 und handelte damit nicht fahrlässig i.S.d. §§ 823 Abs. 1, 276 Abs. 2 BGB.
6. Ergebnis
Ein Schadensersatzanspruch der K gegen B aus § 823 Abs. 1 BGB besteht damit nicht.
 
III. Einordnung und Stellungnahme
Die Thematik, mit der sich das OLG Frankfurt zu befassen hatte, ist nicht neu, sondern erweist sich vielmehr als „alter Wein in neuen Schläuchen“. Denn bereits vor ca. 45 Jahren hat der BGH mehrere Grundsatzurteile zu diesem Themenkomplex gefällt (NJW 1975, 109 – 112; NJW 1976, 957 – 958; NJW 1976, 2161 – 2162). Die Entscheidung des OLG Frankfurt führt dabei im Wesentlichen die BGH-Rechtsprechung fort: Die Herbeiführung einer Verletzung des Kontrahenten begründet nur dann eine Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB, wenn der Verstoß über einen geringfügigen und häufigen Verstoß hinausgeht.
Das OLG Frankfurt hat zwar richtig erkannt, dass „[d]ie Beurteilung der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens eines Schädigers bei Sportverletzungen – insbesondere solchen bei Ausübung von Mannschafts-Kampfsportarten – […] in der dogmatischen Einordnung problematisch“ ist. Terminologisch erweist sich das Urteil dennoch als inkonsequent: Während das Gericht anfangs problematisiert, ob die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet wurde, kommt es am Ende zu dem Ergebnis, dass kein „so erheblicher Regelverstoß vorlag, der nicht mehr von der Einwilligung der Klägerin gedeckt war“. Obwohl die dogmatische Verortung des Problems in den allerwenigsten Fällen auf materieller Ebene entscheidungserheblich sein dürfte, ist Prüflingen dringend zu raten, die übliche Prüfungsstruktur des § 823 Abs. 1 BGB konsequent einzuhalten. Es ist dann entweder unter dem Prüfungspunkt „Rechtswidrigkeit“ zu erörtern, ob sich das fragliche Verhalten im Rahmen einer wirksam erteilten Einwilligung bewegt und damit gerechtfertigt ist, oder ob der Verstoß gegen die Spielregeln so schwerwiegend ist, dass ein Verschuldensvorwurf begründet werden kann.
Prozessrechtlich kann die dogmatische Einordnung jedoch sehr wohl von Bedeutung sein. Schließlich wird die Rechtswidrigkeit, folgt man der ganz herrschenden Meinung, bei Verletzung eines in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsguts indiziert, während es dem Kläger i.R.d. § 823 Abs. 1 BGB (anders als beim Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB, wo das Vertretenmüssen gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird) obliegt, das Verschulden des Anspruchsgegners zu beweisen. Mit der Aufnahme des Spiels nehmen die Spieler spielordnungsgemäß zugefügte Körperverletzungen in Kauf. Dieses Risiko muss auch die Übernahme des Risikos der Unaufklärbarkeit des Regelverstoßes beinhalten, da die Möglichkeit der Unaufklärbarkeit von Regelverstößen im entscheidenden Augenblick blitzschnellen Kampfspielen wie Fußball oder Handball immanent ist. Müsste nun der Beklagte das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrunds beweisen, würde die beschriebene Risikoentlastung auf dem Wege der Beweislastverteilung praktisch entwertet. Es spricht daher viel dafür, die Besonderheiten bei Schädigungen, die bei der Ausübung von Mannschaftskampfsportarten entstehen, dogmatisch als ein Problem auf Ebene des Verschuldens zu behandeln (in diese Richtung tendenziell auch BGH NJW 1975, 109, 111).
 
IV. Zusammenfassung für den eiligen Leser
Verletzt bei Mannschaftskampfsportarten ein Spieler einen Kontrahenten, steht häufig ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB im Raum. Bei der Prüfung desselben ist dabei eine Besonderheit zu beachten: Die Herbeiführung einer Verletzung des Kontrahenten begründet nur dann eine Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB, wenn der Verstoß über einen geringfügigen und häufigen Verstoß hinausgeht. Häufig bilden die Verbandsregeln bei der Beurteilung der Verhaltensanforderungen einen ersten Anhaltspunkt. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens eines Schädigers bei Sportverletzungen ist umstritten: Denkbar ist einerseits, die beschriebenen Besonderheiten im Rahmen der Rechtswidrigkeit zu prüfen, andererseits könnte darauf im Rahmen der Verschuldensprüfung eingegangen werden. Materiellrechtlich hat dieser Disput in aller Regel keinen Einfluss, prozessrechtlich können sich jedoch durchaus Implikationen i.R.d. Beweislastverteilung ergeben. Für Prüflinge ist es wichtig, die bekannte Prüfungsstruktur des § 823 Abs. 1 BGB einzuhalten und terminologisch sauber zu arbeiten.

