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Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zu Schönheitsreparaturen im Mietrecht

Examensvorbereitung, Lerntipps, Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite

Mit zwei aktuellen Urteilen vom 08.07.2020 (Az.: VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18) hat sich der BGH abermals zu der extrem klausur- und examensrelevanten Thematik der Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen im Mietrecht geäußert. Konkret hat der BGH festgestellt, dass ein Mieter, dem eine unrenovierte Wohnung als vertragsgemäß überlassen wurde und auf den die Schönheitsreparaturen nicht wirksam abgewälzt wurden, vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen kann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Zustands eingetreten ist. Gleichwohl ergibt sich in diesem Fall aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, dass der Mieter sich an den hierfür anfallenden Kosten regelmäßig hälftig beteiligen muss, wenn die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu einer Verbesserung des Zustands – im Vergleich zum Zustand bei Überlassung der Mietsache – führt. Als Dauerbrenner in Schuldrechtsklausuren im Grundstudium, Zivilrechtsübungen im Hauptstudium und Examensklausuren sind sichere Kenntnisse auf dem Gebiet des Mietrechts unerlässlich – eine Auseinandersetzung mit den nachfolgend besprochenen Grundsätzen wird daher dringend empfohlen.
 
A) Sachverhalte und Prozessverläufe (der Pressemitteilung Nr. 90/2020 entnommen)
Die Sachverhalte sind schnell erzählt: Die Kläger des ersten Verfahrens mieteten im Jahr 2002 von der beklagten Vermieterin eine bei Überlassung unrenovierte Wohnung in Berlin. Da sich aus ihrer Sicht der Zustand der Wohnungsdekoration zwischenzeitlich verschlechtert habe, forderten sie die Beklagte im März 2016 vergeblich auf, Tapezier- und Anstricharbeiten gemäß einem beigefügten Kostenvoranschlag ausführen zu lassen. Die auf Zahlung eines entsprechenden Vorschusses in Höhe von (zuletzt) 7.312,78 € gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. In der Begründung verwies das LG Berlin darauf, dass ein Vorschussanspruch aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB aus dem Grund nicht bestehe, dass die Mietsache wegen ihres dekorativen Verschleißes nicht mangelhaft i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB sei. Da die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag unwirksam sei, sei der Grundregel des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB nach zwar der Vermieter zur Instandhaltung verpflichtet. Auch sei anzunehmen, dass sich der Zustand der Wohnungsdekoration nach einer Mietzeit von 14 Jahren im Vergleich zum (unrenovierten) Anfangszustand weiter verschlechtert habe. Jedoch hätten die Kläger diesen Zustand als vertragsgemäß akzeptiert, so dass ein Anspruch auf Vornahme von Renovierungsarbeiten gegen den Vermieter von vorne herein ausscheide, zumal dadurch eine deutlich über den vertragsgemäß geschuldeten Zustand der Wohnung hinausgehende Verbesserung erzielt würde, welche die Beklagte nicht schulde. Ein Anspruch des Mieters auf ein Tätigwerden des Vermieters bestehe nur dann, wenn die Wohnung zwischenzeitlich „verkommen“ und „Substanzschäden“ vorzubeugen sei – wofür im konkreten Fall nichts ersichtlich sei.
Ähnlich stellte sich der Sachverhalt im zweiten Verfahren dar: Hier begehrte der Mieter die Verurteilung der Vermieterin zur Vornahme konkret bezeichneter Schönheitsreparaturen. Die Wohnung war ihm bei Mietbeginn im Jahr 1992 von der Rechtsvorgängerin der Vermieterin ebenfalls unrenoviert überlassen worden. Im Dezember 2015 forderte er die Vermieterin vergeblich auf, die aus seiner Sicht zur Beseitigung des mangelhaften Renovierungszustands erforderlichen Malerarbeiten in der Wohnung auszuführen. Die Klage hatte – im Gegensatz zum ersten Verfahren – in den Vorinstanzen Erfolg. Das LG Berlin begründete seine Entscheidung damit, dass sich die Erhaltungspflicht des Vermieters zwar nach dem Zustand der Mietsache bei Vertragsschluss bestimme, wonach er im Falle einer unrenoviert überlassenen Wohnung lediglich dazu verpflichtet wäre, nach weiterem Verschleiß den Ursprungszustand wiederherzustellen. Indes sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht anzunehmen, dass es sich bei dem unrenovierten Ursprungszustand um den „vertragsgemäßen“ Zustand handle. Vielmehr müsse sich ein Vermieter an dem im Mietvertrag aufgeführten – wenn auch unwirksamen – „Renovierungsprogramm“, wonach der Mieter zur regelmäßigen Ausführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet sei, festhalten lassen.
 
B) Die Entscheidung des BGH
Der BGH hat in beiden Fällen das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Denn: Im Ausgangspunkt könne ein Mieter vom Vermieter grundsätzlich die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Dekorationszustandes eingetreten sei. Jedoch müsse er sich in einem solchen Fall nach Treu und Glauben an den hierfür anfallenden Kosten beteiligen, wenn die Ausführung der Renovierungsarbeiten zu einem besseren Zustand als zu Mietbeginn führe. Doch der Reihe nach:
 
I. Voraussetzungen einer wirksamen Abwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter
Zunächst hat der BGH unter Verweis auf zwei Entscheidungen aus dem Jahre 2015 und 2018 seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Übertragung von Schönheitsreparaturen in einem Formularmietvertrag unwirksam ist, wenn die Wohnung unrenoviert überlassen wird und dem Mieter hierfür kein angemessener finanzieller Ausgleich gewährt wird (s. BGH, Urt. v. 18.03.2015 – VIII ZR 185/14, Rn. 15, 35; Urt. v. 22.08.2018 – VIII ZR 277/16). Wirksam kann eine Klausel, die die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter überträgt, bei einer unrenoviert überlassenen Wohnung also nur dann sein, wenn dieser Nachteil durch einen angemessenen Ausgleich kompensiert wird – wenn er etwa bei der Bemessung der Miethöhe Berücksichtigung findet. Mangels entsprechenden Ausgleichs in den hier vorliegenden Fällen ist die Klausel jedoch unwirksam, sodass an ihre Stelle gemäß § 306 Abs. 1, Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften treten. Konkret bedeutet das, dass nach der Grundregel des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB dem Vermieter die Erhaltungspflicht obliegt. Ein anderes Ergebnis kann auch aus zweierlei Gründen nicht durch einen Rückgriff auf das Institut der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB erreicht werden: Zwar ist anerkannt, dass eine Lücke, die sich durch den Wegfall einer unwirksamen Klausel gemäß § 306 Abs. 1 BGB ergeben kann, grundsätzlich auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlos­sen werden kann (s. hierzu beispielhaft BGH, Urt. v. 03.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401, 402 f., Rn. 29; Urt. v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177 ff.). Die ergänzende Vertragsauslegung erfordert aber unbestritten die Berücksichtigung beider Interessenlagen, sodass schon deshalb nicht das einseitig im Interesse des Vermieters stehende Ergebnis, der gesetzlichen normierten Verpflichtung zur Instandhaltung zu entgehen, erreicht werden kann. Insbesondere aber kann erst dann auf das Institut der ergänzenden Vertragsauslegung zurückgegriffen werden, wenn konkrete gesetzliche Regelungen zur Schließung der Lücke fehlen. Hier besteht aber mit § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ohne Zweifel eine gesetzliche Vorschrift, die an die Stelle der unwirksamen Klausel treten kann.
 
Anmerkung: Lesenswert in Bezug auf die Anforderungen an eine wirksame Schönheitsreparaturklausel ist insbesondere das Urteil des BGH vom 18.03.2015 (Az.: VIII ZR 185/14), in dem der BGH in Kehrtwende zu seiner bisherigen Rechtsprechungslinie (hierzu BGH, Beschl. v. 01.07.1987, Az.: VIII ARZ 9/86) entschieden hat, dass die formularvertragliche Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht standhält, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt. Denn eine solche Klausel erlege dem Mieter die Verpflichtung zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters auf und führe bei kundenfeindlichster Auslegung dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder sogar in einem besseren Zustand zurückgeben müsste, als er sie selbst vom Vermieter erhalten habe.
 
II. Grundsätzlich keine uneingeschränkte Renovierungspflicht des Vermieters bei unrenoviert überlassener Wohnung
Dennoch müsse sich der Vermieter nach der Ansicht des BGH nicht an dem im Mietvertrag aufgeführten – unwirksamen – Vorgaben für die Ausführung der Schönheitsreparaturen festhalten lassen, wie es in der Berufung teilweise vertreten wurde. Im Gegenteil treffe ihn gerade keine Pflicht zur uneingeschränkten Renovierung ohne Rücksicht auf den unrenovierten Zustand bei Mietbeginn. Denn – so ausdrücklich der BGH –

