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Schlagwortarchiv für: Rücktritt Versuch

Samuel Ju

BGH Entscheidung zur Freiwilligkeit des Rücktritts vom unbeendeten Versuch des Totschlags

Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT

In einem Beschluss des BGH vom 17. März 2011 (4 StR 83/11) ging es um das Merkmal der Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch des Totschlags.
Sachverhalt
A suchte die B – die neue Freundin ihres Ehemannes – in deren in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung auf. Sie versetzte der B mit einem Beil einen mit erheblicher Wucht ausgeführten Schlag auf den Hinterkopf, als diese sich zum Wohnzimmertisch herunterbeugte, um den Hausschlüssel an sich zu nehmen. Weitere Schläge mit dem Beil gegen den Kopf der B, ihren Nacken, ihre Schulter und die rechte Seite der Brust folgten. Als es plötzlich im Haus laut wurde, weil ein Hund im Treppenhaus bellte und anschließend eine Wohnungstür laut ins Schloss fiel, schreckte die A zusammen; sie schrie die B an, dass diese sie jetzt anzeigen und man ihr die Kinder wegnehmen werde. Nachdem die B ihr versichert hatte, dies nicht zu tun, steckte die A das Beil ein und verließ den Tatort.
Lösung
A könnte sich wegen versuchten Totschlags gem. §§ 212, 22, 23 StGB strafbar gemacht haben.
1. Tatbestand
a. Subjektiver Tatbestand: Tatentschluss (+), da zumindest bedingter Tötungsvorsatz. Tötungsvorsatz kann aus der außerordentlichen Gefährlichkeit der Schläge mit dem Beil auf den Hinterkopf, den Nacken und den Oberkörper des Opfers gefolgert werden.
b. Objektiver Tatbestand: Unmittelbares Ansetzen (+), da Teilverwirklichung des Tatbestandes
2. Rechtswidrigkeit (+)
3. Schuld (+)
4. Persönliche Strafaufhebungsgründe
A könnte durch das Einstecken des Beils und das Verlassen des Tatorts jedoch gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein.
a. Kein fehlgeschlagener Versuch
Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach der Vorstellung des Täters nicht mehr vollendet werden kann. Vorliegend konnte die Tat nach der Vorstellung der A noch vollendet werden, so dass (der Gesamtbetrachtungslehre folgend) kein fehlgeschlagener Versuch vorliegt.
b. Beendeter oder unbeendeter Versuch?
Weiter ist zu prüfen, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorlag. Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter noch nicht alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu ihrer Vollendung notwendig ist. Beendet dagegen ist der Versuch, wenn der Täter alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges notwendig oder möglicherweise ausreichend ist.
 
Es liegt vorliegend ein unbeendeter Versuch vor, da A zu dem Zeitpunkt, zu dem sie das Beil einsteckte und den Tatort verließ, die Vorstellung hatte, noch nicht alles getan zu haben, was nach ihrer Vorstellung von der Tat zu ihrer Vollendung notwendig war.
c. Rücktrittsvoraussetzungen des unbeendeten Versuchs
Beim unbeendeten Versuch gelten die Rücktrittsvoraussetzungen nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB.
aa. Aufgabe der weiteren Tatausführung (+) s.o.
bb. Freiwilligkeit
Fraglich ist jedoch, ob die A freiwillig von der weiteren Tatausführung absah. Freiwilligkeit liegt vor, wenn der Täter aus autonomen Motiven die Tat nicht mehr vollenden will. Dabei ist entscheidend, dass der Täter Herr seiner Entschlüsse bleibt, also weder durch eine innere noch durch eine äußere Zwangslage davon abgehalten wird, die Tat zu vollenden.
Innere Zwangslange meint die unwiderstehlich zwingenden inneren Hemmnisse wie Panik, Schock oder unüberwindlicher seelischer Druck. Eine äußere Zwangslage ist dann gegeben, wenn sich der äußere Sachverhalt nach der Vorstellung des Täters derart zu seinem Nachteil geändert hat, dass er das mit der weiteren Tatausführung verbundene Tatrisiko vernünftigerweise nicht mehr eingehen kann.
Das Landgericht hatte vorliegend eine Freiwilligkeit des Rücktritts verneint:

„… weil die Angeklagte die weitere Tatausführung des unbeendeten Versuchs nicht freiwillig aufgegeben habe. Sie habe nicht aus selbst gesetzten Motiven, sondern wegen der äußeren Umstände gehandelt; wegen der Geräusche habe sie befürchtet, entdeckt worden zu sein und angezeigt zu werden. Diese Angst der Angeklagten vor möglicher Entdeckung schließe die Freiwilligkeit aus, da für sie keine Abwägungsmöglichkeit mehr zwischen Tatvollendung und Rücktritt verblieben sei.“

