In einer Entscheidung vom heutigen Tage (Az. VIII ZR 277/16, Pressemitteilung Nr. 138/18) setzt sich der BGH erneut mit den ausgesprochen examensrelevanten Schönheitsreparaturklauseln im Mietrecht auseinander. Dieser Beitrag soll die Besonderheiten der Entscheidung aufzeigen und bei der Wiederholung der bisherigen Rechtsprechung zur Thematik helfen.
I. Gesetzliche Vorgaben
Unter Schönheitsreparaturen versteht man die Beseitigung der Spuren des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache, im Einzelnen Tapezieren, Anstreichen der Wände, Decken, Fußböden, Heizkörper, Innentüren und Fenster (MüKoBGB/Häublein, § 535 BGB Rn. 114).
Sie zählen grundsätzlich zu den Vermieterpflichten nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, wobei diese Norm abdingbar ist und die Pflicht, Schönheitsreparaturen vorzunehmen, auf den Mieter übertragen werden kann.
Eine individualvertragliche Vereinbarung hierzu ist in der Regel unproblematisch. Die meisten Mietverträge sind aber Formularverträge, sodass die Schönheitsreparaturklausel an den Grundsätzen der AGB-Kontrolle nach § 305 ff. BGB zu messen ist (siehe auch unser Schema zur AGB Kontrolle und zur ausführlichen Prüfung hier). Wird der Mieter nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt, ist die ganze Klausel gemäß § 306 BGB nichtig.
II. Bisherige wichtige Rechtsprechung
Die Übertragung durch AGB ist nur zulässig, wenn das Mietobjekt renoviert oder zumindest gleichwertig ist oder dem Mieter ein angemessener Ausgleich gewährt wird (BGH, NZM 2015, 374, siehe auch hier). Durch die Pflicht, bei Auszug alle angebrachten Tapeten zu beseitigen, wird der Mieter unangemessen benachteiligt (BGH, NJW 2006, 2115). Starre Fristenpläne, nach denen Renovierungen unabhängig vom Zustand der Mietsache nach Ablauf festgelegter Fristen durchzuführen sind, sind unwirksam (siehe etwa BGH, NJW 2006, 2113).Die Kombination von Pflichten zur regelmäßigen Renovierung und zur fristenunabhängigen Endrenovierung ist unzulässig (BGH, NJW 2003, 3192). Farbauswahlklauseln dürfen nur für den Zeitpunkt des Auszugs vorgesehen werden (BGH, NJW 2012, 338, siehe auch hier, hier und hier). Auch zwei für sich genommen wirksame Klauseln können durch einen Summierungseffekt die unangemessene Benachteiligung des Mieters herbeiführen (BGH, NJW 2006, 2116, siehe auch hier).
III. Aktueller Sachverhalt
Im vorliegenden Fall wurde die Wohnung unrenoviert übergeben, laut Mietvertrag war der Mieter für Schönheitsreparaturen zuständig. Diese führte er nach Ansicht der Vermieterin am Ende der Mietzeit nur mangelhaft aus, weshalb diese einen Maler kommen ließ und Schadensersatz in Höhe der entstandenen Kosten geltend macht. Der Mieter ist der Ansicht, er sei für die Schönheitsreparaturen nicht zuständig, weil er die Wohnung unrenoviert übernommen habe (siehe zur Rechtsprechung oben). Dem hält die Vermieterin entgegen – und darin liegt die Besonderheit des Falles –, er habe eine Vereinbarung mit der Vormieterin getroffen, nach der er einige ihrer Gegenstände und dafür auch die erforderlichen Schönheitsreparaturen übernahm.
IV. Entscheidung des BGH
Der BGH hat im Gegensatz zum Landgericht Lüneburg, das noch annahm, durch die Vereinbarung zwischen Vormieter und Mieter sei die Übergabe der Wohnung im renovierten Zustand zu fingieren, zugunsten des Mieters entschieden: die zweiseitige Vereinbarung zwischen Vormieter und Mieter entfalte nämlich gerade keine Wirkung im Verhältnis des Mieters zum Vermieter und wirke mit anderen Worten nur inter partes. Eine Schönheitsrenovierungsklausel dürfe im Ergebnis nicht dazu führen, dass der Mieter die Wohnung ggf. in besserem Zustand zurückgeben muss als er sie erhalten hat, soweit er hierfür nicht angemessen entschädigt wird. Eine solche Entschädigung war vorliegend jedoch nicht vereinbart worden, sodass die gesamte Klausel als nichtig anzusehen ist und der Mieter nicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet werden konnte.
Es lässt sich festhalten: Eine Renovierungsvereinbarung zwischen Vormieter und Mieter bindet letzteren nicht im Verhältnis zum Vermieter und entfaltet mithin keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag.
Schlagwortarchiv für: Schönheitsreparatur
Der BGH hat mit Urteil vom 6.11.2013 – VIII ZR 416/12 entschieden, dass der Mieter bei Auszug aus seiner Wohnung verpflichtet ist, diese in neutralen Farben zurückzugeben, sofern dieser Zustand schon bei Einzug bestand.
I. Sachverhalt und Entscheidung
„Die Beklagten waren von Anfang 2007 bis Juli 2009 Mieter einer Doppelhaushälfte der Klägerin. Die Beklagten, die das Objekt frisch in weißer Farbe renoviert übernommen hatten, strichen einzelne Wände in kräftigen Farben (rot, gelb, blau) und gaben es in diesem Zustand zurück. Die Klägerin ließ im August 2009 die farbig gestalteten Wände zunächst mit Haftgrund und dann alle Wand- und Deckenflächen zweimal mit Wandfarbe überstreichen. Sie wendete hierfür einen Betrag von 3.648,82 Euro auf.“
„Der BGH hat entschieden, dass der Mieter gemäß §§ 535, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem ausgefallenen farblichen Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird und eine Neuvermietung der Wohnung praktisch unmöglich macht. Der Schaden des Vermieters bestehe darin, dass er die für breite Mieterkreise nicht akzeptable Art der Dekoration beseitigen muss.“
II. Rechtliche Erwägungen
Bislang liegt nur eine Pressemitteilung vor, aus der die Gründe für die Entscheidung wie üblich nicht hervorgehen.
Der BGH löst den Fall aber offenbar über einen Schadensersatzanspruch aus Nebenpflichtverletzung, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, 535 BGB. Er nimmt somit an, dass der Mieter eine Nebenpflicht verletzt, wenn er eine Wohnung in einem derart im Vergleich zum Ausgangszustand veränderten Zustand zurückgibt, dass der Vermieter praktisch keine Vermietungsmöglichkeit mehr hat.
Diese Nebenpflicht lässt sich im Regelungszusammenhang des § 546 Abs. 1 BGB konstruieren. Danach hat der Mieter nach Ende der Mietzeit die Mietsache an den Vermieter zurückzugeben. Zwar ist hier ausdrücklich der Zustand der Mietsache, in der sie zurückzugeben ist, nicht geregelt. Zunächst gilt hier der Vorrang der (wirksamen) vertraglichen Vereinbarung. Vermieter und Mieter können bspw. vereinbaren, dass die Wohnung bei Rückgabe „besenrein“ sein muss. Grenzen werden der Vereinbarungsfreiheit hier durch die in der Regel durchzuführende AGB-Kontrolle gesetzt, §§ 305, 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB.
Liegt keine (wirksame) Vereinbarung vor, stellt sich die Frage nach einer gesetzlichen Lösung. Hier wird allgemein davon ausgegangen, dass die Wohnung sich in einem „ordnungsgemäßen Zustand“ befinden muss (BeckOK-BGB/Ehlert, § 546 Rn. 14). Ordnungsgemäß ist grundsätzlich der bei Einzug bestehende Zustand, sofern Schönheitsreparaturen wie üblich wirksam auf den Mieter übertragen wurden; andernfalls der Zustand, welcher der üblichen Abnutzung entspricht (BGH NJW 2008, 2432: Schwarzfärbung). Verändert der Mieter nun aber freiwillig den Zustand der Mietsache, hängt das Vorliegen einer Nebenpflichtverletzung davon ab, ob der Vermieter durch diese Veränderung benachteiligt wird. Es ist also, so lese ich die Entscheidung des BGH, ein Vergleich zwischen dem Zustand der Mietsache bei Bezug (hier: frisch weiß gestrichene Wände) und Auszug anzustellen (hier: bunte Wände) (so auch schon KG Berlin, ZMR 2010, 956; AG Kassel WuM 2011, 467). Gewisse Abweichungen sind also möglich, sofern der jetzige Zustand noch dem Ausgangszustand auch hinsichtlich seiner Vermietbarkeit vergleichbar ist. Interessant wäre die Beurteilung eines Falles, in dem die Wände schon grell Pink gestrichen waren und dann in eine andere grelle Farbe geändert werden. Knüpft man allein an die Ordnungsgemäßheit und Vermietbarkeit an, läge wohl keine Pflichtverletzung vor; grell ist grell. Entschieden ist das freilich nicht.
Anders aber, wenn weiße Wände bunt gestrichen werden. Hierin liegt eindeutig eine starke Veränderung, sodass der Zustand nicht mehr ordnungsgemäß ist, weswegen der Mieter eine Nebenpflicht verletzt.
Das Abstellen auf die „praktische Unvermietbarkeit“, die der BGH vornimmt, erscheint aber nicht unbedingt notwendig – hierauf kommt es gar nicht an. Der Mieter hat selbstverständlich nicht die Pflicht, die Mietsache so zu übergeben, dass der Vermieter bestmögliche Weitervermietungsmöglichkeiten hat. Insoweit ist die Pressemitteilung etwas missverständlich. Gemeint ist hier vielmehr, dass sich aus der Tatsache, dass der jetzige Zustand derart weit vom Ausgangszustand entfernt ist, ergibt, dass die Sache praktisch unvermietbar werde. Maßgebend bleibt also allein der Vergleich zwischen Ein- und Auszug.
III. Praktische Folgen
Folge der Entscheidung ist, dass Mieter bei Auszug nun genau aufpassen müssen, ob sich die Mietsache in einem ordnungsgemäßen Zustand befindet. Maßgebend wird ein Vergleich zum Ausgangszustand sein. Dass der Mieter die Mietsache nicht farblich völlig verändert zurückgeben kann, liegt aber auf der Hand. Als Vergleichsfall bietet sich ein gemietetes Auto an: Man stelle sich vor dieses wäre in dezentem Schwarz gehalten und der Mieter veränderte es nun in ein grelles Gelb. Diesen Zustand kann man dann verglichen mit dem Ausgangszustand nicht mehr als ordnungsgemäß bezeichnen. Es wäre schlicht unvermietbar. Nichts anderes kann bei farblicher Änderung der Wände einer Wohnung gelten.
Daher ist dem BGH in seiner Entscheidung ausdrücklich zuzustimmen und abzuwarten, ob seine rechtlichen Erwägungen in eine ähnliche Richtung gehen.