Da ich mich derzeit in der Station der Staatsanwaltschaft des Referendariats befinde, möchte ich einen kurzen Überblick über einige Titel zum Strafrecht im Assessorexamen geben. Es gilt wie immer, dass das für das Assessorexamen notwendige Wissen ohnehin nicht umfassend aus Büchern gezogen werden kann. Gleichwohl geben die Anleitungsbücher einen guten Überblick über die zu beachtenden Formalia, die denkbaren Klausurkonstellation und auch das notwendige Prozessrecht gilt es einzuüben. Aus diesem Grund sei zumindest die Lektüre eines Werkes zum strafrechtlichen Assessorexamen durchaus angeraten.
Haller/Conzen, Das Strafverfahren: Eine systematische Darstellung mit Originalakte und Fallbeispielen, 6. Aufl. 2011
Dieses Werk ist mit beinahe 600 Seiten das umfassendste der hier rezensierten Bücher. Das Strafverfahren und die darin vorkommenden Problemsituation und Standardmaßnahmen werden sehr umfassend beschrieben. Für meinen Geschmack wird hier teilweise zu sehr ins Detail gegangen. Die Probleme, die bei der DNA-Entnahme aufkommen, interessieren den Referendar etwa im Grunde etwas weniger als andere klausurrelevantere Themen. Sofern hiermit in den Klausuren zu rechnen ist, sind Gesetzestext und Kommentar ausreichend probate Mittel, um die Probleme zu lösen.
Eine Einführung in die Verfügungstechnik der Staatsanwälte und die Fertigung der Anklageschrift ist zwar vorhanden, kommt m.E. – insbesondere in Relation zum sehr umfassenden Rest des Werkes – deutlich zu kurz. Dieses Manko versucht das Werk dadurch zu kompensieren, dass einige Fallbeispiele und auch Auszüge aus Originalakten enthalten sind. Wie ich finde, kann dieser didaktische Kniff die zu knappen Ausführungen zu diesen klausurrelevanten Themen nicht wettmachen.
Anzumerken sei, dass auch ein äußerst ausführlicher Abschnitt zum Abfassen des Strafurteils und ebenso der Revision enthalten ist. Auch die anwaltliche Sicht kommt in keinem der Kapitel zu kurz. Wer also ein ausführliches Werk für die gesamten strafrechtlichen Konstellationen im Assessorexamen sucht und wer sich Verfügungstechnik und die Formalia der Anklageschrift mittels der von der AG zur Verfügung gestellten Materialien aneignet, wird mit diesem Werk sicherlich glücklich werden.
Ernemann/Fuhse/Johannsen/Kraak/Palder/Pfordte/Westphal, Die Station in Strafsachen, 8. Aufl. 2011
Dieses Werk aus der Reihe „Referendariat“ des Verlages Ch. Beck ist etwas weniger umfangreich als das zuvor besprochene Werk. Auf unter 300 Seiten (allerdings im DIN A4 Format) werden die für den Referendar notwendigen Kenntnisse vermittelt.
Inhaltlich erfasst das Werk in etwa die gleichen Aspekte wie das zuvor besprochene Buch von Haller/Conzen. Im Vergleich dazu sind die Ausführungen allerdings wesentlich knapper gehalten. Gleichwohl enthält das Werk ebenso eine Vielzahl an Formulierungsbeispielen.
Im Hinblick auf die Verfügungstechnik fehlt es hingegen auch an klausurennahen Beispielen. Auch hier ist der Referendar wieder auf anderweitige Unterlagen angewiesen.
Anzumerken sei auch hier, dass das Werk einen ausführlichen Abschnitt zu Urteil und Revision enthält und dass zum Ende ein sehr ausführliches Kapitel den Schwerpunkten der Strafverteidigertätigkeit gewidmet ist. Nett, allerdings nicht zwingend notwendig, ist der Abschnitt mit praktischen Hinweisen für den Staatsanwalt als Sitzungsvertreter.
Im Hinblick auf die Einarbeitung examensrelevanter Urteile ist das Werk auf einem sehr aktuellen Stand (gleiches gilt auch für das Werk von Haller/Conzen). Eine gewisse Gewähr für eine umfassende Berücksichtigung der Rechtsprechung erscheint mir hier zusätzlich dadurch gewährleistet, dass jedes Kapitel des Werkes von einem separaten Autor erstellt wird.
Sofern ich mich also zwischen dem ersten und diesem Werk entscheiden müsste, würde ich mich wohl – aufgrund der etwas komprimierteren Darstellung – für dieses hier entscheiden.
Hemmer/Wüst/Gold/Daxhammer, die Strafrechtsklausur im Assessorexamen, 6. Aufl. 2011
Das Skript von Hemmer zum Strafrecht im Assessorexamen ist ambivalent. Es fällt auf, dass dieses Werk im Vergleich zu den vorgenannten wahrlich sehr, sehr knapp ausfällt. Auf gerade einmal 144 Seiten sollen die Basics im Strafrecht für das Assessorexamen dargelegt werden. Nicht bloß die staatsanwaltschaftliche Abschlussverfügung, das Strafurteil und die Revision werden (mit Aufbaumustern für norddeutsche und süddeutsche Bundesländer) besprochen. Dazu kommen außerdem noch das Abschlussplädoyer des Staatsanwalts und des Verteidigers sowie examensrelevante Anwaltsklausurvarianten.
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass im Prinzip nur der Aufbau der jeweiligen Klausurvarianten präsentiert wird. Dies gelingt den Autoren dieses Werks allerdings konzis und ohne unnötige Ausführungen. Echte prozessuale Probleme werden in diesem Skript (im Vergleich zu den beiden vorgenannten) allerdings nicht diskutiert.
Man sollte sich aus diesen Gründen einmal ein paar Seiten aus dem Skript durchlesen. Sofern man mit der Art der Darstellung klarkommt, ist es ein ordentliches Werk zur schnellen Wiederholung der verschiedenen Aufbauschemata und Formalien. Damit auch das notwendige prozessuale Wissen für die Klausuren vorhanden ist, empfiehlt es sich jedoch zusätzlich hierzu Fallsammlungen (etwa von Hammer [nicht Hemmer], StPO Fallrepetitorium, 4. Aufl. 2010) heranzuziehen.
Wolters/Gubitz, Strafrecht im Assessorexamen, 6. Aufl. 2010
Dieses Buch stellt unter den hier rezensierten Werken meinen persönlichen Favoriten dar. Auf rund 180 Seiten ist es den Autoren gelungen, äußerst klausurnah die jeweiligen Konstellationen, die im Assessorexamen abgefragt werden, didaktisch hochwertig zu präsentieren. Inhaltlich sowie in puncto Umfang wird somit ein Kompromiss aus den zuvor besprochenen Werken geschaffen.
Einen umfassenden prozessrechtlichen Leitfaden, wie er etwa von Haller/Conzen angeboten wird, bieten Wolters/Gubitz zwar nicht. Dafür werden aber in äußerst prägnanter Weise Verfügungstechnik, Besonderheiten bei der Anklageschrift, anwaltliche Aufgabenstellung, das Strafurteil und die Revision lernbar gemacht. Beweisverwertungsverbote und die Standardmaßnahmen im Ermittlungsverfahren kommen hierbei, im Gegensatz zu dem Hemmer-Skript, jedoch nicht zu kurz. Die Besonderheit dieses Werkes besteht für mich darin, dass diejenigen Konstellationen, die für Klausuren relevant werden, kurz und knapp mit verschiedenen Formulierungsbeispielen erläutert werden, ohne dass dabei der Lesefluss gestört würde.
Ich halte es deshalb für sinnvoll, dieses Werk (nicht nur einmal) durchzulesen. Der Rest, den man sich für die Klausuren aneignen muss, lernt man bei der Falllösung und der entsprechenden Lektüre der Kommentarstellen. Wer jedoch abstrakte Darstellung bevorzugt, wird wohl eines der ersten beiden Werke (oder ein anderes hier nicht rezensiertes Werk) wählen müssen.
Schlagwortarchiv für: Referendariat
Rezension Kaiser/Köster, Materielles Öffentliches Recht im Assessorexamen
Beck-Verlag, 1. Auflage 2010, 22,90 €, ISBN: 978-3-8006-4063-8
Das Skript weist in seiner Einleitung darauf hin, dass viele Referendare bei der Vorbereitung auf das Assessorexamen über erhebliche Zeitprobleme klagen. Dieses Skript soll im Rahmen des weiten Felds des materiellen öffentlichen Rechts für Abhilfe sorgen, so dass sich der Referendar innerhalb einer überschaubaren Zeit effektiv auf die Rechtsgebiete vorzubereiten vermag. Das Skript erhebt hierbei keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern beschränkt sich auf diejenigen Gebiete, die nach Erfahrung der Autoren regelmäßig in öffentlich-rechtlichen Prüfungsaufgaben des Assessorexamens auftauchen.