„Ausgangspunkt der den Vermieter treffenden Erhaltungspflicht ist grundsätzlich der Zustand der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung an die jeweiligen Mieter, vorliegend nach der Verkehrsanschauung mithin der unrenovierte Zustand, in dem sie sie die Wohnung besichtigt und angemietet haben, ohne dass Vereinbarungen über vom Vermieter noch auszuführende Arbeiten getroffen wurden.“

Auch wenn der unrenovierte Zustand als „vertragsgemäß“ maßgeblich sei, seien Instandhaltungsansprüche der Mieter freilich nicht von vornherein ausgeschlossen. Den Vermieter treffe vielmehr dann eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der anfängliche Zustand wesentlich verschlechtert habe. Bei einem längeren Mietverhältnis – wie in den vorliegenden Fällen bei einer Mietdauer von 14 bzw. 25 Jahren – sei dies sogar regelmäßig anzunehmen. Kurzum: Nach diesen Maßstäben muss der Vermieter bei wesentlicher Verschlechterung den Zustand wieder auf den (unrenovierten) Zustand, der bei Beginn des Mietverhältnisses, vorlag, zurückführen.
 
III. Aus Gründen der Praktikabilität aber uneingeschränkte Renovierung unter finanzieller Beteiligung des Mieters sachgerecht
Wie aber soll der Vermieter die Wohnung wieder in den unrenovierten Dekorationszustand zurückversetzen, den sie bei der Überlassung an den Mieter aufwies? Dass dieser Ansatz in praktischer Hinsicht Schwächen aufweist, hat auch der BGH gesehen:

„Allerdings ist die Wiederherstellung des (vertragsgemäßen) Anfangszustandes in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll und liegt auch nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt werden und der Mieter nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat entschieden, dass der Mieter in derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine „frische“ Renovierung verlangen kann, sich aber andererseits in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu beteiligen hat. Soweit nicht Besonderheiten vorliegen, wird dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten.“

Letztlich ist damit eine komplette Renovierung seitens des Vermieters bei einem unrenoviert überlassenen Mietobjekt – folgt man strikt den Vorgaben des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB – zwar nicht geschuldet; da eine Rückführung auf den Zustand bei Mietbeginn aber regelmäßig unpraktikabel und nicht interessengerecht ist, kann der Mieter sie aber trotzdem verlangen – und muss sich in angemessenem Umfang an den hierfür anfallenden Kosten beteiligen. Begehrt der Mieter die Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Vermieter, so kann der Vermieter die Kostenbeteiligung des Mieters „nach Art eines Zurückbehaltungsrechts“ einwenden. Verlangt der Mieter von dem mit der Durchführung der Arbeiten in Verzug geratenen Vermieter die Zahlung eines Kostenvorschusses, führt die angemessene Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den voraussichtlichen Kosten. 
 
C) Fazit
Kurz zusammengefasst: Findet sich im Mietvertrag gar keine Schönheitsreparaturregelung oder ist eine solche unwirksam, gilt die Grundregel des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach dem Vermieter die Pflicht zur Instandhaltung obliegt. Wurde die Wohnung unrenoviert überlassen, bedeutet das aber nach der Auffassung des BGH nicht, dass der Vermieter eine „frische“ Renovierung vornehmen muss, die den Zustand gegenüber dem Anfangszustand verbessern würde. Maßgeblich ist vielmehr der Zustand im Zeitpunkt der Überlassung; unrenoviert ist damit „vertragsgemäß“. Nach diesen Maßstäben müsste der Vermieter bei wesentlicher Verschlechterung den Zustand streng genommen wieder auf den (unrenovierten) Anfangszustand zurückführen. Da dies aber weder praktikabel noch interessengerecht ist, kann der Mieter eine uneingeschränkte Renovierung verlangen, muss sich aber – da er nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält – nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB in angemessenem Umfang, regelmäßig zur Hälfte, an den anfallenden Kosten beteiligen. Interessengerecht ist das. Das Ergebnis überzeugt mit Blick auf die Praxis – wenn man auch in dogmatischer Hinsicht die Stirn runzeln muss.

13.07.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-07-13 08:35:282020-07-13 08:35:28BGH: Neues zu Schönheitsreparaturen im Mietrecht
Nicolas Hohn-Hein

BGH: Schönheitsreparaturklauseln bei unrenovierter Wohnung unwirksam

AGB-Recht, Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Der BGH hat sich in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (BGH, Az. VIII ZR 185/14 – Urteil v. 18.03.2015 – z.Z. nur als Pressemitteilung vorliegend; siehe auch Parallelverfahren VIII ZR 242/13; VIII ZR 21/13 vom gleichen Tag) mit der Frage beschäftigt, ob AGB-Klauseln über Schönheitsreparaturen bei Wohnraummietverträgen auch dann Bestand haben, wenn die Wohnung unrenoviert vermietet wird. Die Entscheidung hat besondere Examensrelevanz, da sie eine Änderung der bisherigen BGH-Rechtsprechung (BGHZ 101, 253, 264 ff.) darstellt und  sich zugleich nahtlos in die Entscheidungspraxis zum Thema „Schönheitsreparaturen“ im Mietrecht einfügt.
Sachverhalt (vereinfacht)
Am 1.10.2002 schließt M mit Vermieter V einen Mietvertrag über eine Wohnung in Berlin. Die Wohnung befindet sich zum Zeitpunkt des Mietbeginns in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Der Mietvertrag enthält u.a. folgende Klauseln:

„§ 4 Nr. 6 

Der Mieter ist verpflichtet, die während des Mietverhältnisses anfallenden Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten durchzuführen. 

Die Schönheitsreparaturen sind fachgerecht und wie folgt auszuführen: Tapezieren, Anstreichen der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, der Heizkörper einschließlich der Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. 

§ 12 

Der Mietvertrag wird per 1.10.2002 geschlossen. Mietzahlung ab 15.10.2002, da Mieter noch Streicharbeiten in drei Zimmern vornimmt.“

Nach einigen Jahren entscheidet sich M, das Mietverhältnis zum 29.12.2011 zu kündigen. Bei Rückgabe der Wohnung bemerkt V, dass M die notwendigen Renovierungsarbeiten nicht durchgeführt hat. Als V die M unter Verweis auf die entsprechenden Klauseln im Mietvertrag unter Fristsetzung auffordert, die erforderlichen Schönheitsreparaturen vorzunehmen, weigert sich M. Immerhin habe sie die Wohnung in einem völlig umrenovierten Zustand erhalten. Die vertraglichen Regelungen seien damit völlig überzogen und daher „null und nichtig“.
V lässt die Wohnung auf eigene Kosten renovieren und klagt, da M auch weiterhin die Zahlung verweigert, beim zuständigen Amtsgericht auf Schadensersatz. Hat die Klage Erfolg?
Schönheitsreparaturen im Examen
Grundsätzlichen besteht eine Verpflichtung des Vermieters zur Instandhaltung der Mietsache gem. § 535 I 2 BGB. Dazu gehören auch etwaige Abnutzungserscheinungen, die während des Mietvertrags auftreten (sog. Schönheitsreparaturen). Zu den Schönheitsreparaturen zählen nur das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. Allerdings kann die Instandhaltungspflicht des Vermieters – auch durch AGB – abbedungen werden. Die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen kann daher auch weiterhin dem Mieter auferlegt werden, insoweit ändert sich an der Rechtsprechung nichts.
Im Rahmen von Examensklausuren wird es meistens um die Frage gehen, ob (1) die Klausel wirksam in den Vertrag einbezogen wurde  und (2) ob die Bestimmung einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhält. Die Vereinbarkeit der Klausel mit geltendem Recht wird meistens den Schwerpunkt der Analyse darstellen, bei der die vom BGH entwickelten Grundsätze bekannt sein sollten. Gewöhnlich wird man in der Klausur auf folgende Klauseltypen bzw. Problemkonstellationen treffen:

  • „Starrer“ Fristenplan – „Flexibler“ Fristenplan
  • Endrenovierungsklausel
  • Tapetenentfernungsklauseln
  • Farbwahlklauseln und Ausführungsvorgaben (siehe bei uns hier, hier und hier)
  • Aufeinandertreffen von AGB-Klauseln und individualvertragliche Bestimmungen (siehe hier)

Einen detaillierten, sehr instruktiven Überblick über die examensrelevanten Fallkonstellationen findet ihr zudem hier bei den Kollegen von der JURA.
BGH bisher: Schönheitsreparaturklauseln bei unrenovierter Wohnungen wirksam
Bislang hat der BGH die Auffassung vertreten, die Abwälzung der Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf den Mieter sei auch bei der Überlassung des Wohnraums in unrenoviertem Zustand wirksam, wenn die Renovierungsfristen ab dem Zeitpunkt des Mietbeginns zu laufen beginnen (BGH, Rechtsentscheid vom 1. Juli 1987 – VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 264 ff.).
Der BGH hatte dies unter anderem damit begründet, dass Wohnraum typischerweise nicht immer in gänzlich renovierten Zustand vermietet werde und Vermieter damit vor jeder Neuvermietung die Wohnung renovieren lassen müssten. Weiterhin stellte der BGH darauf ab, dass die Grenze zwischen „renoviert“ und „renovierungsbedürftig“ häufig fließend verlaufe und im Streitfall erhebliche Beweisschwierigkeiten bestehen.
Zu der Voraussetzung, dass die Fristen ab dem Zeitpunkt des Mietbeginns zu laufen haben, gelangte der BGH jedoch nur mittels Auslegung der in Rede stehenden Vorschrift, da ein entsprechender Fristlauf nicht ausdrücklich im Mietvertrag enthalten war. Ein angemessener Ausgleich war nicht vereinbart worden.

