In unserer regelmäßigen Interviewserie “Meine 18 Punkte” stellen wir bekannten Juristen und ehemaligen Jurastudenten 18 Fragen zu ihrem Studium und wie es danach weiterging.
Unsere Gesprächspartnerin ist diesmal Renate Künast. Eine Vorstellung kann hier fast unterbleiben, sollte Frau Künast doch jedem als Bundesministerin a.D., Fraktionsvorsitzende der Grünen sowie als ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen bekannt sein. Interessant ist, dass sie nach einem Studium der Sozialwissenschaft auch ein Jurastudium erfolgreich absolviert hat und zeitweise als Anwältin tätig war.
1. Name:
Renate Künast
2. Alter:
57
3. Studiert von bis:
1977-82 (1. Staatsexamen)
4. Studienort:
Freie Universität Berlin
5. Beruf:
Sozialarbeiterin, Anwältin
6. Frau Künast, bitte ergänzen Sie folgenden Satz: Jura ist für mich…
…Weg und Mittel, um einen gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.
7. Was hat Sie dazu bewogen Jura zu studieren?
Meine Arbeit als Sozialarbeiterin in Tegel hat meinen Blick auf die Welt geschärft. Wir haben damals Neues probiert, im Kleinen. Es war mir aber schnell klar, dass ich doch lieber an den größeren Rädern drehen wollte. Das große Rad hat mich auch bei all den Anti-AKW-Demos beschäftigt. Da habe ich mich entschlossen Jura zu studieren.
8. Würden Sie ihren Studienort wieder wählen?
Berlin ist und bleibt eine spannende und aufregende Stadt. Aber ein paar Auslandssemester sind auch sinnstiftend.
9. Was hat Ihnen am Studium am meisten gefallen und was vielleicht nicht?
Besonders das Strafrecht hat mich fasziniert. Ich habe dann auch als Anwältin in diesem Bereich gearbeitet. Das Verfassungsrecht hat mich wegen der politischen Komponente gereizt. Was ist (schon) gesellschaftlicher Konsens und wird verfassungspolitischer Auftrag durch das Grundgesetz…?
10. Welche Vorurteile hatten Sie vor dem Studium über Jura und Juristen?
Ich hatte keine.
11. Was war Ihr größter Fehler während Ihres Studiums bzw. Ihrer Karriere und was können Sie einem Jurastudenten, der gerade mit dem 1. Semester begonnen hat, raten anders zu machen?
Man glaubt es mir nicht, aber im Grunde bin ich ein schüchterner Mensch. Zu Beginn meines Studiums habe ich eine Weile gebraucht um zu erkennen, dass, wer am meisten redet, nicht unbedingt das Klügste sagt. Heute würde ich einer Jurastudentin raten: Du hast genauso viel auf dem Kasten wie die Jungs! Misch Dich ein!
12. Es gibt ja auch ein „Leben neben dem Jurastudium“: Was war Ihre wichtigste Erfahrung außerhalb des eigentlichen Studiums?
Meine Politisierung fand relativ zeitgleich statt. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass die Dinge eben nicht alternativlos sind. Ich bin dann nur folgerichtig der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz beigetreten. Ein großes Thema war damals auch Atomkraft. Noch vor Tschernobyl war uns klar, dass wir für den Ausstieg kämpfen müssen. Während ich meinen großen Zivilrechtschein gemacht habe, bin ich zwischen Berlin und der freien Republik Wendland hin- und hergependelt. Eine aufregende Zeit!
13. Und nun natürlich die Gretchenfrage: Wie halten Sie es mit dem Rep?
Ich habe das Examen in einer Zweiergruppe vorbereitet. 10 Monate lang, 5 Mal die Woche von 09:30 bis 19:00 Uhr. Mit langer Mittagspause und kleinem Spaziergang. So ging es gut. Frontal beim Rep hätte ich nicht ertragen.
14. Was haben Sie als Erstes nach den Staatsexamina getan?
Nach dem 1. Examen ging es in den Urlaub und das 2. Examen fand in den letzten Wochen des Berliner Wahlkampfes statt. Da ging es also gleich weiter.
15. Sie sind jetzt Politikerin. War das schon immer ihr Traumberuf?
Man kann ja nur von Dingen träumen, von denen man weiß. Als ich Kind war, habe ich von der Realschule geträumt. Und dann weiter Fachhochschule und dann Berlin. Ich habe immer geträumt – aber Träume sind mir nicht genug.
16. Wo würden Sie sich heute sehen, wenn Sie nicht Jura studiert hätten?
Ich bin mir sicher, dass ich trotzdem in der Politik arbeiten würde.
17. Sie sind für einen Tag Justizminister. Was würden Sie an der Juristenausbildung ändern?
Wenn ich nur einen Tag Zeit hätte, würde ich eine Kommission aus allen juristischen Tätigkeiten einsetzen, die Reformvorschläge für die Juristenausbildung erarbeiten soll.
18. Bitte ergänzen Sie zum Schluss diesen Satz: Jura macht sexy, weil…
… es einem das Wissen an die Hand gibt, die richtigen Fragen zu stellen.
Frau Künast, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Gespräch führte Tom Stiebert.