• Suche
  • Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Schutzpflichten

Schlagwortarchiv für: Schutzpflichten

Dr. Yannik Beden, M.A.

BGH: Verhältnis von Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu § 278 BGB

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Mit Urteil vom 7.12.2017  – VII ZR 204/14 hat der BGH eine besonders prüfungsrelevante Entscheidung zum Anwendungsbereich der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSD) erlassen. Im Vordergrund steht das Verhältnis des VSD zu § 278 BGB. Da sich der VSD leicht in Zivilrechtsklausuren einbauen lässt und in verschiedensten Facetten in Erscheinung treten kann, müssen die rechtssystematischen Grundlagen sowie die von der Rechtsprechung entwickelten Anspruchsvoraussetzungen beherrscht werden. Die Entscheidung des BGH bietet Anlass zur Wissensvertiefung in einem Bereich, der von der Anfängerklausur bis hin zur zivilrechtlichen Examensklausur einen beliebten Prüfungsgegenstand darstellt:
I. Sachverhalt (vereinfacht)
Das Gericht hatte über Schadensersatzansprüche zu befinden, die sich letztlich aus einem Vierpersonenverhältnis ergaben. Anders als bei dem klassischen Dreipersonenverhältnis des VSD trat in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt eine weitere Person hinzu, weil der Schuldner sich zur Erfüllung seiner Pflichten eines Dritten bediente. Folgende (zwecks Übersichtlichkeit vereinfachte) Geschehnisse führten zur Rechtsstreitigkeit:
Die F. & R. GmbH führte aufgrund eines am 18. Juni 2003 mit einem Brauereibetreiber geschlossenen Vertrags Abbrucharbeiten auf einem Gelände in der Stadt S durch, auf dem der Brauereibetreiber bis zum Jahr 2003 seine Brauerei betrieben hatte. Nach dem Vertrag sollten die auf dem Gelände befindlichen Versorgungsleitungen sowie Entsorgungsleitungen vor Beginn der Abbrucharbeiten vom Brauereibetreiber stillgelegt werden. Da mit Umweltgefährdungen gerechnet werden musste, beauftrage der Brauereibetreiber einen Gutachter mit der Untersuchung der auf dem Gelände stehenden Gebäude auf eventuelle Gefahrenquellen. Bei einem vom Gutachter durchgeführten Ortstermin wurde unter anderem das Gebäude Nr. 15 nicht von innen besichtigt. In seinem Gutachten (sog. Rückbau- und Entsorgungskonzept) gab der Gutachter unter Bezugnahme auf diesen Ortstermin an, dass die technischen Anlagen ausgebaut und verkauft worden und Rückstände von Maschinen, Behältern und Rohren nicht vorhanden seien. Einen Hinweis auf ggf. noch unter Druck stehende Leitungen oder mit Gasen gefüllte Behältnisse im Gebäude Nr. 15 erteilte er nicht. Die nur eingeschränkte Begutachtung des Innenraums wurde auch sonst nicht vermerkt.
Die Arbeitnehmer A und B der F. & R. GmbH führten am 15. Dezember 2003 mittels zweier Bagger Abbrucharbeiten auf dem Gelände durch. In dem Gebäude Nr. 15 befand sich eine noch mit Ammoniak gefüllte Kälteanlage, bestehend aus zwei Tanks und Rohrleitungen. Infolge der Abrissarbeiten kam es zu einem Austritt einer gischtartigen Ammoniakwolke, welche ein Ausmaß von 10 x 15 Meter erreichte. Hierdurch wurden die Arbeitnehmer A und B verletzt.
Haben A und B Ansprüche gegen den Brauereibetreiber sowie den Gutachter auf Ersatz von Heilbehandlungs-, Arznei- und Transportkosten?