Keine Geltungserhaltende Reduktion
An der oben dargestellten Rechtsprechung hält der BGH nicht mehr fest. Zwar vertritt der BGH auch weiterhin die Auffassung, dass eine Abwälzung der Pflicht zur Schönheitsreparaturen nur bei Fristlauf ab Mietbeginn gelten kann, da der Mieter nicht mit den Abnutzungsspuren des Vormieters belastet werden soll.
Allerdings vertritt der BGH nunmehr eine insgesamt verschärfte AGB-Kontrolle. Zum einen habe es sich im Rahmen der damaligen Entscheidung bei der Auslegung der Klausel um eine – nach heutigen Maßstäben – unzulässige geltungserhaltende Reduktion gehandelt. Solche Klauseln sind aus heutiger Sicht jedoch eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners und nach § 306 BGB unwirksam. Auf diesem Wege war der BGH dem Gebot nachgekommen, dass der Mieter nicht für die Abnutzung durch den Vormieter verantwortlich sein soll.
Verschärfte Inhaltskontrolle
Zum anderen habe es nach in den Folgejahren nach der oben zitierten Entscheidung aus dem Jahr 1987 insbesondere seit 2004 eine Entwicklung in der Rechtsprechung gegeben, die zu einer Verschärfung der AGB-Inhaltskontrolle geführt habe. Denn

„[i]nsbesondere durch die ab 2004 einsetzende Rechtsprechung des Senats zum Erfordernis eines flexiblen Fristenplans (grundlegend Senatsurteil vom 23. Juni 2004 – VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586 unter II 2) und durch die Anwendung der kundenfeindlichsten Auslegung auch im Individualprozess (dazu Senatsurteil vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 285/12, NJW 2013, 2505 Rn. 20 mwN) sind die Maßstäbe der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen erheblich verschärft worden. 

Gemessen daran ist eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt, unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn eine solche Klausel verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung – dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.“ (Auszug aus der PM zu BGH, Az. VIII ZR 185/14 – Urteil v. 18.03.2015; Hervorhebungen durch Verfasser)

Die Klausel war damit im vorliegenden Fall unwirksam und der Vermieter konnte sich nicht auf sie berufen.

Abgrenzung renoviert/unrenoviert
Die vom Mieter zu beweisende Tatsache, dass sich die Wohnung ab dem Zeitpunkt der Überlassung in einem umrenovierten Zustand befindet, sind allerdings auch weiterhin erforderlich. In dem hier besprochenen Fall ergab sich unmittelbar aus § 12 des Mietvertrags, dass in drei Zimmern noch Streicharbeiten durchzuführen waren und damit die Wohnung als „unrenoviert“ galt.

Im übrigen, so die Pressemitteilung komme es für die Abgrenzung

„renoviert/unrenoviert letztlich darauf an, ob etwa vorhandene Gebrauchsspuren so unerheblich sind, dass die Mieträume im Zeitpunkt der Überlassung den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln.“ (Auszug aus der PM zu BGH, Az. VIII ZR 185/14 – Urteil v. 18.03.2015; Hervorhebungen durch Verfasser)

Dies sei vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen.

Fazit
Die Entscheidung ist ein weiterer Mosaikstein in der umfassen Rechtsprechung des BGH zur Thematik „Schönheitsreparaturen“. Ein Problemfeld, welches extrem häufig in Examensklausuren und mit Sicherheit auch in der mündlichen Prüfung des ersten und zweiten Examens abgeprüft wird. Die Beweisfrage renoviert/unrenoviert  wäre inbesondere für eine Klausur des zweiten Examens interessant, da der Kandidat gehalten wäre, entsprechende Hinweise im Aktenstück sorgfältig zu würdigen. Die hier angesprochenen Probleme ließen sich zudem hervorragend mit anderen Problemen aus dem Themenfeld verbinden.

27.03.2015/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2015-03-27 16:00:222015-03-27 16:00:22BGH: Schönheitsreparaturklauseln bei unrenovierter Wohnung unwirksam

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