Der Generalbundesanwalt vertritt in seiner Antragsschrift eine andere Auffassung, der sich auch der Strafrechtssenat des BGH angeschlossen hat:

„Für die Frage der Freiwilligkeit des Rücktritts ist entscheidend, ob der Täter von der weiteren Tatausführung absah, obwohl er subjektiv noch in der Lage gewesen wäre, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden war, die Tat zu vollbringen (BGHR, StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 18 und 19).
Hätte die Angeklagte wegen der Befürchtung, eine dritte Person werde hinzukommen, keine Möglichkeit mehr gesehen, ihr Vorhaben mit Erfolg zu verwirklichen, läge ein freiwilliger Rücktritt nicht vor (Senat, Beschluss vom 16. September 2003, 4 StR 362/03). Die von der Kammer angenommene Angst vor drohender Entdeckung steht der Freiwilligkeit nicht grundsätzlich entgegen, es kommt vielmehr darauf an, ob es dem Täter überhaupt auf Heimlichkeit der Tat ankam bzw. ob sich aus seiner Sicht aufgrund der äußeren Umstände zumindest das von ihm für entscheidend angesehene Risiko der Entdeckung beträchtlich erhöht hat (Fischer, StGB 58. Aufl., § 24 Rdnr. 19a m.w.N.).

Der Generalbundesanwalt listet des Weiteren die Punkte auf, die für eine eindeutige Lösung des Falles relevant sein können:

Hierzu hat die Kammer keine ausreichenden Feststellungen getroffen und insbesondere nicht erkennbar berücksichtigt, dass
– die Geräusche im Flur keine Reaktion auf Hilferufe der Geschädigten waren, weil diese nicht um Hilfe gerufen hat,
– sich das Tatgeschehen in der geschlossenen Wohnung des Opfers abgespielt hat, so dass keine unmittelbare Hilfe zu erwarten war,
– nach dem Hundegebell und dem anschließenden Zuschlagen einer Tür keine weiteren Umstände auf ein etwaiges bevorstehendes Einschreiten dritter Personen hindeuteten (tatsächlich konnte die Angeklagte sofort anschließend das Haus unbehelligt verlassen),
– die Angeklagte die erwartete Anzeige eben nicht durch Tötung des Opfers zu unterbinden suchte; gerade das Absehen von der Tatvollendung war vorliegend am wenigsten geeignet, Entdeckung und Bestrafung zu verhindern“.

Da vorliegend diese Kriterien jedoch nicht klar beurteilt werden konnten, hat der BGH entschieden, dass die Frage, ob die Angeklagte strafbefreiend vom Totschlagsversuch zurückgetreten ist, neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung bedarf.
Je nach Konstellation des Sachverhalts kommt man am Ende zu einem strafbefreienden Rücktritt oder auch nicht. Wichtig in dieser BGH Entscheidung sind jedoch vor allem die Ausführungen zur Freiwilligkeit des Rücktritts. Die Freiwilligkeit ist beim Rücktritt sowohl vom beendeten als auch vom unbeendeten Versuch jeweils Voraussetzung. Daher hier noch einmal die wichtigen Sätze dieser Entscheidung zur Wiederholung:

„Für die Frage der Freiwilligkeit des Rücktritts ist entscheidend, ob der Täter von der weiteren Tatausführung absah, obwohl er subjektiv noch in der Lage gewesen wäre, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden war, die Tat zu vollbringen (BGHR, StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 18 und 19).
Hätte die Angeklagte wegen der Befürchtung, eine dritte Person werde hinzukommen, keine Möglichkeit mehr gesehen, ihr Vorhaben mit Erfolg zu verwirklichen, läge ein freiwilliger Rücktritt nicht vor (Senat, Beschluss vom 16. September 2003, 4 StR 362/03). Die von der Kammer angenommene Angst vor drohender Entdeckung steht der Freiwilligkeit nicht grundsätzlich entgegen, es kommt vielmehr darauf an, ob es dem Täter überhaupt auf Heimlichkeit der Tat ankam bzw. ob sich aus seiner Sicht aufgrund der äußeren Umstände zumindest das von ihm für entscheidend angesehene Risiko der Entdeckung beträchtlich erhöht hat (Fischer, StGB 58. Aufl., § 24 Rdnr. 19a m.w.N.).

23.06.2011/2 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2011-06-23 20:15:442011-06-23 20:15:44BGH Entscheidung zur Freiwilligkeit des Rücktritts vom unbeendeten Versuch des Totschlags
Samuel Ju

Examensrelevantes BGH-Urteil im Strafrecht zum Rücktritt vom Versuch

Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT

In einem Urteil vom 20. Mai 2010 (3 StR 78/10) hatte der Bundesgerichtshof über den strafbefreienden Rücktritt von einem versuchten Totschlag zu entscheiden. Ein Fall, der auch so eins zu eins in einer Strafrecht Examensklausur gestellt werden könnte, Nachahmung im wirklichen Leben jedoch verboten. Der Volltext des BGH-Urteils eignet sich angesichts des nur punktuellen Aufgreifens des Schwerpunkts „Rücktritt vom Versuch“ nicht als Vorlage für eine saubere gutachterliche Prüfung im Rahmen einer Klausur. Im Folgenden nun ein Versuch :-), den Fall in einem sauberen Gutachten zu lösen.
Sachverhalt
Der nicht vorbestrafte Angeklagte (A) lebte seit Februar 2009 wieder im Haushalt seiner 74jährigen Mutter, dem späteren Tatopfer. Diese litt an einer schweren Lungenerkrankung und war darauf angewiesen, sich täglich für mehrere Stunden über einen Nasenschlauch ergänzend Sauerstoff zuzuführen. Zwischen dem A und seiner Mutter kam es alsbald vermehrt zu Streitigkeiten. In der Wahrnehmung des A, die möglicherweise durch seinen regelmäßigen Cannabis-Konsum beeinträchtigt war, beruhten die Auseinandersetzungen darauf, dass seine Mutter ihn ständig grundlos kritisierte und ihn als Versager darstellte. Infolge dieses vom A als kränkende Zurückweisung empfundenen Verhaltens, entwickelte sich bei ihm zunehmend ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Verärgerung, aus dem heraus er drei Tage vor der Tat anlässlich einer erneuten Meinungsverschiedenheit mit seiner Mutter gegenüber seinem Schwager äußerte „die blöde Kuh wär´ sowieso besser tot“.
Am Tattag war er nach einer aus seiner Sicht missbilligenden Äußerung seiner Mutter über seine Freundin niedergeschlagen und zog sich in sein Zimmer zurück. Nach dem Konsum von Haschisch und Alkohol sprang er gegen 21 Uhr einem plötzlichen Entschluss folgend aus dem Fenster seines im ersten Stock gelegenen Zimmers, um sich das Leben zu nehmen. Er zog sich durch den Sturz jedoch lediglich leichte Verletzungen zu und wurde auf seine Hilferufe von seiner Mutter wieder in das Haus eingelassen, wo er sich auf deren Bett legte. Währendessen forderte seine Mutter telefonisch einen Notarzt für den A an. Nach Beendigung des Telefonats stürzte sich der A plötzlich in Wut auf seine Mutter, die er für seine Lage verantwortlich machte, riss ihr den Bademantel herunter, warf sie auf das Bett und hielt ihr mit den Worten „jetzt bist Du dran“, „Verreck´ doch endlich, Du Miststück“ Mund und Nase zu in der Absicht, sie zu töten. Die Geschädigte, die Todesangst hatte, stellte sich tot. Als sich die von dem Tatopfer zuvor alarmierten Rettungskräfte mit Signalton dem Tatort näherten, ließ der A von seiner Mutter ab, lief zur Wohnung der Nachbarn und rief um Hilfe, weil seine Mutter sterbe. Sodann ließ er die mittlerweile eingetroffenen Rettungskräfte in die Wohnung seiner Mutter ein. Das Tatopfer erlitt durch den Verschluss der Atemwege lebensbedrohliche Verletzungen und konnte nur mit Mühe gerettet werden.
Hat sich der A des versuchten Totschlags strafbar gemacht?
Lösung
A könnte sich wegen versuchten Totschlags gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er seiner Mutter Nase und Mund zuhielt.
Vorprüfung
a. Nichtvollendung der Tat (+), da der Tod der Mutter nicht verursacht wurde.
b. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB.
1. Tatbestand
a. subjektiver Tatbestand (= Tatentschluss)
A müsste mit Tatentschluss gehandelt haben.
Tatentschluss bedeutet die Verwirklichung des gesamten subjektiven Unrechtstatbestandes des betreffenden Delikts. Da A seine Mutter töten wollte, hatte A Tatentschluss, §§ 212, 15 StGB.
b. Objektiver Tatbestand (= unmittelbares Ansetzen)
Im objektiven Tatbestand müsste der A nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt haben. (sog. Ansatzformel des § 22 StGB).
Da A (nach seiner Vorstellung von der Tat) bereits mit der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals „töten“ begonnen hatte, hat er unmittelbar zur Tat angesetzt.
2. Rechtswidrigkeit (+)
A handelte rechtswidrig.
3. Schuld (+)
A handelte schuldhaft.
4. Persönliche Strafaufhebungsgrund: Rücktritt
A könnte jedoch, indem er die durch seine Mutter alamierten Rettungskräfte in das Haus hineinließ, gemäß § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein.
a. Kein fehlgeschlagener Versuch
Es dürfte kein fehlgeschlagener Versuch vorliegen. Ein fehlgeschlagener Versucht liegt vor, wenn die Tat nach der Vorstellung des Täters nicht mehr vollendet werden kann.
Im vorliegenden Fall ist der Versuch nicht fehlgeschlagen, weil A zu dem Zeitpunkt, als der Krankenwagen kam, noch die Vorstellung hatte, seine Mutter töten zu können. Mithin war die Tat nach seiner Vorstellung noch vollendbar.
b. Beendeter oder unbeendeter Versuch
Zu prüfen wäre als nächstes, ob ein beendet oder unbeendeter Versuch vorliegt.
Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter noch nicht alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu ihrer Verwirklichung notwendig ist.
Beendet ist der Versuch, wenn der Täter alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu ihrer Vollendung notwendig oder möglicherweise ausreichend ist.
Nach dem Vorstellungsbild des A hatte er nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung alles Erforderliche getan, um den tatbestandsmäßigen Erfolg, nämlich den Tod seiner Mutter, herbeizuführen. Somit liegt hier ein beendeter Versuch vor.
c. Prüfung der Rücktrittsvoraussetzungen
Beim beendeten Versuch gelten die Rücktrittsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB und des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB.
Aufbautip: Immer zuerst mit der Prüfung des § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB beginnen, wenn Voraussetzungen (-), dann § 24 Abs. 2 StGB prüfen
A könnte gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein.
aa. Nichtvollendung (+)
bb. Verhinderungskausalität
Hierfür ist erforderlich, dass das Handeln des A zumindest mitursächlich für die Nichtvollendung wurde.
Bedenken bestehen insoweit, als nicht A, sondern M die Rettungskräfte zu anderen Zwecken gerufen und damit die Vollendungsverhinderung initiiert hat. Ferner hat A die Rettungskräfte bei ihrem Eintreffen nicht bestmöglich über die zwischenzeitlich geänderte Sachlage sowie über den genauen Aufenthaltsort der M im Haus informiert. Welche Anforderungen an eine Vollendungsverhinderung i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB zu stellen sind, ist umstritten.
(1) Zum Teil wird verlangt, dass der Täter sich auch bei der Rücktrittsvariante des § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB stets bestmöglich um die Rettung des Opfers bemühen müsse. Dies folge aus einer systematischen Auslegung von § 24 Abs. 1 S. 2 StGB. Wenn hiernach schon bei einem untauglichen und damit ungefährlichen Versuch ein Rücktritt nur bei ernsthaften, also optimalen Rettungsbemühungen möglich sei, müsse dies erst recht bei einem tatsächlich gefährlichen beendeten Versuch gelten (vgl. Herzberg NStZ 1989, 49; Römer MDR 1989, 945). Mangels optimaler Rettungsbemühungen des A würde dieser Ansicht folgend ein Rücktritt i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB ausscheiden.
(2) Andere Teile der Lit. nehmen eine tatbestandsmäßige Vollendungsverhinderung bereits an, wenn der Täter den Nichteintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges in objektiv zurechenbarer Weise bewirkt habe. Ausreichend und erforderlich sei hierfür, dass er eine relevante Rettungschance für das gefährdete Rechtsgut begründet und diese Chance sich in der Nichtvollendung der Tat realisiert habe. Bediene der Täter sich zur Verhinderung der Tatvollendung der Hilfe Dritter, sei ihm deren Handeln nur objektiv zurechenbar, wenn er es täterschaftlich beherrscht oder zumindest anderweitig bewusst initiiert habe. Hingegen reiche es nicht aus, lediglich einen
Dritten bei der Realisierung eines bereits gefassten Rettungsentschlusses als Gehilfe zu unterstützen (vgl. Rudolphi NStZ 1989, 508, 514 m.w.N.). Nicht A, sondern M hat die Rettungskräfte alarmiert und deren Rettungsentschluss hervorgerufen. Auf diesen Entschluss hat A in der Folgezeit keinen weiteren Einfluss