II. Vorüberlegung: Grundlage und Anspruchsvoraussetzungen des VSD
A und B könnten gegen den Gutachter Ansprüche auf Schadensersatz nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter haben. Für die Fallbearbeitung muss insofern allerdings von vornherein im Hinterkopf behalten werden, dass auch zwischen der F. & R. GmbH und dem Brauereibetreiber ein Vertrag besteht, sodass auch vertragliche Schadensersatzansprüche von A und B gegen den Brauereibetreiber in Betracht zu ziehen sind. Für die gutachterliche Prüfung kommt es dann auf einen sauberen Aufbau und eine stringente Prüfung des VSD an:
1. Rechtsgrundlage
Die rechtliche Grundlage des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird uneinheitlich beurteilt. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der VSD auf einer ergänzenden Vertragsauslegung beruht und an den hypothetischen Willen der Vertragsparteien anknüpft, §§ 133, 157 BGB (vgl. BGH Urteil v. 17.11.2016 – III ZR 139/14, NJW RR-2017, 888). Anderer Auffassung zufolge handelt es sich um eine auf § 242 BGB gestützte richterliche Rechtsfortbildung (s. Assmann, JuS 1986, 885 (887). Teilweise wird der VSD auch als Gewohnheitsrecht eingeordnet (so bereits Gernhuber, in: FS Nikisch, 1958, S. 269). Auch eine Verortung bei § 311 Abs. 3 S. 1 BGB wurde diskutiert (Kilian, NZV 2004, 489 (494)). Der BGH hat die Frage in manchen Entscheidungen sogar explizit offengelassen. Für die Klausur dürfte es ausreichen, die in Betracht kommenden Anknüpfungspunkte kurz zu benennen.
2. Anspruchsvoraussetzungen   
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt der Anspruch nach den Grundsätzen des VSD folgende Merkmale voraus:
(1) Bestimmungsgemäße Leistungsnähe des Dritten
Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der (Haupt-)Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger
(2) Gläubigernähe des Dritten
Der Gläubiger muss ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags haben
(3) Erkennbarkeit der Leistungs- und Gläubigernähe
Für den Schuldner müssen Leistungs- und Gläubigernähe des Dritten erkennbar und zumutbar sein.
(4) Schutzbedürfnis des Dritten
Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss ein Bedürfnis bestehen. Dieses entfällt insbesondere, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche zustehen, die den identischen oder zumindest gleichwertigen Inhalt haben.
III. Rechtliche Würdigung des BGH
Der BGH stellt in seiner Entscheidung zunächst fest, dass bei einem VSD die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen wird, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Um die Haftung für den Schuldner jedoch nicht unkalkulierbar auszudehnen, sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen (hierzu bereits BGH Urteil v. 17.11.2016 – III ZR 139/14, NJW RR-2017, 888).
Nach der Rechtsprechung des BGH trifft den Besteller bei einer Werkleistung die vertragliche Pflicht, alles ihm Zumutbare zu tun, um seinen Vertragspartner bei der Ausführung von Arbeiten vor Schaden zu bewahren. Stellt der Besteller das Grundstück oder Arbeitsgerät zur Verfügung, erstreckt sich seine vertragliche Pflicht auch darauf, im Rahmen des ihm Zumutbaren hiervon ausgehende Gefahren für den Vertragspartner zu vermeiden. Bei schuldhafter Verletzung dieser Schutzpflicht haftet der Besteller nach § 280 Abs. 1 BGB (so bereits BGH Urteil v. 24.01.2013 – VII ZR 98/12, NJW-RR 2013, 534). Gleiches gilt dem BGH zufolge, wenn infolge der Schutzpflichtverletzung Arbeitnehmer des Vertragspartners bei Ausführung von Arbeiten geschädigt werden. Das Gericht schlussfolgert: Bei Werkverträgen gehört es regelmäßig zum Vertragsinhalt, dass sich die vertraglichen Schutzpflichten des Bestellers auch auf die Arbeitnehmer des Vertragspartners erstrecken sollen. Der Vertrag zwischen Unternehmer und Besteller entfaltet mithin Schutzwirkung zugunsten dieses abgrenzbaren und bestimmbaren Personenkreises (vgl. BGH Urteil v. 15.06.1971 – VI ZR 262/69, NJW 1971, 1931). Sodann stellt der BGH fest, dass in dem Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Besteller letzterer auch für ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB haftet, soweit er diesen bei der Erfüllung seiner gegenüber dem Unternehmer und dessen Arbeitnehmer bestehenden Schutzpflichten eingebunden hat. A und B haben deshalb gegen den Brauereibetreiber Ansprüche auf Schadensersatz aus einem VSD (Werkvertrag zwischen der F. & R. GmbH und dem Brauereibetreiber).
Das Gericht stellt im Anschluss Erwägungen zu Ansprüchen von A und B gegenüber dem Gutachter aus einem VSD an. Entscheidend ist insofern nach Auffassung des Gerichts, dass die beiden Arbeitnehmer bereits von den vertraglichen Schutzpflichten des Bestellers umfasst werden. Deshalb kommt der BGH zu dem Ergebnis:
„Steht den Arbeitnehmern eines Unternehmers nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein Schadensersatzanspruch gegen den Besteller einer Werkleistung zu, weil sie bei Ausführung der Arbeiten aufgrund einer schuldhaften Verletzung auch ihnen gegenüber bestehender vertraglicher Schutzpflichten durch den Besteller einen Schaden erleiden, scheidet ein weiterer Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegen einen vom Besteller beauftragten Dritten, der für die Schädigung mitverantwortlich ist und dessen Verschulden sich der Besteller nach BGB § 278 BGB zurechnen lassen muss, grundsätzlich aus.“
Maßgeblich für diese Wertung ist, dass die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer es regelmäßig nicht erfordert, neben dem Besteller einen weiteren Vertragsschuldner zur Verfügung zu stellen, mithin den Kreis der Haftenden zu erweitern. Der BGH argumentiert darüber hinaus damit, dass der Unternehmer – hätte er selbst den Schaden erlitten – aufgrund von § 278 BGB auch nur einen unmittelbaren Anspruch gegen den Besteller hätte. Einen vertraglichen Anspruch gegen den vom Besteller beauftragten Dritter (hier der Gutachter) wäre nach den Grundsätzen des VSD ausgeschieden. Gleiches muss deshalb gelten, wenn Arbeitnehmer geschädigt werden, da diese insoweit an die Stelle des Unternehmers treten. Andernfalls wären sie bessergestellt als der Unternehmer, da ihnen dann gegen zwei Schuldner inhaltsgleiche Ansprüche zustünden. Anders als die Vorinstanz noch annahm, bestand deshalb keine gesamtschuldnerische Haftung des Brauereibetreibers und Gutachters. Vielmehr war aufgrund von § 278 BGB und den o.g. Wertungen allein der Brauereibetreiber Anspruchsgegner der Arbeitnehmer A und B.
IV. Schlussfolgerung
Aus dem vermeintlichen Vierpersonenverhältnis wird mit der Entscheidung des BGH doch noch das klassische Dreipersonenverhältnis des VSD. Für die Klausur ist entscheidend, dass die unterschiedlichen Vertragsverhältnisse klar differenziert und die jeweilige Schutzbedürftigkeit der Geschädigten herausgearbeitet werden. Der Zugriff auf § 278 BGB liegt nahe, das Argument der hypothetischen Substitution des Unternehmers durch seine Arbeitnehmer dürfte jedoch nicht von jedem Prüfling erkannt werden. Insgesamt handelt es sich um eine äußerst prüfungsrelevante Entscheidung des BGH, die den Anwendungsbereich des VSD erneut konkretisiert.