1. Erscheinungsbild
Das Skript präsentiert sich in einem Din-A4 Format. Die DIN-A4-Seiten werden hierbei voll ausgeschöpft, da sich auf jeder Seite eine Vielzahl an Informationen befindet. Dies erscheint bei einem Umfang von lediglich 279 Seiten für das gesamte materielle öffentliche Recht auf jeden Fall angebracht. Der Lesefluss wird allerdings durch den spärlichen Einsatz von Absätzen etwas gestört. Auch die Darstellung der Schemata halte ich für optisch wenig gelungen; ein größerer Zeilenabstand, Fettdruck oder Unterstreichungen hätten hier für aufgeräumte Rohübersichten gesorgt. Zudem werden Tatbestandsmerkmale im Rahmen des Prüfungsaufbaus oftmals lediglich durch Fettdruck im Text hervorgehoben, anstatt den Merkmalen eine eigene Überschrift zuzuteilen. Normalerweise interessiert mich das Druckbild bzw. die optische Präsentation des Inhalts eines Buchs eher weniger, bei diesen Skript hätte eine Verlängerung von knapp 50 Seiten jedoch wirklich nicht geschadet, um so manchen Abschnitt ausführlicher und damit auch lesefreundlicher darzustellen.
Die Kehrseite der Medaille besteht wie gesagt darin, dass es lediglich 279 Seiten durchzuackern gilt, so dass auch bei großer Zeitnot ein schnelles Überfliegen der wesentlichen Inhalte des Skripts angenehm möglich ist.
2. Aufbau
Der Aufbau und damit die Auswahl der bearbeiteten Themen ist meiner Ansicht nach sehr gut gelungen. Zunächst werden auf rund 70 Seiten die Basics des Verwaltungsrechts AT in verknappter Form dargestellt, wobei auch ein kurzer Ausflug in die wichtigsten Grundlagen des Staatshaftungsrechts und des Verwaltungsvollstreckungsrechts nicht fehlt.
Danach widmet sich der Großteil des Skripts Klausurkonstellationen aus dem besonderen Verwaltungsrecht. Dieser Teil umfasst die folgenden Gebiete:
- allgemeines Gefahrenabwehrrecht
- Versammlungsrecht
- Baurecht
- Umweltrecht (Immissionsschutz, Abfall- und Bodenschutzrecht, Wasserrecht)
- Gewerberecht
- Kommunalrecht
- Beamtenrecht
- Schulrecht
- Straßenrecht
- Ausländerrecht
- Subventionsrecht
- Informationsfreiheitsrecht
Der letzte Teil beschäftigt sich auf gerade einmal 15 Seiten mit dem für das Assessorexamen relevanten Staatsrechts.
3. Inhalt
Die inhaltliche Bewertung des Werks fällt schwer. Selbstverständlich ist der Text nicht mit einer Vielzahl an aufgebauschten Fußnoten gespickt und es werden durchaus einige examensrelevante Details ausgelassen. Andererseits muss ich zugeben, dass ich den kurzen Überblick über die Rechtsgebiete durchaus genossen habe. Dadurch, dass bereits nach ein paar Seiten ein neues Rechtsgebiet angesprochen wird, kommt dem Leser die Wiederholung des materiellen öffentlichen Rechts deutlich kurzweiliger vor.
Die im Skript angesprochenen Konstellationen kann man alle als für das Assessorexamen relevant einschätzen. Sehr schön finde ich hierbei die kurzen Ausflüge in die etwas exotischen Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts (hierbei gilt es anzumerken, dass auf die landesrechtlichen Besonderheiten lediglich in Fußnoten hingewiesen wird). Wer einen etwas ausführlicheren Überblick zu den jeweiligen Randgebieten haben möchte, sollte dann aber eher ein Blick in den Schmidt-Aßmann riskieren.
Der Titel impliziert, dass der Fokus auf den materiellen Problemen des öffentlichen Rechts liegt. Das bedeutet, dass prozessuale Besonderheiten nur in einem äußerst geringfügigen Maße Beachtung finden. Gerade im öffentlichen Recht ist die Verbindung zwischen prozessualem und materiellem Recht allerdings äußerst bedeutsam. Aus diesem Grunde sei dem Leser dieses Werks angeraten, ein bereits wieder aufgefrischtes prozessuales Vorwissen für die Lektüre mitzubringen.
4. Sprache
Zur sprachlichen Präsentation lässt sich sagen, dass das Skript sehr knapp gehalten ist. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen werden kurz gehalten bzw. es wird mit einem schlagenden Argument auf die herrschende Rechtsprechung verwiesen. Für den Referendar, der die groben Kenntnisse noch halbwegs im Hinterkopf hat, ist diese Präsentationsweise folgerichtig.
5. Fazit
Das Skript von Kaiser/Köster erfüllt seinen Zweck, nämlich eine Kurzwiederholung der materiellrechtlichen Problemstellungen des öffentlichen Rechts und einen Einblick in exotische Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts zu bieten. Dass die Ausführungen insgesamt zu knapp sind, so dass durchaus vertiefende Lektüre in so mancherlei Gebiet notwendig bleibt, ist dabei selbstverständlich (insbesondere, da im Verwaltungsrecht BT und im Verfassungsrecht im Assessorexamen keine Kommentare genutzt werden können). Gerade das Verfassungsrecht erscheint mir dabei etwas sehr knapp, da Grundrechte und Abwägungsprobleme auch im Assessorexamen regelmäßig eine Rolle spielen.
Für einen Preis von 22,90 € bekommt man jedoch einen ordentlichen Rundumschlag über das materielle öffentliche Recht, den man schnell und einfach konsumieren kann. Wer mit den o.g. Aspekten leben kann, für den ist dieses Skript genau das richtige.
Rezension Holzer, Arbeitsrecht (Referendariat)
Helmut Holzer, Arbeitsrecht, Beck-Verlag, 9. Auflage 2010, 38,00 €, ISBN-10: 978-3-406-59618-6
Während des Referendariats sieht man sich in den Klausuren wie erwartet nicht nur mit prozessualen Besonderheiten konfrontiert, es gilt weiterhin das materielle Recht sicher zu beherrschen. Das Skript von Holzer versucht das Arbeitsrecht entsprechend diesen Anforderungen für das Assessorexamen aufzubereiten. Zusätzlich hält das Skript über 120 Seiten eine sehr umfassende Sammlung mit kleinen Beispielsfällen bereit.
1. Erscheinungsbild und Aufbau
Das Skript präsentiert sich in einem Din-A4 format. So passt zwar einiges an Inhalt auf eine Seite, andererseits ist das Skript angesichts seiner Dicke von 319 Seiten etwas unhandlich. Positiv hervorzuheben ist die Tatsache, dass durchgängig Beispiele und Formulierungshilfen für Anwalts- und Gerichtsklausur in Form von Kästen in den Text eingebettet werden. Ansonsten gibt es zur Optik nichts zu sagen – wichtig ist jedenfalls, dass die Optik nicht durch unsinnige Fettdrucke oder ähnliches verunstaltet wurde, so dass sich das Skript ohne größere Probleme durchlesen lässt.
Der Aufbau ist sinngemäß entsprechend den Anforderungen beim Assessorexamen so gewählt, dass zunächst die arbeitsprozessrechtlichen Besonderheiten aufgezeigt und anschließend die jeweiligen materiell-rechtlichen Konstellationen erläutert werden.
2. Inhalt
Inhaltlich wird das gesamte examensrelevante Arbeitsrecht abgedeckt. Hierzu zählen insbesondere Begründung und Inhalt des Arbeitsverhältnisses, Entgelt(fort)zahlungsansprüche, Leistungsstörungen und natürlich das Kündigungsrecht. Inhaltlich fehlt von den examensrelevanten Themen nichts. Die Stellen, die weniger examensrelevant sind, wurden nur äußerst kurz angeschnitten, sofern es im Kontext passt (etwa Massenentlassungen). Hierzu gilt es zu sagen, dass alle Themenbereiche prägnant beschrieben werden, wobei an geeigneter Stelle Besonderheiten für die Anwalts- oder Gerichtsklausur einfließen. Formulierungsbeispiele sind wie gesagt oftmals in den Text eingegliedert. Zu den Formulierungsbeispielen lässt sich sagen, dass bei den verschiedenen Tenorierungen meist direkt alle möglichen Konstellationen dargelegt werden. Solch längere Beispielpassagen stören den Lesefluss zwar etwas, andererseits sind die Beispiele dafür umfassender.
Sehr schön finde ich, dass die aktuelle Rechtsprechung (soweit mir bekannt) umfassend in dem Werk eingearbeitet ist. So findet sich eine aktuelle Entscheidung zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des BAG genauso wie die Klassiker zum Widerruf von Arbeitsverträgen.
Zu den Beispielsfällen lässt sich sagen, dass diese äußerst gut gelungen sind. Der Vorteil besteht hierbei nämlich im Vergleich zu anderen Werken darin, dass die Lösungsvorschläge in Urteils- und Gutachtenform wirklich genau so ausformuliert sind, wie man es in einer Klausur erwarten könnte. Es handelt sich also nicht wie es sonst oftmals der Fall ist, um künstlich verwissenschaftlichte bzw. zu kurze Lösungsskizzen.
3. Sprache
Zur sprachlichen Präsentation lässt sich sagen, dass das Skript sehr knapp gehalten ist. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen werden kurz gehalten bzw. es wird mit einem schlagenden Argument auf die herrschende Rechtsprechung verwiesen. Dieser Ansatz geht natürlich fehl, soweit es darum geht, das Arbeitsrecht erstmals kennen zu lernen. Für den Referendar, der die groben Kenntnisse noch halbwegs im Hinterkopf hat, ist diese Präsentationsweise jedoch folgerichtig. Ansonsten ließe sich der Stoff samt Formulierungsbeispielen und prozessrechtlicher Verknüpfung nicht auf knapp 200 Seiten darstellen.
4. Fazit
Das Arbeitsrechtsskript von Holzer ist ein wirklich gelungener Leitfaden, um in kurzer Zeit die prozessualen und materiellrechtlichen Problemstellungen des Arbeitsrechts speziell für das Assessorexamen zu wiederholen bzw. zu vertiefen. Die Übungsfälle sind sehr schön präsentiert, wobei es sich wohl empfiehlt, nicht alle Fälle auf einmal in Lektürenform zu konsumieren, sondern man kann ab und an einen der Fälle kurz selbst durchlösen und sich dann die Skizze anschauen. Einzig der Preis von 38 Euro ist m.E. für ein Werk, das gerade mal 320 Seiten an Inhalt bietet etwas sehr teuer, so dass u.U. ein bis zwei Tage mit dem Holzer im juristischen Seminar für den Anfang auch reichen.
Ein Tipp für alle Referendare oder angehenden Referendare:
Beck’scher Referendarführer 2010/11 ist nun erschienen.
Man kann den Referendarführer kostenlos bestellen und sich versandkostenfrei zusenden lassen!
Die JA bietet mittels ihrem Internetauftritt www.JA-aktuell.de einen guten Überblick für alle die, die kurz vor dem Referendariat stehen.
Zudem finden sich auf deren Seite einige sehr brauchbare kostenlose Lernbeiträge für das Referendariat als Pdf-Dateien, die sich m.E. auf jeden Fall lohnen.
Wir freuen uns, Euch heute einen Erfahrungsbericht von Dr. Arne Kießling über sein Referendariat posten zu können. Wir hoffen, dass Ihr einige wertvolle Tipps für Euer Referendariat mitnehmen könnt.
Hallo liebe Kollegen,
mein Name ist Arne Kießling, ich habe in Münster studiert und in Düsseldorf nach dem ersten Staatsexamen promoviert. Danach bin ich zum Oberlandesgericht Düsseldorf gewechselt und dem Landgericht Düsseldorf zugewiesen worden. Dieser Beitrag ist in der vorletzten Woche meiner Wahlstation fertiggestellt worden, als ich schon meine Vornoten hatte und „nur“ noch die mündliche Prüfung mich vom Berufseinstieg trennte.
Ich habe diesen Bericht aus zwei Gründen gerne geschrieben: Zum ersten soll dieser Beitrag ein bißchen helfen vielleicht ungeklärte Fragen und Unsicherheiten im Hinblick auf das Referendariat zu klären. Zum anderen würde ich gerne ein Bewusstsein dafür wecken, dass das Referendariat trotz aller Hürden eine tolle Zeit werden kann, wenn man sorgfältig plant und sich um gute Stationen kümmert. Der Beitrag ist chronologisch aufgebaut und orientiert sich direkt am Ablauf des Referendariats in Nordrhein-Westfalen.
Vorab möchte ich sagen, dass meine Schilderung hier auf ganz persönlichen Erfahrungen beruht und meine persönliche Meinung wiedergibt. Auch mag es Unterschiede zu den Justizausbildungsordnungen (JAOen) anderer Bundesländer geben, ich selbst kann nur die Situation in Nordrhein-Westfalen beschreiben.
Vorbereitung
Die Arbeit für das Referendariat geht schon einige Monate vor dem offiziellen „Dienstantritt“ los. So bieten die verschiedenen Oberlandesgerichte in NRW Formblätter an um sich bei dem jeweiligen OLG zu bewerben. Das Ausfüllen ist manchmal etwas mühsam, aber im Großen und Ganzen selbsterklärend. Letzte Hilfe bieten auch immer die Referendariatsbüros bei den OLG, die, im Fall des OLG Düsseldorf – wie man hört offenbar eine positive Ausnahme – sehr hilfsbereit und freundlich sind. Hat man sich also einmal einen OLG-Bezirk ausgewählt (man kann sich aber „inoffiziell“ bei mehreren OLG bewerben), kann man auf den Formblättern außerdem noch angeben, welchem Landgericht man zugeteilt werden möchte. Regelmäßig gibt es Favoriten (so z.B. das OLG-Bezirk Düsseldorf, das LG Düsseldorf) oder weniger bevorzugte Orte (z.B. das LG Kleve, was aber wohl allein an der räumlichen Distanz zu größeren Städten liegt). In welcher Weise die OLG die Referendare den Landgerichten zuteilen, ist wohl immer noch ein Geheimnis. Es gibt zwar verschiedene Gerüchte dazu, aber bestätigt ist nichts. Gute Chancen hat man jedenfalls, wenn man bereits einen Wohnsitz in dem gewünschten Landgerichtsbezirk hat und bestenfalls noch eine gute Note im Ersten Staatsexamen.
Unbedingt sollte man sich aber – und das gilt für den gesamten Rest des Referendariats – frühzeitig bewerben und sich ausreichend informieren. So gibt es beispielsweise bestimmte Monate, in denen die OLG keine Referendare an bestimmte Landgerichte zuweisen. Die entsprechende Liste gibt es auf der Internetseite des OLG Düsseldorf. Ich selber habe mich knapp acht Monate vor dem geplanten Beginn meines Referendariats beworben. Ich bin mir bewusst, dass so eine frühzeitige Planung nur dann möglich ist, wenn man nach dem Ersten Staatsexamen einen zeitlichen Spielraum hat, sei es durch eine Promotion oder einen LL.M.-Studiengang. Dennoch gilt: je früher, desto besser, insbesondere um nicht auf die Nachrückerliste und dann gegebenenfalls an den unbeliebtesten Ort des Bezirks (erwähnte ich Kleve?) zu kommen.
Auch wenn man viel darüber hört, empfehle ich, sich nicht fachlich auf das Referendariat vorzubereiten. Die Zeit wird noch stressig genug, eine Wiederholung von forderungsentkleideter Hypothek oder dem Erlaubnistatbestandsirrtum bringt nichts. Auch das Durcharbeiten verschiedener Bücher zum Referendariat ist meines Erachtens überflüssig.
Wenn man dann einmal die Zusage „seines“ Oberlandesgerichts mit der Zuteilung zu einem bestimmten LG hat, kann es weitergehen. Nun stellt sich nämlich meines Erachtens die von vielen Referendaren zu selten gestellte Frage, wo man mit dem Referendariat (außer natürlich zum Zweiten Staatsexamen) eigentlich hin will: Hat man schon einen festen Berufswunsch (Richter, Staatsanwalt, öffentlicher Dienst, Einzelanwalt oder Anwalt in einer Großkanzlei), kann man sein Referendariat bereits frühzeitig danach ausrichten. Gleiches gilt, wenn man noch nicht genau weiß, was man machen möchte, aber ein bestimmtes Rechtsgebiet verfolgen will. Ich halte es für äußerst wichtig, frühzeitig Ziele für sich zu formulieren und diese zu verfolgen um beispielsweise Spezialisierungen erkennen zu lassen. Wenn man noch gar keine Vorstellung von dem hat, was man eigentlich machen will, kann man umgekehrt das Referendariat sehr breit streuen um möglichst viele Erfahrungen zu sammeln.
Hat man aber etwa schon eine Vorstellung, kann man bereits vor Beginn des Referendariats aktiv werden: Die erste Station ist die sog. Gerichtsstation. Will man später also z.B. ein bestimmtes Rechtsgebiet beackern, kann man dies schon bei Gericht tun: Viele Landgerichte haben Kammern mit Spezialzuständigkeiten, so z.B. die Kammer für Handelssachen für Handels- und Gesellschaftsrecht, Patentkammern für das Recht des geistigen Eigentums usw. Will man z.B. aber später als Einzelanwalt tätig sein, bietet sich immer eine Station bei einem Amtsgericht an, da dort regelmäßig Miet-, Verkehrsunfall und Kaufrecht verhandelt werden. Eine gezielte Bewerbung beim OLG wird immer gerne gesehen und – soweit ich weiß – eigentlich immer berücksichtigt. Ich habe mich nach Erhalt meiner Zuteilung zum LG Düsseldorf bei der Kammer für Handelssachen beworben und diese Entscheidung nie bereut. Insgesamt lässt sich sagen, dass man bei den Amtsgerichten eher examensrelevante Aufgaben hat, weil man deutlich mehr Urteile und Relationsgutachten schreibt als bei den LG. Insgesamt spricht aber auch nichts dagegen, einfach den Zufall entscheiden zu lassen und gar keine Bewerbung vorzunehmen. Viele Leute haben dadurch Gefallen an Rechtsgebieten gefunden, bei denen sie es vor der Station kaum für möglich gehalten hätten.
Erste Station – Zivilstation
Die Zivilstation beginnt allerdings nicht mit richterlichen Aufgaben. Vielmehr gibt es zunächst einen Einführungsmonat. In diesen ersten vier Wochen des Referendariats finden wochentags Unterrichtseinheiten im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft (AG) statt, die bis zum Ende des Referendariats zusammenbleiben wird. Diese werden überwiegend von demjenigen AG-Leiter gehalten, der für die AG während der Zivilstation verantwortlich ist. An einigen Tagen übernehmen aber auch andere Dozenten und führen in bestimmte Mandate ein, so z.B. ins Erb- und Familienrecht, das Arbeitsrecht oder das Handels- und Gesellschaftsrecht. Der erste Monat ist in fachlicher Hinsicht nicht unwichtig, weil man zumindest von dem verantwortlichen AG-Leiter die ersten Schritte im Hinblick auf das Abfassen von Urteilen, die Relationstechnik und die ersten Tiefen des Zivilprozessrechts erklärt bekommt. Ich persönlich hatte sehr viel Glück mit meinem AG-Leiter, der ein erfahrener Vorsitzender Richter am Landgericht war und nicht nur in fachlicher, sondern auch in persönlicher Hinsicht unglaublich kompetent war.
Was die AG selbst angeht, scheint die Meinung unter den Referendaren gespalten zu sein. Richtig ist sicherlich, dass man grundsätzlich bei jeder Gruppe ein oder zwei wohl unvermeidbare Idioten und sonst die ganze Bandbreite an Charakteren dabei hat. Ich hatte allerdings auch hier großes Glück, so dass jedenfalls die ersten Monate des Referendariats von viel Spaß und Feiereien geprägt waren. Wichtig ist meines Erachtens zu versuchen, die AG am Anfang so gut wie möglich als Gruppe zusammenzuhalten, damit sich die unvermeidbare Grüppchenbildung so lange wie möglich hinauszieht. Außerdem kann ich nur empfehlen, so früh wie möglich mit ein paar aktiveren Kollegen aus der AG die Planung der Kursfahrt anzustoßen. Wir selbst waren in Budapest und haben dort fünf Tage praktisch durchgefeiert. Daneben hat man zwar auf der Kursfahrt jeden Tag eine offiziellen und möglichst juristischen Programmpunkt nachzuweisen, um die Reise als Dienstfahrt qualifizieren zu können und damit Sonderurlaub zu bekommen; wie auch sonst beim Referendariat gilt auch hier: Wenn man sich etwas bemüht, kann man auch aus dieser Pflicht noch interessante und erinnerungswerte Erlebnisse machen (das ist uns, zugegebenermaßen, auch nur teilweise gelungen). Zusammenfassend gilt für die AG meines Erachtens, dass jeder Teilnehmer sich eigentlich anstrengen müsste, etwas für die Organisation der Gruppe zu tun; das wird aber – auch das zeigt die Erfahrung – nicht passieren. Insofern sollten sich frühzeitig ein paar aktive Teilnehmer zusammentun um diesen Part zu übernehmen. Je mehr man selbst die AG-Zeit aktiv gestaltet, desto besser.
Nach vier Wochen Einführungslehrgang beginnt dann der echte Teil der Zivilstation. Ich habe nach den vier Wochen das erste Mal meinen Richter getroffen. Wir haben uns dann dahingehend abgesprochen, dass ich einmal in der Woche bei ihm vorbeikomme und mir eine neue Akte abhole, zu der er mir dann jeweils eine Aufgabe stellt. Ich hatte im Vergleich zu meinen AG-Kollegen wahrscheinlich durchschnittlich viel zu tun, kann aber sagen, dass bei einem AG-Tag pro Woche und in meinem Fall einem Arbeitstag in einer Großkanzlei nicht ganz viel Freizeit übrig blieb, insbesondere, weil ich anfangs versucht habe, mindestens einen vollen Tag in der Woche zu lernen. Mein Tipp dazu: Auch wenn jeder ein unterschiedlicher Lerntyp ist, macht es meines Erachtens keinen großen Sinn, das materielle Recht vertieft zu wiederholen. Zwar wird sich man kurz vor den Examensklausuren ärgern, nicht früher mit dem Lernen angefangen zu haben (das geht jedem so), übermäßiger Stress ist aber dem Ziel eher abträglich. Wichtig ist vielmehr den neuen (prozessrechtlichen) Stoff zu durchdenken und vielleicht dazu schon in ein paar Lehrbüchern den neu erlernten Stoff nachzulesen. Bei dieser Nachbereitung bieten sich meines Erachtens auch besser die einschlägigen Skripte an als sich durch dicke Bücher zu wühlen.
Schon in der Zivilstation schreibt man die ersten Übungsklausuren, die das bis dorthin unterrichtete abprüfen sollen. Viel wichtiger als die Klausuren sind aber die Aktenvorträge. Mancher AG-Leiter stellt das Halten von Aktenvorträgen zur Disposition der AG, andere verpflichten die Referendare dazu. Ich kann – obwohl ich es selbst nicht gemacht habe – nur dazu raten, unbedingt so viele Aktenvorträge wie möglich und das schon so früh wie möglich zu machen um ein Gefühl davor zu kriegen. Natürlich ist man immer aufgeregt, wenn man zehn Minuten vor den AG-Kollegen einen Fall referieren und lösen soll. Aber alles, was man in den ersten Arbeitsgemeinschaften macht, stärkt für den „Ernstfall“ Examen.
Die Arbeit beim Richter selber war für mich eher unspektakulär. So hat man praktisch jede Woche ein Urteil, ein Gutachten oder einen Beweisbeschluss geschrieben. Ansonsten ist auch nicht viel mehr passiert. An der Kammer für Handelssachen konnte ich Aufgaben aus Bereichen bearbeiten, die mich auch in der Sache interessierten. Ein paar meiner Kollegen hatten etwas Pech und durften sich vier Monate lang mit Transport- oder Versicherungsrecht herumschlagen, was wohl nicht nur eine gewisse Phase der Einarbeitung erforderte, sondern auch stinklangweilig war. Überraschend stark ausgelastet waren regelmäßig diejenigen Kollegen, die den Amtsgerichten zugewiesen waren, weil dort einfach ein Vielfaches an Verfahren durchgeboxt wird. Dies ist, wie ich oben bereits andeutete, auch im Hinblick auf das Examen nicht zu unterschätzen. So hat eine Kollegin beim Amtsgericht viel gewerbliches Mietrecht gemacht, was ihr dann in einer unserer Examensklausuren einen erheblichen Vorteil gebracht hat.
Wenn man einen halbwegs beweglichen Richter hat, hat man oft als Referendar die Möglichkeit am Ende der Station selbst eine mündliche Verhandlung oder zumindest eine Beweisaufnahme zu leiten. Auch hier gilt: Am Anfang ist man wahrscheinlich aufgrund der ungewohnten Situation aufgeregt. Derartige Möglichkeiten, ins kalte Wasser zu springen, sollte man aber unbedingt wahrnehmen. Wann bekommt man in seinem Leben noch mal die Möglichkeit so etwas zu tun (außer natürlich man wird Richter)?
Daneben empfehle ich auch ausdrücklich, so früh wie möglich eine Privat-AG zu etablieren um vielleicht schon mal Aktenvorträge zu üben und – so haben wir es gemacht – materielles Recht zu wiederholen. Wenn man es schafft, diese Treffen nicht vollständig zur gemütlichen Kaffeerunde verkommen zu lassen, sind sie sicher eine mehr als sinnvolle Ergänzung und angenehme Art zu lernen. Wir haben damit allerdings in der Anwaltstation wieder aufgehört, weil insbesondere mit dem Rep kein Tag frei war, an dem wir alle ausreichend Zeit gehabt hätten. Es hat aber grundsätzlich Sinn, die Privat-AG solange wie möglich aufrecht zu erhalten.
Zweite Station – Strafstation
Um kaum eine Station ranken sich dermaßen viele Gerüchte wie um die Station bei der Staatsanwaltschaft (StA). Zwei Dinge vorab: Erstens ist es nicht gesichert, dass bei der StA genügend Platz ist. So mussten vier unserer AG-Teilnehmer zum Strafrichter, hatten aber allesamt dort eine sehr gute Zeit und haben viel gelernt. Auch hier ist die Station beim Richter im Hinblick auf das Examen nicht ganz schlecht, weil man im Examen kalt von einem Strafurteil erwischt werden kann und dieses in der Strafrechts-AG mit keinem Wort und später in der Fortgeschrittenen-AG auch eher stiefmütterlich behandelt wird. Zweitens gilt hier wie bei kaum einer anderen Station: Initiative zahlt sich immer aus. So hatten sich einige meiner Kollegen schon im Voraus bei einem Staatsanwalt beworben, der ein bestimmtes Gebiet (z.B. Kapitalstraftaten) behandelt hat. Nimmt man eine solche Bewerbung vor, fordert der betreffende Staatsanwalt den Referendar üblicherweise an, so dass man gute Chancen hat, dass die Bewerbung erfolgreich ist. Außerdem trägt die Initiative schon deswegen oft Früchte, weil man in der Strafstation die Gelegenheit hat, an Obduktionen teilzunehmen und eine Streifenwagenfahrt während einer Einsatznacht zu machen (s. dazu noch unten).
Die Strafstation beginnt mit einer Woche Einführungslehrgang, der sich, abgesehen von dem unterrichteten Stoff, kaum von der Zivil-AG unterscheidet. Für den Rest der Station hat man üblicherweise einmal in der Woche eine AG-Stunde und schreibt auch hier relativ regelmäßig Übungsklausuren.
Ist man nicht einem Richter zugeteilt worden, beginnt der Dienst bei der StA damit, dass man sich bei seinem Staatsanwalt vorstellt. Dann geht es aber auch schon los. Üblicherweise beginnt mit der dritten Woche die sog. Sitzungsvertretung, was bedeutet, dass der Referendar bei einem Amtsgericht als Vertreter der Staatsanwaltschaft auftritt. Bei kaum einer anderen Station wird man derart schnell und unvorbereitet ins kalte Wasser geworfen. Ich selbst war beim ersten Mal doch etwas nervös, weil neben der Verlesung des Anklagesatzes von dem Referendar erwartet wird, sachdienliche Fragen an Zeugen und den Angeklagten zu stellen und – davor graust es den meisten Referendaren – am Schluss der mündlichen Verhandlung ein Plädoyer in freier Rede zu halten, inklusive Stellen eines Antrages; letzteres schließt ein, vorher die Höhe der geforderten Tagessätze zu berechnen und – bei Tatmehrheit – eine (nachträgliche) Gesamtstrafe bilden zu können. Das klingt im ersten Moment erschreckend. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es zu einer tollen Station werden kann, wenn man diese Herausforderung annimmt. Nach dem dritten oder vierten Mal hat es mir richtig Spaß gemacht und ich habe mich um weiteren Sitzungsdienst bemüht, auch, weil man dann nicht so viele Gutachten oder Strafbefehle für den Staatsanwalt schreiben muss. Wahrscheinlich ist es eine Typfrage, ob man sich bei den Plädoyers wohlfühlt oder lieber schriftliche Arbeiten anfertigt. Ich kann aber nur dazu raten, die Station als Chance zu sehen und alles mitzunehmen, was man kann. Meines Erachtens sind die Richter im Regelfall auch freundlich und hilfsbereit, soweit man ihnen einerseits mit dem nötigen Selbstbewusstsein, andererseits zurückhaltend und verbindlich gegenübertritt. Und auch, wenn man Sitzungsdienst bei Richtern hat, die im Referendarskreis als unfreundlich gelten oder die angeblich keine Referendare leiden können, kann man dies als Chance sehen sich behaupten zu können. In der Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe, Sachverständigen und Verteidigern kann man viel lernen; wichtig ist, die Angeklagten zu jedem Zeitpunkt mit dem nötigen Respekt zu behandeln, da die meisten Angeklagten oft in einer für sie extrem unerfreulichen Lage und daher vor Gericht auch oftmals äußerst nervös sind, was sich – abhängig von den verschiedenen Charakteren – in Gefühlsausbrüchen der einen oder der anderen Art äußern kann.
Zu den Highlights meiner Station gehörte neben dem Sitzungsdienst die Obduktion. Wir haben uns in der AG um einen solchen Termin bei dem rechtsmedizinischen Institut der Universität Düsseldorf bemüht, dessen Mitarbeiter sehr hilfsbereit und freundlich waren. In Düsseldorf werden regelmäßig vor oder nach der eigentlichen Obduktion Vorträge gehalten, in unserem Fall zu der Wirkungsweise und den Auswirkungen von legalen und illegalen Drogen und zur Exhumierung von Behandlung von Leichen in Kriegs- oder Katastrophengebieten. Um es vorweg zu nehmen: Die Obduktion ist sicher nicht etwas für jeden. Unsere AG war mit knapp zwanzig Leuten vertreten, wovon ein Großteil bei der Obduktion vollständig anwesend war. Ich persönlich fand es zwar schockierend, aber sehr interessant, kann allerdings nur sehr empfehlen, sich ein Duftwasser oder Wick Vaporub mitzunehmen und gegen den Geruch unter die Nase zu schmieren. Bei der Obduktion hat man jederzeit die Möglichkeit den Raum zu verlassen und direkt an der frischen Luft zu sein, was für alle Teilnehmer beruhigend war. Ich kann nur empfehlen eine Obduktion mitzumachen, wann hat man sonst mal wieder die Chance dazu?
Außerdem hatten wir noch die Gelegenheit, Polizisten eine Nachtschicht lang zu begleiten. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf teilt die Referendare zu, wenn sie Interesse an einer Streifenfahrt bekunden. Üblicherweise findet sie in der Nacht von Freitag auf Samstag zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr statt. In meinem Fall hatten wir viel Spaß während der Fahrt, weil ich zwei junge und lustige Kollegen erwischt hatte, die Fahrt war aber überwiegend ruhig. Wir hatten einen Einbruch, drei Ruhestörungen und zwei Schlägereien, aber nichts Besonderes dabei. Bei ein paar meiner Kollegen ist mehr passiert, grundsätzlich ist es aber wohl empfehlenswert, die Polizeibezirke in den Innenstädten zu bekommen, wobei man auf die Wahl nur sehr begrenzten Einfluss hat.
Schließlich bieten einige Staatsanwaltschaften noch den sog. Trinkversuch an, bei dem an einem frühen Abend bis spät in die Nacht unter Aufsicht Alkohol getrunken wird und sich die Referendare vorher bereit erklären, in regelmäßigen Abständen ihren Blutalkoholwert messen zu lassen. Die Schlussfolgerung, dass dieser Abend zu einer Flatrate-Party wird, liegt nahe und tritt wohl auch regelmäßig ein. Trotz – natürlich – großen Interesses unsererseits haben wir es nicht geschafft einen solchen Abend zu organisieren. Ich wünsche allen Nachfolgern mehr Glück, es werden extrem lustige Geschichten von solchen Abenden berichtet.
Zusammenfassend gilt auch für die Strafstation: Lasst Euch nicht treiben, sondern nehmt die Sachen selbst in die Hand. Gerade die Strafstation lebt von der eigenen Initiative, die sich deshalb lohnt, weil man hier Gelegenheiten bekommt, die sich im Zweifel nicht wiederholen lassen – außer natürlich, man wird Staatsanwalt, aber naja.
Dritte Station – Verwaltungsstation
Meine Erfahrungen aus der Verwaltungsstation sind denkbar ungeeignet um sie verallgemeinern zu können. Grundsätzlich läuft die Station ab wie die Strafstation: Sie geht über einen Zeitraum von drei Monaten, man hat einmal die Woche AG und schreibt zwischendurch ein paar Klausuren. Erstmalig soll man sich seinen Ausbilder und damit die Institution, in der man arbeiten will, praktisch völlig frei aussuchen. Wenn man eine Bewerbung aus irgendeinem Grund verpasst, wird man vom OLG zu einer Stelle zugewiesen. Dass dies nicht immer die spektuakulärsten Aufgabenbereiche sein werden, erklärt sich von selbst. In NRW muss es aber eine Behörde oder vergleichbare Institution innerhalb Nordrhein-Westfalens, eine Bundesbehörde im Bundesgebiet oder eine vergleichbare Behörde im Ausland sein. Es empfiehlt sich dringend, spätestens in der Mitte der Zivilstation die Bewerbungen für die Verwaltungsstation abzuschicken, weil gerade innerhalb von Behörden die Mühlen bekanntlich langsam mahlen. Die Verwaltungsstation gilt gemeinhin als die am wenigsten interessanteste Station, schon deswegen, weil viele Kollegen – und ich auch – sich eine Behördentätigkeit nicht vorstellen können. Entsprechend hört man Verschiedenes über die Stationen bei den Stadt-, Kreis-, Bezirks- oder Landesbehörden. Viele Kollegen hatten Glück und waren positiv überrascht, bei anderen muss es einfach furchtbar gewesen sein. Viel hängt natürlich auch vom Ausbilder ab, den man oftmals vorher nicht kennt. Diejenigen Kollegen, die bei Bundesbehörden waren, waren eigentlich durchweg zufrieden, weil viele Juristen dort auf einem sehr hohen Niveau arbeiten und offenbar auch teilweise hoch motiviert sind.
Ich selbst hatte das Glück, vom Auswärtigen Amt angenommen worden zu sein, so dass ich aus erster Hand nur über diese Erfahrungen berichten kann: Das Auswärtige Amt teilt interessierten Referendaren Ausbildungsplätze an den Deutschen Vertretungen im Ausland, also Botschaften und Konsulaten, zu. Die Bewerbung beim Auswärtigen Amt ist vergleichsweise aufwändig. Jedenfalls sollte man sich mindestens ein halbes Jahr vor Beginn der Verwaltungsstation bewerben, idealerweise noch vor Beginn des Referendariats. Das Auswärtige Amt schickt dann einen Fragebogen, bei dem man unter anderem mehrere Städte aufführen kann, an denen man seine Station ableisten möchte. Vor allem gefragt sind natürlich London, Paris, New York, Los Angeles, Sydney usw. Die Zuteilung zu den Städten erfolgt nach einem Verfahren, um das sich viele Gerüchte ranken, das aber nicht transparent ist. Es scheint so zu sein, dass das Auswärtige Amt einen Punktekatalog vergibt, der sich aus Examensnote und Abiturnote zusammensetzt und in den noch Punkte aus dem Lebenslauf, beispielsweise Auslandserfahrung etc. einfließen. Wenn man zu den Glücklichen gehört, denen ein Platz zugeteilt wird, ist der erste spannende Moment die E-Mail, in der man seine Stadt zugeteilt bekommt. Bei mir war es Kapstadt. Anfangs war ich etwas enttäuscht, weil es nur Nummer 10 auf meiner Wunschliste war. Um es vorweg zu nehmen: Diese Einschätzung sollte sich bald ändern. Später habe ich dann erfahren, dass ich deswegen nach Kapstadt zugeteilt wurde, weil ich zwischen Abitur und Bundeswehr eine zeitlang dort gelebt hatte und nach Südafrika regelmäßig nur Referendare zugeteilt werden, die Afrika- oder zumindest Auslandserfahrung haben. Die Station selbst war der Hammer, was zu einem großen Teil, aber nicht ausschließlich an dem Flair Kapstadts im südafrikanischen Sommer war. Wer die Stadt kennt, kann das sicher nachvollziehen. Die Arbeit beim Generalkonsulat in Kapstadt war vollkommen anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. So ist man regelmäßig damit beschäftigt, Beglaubigungen und Erbscheinssachen vorzubereiten, die dann in Anwesenheit des Generalkonsuls unterzeichnet werden. Außerdem bearbeitet man Fragen zum Internationalen Privatrecht und zu anderen Konsularsachen. Das sind alles keine Themen, für die ich mich besonders interessiere; da man ständig direkt mit Deutschen im Ausland oder Südafrikanern arbeitet, die Angelegenheiten vortragen, die das deutsche Recht berühren, hat die Arbeit aber unglaublich viel Spaß gemacht. Außerdem wurden meine Kollegin und ich regelmäßig auf Abendveranstaltungen geschickt, bei denen wir das Deutsche Generalkonsulat repräsentieren sollten – man trifft unglaublich viele interessante Menschen und knüpft Kontakte in die ganze Welt. Insgesamt war die Verwaltungsstation für mich überraschenderweise sicherlich eine der besten Stationen des Referendariats. Ähnliches habe ich von Kollegen gehört, die bei anderen Auslandsvertretungen waren. Ein AG-Kollege von mir war beispielsweise an der Botschaft in Peking, was kurz vor den olympischen Sommerspielen dort eine tolle Erfahrung gewesen sein muss. Ich rate jedenfalls unbedingt zu einer Bewerbung beim Auswärtigen Amt.
Daneben gibt es noch die Möglichkeit, das sog. Speyer-Semester zu absolvieren. Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer bietet interessierten Referendaren die Möglichkeit über den Zeitraum von drei Monaten verwaltungsrechtliche, aber auch betriebs-, volks- und verwaltungswissenschaftliche Fächer zu belegen, was fachlich – wie man hört – überraschend interessant sein soll. Speyer ist aber vorwiegend berühmt-berüchtigt für seine legendären Partys und vor allem die Party-, Trink- und Feierfreudigkeit der Teilnehmer. Die Kollegen, die in Speyer waren, haben es ganz sicher nicht bereut, wobei zwei Tatsachen exemplarisch für die Zeit dort stehen sollen: Erstens sind im Speyer-Semester einige Beziehungen zu Ende gegangen, zweitens gibt es einen eisernen Grundsatz bei den ehemaligen dortigen Studenten: Was in Speyer passiert, bleibt in Speyer. Das sollte alles sagen…
Vierte Station – Anwaltsstation
Mit Beginn der Anwaltsstation ändern sich einige Dinge. Erstens ist zumindest mir hier das erste Mal wirklich klar geworden, wie nah das Examen liegt, eine Tatsache, die ich bis dahin erfolgreich ignoriert hatte. Zweitens beginnt die sog. Fortgeschrittenen-AG (oder F-AG) mit den Klausurwochen. Außerdem ist die Anwaltsstation, die faktisch über einen Zeitraum von neun Monaten läuft (im zehnten Monat stehen die Examensklausuren an), auch in anderer Hinsicht einzigartig: man kann die Station aufteilen, also z.B. drei Monate bei dem einen, den Rest der Zeit bei einem anderen Anwalt verbringen. Außerdem ist es sehr üblich, zumindest die letzten drei Monate vor dem Examen in die sog. Tauchphase zu gehen, um sich hoffentlich ungestört auf das Examen vorbereiten zu können. Wegen der verschiedenen Themen teile ich diesen Abschnitt weiter auf:
1. Fortgeschrittenen-AG
Was die AG angeht, bleibt es bei dem Grundsatz, dass man einmal die Woche einen AG-Tag hat, der sich von morgens bis nachmittags erstreckt. In den ersten Wochen wurden wir von verschiedenen Dozenten unterrichtet, die Spezialgebiete wie z.B. die Tätigkeit des Notars abdeckten. So interessant wie diese Themen waren, sind sie für das Examen doch eher irrelevant. Die richtige AG startete ungefähr im zweiten Monat der Station, wenn diejenigen Dozenten den Unterricht beginnen, mit die einen durch den Rest der AG begleiten. Zu den bisher unterrichteten Gebieten kommen nunmehr Urteile und Beschlüsse im Öffentlichen Recht, einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht, das Urteil im Strafverfahren und – von besonderer Wichtigkeit – das Zwangsvollstreckungsrecht der ZPO hinzu. Das ist eine ganze Menge Stoff und ich kann daher nur nachdrücklich empfehlen, das Lernen so früh wie möglich anzufangen. Ich habe es nicht gemacht und musste nachher eine große Menge aufholen. Außerdem fangen nunmehr die vier Klausurwochen an: In regelmäßigen Abständen, also ca. alle sieben bis acht Wochen schreibt man beim Landgericht vier Klausuren, üblicherweise in den Fächern Zivil-, Straf-, Öffentliches Recht und Zwangsvollstreckung. Diese Klausurwochen sind insofern ganz angenehm, als man schon nachmittags wieder frei hat, andererseits auch sehr anstrengend. Es macht Sinn, die Klausurwochen ernst zu nehmen, die aufgrund der Originalexamensfälle ein realistisches Bild über den Leistungsstand des Referendars zu diesem Zeitpunkt geben können. Meiner persönlichen Einschätzung nach ist die F-AG diejenige, in der man am meisten lernt und daher günstigstenfalls immer präsent ist. Richtig ist aber auch, dass gerade in der F-AG die Qualität des Unterrichts maßgeblich von den Fähigkeiten der AG-Leiter und der Motivation der AG abhängt. Zumindest den letzteren Faktor kann man ja beeinflussen.
2. Station(en)
Auch in der Anwaltsstation ist man bei der Wahl seiner Stage relativ frei. Einziges Kriterium ist, dass man von einem deutschen Rechtsanwalt ausgebildet wird. Es gibt auch die Möglichkeit, diese Station im Ausland wahrzunehmen – da ich aber niemanden kenne, der das getan hätte, kann ich dazu nichts berichten. Meines Erachtens bietet sich das aufgrund der Wichtigkeit der F-AG (s.o.) auch nicht gerade an.
Wie schon zuvor angedeutet, kann man die Station teilen, wenn man mehrere Stationen absolvieren möchte. Ich war die ersten drei Monate der Stage in der Rechtsabteilung eines DAX30-Konzerns in Düsseldorf. Jedem, der Interesse an der Karriere als Wirtschaftsanwalt hat, kann ich die Arbeit in einer Rechtsabteilung nur empfehlen, weil man einen wertvollen Einblick in die Arbeits- und Denkweise von Unternehmensjuristen bekommt, die ja spätere potentielle Mandanten sind. Im Gegensatz zum Rechtsanwalt vertreten Unternehmensjuristen ja nur einen Mandanten, nämlich das Unternehmen, für das sie arbeiten. Die Arbeit ist dennoch nicht weniger vielfältig und gerade in den Rechtsabteilungen von großen Konzernen gibt es Juristen in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts, sei es Corporate, Kartellrecht, IP oder Commercial.
Den zweiten Teil meiner Station habe ich in einer sog. Boutique verbracht, also einer Kanzlei, die auf sehr hohem Niveau praktisch ausschließlich ein rechtliches Spezialgebiet bearbeitet. Das hat mir besonderen Spaß gemacht, weil ich mich im Gesellschaftsrecht austoben konnte, was mir persönlich am meisten liegt.
Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass man tendenziell in dem Gebiet arbeiten sollte, das man auch später beackern möchte. Wer sich z.B. selbständig machen möchte, ist sicher gut in einer kleineren Kanzlei oder bei einem Einzelanwalt aufgehoben. Wer sich z.B. mit dem Gedanken trägt, die Staatsanwaltschaft zu verstärken, kann sicherlich wertvolle Erfahrungen bei einem Fachanwalt für Strafrecht sammeln.
Ich bereue nicht, die Station in zwei unterschiedliche Abschnitte aufgeteilt zu haben, weil es einfach viel Spaß gemacht hat. Man sollte sich aber der Tatsache bewusst sein, dass man wegen der Mindestlänge der Stationen von jeweils drei Monaten und der Gesamtlänge dieses Ausbildungsabschnitts von faktisch neun Monaten nur noch drei Monate zum Lernen hat. Gerade weil ich während der Stationen nicht viel getan hatte, musste ich jetzt einen großen Berg aufholen.
Passend daher direkt zum nächsten Thema.
3. Examensvorbereitung
Ganze Bibliotheken sind offenbar zu der Vorbereitung auf das zweite Examen geschrieben worden, dazu will ich nicht noch einen Beitrag leisten. Daher hier kurz und knapp meine ganz persönliche Einschätzung zur Vorbereitung auf das Examen:
Um das oben Angedeutete noch mal zu wiederholen: Es ist meines Erachtens nicht erforderlich, schon vor der Verwaltungsstation mit intensiverem Lernen zu beginnen. Wenn man in dieser Zeit mitdenkt und ein paar Skripte liest, fährt man damit sicherlich gute. Mit der Anwaltsstation sollte sich aber der Blickwinkel ändern: Keine noch so coole oder profilierte Station im Lebenslauf hilft einem später, wenn man das Examen vergeigt. Daher ist eine konsequente Vorbereitung wirklich wichtig.
Wieder einmal scheiden sich die Geister z.B. an der Frage der Notwendigkeit eines kommerziellen Repetitoriums. Ich bin immer noch der Auffassung, dass ich vor dem ersten Examen erst durch das Rep Jura gelernt habe, daher war es für die Vorbereitung auf das Erste Examen für mich von größter Bedeutung. Ich war auch mit Beginn der Anwaltsstation zur Vorbereitung auf das zweite Examen wieder beim Rep und habe auch z.B. ein paar Crashkurse zu bestimmten Rechtsgebieten besucht, daher bin ich dahingehend vorbelastet. Es hat ganz sicher nicht soviel gebracht wie zum ersten Examen, war aber, denke ich, eine gute Hilfestellung. In meinem Fall hat es auch unglaublich zur Beruhigung des Gewissens beigetragen, was aus psychologischer Sicht in der Examensvorbereitung zumindest für mich persönlich nicht zu unterschätzen ist. Ob man ein Rep belegt oder nicht, ich würde jedem raten, sich zumindest ein, zwei Stunden zum Probehören anzutun. Außerdem macht es meiner Meinung nach sicher Sinn, Wochenend-Crashkurse zur Wiederholung vom materiellen Recht zu besuchen. Richtig ist aber auch, dass das Rep relativ viel Geld kostet und abends im Regelfall nicht vor 21.00 Uhr endet, so dass man in vielerlei Hinsicht größere Investitionen tätigt. Wie immer ist auch die Entscheidung zum oder gegen das Rep eine Typfrage.
Typfrage ist auch, ob man eher mit Skripten oder mit Büchern, einzeln oder in Gruppen lernt.
Wenn man seinen eigenen Stil vor dem ersten Staatsexamen gefunden hat, sollte man diesen grundsätzlich beibehalten. Ich persönlich habe mit einer Kombination aus Rep und dem Schreiben bzw. Durchlösen vieler Klausuren gute Erfahrungen gemacht. Was ich aus der eigenen Erfahrung jedenfalls sagen kann, ist dass man sich bis zum Examenstermin nicht zuviel aufhalsen sollte. Ich war in den letzten drei Monaten vor dem Examen unter der Woche immer um 7.30 Uhr in der Bibliothek des OLG, in der man entspannt und vor allem ungestört lernen konnte. Mein Lerntag war dann aber auch schon um 16.00 Uhr vorbei, so dass noch ausreichend Zeit für Sport blieb. Es macht, wie ich finde, überhaupt keinen Sinn, ausgebrannt ins Examen zu gehen, die Zeit wird nämlich anstrengend genug und man braucht alle verfügbaren Kräfte.
Ein nicht ganz unwichtiges Thema ist auch das Versorgen mit der richtigen Literatur für die Klausuren: Es wird von jedem Kandidaten erwartet, dass er alle Gesetze auf dem neuesten Stand und zusätzlich in NRW die Kommentare für BGB, ZPO, HGB, StGB, StPO, VwGO und VwVfG dabei hat, und das in jeder Klausur. Es versteht sich von selbst, dass das eine gewisse Investition und eine große Schlepperei ist. Daher haben sich kommerzielle Kommentarverleihe etabliert. Wir haben mit fast der ganzen AG ein solches Angebot abgeschlossen und konnten damit die genannten Werke inklusive eines Rollkoffers für EUR 80,00 pro Person für die zweiwöchige Klausurphase mieten. Das sei jedem ans Herz gelegt, zumal man die meisten dieser Bücher nach einem erfolgreichen Examen sowieso nicht mehr braucht.
4. Examen
Schon zu Beginn des Referendariats steht fest, wann man die Klausuren schreiben würde: Zu Beginn des 21. Ausbildungsmonats steht einem diese Aufgabe bevor. Die genauen Termine finden sich auf der Seite des LJPA, teilweise bis zu einem Jahr im Voraus. Ca. drei Wochen vor den eigentlichen Terminen bekommt man Post mit der Ladung und der Kennziffer, die für alle Klausuren gilt. Ab diesem Zeitpunkt bietet es sich an, den Adrenalinlevel langsam hochzufahren und noch mal in den Endspurt zu gehen. Meine erste Klausur lag – wie in NRW üblich – an einem Montag, so dass ich am davorliegenden Samstag die Bücher zugemacht habe und versucht habe, mich noch ein bisschen zu entspannen.
Am großen Tag waren wir alle zwar aufgeregt, aber insgesamt, denke ich. nicht zu nervös. Man schreibt die Klausuren in einem großen Raum mit vielen anderen Prüflingen zusammen, so dass man sich vorher noch ein bisschen ablenken kann. Vor jeder Klausur muss man ein Deckblatt ausfüllen, das neben der Kennziffer noch ein paar weitere Angaben enthalten muss.
Das Gute an den Klausuren ist, dass man schon gegen 14.00 Uhr fertig ist und den Rest des Tages entspannen kann, so gut es geht. Ich habe mir meistens noch mal für eine Stunde (aber auch nicht mehr!) etwas für den nächsten Tag angesehen – grundsätzlich würde ich aber Entspannung empfehlen. Wir haben die Klausuren in der Reihenfolge Zivilurteil, Anwaltliches Gutachten im Zivilrecht, Zwangsvollstreckung, Übriges Zivilrecht, Anklage, Revision im Strafrecht, Urteil im Ö-Recht und Anwaltliches Vorgehen im Ö-Recht geschrieben, so dass zwischen Zivilrecht und Strafrecht / Ö-Recht noch ein ganzes Wochenende lag, was ich im Hinblick auf Strafrecht sehr gut fand, weil man sich die vielen Formalia im Strafrecht noch einmal ins Kurzzeitgedächtnis prügeln kann.
Was die Notengebung für die Klausuren angeht, so werden die Einzelnoten aus den acht Klausuren addiert und mit 0,75 multipliziert. Das Ergebnis ergibt die Vornote für die mündliche Prüfung.
Grundsätzlich gilt für das Examen aber wie auch sonst, dass alles halb so schlimm ist. Es haben schon andere geschafft – ihr schafft das auch.
Fünfte und letzte Station – Wahlstation
Die Wahlstation ist in vielerlei Hinsicht dankbar. Erstens kann man nach den stressigen zwei Examenswochen mal ein wenig durchatmen, denn die mündliche Prüfung ist zumindest gefühlt noch sehr weit weg. Zweitens ist man in der Wahl seiner Station praktisch keinen Beschränkungen unterlegen, allein die juristische Ausbildung muss gewährleistet sein.
Man könnte sich jetzt auf die faule Haut legen und sich einfach einen Ausbilder suchen, bei dem man gar nichts tun muss. Umgekehrt sollte man aber auch nicht vergessen, dass man mit der Wahl der Wahlstation seinen Lebenslauf sehr gut aufpolieren kann. Entweder, indem man bei dem Anwalt oder Gericht arbeitet, zu dem man auch nach dem Examen gehen möchte, oder aber man nutzt die Wahlstation für einen (zweiten) Auslandsaufenthalt während des Referendariats. So kann man auch noch mal offiziell die ausreichenden Fremdsprachenkenntnisse, auch im Hinblick auf die Fachsprache, dokumentieren, die zumindest jeder haben sollte, der später als Wirtschaftsanwalt oder -anwältin tätig sein will.
Ich selbst habe das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden und habe mich während des deutschen Winters für drei Monate nach Australien aufgemacht. Und dort, neben sehr interessanter Arbeit und tollen Menschen, noch sehr viel entspannen können. Um es noch mal zu wiederholen: Auch in dieser Station zahlt es sich aus, ein bisschen Initiative an den Tag zu legen. Egal, wo ihr hingeht, sei es ins Inland oder ins Ausland, sind sehr gute Stellen rar. Eine Bewerbung während der Verwaltungsstation macht auf jeden Fall Sinn.
Es stehen alle Möglichkeiten offen, wichtig ist nur, sie dann auch entsprechend zu nutzen!
Am Ende der Wahlstation (regelmäßig in der dritten Woche des Monats) bekommt man per Post seine Vorpunkte, also die Ergebnisse der Examensklausuren, zugestellt. Vorher wird im Internet auf den Seiten des LJPA eine Liste veröffentlicht, auf denen sich die Kennziffern derjenigen Kollegen finden, die es leider nicht zu mündlichen Prüfung geschafft haben. Das Warten auf die Examensnoten ist natürlich extrem aufregénd, aber man kann sich ja durch viel Arbeit in der Station oder einen schönen Urlaub ablenken.
Ende – Mündliche Prüfung
Wenn man aus der Wahlstation wieder da ist, hat man mindestens noch einen Monat zum Lernen. Den Termin der mündlichen Prüfung erfährt man erst drei Wochen vor der tatsächlichen Prüfung, er kann damit irgendwann im 26. Monat liegen – man weiß es erst kurz vorher. Die mündliche Prüfung selbst findet immer in den Gebäuden des LJPA statt und erstreckt sich praktisch über einen ganzen Tag. Sie setzt sich zusammen aus dem Aktenvortrag (eine Note mit einfacher Wertung) und dem sog. Prüfungsgespräch (bestehend aus Zivilrecht, Strafrecht und Ö-Recht), dessen Wert mit drei multipliziert wird. Wie schon im ersten Examen kann man mit dem Stoff des Prüfungsgespräches Glück oder Pech haben, viel hängt wie immer auch an der Prüfungskommission. Zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung kann man wie schon zum ersten Examen Prüfungsprotokolle der Prüfer bekommen.
Wofür man im Hinblick auf die Mündliche richtig üben kann, ist der Aktenvortrag. Es macht sicherlich Sinn, sich mit einem oder mehreren Kollegen mit Originalaktenvorträgen auf diesen Teil der Prüfung vorzubereiten. Wie bei sonst keinem Teil des Examens gilt hier nämlich, dass insbesondere die Zeiteinteilung und Formulierung mit jedem geübten Vortrag deutlich besser werden. Die Prüfung selbst unterscheidet sich kaum vom derjenigen des erstens Examens.
Fazit
Ich hoffe, dass die Beschreibung meiner persönlichen Erfahrungen Euch ein wenig helfen konnte. Als Fazit ist mir wichtig, dass Ihr Euch bewusst werdet, dass ihr mehr als früher Euer eigenes Schicksal in der Hand habt und das Referendariat im Regelfall die direkte Station vor dem Berufseinstieg ist. Initiative und Einsatz sind hier besonders gefragt – ihr habt es in der Hand, aus einem verschulten und zähen System für Euch persönlich zwei tolle und aufregende Jahre zu machen – viel Erfolg dabei und alles Gute.
Solltet ihr noch Fragen haben, schickt diese gerne an arnekiessling ( at ) gmx (punkt) de.
Dr. Arne Kießling
Für viele von Euch vielleicht noch in weiter Ferne, für manche (besonders die, die gerade das erste Examen geschrieben haben) auch ganz nah: Das juristische Referendariat, das mit dem zweiten Examen abschließt, nach dem man sich dann als Volljurist fühlen darf. Gestern ging es bei mir los, und zwar am LG Bonn.
Wann bewerben?
Für diejenigen, die gerade ihr Examen hinter sich gebracht haben und noch nicht so recht wissen, wie es weitergeht (Promotion? LL.M.?): Man kann sich am besten direkt nach dem Examen bewerben. Entschließt man sich dann, vor dem Referendariat noch etwas anderes zu machen, kann man den Einstellungstermin „schieben“. Das bedeutet, man behält seinen Listenplatz und wird nur zu einem späteren Zeitpunkt eingestellt. In NRW kann man derzeit allerdings nur um jeweils mindestens drei Monate schieben.
Wie geht es weiter?
Rückt der Einstellungstermin näher, bekommt man eine ganze Flut von Briefen vom zuständigen OLG. Man erhält die Nachricht, dass die Einstellung zu einem bestimmten Termin beabsichtigt ist. Dann bekommt man einen Stapel Formulare für die Dienststelle und das LBV (Landesamt für Besoldung und Versorgung, da kommt das Geld her). Schließlich erhält man etwa zwei Wochen vor Beginn des Referendariats ein Schreiben mit einer Ladung zum Einstellungstermin.
Der Einstellungstermin
Was einen dort erwartet, wusste ich vorher nicht so genau. Ich hatte damit gerechnet, mir in einer Verwaltungsstube einen Stapel Papier und einen feuchten Händedruck anzuholen, um dann zur Arbeitsgemeinschaft zu gehen. Am LG angekommen, stellte ich fest, dass ich mich geirrt hatte: Es gab einen großen Raum, in dem alle zu diesem Termin eingestellten Referendare versammelt wurden. Dann kamen eine Dame von der Referendarabteilung sowie der für die Referendarsausbildung zuständige Richter hinzu und wir wurden zwei Stunden lang über unsere Pflichten belehrt, mussten einige Formulare unterschrieben und erhielten schließlich unseren Referendarsausweis.
Danach: Back to school
Danach ging es in die AG-Räume (in Bonn etwas außerhalb gelegen, an der Bornheimer Straße). Hier hatte man wieder original Schulatmosphäre: Zweiundzwanzig Leute in einem engen Raum mit zu kleinen Tischen und auch sonst spartanischer Einrichtung (der OHP in der Ecke durfte natürlich nicht fehlen). Eine Richterin brachte uns dann die Verfahrensgrundsätze der ZPO näher. In den ersten Wochen hat man den sog. Einführungslehrgang, d.h. zwei bis drei mal die Woche viereinhalb Stunden AG, später nur noch einmal die Woche.