genommen. Auch nach dieser Auffassung ist A folglich nicht strafbefreiend i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB zurückgetreten.
(3) Nach h.M. setzt § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB lediglich voraus, dass der Täter durch eine eigene Handlung eine neue Kausalkette in Gang setzt, welche für das Ausbleiben des Erfolges zumindest mitursächlich wird (vgl. BGHSt 48, 147, 149, BGH NStZ 99, 128) Es genüge, dass der Täter bewusst und gewollt eine neue Kausalkette in Gang setzt, die zumindest mitursächlich für die Nichtvollendung der Tat wird, also nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Nichtvollendung entfiele. Hierzu könne es ausreichen, dass er die zur Vollendungsverhinderung geeigneten Rettungsaktivitäten Dritter oder des Opfers selbst veranlasse (vgl. BGHSt 33, 295, 302; NStZ-RR 1997, 193). Eine optimale Rettungsleistung wird hier nicht gefordert.
Das schlichte Gewährenlassen des Opfers bei Maßnahmen zur Eigenrettung genügt hiernach den Anforderungen des § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB hingegen nicht (vgl. BGH NJW 1990, 3219).
A hat die Rettungskräfte weder über die zwischenzeitlich veränderte Sachlage informiert noch hat er ihnen den Weg zu seiner Mutter gewiesen. Damit scheidet auch auf Grundlage dieser Auffassung ein strafbefreiender Rücktritt i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. StGB mangels Vollendungsverhinderung aus.
b. A könnte aber nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB strafbefreiend zurückgetreten sein. Hierfür müsste er sich freiwillig und ernsthaft um die Verhinderung der Vollendung bemüht haben.
aa. Nichtvollendung bei fehlender Verhinderungskausalität (+)
bb. Ernsthaftes Bemühen
Ein ernsthaftes Bemühen liegt nur vor, wenn der Täter alles tut, was aus seiner Sicht zur Verhinderung der Vollendung notwendig und geeignet ist. Er muss alle ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen und er muss die Mittel einsetzen, die nach seiner Überzeugung am sichersten verhindern. Der Täter darf dem Zufall keinen Raum geben. Hier ist also das optimale Rettungsbemühen erforderlich.
A hat die Rettungskräfte weder über die veränderte Sachlage seit ihrer Alarmierung noch über den genauen Aufenthaltsort der Mutter aufgeklärt. Dieser war für die Rettungskräfte nach dem Betreten des Hauses indessen ohne entsprechende Informationen nicht unmittelbar ersichtlich. Eine bestmögliche Rettung seiner Mutter ohne die Gefahr weiterer zeitlicher Verzögerungen wurde durch das schlichte Einlassen der Retter in die Wohnung folglich nicht sichergestellt. A hatte von den hierfür maßgeblichen Tatumständen auch Kenntnis.
Folglich hat er sich nicht ernsthaft i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 2 StGB um die Verhinderung
der Vollendung bemüht, so dass die Frage, ob der A hier freiwillig gehandelt hat, dahingestellt bleiben kann.
c. Zwischenergebnis: A ist mithin nicht strafbefreiend zurückgetreten.
Ergebnis: A hat sich wegen versuchten Totschlags gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
(A hat sich hier natürlich auch in Tateinheit einer gefährlichen Körperverletzung i.S.d. § 224 StGB strafbar gemacht. (klarstellende Idealkonkurrenz) Die Prüfung des § 224 StGB wurde hier jedoch außen vorgelassen, da es sich insoweit nicht um den Schwerpunkt dieser Entscheidung handelt.
Examensrelevanz
Eine meiner Meinung nach examensrelevante aktuelle BGH-Entscheidung aus dem Bereich Strafrecht, in der das Wissen aus dem allgemeinen Teil, insbesondere des Versuchs und des Rücktritts vom Versuchs zu einem großen Teil, in seinen verschiedenen Varianten abgeprüft wird. Die saubere, strukturierte Vorgehensweise im allgemeinen Teil des Strafrechts, wie hier in diesem Fall bei der Prüfung des Rücktritts vom Versuch sollte sitzen.

10.09.2010/1 Kommentar/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-09-10 08:52:202010-09-10 08:52:20Examensrelevantes BGH-Urteil im Strafrecht zum Rücktritt vom Versuch

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