10.01.2018/8 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-01-10 10:00:322018-01-10 10:00:32BGH: Verhältnis von Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu § 278 BGB
Dr. Simon Kohm

OVG Münster: Klage gegen Versuchsreihen am CERN ohne Erfolg

Lerntipps, Rechtsprechung, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Das OVG Münster hat mit Beschluss vom gestrigen Tage entschieden (OVG Münster, Beschluss vom 16.10.2012, Az. 16 A 591/11), dass die Klage gegen die Versuchsreihen am CERN in Genf ohne Erfolg bleibt.
Hintergrund und Verfahrensgang
Die Bezeichnung CERN leitet sich aus dem Französischen ab – Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire, also die Europäische Organisation für Kernforschung. Diese betreibt in Genf mehrere Teilchenbeschleuniger, die zur Erforschung der Materie dienen. Diese Teilchen (z.B. Atomkerne) werden hier auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt. Dabei werden auch im Rahmen von Versuchsreihen Teilchen auf einander geschossen, um damit den sog. Urknall zu simulieren. Die jetzige Klägerin, die deutsche Staatsangehörige ist, aber in Zürich wohnt, will diese Art der physikalischen Grundlagenforschung verhindern. Sie befürchtet, dass es dabei zu so genannten schwarzen Löchern kommen könne, die das gesamte irdische Leben zerstören könnten. Bereits im Jahr 2008 hat die Klägerin sich mit diesem Begehren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes an das VG Köln gewandt. Die Beschwerde gegen das ablehnende Urteil wies das OVG Münster seiner Zeit zurück, die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Mit der erhobenen Klage in der Hauptsache verfolgte die Klägerin die Sache vor dem VG Köln weiter, das aber mit Urteil vom 27.01.2011 (Az. 13 K 5693/08) die Klage zurückgewiesen hat. Mit dem gestrigen Beschluss und der Nichtzulassung der Berufung hat nunmehr das OVG Münster dem Verfahren ein vorläufiges Ende gesetzt.
Rechtliche Würdigung durch das VG Köln