06.01.2020/1 Kommentar/von Carlo Pöschke
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Carlo Pöschke https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Carlo Pöschke2020-01-06 10:00:472020-01-06 10:00:47OLG Frankfurt am Main zur deliktsrechtlichen Haftung im Mannschaftssport
Dr. Maximilian Schmidt

BGH: Entgangener Gewinn als Schaden des Mieters bei Vereitelung seines Vorkaufsrechts

Mietrecht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite

Examensrelevanz pur – so kann das aktuelle Urteil des BGH zum Vorkaufsrecht von Mietern umschrieben werden (v. 21.1.2015 – VIII ZR 51/14). In diesem entschied der BGH, dass ein Mieter wegen Vereitelung seines gesetzlichen Vorkaufsrechtes aus § 577 BGB einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter in Höhe des entgangenen Gewinnes haben kann.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen, Herv. d. Verf.)

Die Klägerin ist seit 1992 Mieterin einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg, die Beklagte ist durch Eigentumserwerb in den Mietvertrag eingetreten. Zwischen den Parteien steht im Streit, ob vor oder nach Mietbeginn an den sieben Wohnungen des Hauses Wohnungseigentum begründet worden ist. Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.05.2011 veräußerte die Beklagte sämtliche Eigentumswohnungen zum Gesamtpreis von rund 1,3 Mio Euro an einen Dritten. Dieser wurde am 18.07.2011 als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die Klägerin wurde von der Beklagten weder vom Kaufvertragsabschluss unterrichtet noch auf ein Vorkaufsrecht hingewiesen.
Am 12.01.2012 bot der neue Eigentümer der Klägerin die von ihr bewohnte Wohnung zum Preis von 266.250 Euro zum Kauf an. Sie macht geltend, die Beklagte habe durch die unterlassene rechtzeitige Unterrichtung von dem Verkauf ihr gesetzliches Vorkaufsrecht vereitelt und sei daher zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts hätte sie die Wohnung, die einen Verkehrswert von 266.250 Euro aufweise, zu einem Kaufpreis von (nur) 186.571 Euro – auf ihre Wohnung entfallender Anteil an dem gezahlten Gesamtkaufpreis – erwerben und dadurch einen Gewinn von 79.428,75 Euro erzielen können.

II. Vorweg: Das Vorkaufsrecht des Mieters aus § 577 BGB
§ 577 BGB begründet für den Mieter der Wohnung ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht. Das Recht des Mieters entsteht, sobald der Veräußerer „mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat” (§ 463, s. auch Häublein, in: MüKOBGB, 6. Aufl. 2012, § 577 Rn. 15). Voraussetzung ist zudem, dass nach Überlassung Wohnungseigentum an der vermieteten Wohnung begründet wird. Nach § 577 Abs. 1 S. 3 BGB findet §469 Abs. 1 BGB Anwendung, wonach der Verkäufer unverzüglich zur Mitteilung über den Abschluss des Kaufvertrages an den Mieter verpflichtet ist. Da es sich nur um ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht handelt, kann das Eigentum durch den Dritten auch ohne die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs erworben.
III. Rechtliche Würdigung
 1. §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB
Zunächst könnte der Mieter einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe des entgangenen Gewinns gegen den Vermieter aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB wegen Veräußerung der Wohnung an den Dritten haben. Voraussetzung hierfür wäre, dass eine vermieterseitige Pflichtverletzung in Form der Nichterfüllung vorliegt. Dies wäre der Fall, wenn der Mieter einen schuldrechtlichen Anspruch auf Eigentumsübertragung an der Sache hätte. Dies ist aber vor Ausübung des schuldrechtlichen Vorkaufsrechtes aus § 577 BGB nicht der Fall. Mangels Kenntnis von der Sachlage hatte der Mieter sein Vorkaufsrecht gerade nicht ausgeübt. Daher scheidet ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB aus.
2. § 280 Abs. 1 BGB 
Als weitere Anspruchsgrundlage kommt § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Die Pflichtverletzung, die den Vermieter zum Schadensersatz verpflichten könnte, liegt vor, da er seinen Mitteilungspflichten aus §§ 577, 469 BGB nicht nachgekommen ist. Er hätte den Mieter über den Abschluss des Kaufvertrages mit dem Erwerber informieren müssen. Diese Pflichtverletzung hat der Vermieter nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB auch vermutet zu vertreten.
Bis hierhin mag man von einer einfacheren schadensersatzrechtlichen Prüfung sprechen – spannend und umstritten ist nun die Frage, ob der haftungsausfüllende Tatbestand erfüllt ist.
Bei Betrachtung der Differenzhypothese (§ 249 Abs. 1 BGB), also des Vergleiches des Vermögenszustandes des Mieters mit und ohne schädigende Handlung, fällt auf, dass der Mieter bei Information über das bestehende Vorkaufsrecht von diesem Gebrauch gemacht hätte und die Wohnung unter Marktwert hätte kaufen können. Fraglich ist nun, ob diese Differenz vom Schutzzweck (s. hierzu Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 280 Rn. 32; BeckOK BGB § 280 Rn. 41) des § 577 BGB umfasst ist. Zu klären ist also, ob § 577 BGB entweder nur den Weiterfortbestand des Mietverhältnisses schützt oder darüber hinaus auch die Möglichkeit eines Veräußerungsgewinns.
Das vorinstanzliche LG Hamburg entschied hierzu (Herv. d. Verf.)

