Der BGH hat in einem Urteil vom 2. Juli 2010 (V ZR 240/09) entschieden, dass der Anspruch nach § 888 Abs. 1 BGB nicht voraussetzt, dass der Vormerkungsberechtigte bereits als Eigentümer (oder sonstiger Rechtsinhaber) in das Grundbuch eingetragen worden ist.
Sachverhalt
Mit notariellem Vertrag vom 30. März 2006 kaufte der Kläger ein Grundstück von einer GmbH, welches ihm lastenfrei übertragen werden sollte. Seit Mai 2006 ist zu seinen Gunsten eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Im Oktober 2008 wurde zugunsten des Beklagten eine Zwangssicherungshypothek eingetragen. Die Eigentumsumschreibung auf den Kläger ist noch nicht erfolgt. Der Kläger verlangt von dem Beklagten, die Löschung der Zwangssicherungshypothek zu bewilligen.
Schwerpunkt dieses BGH-Urteils
Schwerpunkt dieser Entscheidung war die Frage, ob der Vormerkungsberechtigte die Löschung einer nachrangigen Zwangssicherungshypothek erst dann verlangen kann, wenn er als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Anspruch nach § 888 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden, wenn der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch entstanden und fällig ist, also gegenüber dem Anspruchsgegner durchgesetzt werden könnte. Nicht erforderlich ist, dass dieser den Anspruch bereits erfüllt hat oder rechtskräftig dazu verurteilt worden ist. Daraus folgt zugleich, dass die Durchsetzung des Anspruchs gemäß § 888 Abs. 1 BGB die Eintragung des Vormerkungsberechtigten im Grundbuch nicht voraussetzt.
2. Der BGH hat in seinem Urteil entschieden, dass die von dem Berufungsgericht in diesem Urteil angeführten Gegenstimmen keinen Anlass zu einer Änderung der Rechtsprechung geben.
a) Die Auffassung, ein Auflassungsvormerkungsberechtigter könne erst nach seiner Eintragung als Eigentümer die Zustimmung zur Löschung einer vormerkungswidrigen Belastung des Grundstücks verlangen, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen unterschiedlichen Ausgestaltung des Anspruchs nach § 888 Abs. 1 BGB je nach Art der vormerkungswidrigen Verfügung führte.
Besteht diese in der Übertragung des Eigentums an einen Dritten, kann der Vormerkungsberechtigte erst als Eigentümer eingetragen werden, nachdem der Dritterwerber die nach § 888 Abs.1 BGB geschuldete Zustimmung hierzu erteilt hat. Bei einer solchen erfüllungsvereitelnden Verfügung ist es denknotwendig ausgeschlossen, die Entstehung des Anspruchs nach § 888 Abs. 1 BGB von der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer abhängig zu machen.
Weshalb dies anders sein soll, wenn der gleiche Anspruch – wie hier – gegen einen nach der Auflassungsvormerkung eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger geltend gemacht wird, dessen Recht den vorgemerkten Anspruch beeinträchtigt, ist nicht nachvollziehbar. In beiden Fällen ist die Verfügung dem Vormerkungsberechtigten gegenüber unwirksam (§ 883 Abs. 2 Satz 1 BGB); das gilt auch dann, wenn sie – wie hier – im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt (§ 883 Abs. 2 Satz 2 BGB).
b) Das Interesse des nach § 888 Abs. 1 BGB in Anspruch genommenen Dritten, seine Rechtsposition erst aufgeben zu müssen, wenn feststeht, dass der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch besteht, ist unabhängig davon schutzwürdig, ob die zu seinen Gunsten vorgenommene Verfügung diesen Anspruch beeinträchtigt oder ihn vereitelt. Es wird dadurch geschützt, dass der Dritte gegenüber dem Vormerkungsberechtigten alle Einreden und Einwendungen gegen die Vormerkung und den durch sie gesicherten Anspruch erheben kann, namentlich auch den Einwand, der gesicherte Anspruch sei untergegangen. Dabei muss der Vormerkungsberechtigte Bestehen und Fälligkeit des gesicherten Anspruchs darlegen und beweisen (Palandt/ Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 888 Rdn. 7). Das gilt auch dann, wenn der Schuldner des gesicherten Übereignungsanspruchs bereits rechtskräftig zur Auflassung des Grundstücks an den Vormerkungsberechtigten verurteilt worden ist.
c) Eines weitergehenden Schutzes bedarf der Dritte nicht. Insbesondere muss er nicht befürchten, seine Eintragung als Eigentümer oder sein Grundpfandrecht nebst dazugehörigem Rang zu verlieren, wenn der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch später einverständlich aufgehoben wird und es deshalb nicht zu einer Übereignung des Grundstücks an den Vormerkungsberechtigten kommt. Denn der Vormerkungsberechtigte kann die Löschung des vormerkungswidrig eingetragenen Rechts nur im Zuge der Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs erreichen.
§ 888 Abs. 1 BGB begründet einen unselbständigen Hilfsanspruch, der allein der Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dient. Während § 883 Abs. 2 BGB für das materielle Recht die relative Unwirksamkeit des Rechtserwerbs des Dritten anordnet, stellt die Vorschrift des § 888 BGB sicher, dass die nach dem formellen Grundbuchrecht notwendige Bewilligung des Betroffenen (§ 19 GBO) erwirkt werden kann. Der akzessorische Charakter des Anspruchs wird materiellrechtlich durch den Erklärungsgehalt der abzugebenden Zustimmung sichergestellt; dieser richtet sich nach dem Inhalt des vormerkungsgesicherten Anspruchs. Ist er – wie hier – auf die Übertragung lastenfreien Eigentums gerichtet, kann der Vormerkungsberechtigte nicht die Zustimmung zu einer sofortigen Löschung des Grundpfandrechts verlangen, sondern nur die Zustimmung dazu, dass das Grundpfandrecht mit der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer gelöscht wird.
Auf der Ebene des formellen Grundbuchrechts scheitert eine isolierte, d.h. von der Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs losgelöste Löschung des Grundpfandrechts durch den Vormerkungsberechtigten daran, dass ihm die nach § 13 GBO erforderliche Antragsbefugnis fehlt. Auch deshalb ist es unbedenklich, die Klage nach § 888 BGB vor der Eintragung des Vormerkungsberechtigten als Eigentümer zuzulassen.
d) Andererseits kann dem Vormerkungsberechtigten entgegen einer teilweise geäußerten Auffassung nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchsetzung des Zustimmungsanspruchs (§ 888 BGB) mit der Begründung abgesprochen werden, als nur mittelbar Betroffenem fehle ihm die nach § 13 GBO erforderliche Antragsberechtigung und damit die Rechtsmacht, den Anspruch aus § 888 Abs. 1 BGB durchzusetzen.
Bei vormerkungswidrigem Rechtserwerb hat der Berechtigte im Normalfall Ansprüche gegen zwei verschiedene Personen: auf Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs (hier: auf lastenfreie Übereignung) gegen den Vormerkungsschuldner und auf Zustimmung dazu nach § 888 BGB gegen den Dritten. Beide Ansprüche müssen geltend gemacht werden, um den vorgemerkten Anspruch zu verwirklichen. Denn der Umstand, dass die Belastung vormerkungswidrig ist, entbindet den Schuldner nicht von der Verpflichtung zur lastenfreien Eigentumsübertragung.
Auch wenn der Vormerkungsberechtigte allein mit dem Urteil gegen den Dritten die Löschung des vormerkungswidrigen Rechts noch nicht erreichen kann, ist die nach § 888 Abs. 1 BGB abzugebende Zustimmung des Dritten für die Verwirklichung des vorgemerkten Anspruchs unverzichtbar. Ist sie erklärt, erfolgt die Löschung des Grundpfandrechts mithilfe des Vormerkungsschuldners. Als Grundstückseigentümer ist er gemäß § 13 GBO zur Stellung des Löschungsantrags berechtigt. Im Verhältnis zu dem Vormerkungsberechtigten verpflichtet ihn der gesicherte Anspruch, diesen Antrag – zusammen mit den übrigen zur Verwirklichung des Anspruchs notwendigen Erklärungen und Anträgen – bei dem Grundbuchamt einzureichen; dabei kann der Schuldner von der Möglichkeit des § 16 Abs. 2 GBO Gebrauch machen.
Da die Verwirklichung des vorgemerkten Anspruchs die Mitwirkung sowohl des Anspruchsschuldners als auch des Dritten erfordert, muss der Vormerkungsberechtigte parallel gegen sie vorgehen können, um annähernd gleichzeitig gegen beide einen vollstreckbaren Titel zu erlangen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist es dem Vormerkungsberechtigten auch möglich, zunächst nur den Dritten und dann den Schuldner des vorgemerkten Anspruchs zu verklagen oder aber die umgekehrte Reihenfolge zu wählen. Ob er sich gegen eine die Vormerkung vereitelnde oder diese nur beeinträchtigende Verfügung wendet, ist auch hierbei ohne Belang.
Ergebnis: Der Kläger kann von dem Beklagten gem. § 888 Abs. 1 BGB verlangen, die Löschung der Zwangssicherungshypothek zu bewilligen, auch wenn er nicht als Eigentümer (oder sonstiger Rechtsinhaber) in das Grundbuch eingetragen worden ist.
Examensrelevanz
Die Vormerkung und generell das Sachenrecht ist nicht unbedingt das Lieblingsthema aller Examenskandidaten. Doch jeder Vormerkungsfall, der vor dem BGH landet – davon gibt es nicht allzu viele – wird irgendwann einmal zur Klausur. Die Problematik zur eigentlich schon mehrfach höchstrichterlich geklärten Frage, ob der Anspruch nach § 888 Abs. 1 BGB voraussetzt, dass der Vormerkungsberechtigte bereits als Eigentümer (oder sonstiger Rechtsinhaber) in das Grundbuch eingetragen worden ist, sollte man kennen.
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