Neben dem skurrilen Klägerbegehren und der für einfachen Juristen kaum zu durchdringenden Materie der Kernforschung, ist die Sache aber auch rechtlich durchaus interessant, vor allem im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage. Betrachten wir daher zu Anfang den Hauptantrag der Klägerin:

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die von ihr in den Rat der Europäischen Kernforschungsorganisation CERN entsandten Delegierten sofort anzuweisen, im Rat des CERN eine sofortige Beschlussfassung darüber zu initiieren und auf eine dahingehende sofortige Beschlussfassung hinzuwirken, dass der Protonenbeschleuniger LHC in Genf/Schweiz höchstens auf einer Gesamtenergie von 2 Billionen Elektronenvolt betrieben wird.

Es geht der Klägerin damit nicht um ein direktes Vorgehen gegen das CERN selbst (hiermit war sie bereits in der Schweiz gescheitert), sondern um ein Einwirken der Bundesrepublik auf die entsandten Mitglieder.
Das VG Köln hat die Klage für zulässig erachtet.
Die Sache ist justiziabel. Das VG Köln hält fest, dass auch die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf zwischenstaatliche Einrichtungen justiziabel sei. Das gelte dann erst recht im vorliegenden Fall, da hier keine Übertragung von Hoheitsrechten vorläge, sondern bloß ein Fall staatlich geförderter Wissenschaft. Der Art. 19 Abs. 4 GG sehe in einem solchen Fall keine Entbindung von der staatlichen Schutzpflicht vor (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 37 ff.).
Der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 VwGO ist eröffnet. Insbesondere liegt eine öffentlich rechtliche Streitigkeit vor. Vorliegend will die Klägerin einen Anspruch gegen die BRD geltend machen. Streitentscheidende Norm muss hier also eine Anspruchsgrundlage sein. Diese ergibt sich vorliegend aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, der staatlichen Schutzpflicht. Diese Norm verpflichtet in dieser spezifischen Ausprägung den Staat, also einen Hoheitsträger. Das VG Köln hält hier bemerkenswert ausführlich fest, dass keine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegt (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 49). Ein Abweichen von der allgemein bekannten Definition der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit sei hier gerade nicht angezeigt.

Von dieser allgemeinen Rechtsauffassung abzuweichen, sieht das Gericht bei der vorliegenden Konstellation keinen Anlass, zumal neben den rechtlichen Fragen auch tatsächliche Aspekte eine wesentliche Rolle spielen und es daher der dem Grundgesetz zu Grunde liegenden Vorstellung über die Verteilung der Aufgaben von Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes entspricht, das Verfahren zunächst als ein verwaltungsgerichtliches zu führen. Damit soll erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft.

Statthaft ist vorliegend die allgemeine Leistungsklage. Da die Klägerin vorliegend etwas begehrt, käme allenfalls noch die Verpflichtungsklage gem. § 42 VwGO in Betracht. Dann müsste die Anweisung an die deutschen Mitglieder einen VA darstellen. Dies kann vorliegend damit verneint werden, dass hier die Außenwirkung fehlt. Denn solche Weisungen wären als „Dienstanweisungen“ zu sehen, die die jeweiligen Mitglieder nicht in ihrem grundrechtssensiblen Bereich treffen, sondern nur ihre beruflichen Eigenschaften betreffen.
Im Hinblick auf die Klagebefugnis argumentiert das VG Köln mit der Möglichkeitstheorie und hält fest, dass das Eingreifen der staatlichen Schutzpflicht im vorliegenden Fall jedenfalls nicht von vorneherein abzulehnen sei. Auch fordere die Klägerin nichts objektiv Unmögliches von der Beklagten ein. Die BRD hatte vorgebracht, dass es nicht allein in der Hand ihrer Abgesandten läge, Entscheidungen im CERN zu treffen. Das VG Köln argumentiert hier überzeugend dahingehend, dass es die Schutzpflicht aus Art. 2 GG jedenfalls erfordere, die gebotenen Anstrengungen zu unternehmen, auch wenn diese einen Erfolg nicht garantierten (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 55).
Schlussendlich scheitert das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht daran, dass sie vorher keinen „Antrag“ bei der Beklagten gestellt habe. Das VG Köln argumentiert, dass die Beklagte im Vorfeld und im einstweiligen Rechtsschutz mehrfach deutlich gemacht habe, dass es ihrem Ansinnen nicht nachkommen werde (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 56).
Im Rahmen der Begründetheit stellt das VG Köln unter Bezugnahme auf den ablehnenden Beschluss des BVerfG die Einzelheiten der staatlichen Schutzpflichten dar (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 62 f.).