Ein Schaden wäre etwa dann zu bejahen, wenn der Vermieter den Kaufvertrag gegenüber dem Käufer erfüllt und dieser das Mietverhältnis dann kündigt. Wird dagegen die Wohnung an einen Kapitalanleger ohne Eigennutzungs- oder Verwertungsabsicht veräußert, so entsteht dem Mieter im Allgemeinen kein Vermögensnachteil. Ein ausgleichspflichtiger Vermögensschaden folgt insbesondere nicht daraus, dass zwischen den Parteien des Kaufvertrages ein besonders niedriger Kaufpreis vereinbart worden ist, der Mieter kann in diesem Fall nicht etwa geltend machen, dass er die Wohnung zu einem höheren Preis hätte weiter verkaufen können, weil der Verlust eines Veräußerungsgewinns vom Schutzzweck des § 577 BGB nicht gedeckt wird (Schmidt-Futterer, a. a. O., § 577 Rn. 45). Der Mieter kann bei Nichtausübung der Vorkaufsrechts auch nicht geltend machen, er hätte die Wohnung zu dem günstigeren Preis erworben, den hieraus allein folgt kein Vermögensschaden.

Dem widersprach nun der BGH und entschied:

[…} dass dem Mieter nicht nur in den vom Berufungsgericht angenommenen Fällen der Vereitelung eines bereits ausgeübten Vorkaufsrechts, sondern auch dann ein Anspruch auf Ersatz der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem mit dem Dritten vereinbarten Kaufpreis – abzüglich ersparter Kosten – als Erfüllungsschaden zustehen kann, wenn der Mieter infolge einer Verletzung der den Vermieter treffenden Mitteilungspflichten aus § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 577 Abs. 2 BGB vom Inhalt des Kaufvertrags und seinem Vorkaufsrecht erst nach Übereignung der Wohnung an den Dritten Kenntnis erlangt und aus diesen Gründen von der Ausübung des Vorkaufsrechts absieht.

Dies überzeugt aus mehrerlei Gründen.
Erstens zeigt die Norm § 577 BGB gerade, dass der Mieter die Möglichkeit haben soll, an den möglicherweise günstigen Konditionen, die mit einem Dritten ausgehandelt worden sind, zu partiziperen.
Zweitens kann das Entstehen eines Schadensersatzanspruches bei Verletzung von Mitteilungspflichten nicht davon abhängen, ob trotz fehlender Information das eingeräumte Recht wahrgenommen wird. Andernfalls hätte es der Vermieter in der Hand durch die Schaffung von Tatsachen, also der Weiterveräußerung, das Vorkaufsrecht des Mieters aus § 577 BGB zu umgehen. Zwar mag dieser auch nach Eigentumsübertragung auf den Dritten sein Vorkaufsrecht ausüben können, doch ist dies im Hinblick auf die von vornherein bestehende Nichterfüllbarkeit durch den Vermieter nicht zumutbar.
Drittens erscheint die Argumentation der Vorinstanz, wonach ein Vermögensschaden bei einer Eigenbedarfskündigung durch den nach § 566 BGB in das Mietverhältnis eingetretenen Erwerber vorliegt, zu kurz gegriffen. Gewährt man dem Mieter nur in diesen Fällen einen Schadensersatzanspruch bei Verletzung der Mitteilungspflichten, müsste man ihm auch nur für diesen Fall ein Vorkaufsrecht oder ähnliches Gestaltungsrecht einräumen – dies normiert das Gesetz aber ausdrücklich anders: das Vorkaufsrecht entsteht unabhängig vom zukünftigen Handeln des Erwerbers.
IV. BGH stärkt Mieterrechte – und gibt Vorlage für Examensklausuren
Die Entscheidung des BGH ist aus Mietersicht zu begrüßen, da sie Umgehungsversuchen des Vermieters einen Riegel vorschiebt. Zugleich ist sie von besonderer Examensrelevanz, da sie Grundzüge des Mietrecht mit schadensersatzrechtlichen Fragen verbindet und zugleich eine eigenständige Argumentation zum Schutzzweck des § 577 BGB erfordert. Wer in der zweiten Jahreshälfte 2015 Examen schreibt, sollte den Fall auf dem Schirm haben.

26.01.2015/1 Kommentar/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-01-26 15:00:272015-01-26 15:00:27BGH: Entgangener Gewinn als Schaden des Mieters bei Vereitelung seines Vorkaufsrechts
Dr. Jan Winzen

BGH: Keine Begrenzung einer von Dritten gewährten Mietsicherheit

Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Mit Urteil vom 10.04.2013 (VIII ZR 379/12) hat der BGH entschieden, dass die einem Vermieter durch einen Dritten zur Abwendung einer Zahlungsverzugs-Kündigung gewährte Sicherheit nicht (wie die sog. Mietkaution) auf drei Monatsmieten (§ 551 Abs. 1, 4 BGB) begrenzt ist. Wir hatten auf dieses Urteil bereits kürzlich in unserer Rechtsprechungsübersicht hingewiesen.
A. Sachverhalt:
Der Bruder (nachfolgend: Mieter) der späteren Beklagen schloss mit dem Kläger einen Mietvertrag über eine Wohnung des Klägers (350 Euro Kaltmiete zzgl. 95 Euro Nebenkosten). Für Zwecke der Mietsicherheit wurde ein Kautionssparbuch angelegt. Der Mieter geriet in der Folgezeit zunächst mit zwei Monatsmieten in Rückstand, woraufhin der Beklagte die Kündigung wegen Zahlungsverzugs androhte. Die Schwester des Mieters und spätere Beklagte überzeugte den Kläger, zur Befriedigung der offenen Forderungen die Mietkaution zu verwenden und von der Kündigung Abstand zu nehmen. Im Gegenzug schloss die Beklagte mit dem Kläger einen Bürgschaftsvertrag, der u.a. folgende Regelungen zum Gegenstand hatte:

Hiermit verbürge ich mich für die Mietzahlungen des Hr.        V.    in der Wohnung Nr.            ,     M.     gegenüber dem Vermieter, Hr.    B.     .
Die Bürgschaft endet automatisch bei vollständiger Begleichung aller Mieten und Mietnebenkosten zum Ende des Mietverhältnisses.

Da der Mieter erneut in Zahlungsrückstand geriet, kündigte der Kläger das Mietverhältnis fristlos und erstritt vor Gericht neben dem Räumungstitel einen Zahlungstitel in Höhe von ca. 7000 Euro. Wegen dieses Anspruch nimmt er nunmehr die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch.
B. Rechtliche Würdigung:
I. Anspruchsgrundlage: § 765 Abs. 1 BGB
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklage, gerichtet auf Zahlung der 7000 Euro, könnte  sich aus § 765 Abs. 1 BGB ergeben. Voraussetzung ist das Bestehen einer (zu sichernden) Hauptforderung und der Abschluss eines Bürgschaftsvertrages.
II. Hauptforderung
Die gesicherte Forderung des Klägers auf Zahlung von 7000 Euro ergibt sich aus § 535 Abs. 2 BGB und wurde bereits gerichtlich tituliert. Insoweit ergeben sich keine Schwierigkeiten.
III. Bürgschaftsvertrag
Zwar schlossen der Kläger und die Beklagten schriftlich (§ 766 Satz 1 BGB) einen Bürgschaftsvertrag ab. Die Beklagte macht allerdings geltend, dieser sei dahingehend auszulegen, dass sich die Bürgschaftsverpflichtung (in Anlehnung an die Mietkaution) auf einen Betrag von drei Monatsmieten beschränke. Die Mietkaution dürfe nämlich grds. höchstens das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Kaltmiete betragen (§ 551 Abs. 1 BGB). Davon könne zum Nachteil des Mieters auch nicht durch Vereibarungen abgewichen werden (§ 551 Abs. 4 BGB). Ihre Bürgschaft aber habe lediglich an die Stelle der Mietkaution treten sollen, weshalb die Höhe der Bürgschaft ungeachtet ihres Wortlauts auf den ursprünglich auf dem Kautionssparbuch vorhandenen Betrag begrenzt sei.
Eine solche Begrenzung der Bürgschaftsverpflichtung ist grundsätzlich zulässig. Ergeben sich insoweit Zweifel ist durch Auslegung des Bürgschaftsvertrags zu ermitteln, ob und in welcher Höhe die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner von der übernommenen Bürgschaft gedeckt ist (st. Rspr., siehe etwa die Nachweise bei Habersack, im Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, Rn. 77).

  • Einschränkende Auslegung des § 551 Abs. 1, 4 BGB nach dem Schutzzweck der Norm

Der BGH verneint im vorliegenden Fall jedoch eine der Ansicht der Beklagten entsprechende Auslegung, da § 551 Abs. 1, 4 BGB im Hinblick auf von Dritten gewährte Sicherheiten einschränkend auszulegen sei:

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass § 551 Abs. 1, 4 BGB entsprechend seinem Schutzzweck einschränkend dahin auszulegen ist, dass er keine Anwendung auf eine Sicherheit findet, die dem Vermieter von einem Dritten zur Abwendung einer drohenden Kündigung wegen Zahlungsverzugs gewährt wird.

Die Begrenzung der Mietsicherheit auf drei Monatsmieten dient dem schutzwürdigen Interesse des Mieters vor zu hohen Belastungen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll damit Erschwerungen für den Abschluss eines Mietvertrages entgegengewirkt werden, die in mobilitätshemmender Weise von hohen Kautionsforderungen ausgehen können (vgl. BT-Drucks. 9/2079, Seite 10). Das Sicherungsinteresse des Vermieters wird demgegenüber eingeschränkt.
Bereits entschieden ist, dass diese den Mieter schützende Erwägung nicht greift, wenn die Eltern von sich aus für ihre Kinder gegenüber dem Vermieter eine Bürgschaftsverpflichtung für den Fall eines Vertragsschlusses zusagen. Die gesetzliche Begrenzung der Mietsicherheit steht der wirksamen Übernahme einer Bürgschaft durch die Eltern dann nicht entgegen (BGH, Urteil vom 7. Juni 1990 – IX ZR 16/90, BGHZ 111, 361, 363 = NJW 1990, 2380).
Dieser Rechtsprechung führt der BGH im vorliegenden Fall fort:

Ähnlich verhält es sich bei einer Sicherheit, die – wie hier – im laufenden Mietverhältnis zur Abwendung einer drohenden Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs gewährt wird. Ein unabdingbares Verbot, in dieser Situation eine drei Monatsmieten übersteigende Sicherheit zu vereinbaren, würde in erster Linie den Mieter benachteiligen, weil der Vermieter in diesem Fall keine wirksame zusätzliche Sicherheit erhalten könnte und die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen des eingetretenen Zahlungsverzuges die Folge wäre; die dem Schutz des Mieters dienende Begrenzung der Mietsicherheit würde damit in ihr Gegenteil verkehrt. Auf eine Kaution, mit der eine drohende Zahlungsverzugskündigung des Vermieters abgewendet werden soll, findet § 551 Abs. 1, 4 BGB deshalb generell keine Anwendung; darauf, ob der Bürge eine derartige Sicherheit unaufgefordert beigebracht oder der Vermieter eine zusätzliche Sicherheit verlangt hat, kommt es nicht an.

Der Kläger hat folglich im Ergebnis einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 7000 Euro aus § 765 ABs. 1 BGB.
C. Fazit
Die vorliegende Entscheidung des BGH an der Schnittstelle von Bürgschaft und Mietrecht ist relativ kurz. Die Auslegung des Bürgschaftsvertrages im Lichte mietrechtlicher Schutzzwecke eignet sich aber besonders gut für die Verwendung in einer Examensklausur. Der Schutzgedanke des Mietrechts, wie er etwa in der Begrenzung der Höhe einer Mietkaution zum Ausdruck kommt,  betrifft typischerweise eben nur das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Im Verhältnis zu Dritten ist eine Einschränkung anerkennenswerter Interessen des Vermieters (wie etwa seines Sicherungsinteresses) möglicherweise nicht erforderlich. Wie der BGH erkennt, würde die Anwendung des § 551 Abs. 1, 4 BGB den Mieterschutz vorliegend sogar in sein Gegenteil verkehren, da es dem Vermieter nicht möglich wäre, eine zusätzliche Sicherheit zu erlangen und er sich dann erst recht zur fristlosen Kündigung veranlasst sähe.
An dieser Stelle sei auch noch einmal auf unseren Beitrag zu den jüngsten Gesetzesänderungen durch das MietrechtsänderungsG hingewiesen.
 
 
 
 
 
 

07.05.2013/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-05-07 14:00:052013-05-07 14:00:05BGH: Keine Begrenzung einer von Dritten gewährten Mietsicherheit
Christian Muders

OLG Düsseldorf: Schockschaden und Mitverschulden bei Verkehrsunfall

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Anm. zu OLG Düsseldorf, Urteile vom 15.11.2011 – I-1 U 255/10 und 1 U 255/10
1. Worum gehts?
Am 13.12.2006 musste die A miterleben, wie ihre 19-jährige Tochter T, als sie bei Rot einen Fußgängerüberweg überquerte, von einem Auto, gesteuert vom Beklagten B, angefahren wurde. B ist Eigentümer des Wagens und hielt zum Zeitpunkt des Unfalls die zulässige Höchstgeschwindigkeit ein; die T tauchte vor ihm unvermittelt auf der Fahrbahn auf, als sie hinter einem am Fußgängerüberweg parkenden Lkw hervorschoss. Die T verstarb noch an der Unfallstelle. A erlitt aufgrund des Todes ihrer Tochter einen Nervenzusammenbruch und bekam Depressionen. Sie nahm den B daher auf ein Schmerzensgeld in Anspruch. Das LG Düsseldorf verneinte eine Haftung des Autofahrers. Hiergegen hat die A beim OLG Düsseldorf Berufung eingelegt (Sachverhalt leicht verändert).
2. Was sagt das Gericht?
Das OLG Düsseldorf teilte die Haftungseinschätzung des Landgerichts und wies die Berufung zurück.
a) Auswahl der Anspruchsgrundlage:
Bei Schäden, die aus Verkehrsunfällen mit Pkw resultieren, kommen neben dem Deliktsrecht des BGB insbesondere die Anspruchsgrundlagen des StVG, namentlich § 7 StVG (Haftung des Halters eines Pkw) und § 18 StVG (Haftung des Fahrers eines Pkw), in Betracht, um das Schadensersatzbegehren des Anspruchstellers zu begründen. Erstere Norm formuliert einen Tatbestand der sog. „engen“ Gefährdungshaftung, letztere eine Haftung für vermutetes Verschulden. Da beide Vorschriften gegenüber den Anspruchsgrundlagen aus dem BGB, insbesondere § 823 Abs. 1 und 2 BGB, die beide den vollen Schuldbeweis des Schädigers einfordern, geringere Haftungshürden aufstellen, sind sie in der Klausur regelmäßig zuvorderst zu prüfen. Bei Anspruchsgrundlagen, die auf Schadensersatz gerichtet sind, wird dabei generell unter dem Prüfungsschritt 1 (Anspruch entstanden) zwischen dem haftungsbegründenden Tatbestand (den Anforderungen an die Haftung „dem Grunde nach“) und dem haftungsausfüllenden Tatbestand (den Anforderungen an den Umfang der Haftung) differenziert.
b) Haftungsbegründender Tatbestand:
Das OLG Düsseldorf hat zunächst den haftungsbegründenden Tatbestand des § 7 Abs. 1 StVG, also den Tatbestand der Gefährdungshaftung, bejaht.
aa) B war Halter des von ihm gefahrenen Fahrzeugs (ansonsten nur Fahrerhaftung nach § 18 StVG) und damit tauglicher Passivlegitimierter. Weiterhin muss er eine der in § 7 Abs. 1 StVG aufgeführten Rechtsgutsverletzungen verursacht haben, also kausal für den Tod eines Menschen, die Verletzung des Körpers bzw. der Gesundheit eines Menschen oder die Beschädigung einer Sache geworden sein. Die klagende A hat durch den Unfall einen sog. Schockschaden erlitten, da sie aufgrund des Erlebens des Todes ihrer Tochter T von einem Nervenzusammenbruch und depressiven Störungen gepeinigt wurde. Beides stellen gesundheitliche Schädigungen i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG dar:

Grundsätzlich kann ein Schockschaden, der durch das Miterleben oder auch durch die Nachricht vom Tode eines Angehörigen ausgelöst wird, einen Schadenersatzanspruch gegen den Unfallverursacher begründen, wenn dieser hierdurch eine Gesundheitsbeschädigung von beträchtlichem Umfang erleidet. Diese Gesundheitsbeschädigung kann dann ausgleichspflichtig sein, wenn sie über die Auswirkungen hinausgeht, die nahe Angehörige in dieser Situation des Verlustes erfahrungsgemäß erleiden müssen (vgl. grundlegend BGHZ 56, 163; zuletzt aufgegriffen in BGH VersR 2007, 803).

bb) Hinsichtlich der Feststellung der Ursächlichkeit des B für diese Beeinträchtigung wird im Zivilrecht zwischen verschiedenen Zurechnungs-„Filtern“ differenziert, die auch bei den „klassischen“ Deliktstatbeständen (also den §§ 823 ff. BGB) ihre Bedeutung haben:

  • Grundlage der Kausalitätsfeststellung ist dabei zunächst – wie im Strafrecht – das Erfordernis eines „conditio-sine-qua-non“-Zusammenhangs i.S. der Bedingungstheorie; demgemäß ist zu fragen, ob ohne den Beitrag des Schädigers die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung entfallen wäre. Ein solcher Bedingungszusammenhang liegt hier vor, da ohne den Unfall, an dem der B mindestens mitbeteiligt war, die T nicht gestorben und damit die A keine psychischen Beeinträchtigungen erlitten hätte.
  • Weiterhin bedarf es als zweiten „Filter“ einer Adäquanz zwischen der Unfallbeteiligung des B und der daraus resultierenden Folge, d.h. der Eintritt der Rechtsgutsverletzung bei A darf nicht außerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung Erwartbaren liegen. Auch dies ist bei psychischen Beeinträchtigungen aufgrund des Todes einer anderen Person, was regelmäßig ein einschneidendes Ereignis darstellt, zu bejahen, insbesondere wenn dieses Ereignis (wie vorliegend) unmittelbar miterlebt wird.
  • Schließlich kann als dritter normativ aufgeladener Ursachenfilter noch die Lehre vom Schutzzweckzusammenhang angeführt werden. Entscheidend ist danach, ob die für das Schadensersatzbegehren herangezogene Anspruchsgrundlage gerade vor solchen Auswirkungen, wie sie durch die tatbestandliche Rechtsgutsverletzung beim Anspruchssteller eingetreten sind, schützen will. Dabei werden vom Schutzzweck der Norm erfasste Verletzungen von solchen Beeinträchtigungen abgegrenzt, die dem „allgemeinen Lebensrisiko“ zuzurechnen sind und damit keine Ausgleichspflicht des Schädigers begründen. Für Fälle mit sog. Schockschäden wird dabei von einer bloßen Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos insbesondere dann ausgegangen, wenn der durch den Unfall unmittelbar Getötete oder Verletzte in keiner näheren (verwandtschaftlichen) Beziehung zu der hierdurch psychisch beeinträchtigten Person stand (vgl. dazu auch unseren Artikel hier). Ist dies hingegen der Fall, wird der mittelbar Beeinträchtigte in den Kreis der durch die Norm geschützten Personen aufgenommen. Vorliegend ist diese Bedingung erfüllt: Die mittelbar durch den Unfall betroffene A war als Mutter der T eine enge Verwandte der Verstorbenen, außerdem hat sie den Tod ihrer Tochter unmittelbar miterlebt.
  • Zuletzt muss sich speziell bei den Tatbeständen der sog. „engen“ Gefährdungshaftung, zu denen § 7 StVG zu zählen ist (anders etwa § 1 ProdHaftG), gerade die erhöhte Gefährlichkeit der tatbestandsspezifischen Verhaltensweise, die Grund für die Statuierung der Gefährdungshaftung ist (hier: Betrieb eines Kfz), in der Rechtsgutsverletzung ausgewirkt haben. Dies ist bei der Halterhaftung des § 7 Abs. 1 StVG dann, wenn das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls bestimmungsgemäß als Fortbewegungsmittel genutzt wird, der Fall.

cc) Schließlich ist vorliegend auch der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 2 StVG nicht gegeben. Danach ist eine Ersatzpflicht „dem Grunde nach“ dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird. Die Rechtsprechung definiert „höhere Gewalt“ als ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist. Da sich der für die psychische Beeinträchtigung der A verantwortliche Unfall vorliegend im Verkehr mit einem anderen Verkehrsteilnehmer ereignete, kann von einem „betriebsfremden Ereignis“ nicht gesprochen werden.
b) Haftungsausfüllender Tatbestand:
Im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestands hat das Gericht allerdings eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens zu Lasten der A vorgenommen und diese auf 100% taxiert.
aa) Hierbei ist zunächst zu beachten, dass die hinsichtlich eines Mitverschuldens bei Unfällen mit Kfz grundsätzlich als lex specialis zu beachtende Vorschrift des § 17 Abs. 2, 3 StVG vorliegend nicht eingreift, da diese ein Zusammentreffen mehrerer Kfz beim Unfall voraussetzt. Am vorliegenden Zusammenstoß waren aber nur der Wagen des B und die T als Fußgängerin beteiligt.
bb) Demgemäß ist in unserem Fall – ebenso wie bei Unfällen mit sonstigen nicht motorisierten Verkehrseilnehmern, etwa Radfahrern – allein die Regelung des § 9 StVG einschlägig, die für die Frage des Mitverschuldens im Wesentlichen auf die vertraute Norm des § 254 BGB verweist. Wendet man letztgenannte Norm allerdings unbefangen an, ist eine Anspruchskürzung zu Lasten der A zunächst nicht ersichtlich: Denn diese selbst trägt keine Verantwortung für den Unfall, da sie lediglich auf der anderen Straßenseite gewartet hat. Allein ihre Tochter hat den Unfall dadurch (maßgeblich) mitverschuldet, dass sie bei Rot über den Fußgängerüberweg gelaufen ist, ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten. Dieses Mitverschulden der T bei der „Verursachung des Schadens“ i.S.d. § 254 Abs. 1 BGB ist der A aber grundsätzlich nicht zuzurechnen, namentlich nicht über die Norm des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB. Diese Vorschrift verweist bekanntlich für die Zurechnung eines Mitverschuldens Dritter auf die Regelung zur Haftung des Schuldners für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Geht man aber mit der h.M. und unter Anwendung des Gleichstellungsgedankens davon aus, dass auch für die Anwendung des § 278 BGB auf Gläubigerseite ein bereits bestehendes Schuldverhältnis mit dem Schuldner zum Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung durch den Dritten zu fordern ist (§ 254 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsgrundverweisung), kann ein solches z.Zt. des maßgeblichen Sorgfaltsverstoßes der T, nämlich der Mitverursachung des Verkehrsunfalls, nicht bejaht werden.
cc) Dennoch kommt das OLG Düsseldorf für den vorliegenden Fall eines mittelbaren Schockschadens zu einer Zurechnung des Mitverschuldens der unmittelbar betroffenen Näheperson, also der getöteten T:

Da somit die rechtlich anerkannte psychisch vermittelte Schädigung nur auf einer besonderen persönlichen Bindung an den unmittelbar Verletzten beruht, muss sich der Angehörige das fremde Mitverschulden des unmittelbar Verletzten analog §§ 254, 242 BGB aus Billigkeitserwägungen anrechnen lassen (vgl. BGH a.a.O.). Dieses ist hinsichtlich geltend gemachter Schmerzensgeldansprüche auch deswegen zu bejahen, weil das Schmerzensgeld eine nach den Gesamtumständen billige Entschädigung sein soll. Wird aber die Gesundheitsbeschädigung und auch die Möglichkeit eines Ersatzanspruchs durch das Näheverhältnis zu dem unmittelbar Geschädigten hervorgerufen, kann dessen Mitverschulden, das bei eigenen Ansprüchen gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen ist, nicht außer Acht gelassen werden. Anderenfalls käme man zu unannehmbaren Ergebnissen.

Die vorgenannte Wertung des OLG kann dabei mit unterschiedlichen Begründungsansätzen unterfüttert werden. Neben dem vom Gericht selbst vorgenommenen, allerdings etwas farblosen Verweis auf die Vorschrift des § 242 BGB kommen auch konkretere normative Anknüpfungspunkte in Betracht. So ist an die Regelung des § 846 BGB zu denken, wonach bei gem. gesetzlicher Regelungen zu ersetzenden, mittelbaren Vermögensschäden Dritter – namentlich Beerdigungskosten der Erben, verlorenen Unterhaltsansprüchen des Ehepartners oder entgangenen Diensten, die der unmittelbar Verletzte einem Dritten zu leisten hatte (vgl. §§ 844, 845 BGB) – eine Mitverschulden desselben bei der Bemessung des Ersatzes für den Dritten ebenfalls zu berücksichtigen ist. Vorliegend geht es zwar nicht um einen kraft Gesetzes zu ersetzenden, lediglich mittelbar verursachten Vermögensschaden, da die A hier eine direkt über die deliktische Norm selbst zu regulierende Rechtsgutsverletzung geltend macht; allerdings kann der Vorschrift des § 846 BGB der Grundgedanke entnommen werden, dass bei Abhängigkeit eines geltend gemachten Schadens von einer weiteren, unmittelbaren Verletzung, die eine andere Person trifft – hier der getöteten T, deren besondere Nähebeziehung zu A erst die Zurechenbarkeit des Schockschadens an B begründet –, deren Mitverschulden ebenso wie eine eigene Obliegenheitsverletzung des Anspruchstellers bei der Bemessung der Forderungshöhe zu berücksichtigen ist.
dd) In Konsequenz des danach anzurechnenden Mitverschuldens der T hat das OLG Düsseldorf schließlich eine Kürzung der Schadensersatzforderung der A auf 100% vorgenommen. Das OLG begründet dies damit, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des B gegenüber dem gravierenden Fehlverhalten der Tochter nicht sonderlich ins Gewicht falle:

Auf Seiten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass ihre Tochter schuldhaft den Verkehrsunfall verursacht hat. Diese hat ihre Sorgfaltspflichten als Fußgängerin aus § 25 Abs. 3 S. 1 StVO missachtet. Sie ist bei Rotlicht auf die Fahrbahn gelaufen, ohne den Verkehr auf der (…) Straße und damit auch das Fahrzeug des Beklagten zu 1. zu beachten. Damit ist der Tochter der Klägerin nicht nur ein einfacher Sorgfaltsverstoß, sondern ein grob fahrlässiges Fehlverhalten vorzuwerfen. (…) Dass Fußgänger an einer durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung die Fahrbahn nur bei Grünlicht überqueren dürfen, ist eine elementare Verhaltensregel. (…) Angesichts dieser Gesamtumstände ist es gerechtfertigt, die lediglich beim Beklagten zu 1. verbleibende Betriebsgefahr hinter dem schwerwiegenden Mitverschulden der Tochter der Klägerin vollständig zurücktreten zu lassen

Mit dieser Konstruktion im Rahmen des Mitverschuldens wird auf der Ebene des haftungsausfüllenden Tatbestandes allerdings ein Ergebnis erreicht, was auf der Ebene des haftungsbegründenden Tatbestandes, wo nur höhere Gewalt den Halter entlastet (§ 7 Abs. 2 StVG, s.o.), ausgeschlossen ist. Dies stellt sich allerdings nicht als Umgehung der vom Gesetzgeber statuierten Gefährdungshaftung dar, da für einen solchen Haftungsausschluss auf Rechtsfolgenseite immerhin ein besonders gravierendes Mitverschulden des anderen Unfallbeteiligten vonnöten ist. Für Unfälle mit mehreren Kfz normiert der Gesetzgeber sogar in § 17 Abs. 3 StVG ausdrücklich, dass bei einem „unabwendbaren Ereignis“, nämlich bei dem sich einer der Unfallbeteiligten wie ein „Idealfahrer“ verhalten hat, dessen Haftung vollständig ausgeschlossen ist, ohne dass es auf besonders gravierende Verstöße der übrigen Beteiligten ankommt. I.Ü. ist auch bei solchen Unfällen anerkannt, dass bei einem groben Sorgfaltsverstoß eines der beteiligten Pkw die Halter der anderen Wagen ggf. überhaupt nicht haften, also ihre allgemeine Betriebsgefahr ebenso unberücksichtigt bleibt.
3. Warum ist die Entscheidungen wichtig?
Das OLG bleibt, wie bereits seine Verweise auf ergangene Rspr. belegen, mit seiner Entscheidung auf vertrautem Terrain, so dass seine Urteile nichts spektakulär Neues bieten. Indes behandeln sie mit dem „Dauerbrenner“ Verkehrsunfall eine Konstellation, die im ersten wie auch zweiten Staatsexamen beständig abgeprüft wird. Der im Fall behandelte Zurechnungs-„Klassiker“, nämlich die Ersatzfähigkeit lediglich mittelbar verursachter Schockschäden, wird hierbei gepaart mit der wohl weniger bekannten Problematik einer Mitverschuldenszurechnung in dieser Konstellation. Insoweit sollte man sich in der Fallbearbeitung nicht darauf beschränken, lediglich knapp auf die „Billigkeit“ einer solchen Zurechnung, ggf. unter Hinzuziehung des § 242 BGB, zu verweisen. Vielmehr ist es empfehlenswert, zur Stütze dieses Ergebnisses auch Wertungen speziellerer gesetzlicher Regelungen, namentlich des § 846 BGB einfließen zu lassen, auch wenn dieser vorliegend nicht unmittelbar einschlägig ist. Im Originalfall des OLG Düsseldorf war übrigens – wie regelmäßig in der Praxis – auch die Kfz-Versicherung des Fahrzeughalters B verklagt. Die Anspruchsgrundlage für deren Haftung ergibt sich dann aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG (Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer), früher § 3 PflVG a.F.

09.08.2012/3 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-08-09 10:00:182012-08-09 10:00:18OLG Düsseldorf: Schockschaden und Mitverschulden bei Verkehrsunfall

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