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Schlagwortarchiv für: Rücktritt vom Versuch

Samuel Ju

BGH: Wann liegt ein unmittelbares Ansetzen zum versuchten Betrug vor?

Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Der Bundesgerichtshof hatte in einem Beschluss vom 12.01.2011 (BGH, 1 StR 540/10) über einen Fall zu entscheiden, in dem es insbesondere um die Frage ging, ob der Täter zum versuchten Betrug unmittelbar angesetzt hat.
Sachverhalt
Seit 2002 arbeitete der Angeklagte A für die 1923 geborene Frau F als Hausmeister. Nachdem diese im September 2005 schwer gestürzt war, kümmerte er sich gegen entsprechendes Honorar u.a. auch um deren körperliche Hygiene und Verpflegung. Im August 2008 erklärte sich F mit dem Vorschlag des Angeklagten einverstanden, ihm das ihr gehörende Grundstück, dessen Verkehrswert das Urteil nicht mitteilt, zu schenken. In dem darauf stehenden Haus sollte sie weiterhin unentgeltlich wohnen dürfen und vom A wie bisher gepflegt werden. Bei diesem Gespräch spiegelte A der F „bewusst wahrheitswidrig … vor, dass für die Übertragung des Anwesens eine Schenkungssteuer in Höhe von 150.000 € anfallen würde“, obwohl er „wusste, dass die“ Steuer „wesentlich niedriger … sein“, nämlich 81.175,40 € betragen würde. Da der A sie nicht hätte bezahlen können, willigte F ein, ihm 150.000 € zusätzlich „zur Begleichung der anfallenden Schenkungssteuer zu schenken“. Mitte September 2008 beauftragte der A einen befreundeten Rechtsanwalt, einen Überlassungsvertrag zu entwerfen. Der Entwurf enthielt in § 9 folgende Regelung: „Die Überlasserin übergibt dem Übernehmer neben der Überlassung des Grundstücks einen Betrag in Höhe von 150.000 € als Schenkung. Den Betrag in Höhe von 150.000 € übergibt die Überlasserin an den Übernehmer im Ausgleich der mit der Überlassung und auch der Schenkung des Betrages von 150.000 € anfallenden Schenkungssteuer. Sollte die anfallende Schenkungssteuer unter dem Betrag von 150.000 € liegen, ist vom Übernehmer eine teilweise Rückerstattung nicht geschuldet. Ein möglicher Restbetrag wird dem Übernehmer von der Überlasserin geschenkt“.
Nachdem der A den Vertragsentwurf gebilligt hatte, übersandte ihn sein Rechtsanwalt an einen Notar, der den Beurkundungstermin auf den 1. Oktober 2008 um 17.00 Uhr bestimmte. Zu der Beurkundung kam es jedoch nicht mehr, weil der A am Vormittag des genannten Tages festgenommen wurde.
Hat sich der A wegen versuchen Betruges strafbar gemacht?
Entscheidung des BGH
A könnte sich wegen versuchten Betrugs gemäß §§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
Vorprüfung
a. Nichtvollendung der Tat (+).
b. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB.
1. Tatbestand
a. subjektiver Tatbestand (= Tatentschluss)
A müsste mit Tatentschluss gehandelt haben.
Tatentschluss bedeutet die Verwirklichung des gesamten subjektiven Unrechtstatbestandes des betreffenden Delikts. Da A bewusst wahrheitswidrig die F täuschen wollte, , hatte A Tatentschluss, §§ 212, 15 StGB.
b. Objektiver Tatbestand (= unmittelbares Ansetzen)
Im objektiven Tatbestand müsste der A nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt haben. (sog. Ansatzformel des § 22 StGB).
Fraglich ist, ob der Angeklagte die nach § 22 StGB für den Versuchsbeginn maßgebliche Schwelle schon überschritten hat.
BGH:

Zwar genügt es es hierfür regelmäßig, dass ein Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 435). Jedoch muss das, was der Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens getan hat, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand und dessen beabsichtigter Verwirklichung in Beziehung gesetzt werden. Handelt es sich aber dabei – wie vorliegend – um ein mehraktiges Geschehen, so ist erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Verfügungsverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll (vgl. Satzger in SSW, StGB, 1. Aufl., § 263 Rn. 254).
Daher lag es nicht nahe, auf die in dem ersten, im August 2008 geführten Gespräch hinsichtlich der Höhe der Schenkungssteuer gemachte Angabe abzustellen. Denn diese konnte nicht ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung münden, sondern sollte diese nur vorbereiten.
Insbesondere bedurfte es auch nach der Vorstellung des Angeklagten noch der Ausarbeitung eines entsprechenden schriftlichen Vertrages und zwingend (§ 311b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB) dessen notarieller Beurkundung.
Angesichts dessen vermag der Senat den Feststellungen ebenfalls nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte gar ohne Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals das Vorbereitungsstadium (hierzu BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297; BGH, Beschluss vom 7. Februar 7 2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 435) bereits verlassen und die Schwelle zum „Jetzt geht es los“, also zum ohne Zwischenakte den Tatbestand verwirklichenden Tun, überschritten hatte.

Ein unmittelbares Ansetzen des A zum versuchten Betrug ist vorliegend nicht zu bejahen.
Ergebnis: Mithin hat sich der A nicht des versuchten Betrugs gem. §§ 263 Abs. 1, 22, 23 StGB strafbar gemacht.
Das LG Augsburg in der Vorinstanz hatte ein unmittelbares Ansetzen des A bejaht, indem es auf die Täuschungshandlung im August 2008 abstellte. Darüber hinaus rügte der BGH, dass das LG Augsburg einen möglichen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nicht geprüft hatte.

Denn jedenfalls hat das Landgericht nicht geprüft, ob der Angeklagte von dem – angenommenen – Betrugsversuch strafbefreiend zurückgetreten ist. Eventuell ist es im Hinblick auf die einige Stunden vor dem Notartermin erfolgte Festnahme des Angeklagten von einem fehlgeschlagenen Versuch ausgegangen. Hierdurch hat es sich jedoch den Blick auf die Möglichkeit verstellt, dass der Angeklagte bereits zuvor vom Versuch zurückgetreten ist.
Insofern wäre es für die Voraussetzungen des für den allein handelnden Täter maßgeblichen § 24 Abs. 1 StGB zunächst darauf angekommen, ob ein beendeter oder ein unbeendeter Versuch vorliegt. Im ersten Fall erlangt der Täter Strafbefreiung nur dann, wenn er durch aktives Tun den Eintritt des Erfolges freiwillig verhindert. Im zweiten Fall genügt es, wenn er während der Ausführung seines Tatplans dessen weitere Durchführung freiwillig aufgibt. Maßgeblich für die Abgrenzung ist der sog. Rücktrittshorizont, d.h. die Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung (BGH, Urteil vom 12. November 1987 – 4 StR 541/87, BGHSt 35, 90, 93 f.).
Hierzu enthält das Urteil keinerlei Feststellungen. Diese zu treffen hätte aber schon wegen der Ausgestaltung des dem Notar übermittelten Entwurfs eines Übernahmevertrages Anlass bestanden. Denn hierin war nicht nur von der für das zu schenkende Grundstück anfallenden Steuer die Rede, sondern es wurde – was das Landgericht ebenfalls nicht ausdrücklich gewürdigt hat – zutreffend auch auf diejenige für die Geldschenkung hingewiesen. Beide zusammen hätten nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7, 10, 16 Abs. 1 Nr. 5, 19 Abs. 1 ErbStG (in der zum Tatzeitraum geltenden Fassung) 128.992 € betragen, wenn man die in der Beweiswürdigung mitgeteilte Annahme des Angeklagten zugrunde legt, „das Haus“ sei 300.000 € wert. Schließlich verwies der Vertragsentwurf auf die Möglichkeit, dass die insgesamt fällig werdende Steuer weniger als 150.000 € ausmachen könnte. Der Umstand, dass diese in Aussicht genommene Regelung keine Täuschung (mehr) enthielt und der Notar verpflichtet gewesen wäre, sie J vor der Beurkundung vorzulesen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrkG), durfte in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben und hätte zur Prüfung der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 StGB führen müssen.

09.03.2011/2 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2011-03-09 10:12:292011-03-09 10:12:29BGH: Wann liegt ein unmittelbares Ansetzen zum versuchten Betrug vor?
Samuel Ju

BGH Beschluss vom 18.11.2010 (2 StR 437/10): Strafbefreiender Rücktritt vom versuchten sexuellen Missbrauch

Strafrecht, Strafrecht AT

In einem Beschluss vom 18. November 2010 hat der BGH entschieden, dass trotz fehlender Erkenntnisse zum Vorstellungsbild des Angeklagten ein strafbefreiender Rücktritt vom versuchten sexuellen Missbrauch von Kindern nach dem korrigierten Rücktrittshorizont noch möglich sein kann. § 176 Abs. 1 StGB ist eher selten Gegenstand von Examensklausuren. Jedoch eignet sich diese Entscheidung, um die Voraussetzungen und einzelne Problematiken des Rücktritts vom Versuch – insbesondere Abgrenzung beendeter / unbeendeter Versuch nach Abstandnahme von der Tat, korrigierter Rücktrittshorizont – zu wiederholen.
Sachverhalt
Der Angeklagte A hat nach ablehnender Beantwortung seiner Frage, ob das Kind K sein Geschlechtsteil einmal streicheln wolle, von einer weiteren Tatausführung Abstand genommen. Einfache Aufforderungen hatten in der Vergangenheit bei anderen Kindern bereits den gewünschten Erfolg gehabt.
Entscheidung des BGH
Das Landgericht hatte ihn wegen versuchten sexuellen Missbrauchs gem. §§ 176, 22, 23 StGB wegen seiner Frage, ob das Kind K sein Geschlechtsteil einmal streicheln wolle, verurteilt.
Der BGH hat hier jedoch einen strafbefreienden Rücktritt angeprüft und bejaht:

„Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht erörtern müssen, ob der Angeklagte von dem versuchten sexuellen Missbrauch von Kindern nicht strafbefreiend gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB zurückgetreten ist
Dies hätte – trotz offenbar fehlender Erkenntnisse zum Vorstellungsbild des Angeklagten – mit Blick auf den Umstand nahe gelegen, dass er nach ablehnender Beantwortung seiner Frage durch B., ob sie seinen Penis mal streicheln wolle (UA S. 10), von einer weiteren Tatausführung Abstand genommen hat. Denn es ist insoweit jedenfalls nicht auszuschließen, dass ein unbeendeter Versuch vorgelegen hat, von dem der Angeklagte ohne weiteres Zutun allein durch Nichtweiterverfolgung der Tat zurücktreten konnte.
Zwar hatte der Angeklagte durch seine Frage an K. zunächst alles zur Verwirklichung des Tatbestands Erforderliche getan. Dass er deshalb in diesem Augenblick den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs für möglich hielt, lag mit Blick auf den Umstand, dass einfache Aufforderungen in der Vergangenheit den gewünschten Erfolg gehabt hatten, zwar nahe. Doch wäre dann, wenn der Angeklagte unmittelbar nach dieser letzten Ausführungshandlung seinen Irrtum erkannt hätte und zugleich zu der Erkenntnis gelangt wäre, dass weitere Handlungen zum erstrebten Erfolg von Nöten wären, eine so genannte Korrektur seines Rücktrittshorizontes anzunehmen (vgl. dazu Fischer, StGB, 57. Aufl., § 24 Rn. 15a mN zur Rspr.), die die Annahme eines beendeten Versuchs ausschließen würde. Soweit das Tatopfer sofort nach der Aufforderung das Ansinnen des Angeklagten ablehnte, ist nach den bisherigen Feststellungen letztlich nicht auszuschließen, dass der Angeklagte in diesem Augenblick seinen Rücktrittshorizont tatsächlich korrigierte und erkannte, dass es zur Vollendung noch weiteren Handelns seinerseits bedurfte.
Wäre er dabei ungeachtet der zur Zurückhaltung auffordernden Haltung seiner Ehefrau davon ausgegangen, dass ihm nach der Weigerung des Tatopfers noch weitere, gleichartige Handlungsmöglichkeiten – wie etwa die Wiederholung seiner Aufforderung, gegebenenfalls auch in fordernder Form, oder das Anbieten einer „Belohnung“ – zur Verfügung stehen, wäre der Versuch auch nicht fehlgeschlagen. Es ist auch insoweit nicht auszuschließen, dass der Angeklagte gerade im Bewusstsein dieser Möglichkeiten von der weiteren Tatausführung Abstand genommen hat und freiwillig und damit strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. BGH StV 1995, 634).

08.02.2011/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2011-02-08 08:57:132011-02-08 08:57:13BGH Beschluss vom 18.11.2010 (2 StR 437/10): Strafbefreiender Rücktritt vom versuchten sexuellen Missbrauch
Samuel Ju

BGH: Der Versuch und das außertatbestandsmäßige Handlungsziel!

Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT

In einer Beschluss vom 13. September 2010 (1 StR 423/10) hatte sich der BGH mit der Problematik des außertatbestandsmäßigen Handlungsziels beim Versuch zu beschäftigen – den meisten als sog. Denkzettelfälle bekannt.
Sachverhalt
Der später Geschädigte (G) hatte eine tätliche Auseinandersetzung mit einem Freund des Angeklagten (A), die dieser zunächst aus einiger Entfernung beobachtete. Er (A) wollte dann den G kampfunfähig machen, näherte sich ihm von der Seite und stach ihm mit bedingtem Tötungsvorsatz wuchtig ein Messer in den Bauch. Obwohl lebensgefährlich verletzt, bemerkte der G den Stich zunächst nicht und kämpfte sogar weiter. Zufällig kam kurz darauf eine Polizeistreife, die seine lebensrettende Behandlung veranlasste. A war nach dem Stich geflüchtet. Er ging – wie sich zeigte, zutreffend – davon aus, dass die „Wirkung auf den Geschädigten alsbald einsetzen würde“. Ob er dem Geschädigten weitere Stiche hätte versetzen können, bleibt ausdrücklich offen.
Lösung
A könnte sich wegen versuchten Totschlags gem. §§ 212, 22, 23 StGB strafbar gemacht haben.
1. Tatbestand
a. Subjektiver Tatbestand: Tatentschluss (+), da zumindest bedingter Tötungsvorsatz
b. Objektiver Tatbestand: Unmittelbares Ansetzen (+), da Teilverwirklichung des Tatbestandes
2. Rechtswidrigkeit (+)
3. Schuld (+)
4. Persönliche Strafaufhebungsgründe
A könnte durch die Flucht nach dem Stich jedoch gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein.
a. Kein fehlgeschlagener Versuch
Da ausdrücklich offen bleibt, ob weitere Stiche möglich gewesen wären, liegt (der Gesamtbetrachtungslehre folgend) kein fehlgeschlagener Versuch vor.
b. Beendeter oder unbeendeter Versuch
Hier ist zu prüfen, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorlag. Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter noch nicht alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu ihrer Vollendung notwendig ist. Beendet dagegen ist der Versuch, wenn der Täter alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges notwendig oder möglicherweise ausreichend ist.
Der Versuch könnte deshalb beendet sein, weil der Angeklagte davon ausging, sein Ziel, die Kampfunfähigkeit des Geschädigten, erreicht zu haben, er also davon ausging, dass dies demnächst eintreten werde. (Die Jugendkammer ging wegen des Erreichens des außertatbestandmäßigen Handlungziels in diesem Fall davon aus, dass hier ein beendeter Versuch vorlag). Dies ist jedoch unzutreffend.
Der BGH in seiner Entscheidung hierzu:

Ob ein Versuch beendet ist oder nicht, richtet sich nicht nach der Vorstellung des Täters über ein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel, sondern über den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs (Rücktrittshorizont). Auch bei Erreichung des außertatbestandsmäßigen Ziels kann ein unbeendeter Versuch vorliegen, so dass bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung für Rücktritt genügte (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 ff).

Zusätzlich ist hier aber zu beachten, dass der Angeklagte eine mögliche tödliche Wirkung des Stichs billigend in Kauf genommen hat. Daher legt die Feststellung, der Angeklagte habe bei seiner Flucht unmittelbar nach dem Stich mit dessen baldiger Wirkung gerechnet, die Annahme nahe, er habe (auch) den baldigen Tod des Geschädigten für möglich gehalten. Zumindest wird aber deutlich, dass der Angeklagte jedenfalls keine gegenteiligen Erwägungen angestellt hat, er sich also – allenfalls – überhaupt keine Vorstellungen darüber gemacht hat, ob der Geschädigte sterben könne oder nicht.
Glaubt der Täter, sein bisheriges Verhalten werde zum Erfolg der Tat führen – oder macht er sich überhaupt keine Vorstellungen hierüber (vgl. BGHSt 40, 304, 306) – so liegt ein beendeter Versuch vor. (vgl. auch BGH 1 StR 59/08)
Mithin liegt hier ein beendeter Versuch vor.
c. Ein strafbefreiender Rücktritt verlangt dann, dass er erfolgreiche Bemühungen entfaltet, um den drohenden Eintritt des (schädlichen) Erfolgs seiner Tat zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt StGB) oder ab im Falle der fehlenden Verhinderungskausalität sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB).
Ein auf erfolgreichen Rettungsbemühungen beruhender Rücktritt (vom beendeten Versuch) liegt offensichtlich nicht vor. Laut Sachverhalt wurde die lebensrettende Behandlung durch die zufällig erschienene Polizeistreife veranlasst.
Ein Sichbemühen, die Vollendung zu verhindern, d.h. ein bewusstes und gewolltes auf Verhindern der Vollendung gerichtetes Tätigwerden, ist hier ebenfalls nicht ersichtlich.
Grundvoraussetzung für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts wäre daher, dass der Angeklagte nach dem Stich geglaubt hätte, tödliche Folgen würden schon allein deshalb ausbleiben, weil er nicht weiter auf ihn einsteche. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen. Der Angeklagte wusste nach dem Stich, dass dieser tödliche Folgen haben konnte, und nahm dies billigend in Kauf.
Mithin hat die Anforderungen für eine Rücktrittshandlungen weder nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB noch nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB erfüllt. Somit ist A nicht strafbefreiend zurückgetreten.
Ergebnis: A hat sich wegen versuchten Totschlags gem. §§ 212, 22, 23 StGB (in Tateinheit mit vollendeter gefährlicher Körperverletzung) strafbar gemacht.
Anmerkung:
In manchen Strafrechtsklausuren kommt das Wort „Denkzettel“ selbst im Klausursachverhalt vor, so dass man weiß, worüber man sich im Rahmen seiner Klausurlösung Gedanken machen sollte. Schwierig sind jedoch die Fälle – wie hier in dem vorliegenden – wo dies nicht direkt aus dem Sachverhalt ersichtlich ist. Da es einem persönlich schwer fällt, dem Täter im Falle des Erreichens des außertatbestandlichen Handlungsziels / des Denkzettels die Rücktrittsmöglichkeit zu „gönnen“, lässt man diese dann gerne auch bei der Klausurlösung außer vor.
Dagegen sollte man sich mit zwei Automatismen bei der Prüfung des Versuchs behelfen:
1. Prüfe niemals den Versuch, ohne an Rücktritt zu denken!
2. Man sollte sich besser statt des Begriffs „Denkzettel“ den dazugehörigen Oberbegriff „außertatbestandsmäßiges Handlungsziel“ merken, um im Rahmen der Sachverhaltsanalyse nicht nur mithilfe dieses Wortes darauf aufmerksam zu werden, sondern auch in anderen Konstellationen diese Problematik zu erkennen, so etwa bei BGH NStZ 1997, 593 ff.:

Der Angekl. verletzte in Raubabsicht einen Taxifahrer durch Messerstiche schwer. Als es dem Verletzten nach Abwehrbewegungen gelang, aus dem Taxi zu springen, folgte ihm der Angekl. und rief, er solle stehenbleiben, er bringe ihn um. Da er wegen seiner verletzungsbedingten Schwächung eine Flucht für aussichtslos hielt, ging der Taxifahrer auf den Angekl. zu. Auf dessen Frage, wo das Geld sei, antwortete er, es sei im Auto. Als der Angekl. daraufhin zum Taxi ging, lief der Taxifahrer davon. Sein Leben konnte durch ärztliche Behandlung gerettet werden.

Hier lag das außertatbestandliche Handlungsziel in dem Erbeuten des Geldes.
Der BGH sagt dazu:

Auch wer von weiteren möglichen Tötungshandlungen deshalb absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel (hier Erbeuten des Geldes) bereits erreicht hat, kann von einem Tötungsversuch strafbefreiend zurücktreten

22.11.2010/1 Kommentar/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-11-22 11:25:582010-11-22 11:25:58BGH: Der Versuch und das außertatbestandsmäßige Handlungsziel!
Samuel Ju

Examensrelevantes BGH-Urteil im Strafrecht zum Rücktritt vom Versuch

Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT

In einem Urteil vom 20. Mai 2010 (3 StR 78/10) hatte der Bundesgerichtshof über den strafbefreienden Rücktritt von einem versuchten Totschlag zu entscheiden. Ein Fall, der auch so eins zu eins in einer Strafrecht Examensklausur gestellt werden könnte, Nachahmung im wirklichen Leben jedoch verboten. Der Volltext des BGH-Urteils eignet sich angesichts des nur punktuellen Aufgreifens des Schwerpunkts „Rücktritt vom Versuch“ nicht als Vorlage für eine saubere gutachterliche Prüfung im Rahmen einer Klausur. Im Folgenden nun ein Versuch :-), den Fall in einem sauberen Gutachten zu lösen.
Sachverhalt
Der nicht vorbestrafte Angeklagte (A) lebte seit Februar 2009 wieder im Haushalt seiner 74jährigen Mutter, dem späteren Tatopfer. Diese litt an einer schweren Lungenerkrankung und war darauf angewiesen, sich täglich für mehrere Stunden über einen Nasenschlauch ergänzend Sauerstoff zuzuführen. Zwischen dem A und seiner Mutter kam es alsbald vermehrt zu Streitigkeiten. In der Wahrnehmung des A, die möglicherweise durch seinen regelmäßigen Cannabis-Konsum beeinträchtigt war, beruhten die Auseinandersetzungen darauf, dass seine Mutter ihn ständig grundlos kritisierte und ihn als Versager darstellte. Infolge dieses vom A als kränkende Zurückweisung empfundenen Verhaltens, entwickelte sich bei ihm zunehmend ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Verärgerung, aus dem heraus er drei Tage vor der Tat anlässlich einer erneuten Meinungsverschiedenheit mit seiner Mutter gegenüber seinem Schwager äußerte „die blöde Kuh wär´ sowieso besser tot“.
Am Tattag war er nach einer aus seiner Sicht missbilligenden Äußerung seiner Mutter über seine Freundin niedergeschlagen und zog sich in sein Zimmer zurück. Nach dem Konsum von Haschisch und Alkohol sprang er gegen 21 Uhr einem plötzlichen Entschluss folgend aus dem Fenster seines im ersten Stock gelegenen Zimmers, um sich das Leben zu nehmen. Er zog sich durch den Sturz jedoch lediglich leichte Verletzungen zu und wurde auf seine Hilferufe von seiner Mutter wieder in das Haus eingelassen, wo er sich auf deren Bett legte. Währendessen forderte seine Mutter telefonisch einen Notarzt für den A an. Nach Beendigung des Telefonats stürzte sich der A plötzlich in Wut auf seine Mutter, die er für seine Lage verantwortlich machte, riss ihr den Bademantel herunter, warf sie auf das Bett und hielt ihr mit den Worten „jetzt bist Du dran“, „Verreck´ doch endlich, Du Miststück“ Mund und Nase zu in der Absicht, sie zu töten. Die Geschädigte, die Todesangst hatte, stellte sich tot. Als sich die von dem Tatopfer zuvor alarmierten Rettungskräfte mit Signalton dem Tatort näherten, ließ der A von seiner Mutter ab, lief zur Wohnung der Nachbarn und rief um Hilfe, weil seine Mutter sterbe. Sodann ließ er die mittlerweile eingetroffenen Rettungskräfte in die Wohnung seiner Mutter ein. Das Tatopfer erlitt durch den Verschluss der Atemwege lebensbedrohliche Verletzungen und konnte nur mit Mühe gerettet werden.
Hat sich der A des versuchten Totschlags strafbar gemacht?
Lösung
A könnte sich wegen versuchten Totschlags gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er seiner Mutter Nase und Mund zuhielt.
Vorprüfung
a. Nichtvollendung der Tat (+), da der Tod der Mutter nicht verursacht wurde.
b. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB.
1. Tatbestand
a. subjektiver Tatbestand (= Tatentschluss)
A müsste mit Tatentschluss gehandelt haben.
Tatentschluss bedeutet die Verwirklichung des gesamten subjektiven Unrechtstatbestandes des betreffenden Delikts. Da A seine Mutter töten wollte, hatte A Tatentschluss, §§ 212, 15 StGB.
b. Objektiver Tatbestand (= unmittelbares Ansetzen)
Im objektiven Tatbestand müsste der A nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt haben. (sog. Ansatzformel des § 22 StGB).
Da A (nach seiner Vorstellung von der Tat) bereits mit der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals „töten“ begonnen hatte, hat er unmittelbar zur Tat angesetzt.
2. Rechtswidrigkeit (+)
A handelte rechtswidrig.
3. Schuld (+)
A handelte schuldhaft.
4. Persönliche Strafaufhebungsgrund: Rücktritt
A könnte jedoch, indem er die durch seine Mutter alamierten Rettungskräfte in das Haus hineinließ, gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein.
a. Kein fehlgeschlagener Versuch
Es dürfte kein fehlgeschlagener Versuch vorliegen. Ein fehlgeschlagener Versucht liegt vor, wenn die Tat nach der Vorstellung des Täters nicht mehr vollendet werden kann.
Im vorliegenden Fall ist der Versuch nicht fehlgeschlagen, weil A zu dem Zeitpunkt, als der Krankenwagen kam, noch die Vorstellung hatte, seine Mutter töten zu können. Mithin war die Tat nach seiner Vorstellung noch vollendbar.
b. Beendeter oder unbeendeter Versuch
Zu prüfen wäre als nächstes, ob ein beendet oder unbeendeter Versuch vorliegt.
Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter noch nicht alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu ihrer Verwirklichung notwendig ist.
Beendet ist der Versuch, wenn der Täter alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu ihrer Vollendung notwendig oder möglicherweise ausreichend ist.
Nach dem Vorstellungsbild des A hatte er nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung alles Erforderliche getan, um den tatbestandsmäßigen Erfolg, nämlich den Tod seiner Mutter, herbeizuführen. Somit liegt hier ein beendeter Versuch vor.
c. Prüfung der Rücktrittsvoraussetzungen
Beim beendeten Versuch gelten die Rücktrittsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB und des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB.
Aufbautip: Immer zuerst mit der Prüfung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB beginnen, wenn Voraussetzungen (-), dann § 24 Abs. 2 StGB prüfen
A könnte gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein.
aa. Nichtvollendung (+)
bb. Verhinderungskausalität
Hierfür ist erforderlich, dass das Handeln des A zumindest mitursächlich für die Nichtvollendung wurde.
Bedenken bestehen insoweit, als nicht A, sondern M die Rettungskräfte zu anderen Zwecken gerufen und damit die Vollendungsverhinderung initiiert hat. Ferner hat A die Rettungskräfte bei ihrem Eintreffen nicht bestmöglich über die zwischenzeitlich geänderte Sachlage sowie über den genauen Aufenthaltsort der M im Haus informiert. Welche Anforderungen an eine Vollendungsverhinderung i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB zu stellen sind, ist umstritten.
(1) Zum Teil wird verlangt, dass der Täter sich auch bei der Rücktrittsvariante des § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB stets bestmöglich um die Rettung des Opfers bemühen müsse. Dies folge aus einer systematischen Auslegung von § 24 Abs. 1 S. 2 StGB. Wenn hiernach schon bei einem untauglichen und damit ungefährlichen Versuch ein Rücktritt nur bei ernsthaften, also optimalen Rettungsbemühungen möglich sei, müsse dies erst recht bei einem tatsächlich gefährlichen beendeten Versuch gelten (vgl. Herzberg NStZ 1989, 49; Römer MDR 1989, 945). Mangels optimaler Rettungsbemühungen des A würde dieser Ansicht folgend ein Rücktritt i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB ausscheiden.
(2) Andere Teile der Lit. nehmen eine tatbestandsmäßige Vollendungsverhinderung bereits an, wenn der Täter den Nichteintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges in objektiv zurechenbarer Weise bewirkt habe. Ausreichend und erforderlich sei hierfür, dass er eine relevante Rettungschance für das gefährdete Rechtsgut begründet und diese Chance sich in der Nichtvollendung der Tat realisiert habe. Bediene der Täter sich zur Verhinderung der Tatvollendung der Hilfe Dritter, sei ihm deren Handeln nur objektiv zurechenbar, wenn er es täterschaftlich beherrscht oder zumindest anderweitig bewusst initiiert habe. Hingegen reiche es nicht aus, lediglich einen
Dritten bei der Realisierung eines bereits gefassten Rettungsentschlusses als Gehilfe zu unterstützen (vgl. Rudolphi NStZ 1989, 508, 514 m.w.N.). Nicht A, sondern M hat die Rettungskräfte alarmiert und deren Rettungsentschluss hervorgerufen. Auf diesen Entschluss hat A in der Folgezeit keinen weiteren Einfluss
genommen. Auch nach dieser Auffassung ist A folglich nicht strafbefreiend i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB zurückgetreten.
(3) Nach h.M. setzt § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB lediglich voraus, dass der Täter durch eine eigene Handlung eine neue Kausalkette in Gang setzt, welche für das Ausbleiben des Erfolges zumindest mitursächlich wird (vgl. BGHSt 48, 147, 149, BGH NStZ 99, 128) Es genüge, dass der Täter bewusst und gewollt eine neue Kausalkette in Gang setzt, die zumindest mitursächlich für die Nichtvollendung der Tat wird, also nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Nichtvollendung entfiele. Hierzu könne es ausreichen, dass er die zur Vollendungsverhinderung geeigneten Rettungsaktivitäten Dritter oder des Opfers selbst veranlasse (vgl. BGHSt 33, 295, 302; NStZ-RR 1997, 193). Eine optimale Rettungsleistung wird hier nicht gefordert.
Das schlichte Gewährenlassen des Opfers bei Maßnahmen zur Eigenrettung genügt hiernach den Anforderungen des § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB hingegen nicht (vgl. BGH NJW 1990, 3219).
A hat die Rettungskräfte weder über die zwischenzeitlich veränderte Sachlage informiert noch hat er ihnen den Weg zu seiner Mutter gewiesen. Damit scheidet auch auf Grundlage dieser Auffassung ein strafbefreiender Rücktritt i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB mangels Vollendungsverhinderung aus.
b. A könnte aber nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein. Hierfür müsste er sich freiwillig und ernsthaft um die Verhinderung der Vollendung bemüht haben.
aa. Nichtvollendung bei fehlender Verhinderungskausalität (+)
bb. Ernsthaftes Bemühen
Ein ernsthaftes Bemühen liegt nur vor, wenn der Täter alles tut, was aus seiner Sicht zur Verhinderung der Vollendung notwendig und geeignet ist. Er muss alle ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen und er muss die Mittel einsetzen, die nach seiner Überzeugung am sichersten verhindern. Der Täter darf dem Zufall keinen Raum geben. Hier ist also das optimale Rettungsbemühen erforderlich.
A hat die Rettungskräfte weder über die veränderte Sachlage seit ihrer Alarmierung noch über den genauen Aufenthaltsort der Mutter aufgeklärt. Dieser war für die Rettungskräfte nach dem Betreten des Hauses indessen ohne entsprechende Informationen nicht unmittelbar ersichtlich. Eine bestmögliche Rettung seiner Mutter ohne die Gefahr weiterer zeitlicher Verzögerungen wurde durch das schlichte Einlassen der Retter in die Wohnung folglich nicht sichergestellt. A hatte von den hierfür maßgeblichen Tatumständen auch Kenntnis.
Folglich hat er sich nicht ernsthaft i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 2 StGB um die Verhinderung
der Vollendung bemüht, so dass die Frage, ob der A hier freiwillig gehandelt hat, dahingestellt bleiben kann.
c. Zwischenergebnis: A ist mithin nicht strafbefreiend zurückgetreten.
Ergebnis: A hat sich wegen versuchten Totschlags gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
(A hat sich hier natürlich auch in Tateinheit einer gefährlichen Körperverletzung i.S.d. § 224 StGB strafbar gemacht. (klarstellende Idealkonkurrenz) Die Prüfung des § 224 StGB wurde hier jedoch außen vorgelassen, da es sich insoweit nicht um den Schwerpunkt dieser Entscheidung handelt.
Examensrelevanz
Eine meiner Meinung nach examensrelevante aktuelle BGH-Entscheidung aus dem Bereich Strafrecht, in der das Wissen aus dem allgemeinen Teil, insbesondere des Versuchs und des Rücktritts vom Versuchs zu einem großen Teil, in seinen verschiedenen Varianten abgeprüft wird. Die saubere, strukturierte Vorgehensweise im allgemeinen Teil des Strafrechts, wie hier in diesem Fall bei der Prüfung des Rücktritts vom Versuch sollte sitzen.

10.09.2010/1 Kommentar/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-09-10 08:52:202010-09-10 08:52:20Examensrelevantes BGH-Urteil im Strafrecht zum Rücktritt vom Versuch

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