Sie gebiete dem Staat, sich schützend und fördernd vor gefährdetes menschliches Leben zu stellen, es insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren. Eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht könne aber nur unter der Voraussetzung festgestellt werden, dass die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen habe oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückblieben. Die staatliche Schutzpflicht verlange bei komplexen Sachverhalten, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen würden, auch von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Theorien zur Durchsetzung zu verhelfen; im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten obliege aber allen Stellen, die öffentliche Gewalt ausübten, eine gesteigerte Verantwortung, wenn sie Entscheidungen treffen würden, die auf ungewissen Folgenabschätzungen beruhten. Werde wissenschaftlich und praktisch noch unerschlossenes Neuland betreten, hätten sich alle diese Stellen eine möglichst breite Informationsgrundlage für eine möglichst rationale Risikoabschätzung zu verschaffen, wobei die unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen eines gewaltenteiligen Systems berücksichtigt werden müssten.

Auch im Hinblick auf die Darlegungspflichten liefert das VG Köln detaillierte Formulierungen (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 62 f.):

Gehe es um die Vernachlässigung einer Schutzpflicht, sei der klagende Bürger nicht nur gehalten, schlüssig darzutun, dass die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen habe oder dass offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das Schutzziel zu erreichen. Vielmehr sei vorweg darzulegen, dass überhaupt eine Gefahr existiere. Dieses Schlüssigkeitserfordernis gelte auch, soweit eine Verantwortung staatlicher Stellen zur empirischen Widerlegung von Warnungen vor Schadensereignissen in Rede stehe. Der bloße Hinweis auf vereinzelt bleibende Warnungen genüge nicht, um eine gesteigerte staatliche Untersuchungs- oder gar Widerlegungspflicht anzunehmen. Soweit experimentelle Forschungsansätze betroffen seien, die im Wesentlichen auf theoretischen Erwägungen zu zentralen Grundfragen der modernen Physik aufbauten, seien jedenfalls solche Behauptungen unzureichend substantiiert, die lediglich eine Verantwortung staatlicher Stellen zur vorherigen, empirischen Widerlegung sämtlicher in der Öffentlichkeit diskutierter Warnungen vor (Groß-)Schadensereignissen einforderten. Die Substantiierung einer Verletzung verfassungsrechtlicher Schutzpflichten verlange für Warnungen, die weitreichende Schutzpflichten auslösen sollen, die Einhaltung gewisser Mindeststandards, jedenfalls die Beachtung des Schlüssigkeitserfordernisses. Ansonsten sei es für staatliche Stellen unmöglich, relevante Warnungen, denen sie prinzipiell nachzugehen haben, von irrelevanten hypothetischen Prophezeiungen zu unterscheiden.

Gleichwohl dürfte der Staat Restrisiken in Kauf nehmen.

Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende Schutzpflicht hindere die öffentliche Gewalt nicht, mit der Förderung wissenschaftlicher Forschungstätigkeit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) insofern unentrinnbare Restrisiken in Kauf zu nehmen. Ansonsten wäre großexperimentelle Grundlagenforschung kaum möglich, weil sich im zu erforschenden Grenzbereich überraschende physikalische Wirkungen auslösende Ergebnisse nicht völlig ausschließen ließen. Allerdings treffe die Träger öffentlicher Gewalt eine Pflicht, Erkenntnisquellen auszuschöpfen und eine Risikoanalyse mit fachlicher Bewertung vorzunehmen. Diese Anforderungen dürften aber nicht zu Lasten der Forschungsfreiheit überspannt werden; sie dienten vielmehr dazu, den wissenschaftlichen Diskurs offen zu halten und seine Erkenntnisse nachzuvollziehen. Soweit die dafür zuständigen Verfassungsorgane oder entsprechende Stellen öffentlicher Verwaltung die fachlichen Abschätzungen verantwortlich vorgenommen hätten, fehle es den Gerichten an Maßstäben, ihre eigene Beurteilung jenseits praktischer Vernunfterwägungen an die Stelle des legislativen oder exekutiven Sachverstandes zu setzen.

