Im Folgenden eine Übersicht über in letzter Zeit in Zeitschriften veröffentlichte interessante Entscheidungen von Obergerichten in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschl. v. 14.2.2012 – 3 StR 392/11 (= NStZ 2012, 627 f. = StV 2012, 465 f.)
– Kein Raub bzw. räuberische Erpressung bei der gewaltsamen Wegnahme eines Mobiltelefons zur bloßen Durchsuchung des Speichers und dem anschließenden Kopieren einzelner Daten –
1. Es liegt keine für einen Raub erforderliche Zueignungsabsicht vor, wenn der Täter ein Mobiltelefon gewaltsam an sich bringt, um im Speicher des Geräts nach Beweisen für die Art der Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Schwester einer dritten Person zu suchen. Gleiches gilt für das Kopieren gefundener Daten, da dies nicht zu deren Verbrauch führt.
2. Ebenfalls fehlt es in diesem Fall an einer Bereicherungsabsicht i.S.d. räuberischen Erpressung, da der bloße Besitz einer Sache nur dann einen Vermögensvorteil darstellt, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt.
II. BGH, Urt. v. 27.6.2012 – 2 StR 79/12 (= NStZ 2012, 629 f. = wistra 2012, 385 f.)
– Zum Vermögensschaden beim Betrug –
1. Wird bei einem Kauf über Umstände getäuscht, die den Verkehrswert der Sache maßgeblich mitbestimmen, erleidet der dadurch zum Kaufabschluss bewogene Kunde einen Betrugsschaden regelmäßig nur dann, wenn die Sache objektiv den vereinbarten Preis nicht wert ist. Unerheblich ist demgegenüber regelmäßig, ob die gelieferte Ware von geringerem Wert ist als die vertraglich vereinbarte.
2. Daher ist beim Fehlen einer vom Verkäufer fälschlich zugesicherten Eigenschaft der Kaufsache der Käufer nicht stets und ohne Rücksicht darauf, ob die Sache trotz Fehlens der zugesicherten Eigenschaft den vereinbarten Preis wert ist, durch den Abschluss des Vertrages betrügerisch geschädigt (hier: Kauf von Plagiatsfelgen, die als Originalfelgen ausgegeben wurden).
III. OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2012 – 31 Ss 27/12 (StraFo 2012, 419 ff. = DAR 2012, 644 ff.)
– Zur Rechtswidrigkeit einer Diensthandlung i.S.d. § 113 StGB bei einer Verkehrskontrolle –
Eine Diensthandlung ist rechtswidrig im Sinne von § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB, wenn Polizeibeamte einen Betroffenen falsch belehrt haben (konkret: Belehrung über eine allgemeine Verkehrskontrolle nach § 36 Abs. 5 StVO, wenn tatsächlich der Verdacht einer Trunkenheitsfahrt besteht).
VI. OLG Hamm, Urt. v. 21.8.2012 – III-4 Rvs 42/12 (= wistra 2012, 447 f.)
– Untreue und Irrtum über das Einverständnis des Vermögensinhabers –
1. Der Tatbestand der Untreue setzt einen gravierenden Pflichtenverstoß voraus, der durch das Einverständnis des Vermögensinhabers mit dem Handeln des Täters entfällt.
2. Ein Irrtum des Täters über das Einverständnis ist Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB.
(Anm.: Das OLG nutzt in der Entscheidung teilweise auch den Begriff der „Einwilligung“, offenbar als Synonym – dies ist in der Prüfung strikt zu vermeiden!)
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