Insbesondere hält das VG Köln fest, dass es nicht Sache der Gerichte sei, über fachwissenschaftliche Streitigkeiten zu entscheiden bzw. diese zu bewerten (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 81):

Von einer Grundrechtsgefährdung und erst recht einem Grundrechtseingriff kann nach dem gesamten Sachstand nicht ausgegangen werden. Dabei ist im Ausgangspunkt zum einen zu berücksichtigen, dass nach dem von der Klägerin beschworenen Gefahrszenario nur niedrige Anforderungen an die plausible Darlegung und Feststellung möglicher Gefahrenlagen zu stellen sind. Zum anderen ist hier aber in den Blick zu nehmen, dass die gesamte Diskussion um Voraussetzungen und Folgen der hier in Rede stehenden Experimente im LHC mit 2 TeV übersteigenden Energien weitgehend durch eine theoretische Auseinandersetzung ohne gesicherte experimentelle Basis geführt wird. Wissenschaftliche Streitfragen zu entscheiden, ist nicht Aufgabe der Gerichte.

In der Folge entscheidet das VG Köln dann über die einzelnen Gefahren, deren Wahrscheinlichkeiten und den jeweiligen Forschungsstand. Das dürfte für die juristische Prüfung eher zweit- und drittrangig sein.
Examensrelevanz: Niemand wird erwarten, dass sich der Examenskandidat vertieft mit der Problematik schwarzer Löcher auseinandersetzt. Gleichzeitig aber kann dieser skurrile Sachverhalt durchaus den ein oder anderen Prüfer dazu motivieren, mal wieder die Zulässigkeit einer verwaltungsrechtlichen Klage im Detail und versehen mit einigen Sonderproblemen abzufragen. Materiell ist vor allem die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 GG examensrelevant. Ein aktueller Bezug ist auch mit dem Atommoratorium gegeben (dazu hier und hier). Besonders interessant sind hier die Äußerungen des VG zu den Darlegungspflichten (nicht formelle Beweislast) und dem Hinweis, dass bloße wissenschaftliche Uneinigkeiten nicht zur einer belastbaren Gefahrprognose führen können und dass es nicht Sache der Gerichte, sondern vielmehr der Exekutive sei, derartige Unstimmigkeiten aufzulösen bzw. zu bewerten. Das VG nimmt also eine Art „Beurteilungsspielraum“ an. Die Exekutive bzw. Legislative muss den Sachverhalt und die entsprechenden wissenschaftlichen Stimmen auswerten, darf aber durchaus Restrisiken eingehen und muss hier auch nicht auf jede einzelne Stimme in Wissenschaft und Öffentlichkeit eingehen und diese in ihre Bewertung einbeziehen.

17.10.2012/7 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2012-10-17 15:05:262012-10-17 15:05:26OVG Münster: Klage gegen Versuchsreihen am CERN ohne Erfolg

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • La dolce vita – Rechtspflegepraktikum in Rom
  • OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz
  • Urteil des OLG München: Online-Glücksspiel im Bereicherungsrecht

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Alexandra Alumyan

La dolce vita – Rechtspflegepraktikum in Rom

Alle Interviews, Für die ersten Semester, Interviewreihe, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen

Um zum ersten Staatsexamen zugelassen zu werden, muss man während der Semesterferien eine praktische Studienzeit – ein Praktikum – jeweils in der Rechtspflege und in der Verwaltung ableisten. Während einer […]

Weiterlesen
18.05.2023/von Alexandra Alumyan
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Alumyan https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Alumyan2023-05-18 16:18:112023-05-22 12:36:15La dolce vita – Rechtspflegepraktikum in Rom
Simon Mantsch

OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht, Zivilrecht

Jüngst hatte sich das OLG Oldenburg (Urt. v. 27.03.2023 – 9 U 52/22) mit dem gutgläubigen Eigentumserwerbs an einem Lamborghini zu befassen. Die Sachverhaltsumstände wirken dabei geradezu grotesk. Nicht nur […]

Weiterlesen
26.04.2023/1 Kommentar/von Simon Mantsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Simon Mantsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Simon Mantsch2023-04-26 06:00:002023-04-26 07:17:55OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz
Alexandra Alumyan

Urteil des OLG München: Online-Glücksspiel im Bereicherungsrecht

Bereicherungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

In seiner Entscheidung vom 20.09.2022 – 18 U 538/22 befasste sich das OLG München mit einem immer wiederkehrenden Klassiker des Bereicherungsrechts: Die teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB. Die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB […]

Weiterlesen
17.04.2023/von Alexandra Alumyan
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Alumyan https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Alumyan2023-04-17 10:16:132023-04-17 10:31:39Urteil des OLG München: Online-Glücksspiel im Bereicherungsrecht

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen