Was ist ein Rechtssubjekt? Die Frage klingt banal, wird aber im Studium so gut wie nie erörtert. Bei mir beschränkte sich die Ausbildung durch die Profs auf fünf Minuten in meiner ersten BGB AT-Stunde im ersten Semester. OHG? Nasciturus? Nie gehört. Dabei ist die Abgrenzung zwischen Rechtssubjekten und solchen Gebilden, die es nicht sind, sowohl im Privatrecht als auch im öffentlichen Recht (einschließlich des jeweiligen Prozessrechts) von größter Bedeutung. Deshalb hier ein kurzer Überblick:
I. Was zeichnet ein Rechtssubjekt aus?
Ein Rechtssubjekt zeichnet sich dadurch aus, dass es selber Träger eigener Rechte und Pflichten sein kann. Es nimmt also nicht nur fremde Rechte wahr. Wann dies der Fall ist, kann vor allem bei Zusammenschlüssen von natürlichen Personen zweifelhaft sein. Wann ein Rechtssubjekt vorliegt und wann nicht, ist nirgendwo geregelt. Der BGH stellt vor allem auf zwei Kriterien ab: Organisatorische Verselbständigung und nicht nur auf Abwicklung gerichtete Zwecksetzung (vgl. etwa BGH, Urt. v. 11. 9. 2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389, 3390).
II. Welche Rechtssubjekte gibt es?
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Rechtssubjekten: Natürliche Personen, also Menschen, und sonstige Rechtssubjekte.
1. Mensch als Rechtssubjekt
Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt nach § 1 BGB mit der Vollendung der Geburt. Dies gilt unter dem BGB für alle Menschen. Mit Vollendung der Geburt kann der Mensch also Träger von Rechten und Pflichten sein. Ein Sonderfall gilt im Erbrecht: Das gezeugte, aber ungeborene Kind (nasciturus) ist nach § 1923 Abs. 2 BGB erbfähig. Zu beachten ist auch, dass der Schutz des menschlichen Lebens im Strafrecht schon vor dem Beginn der Geburt einsetzt (§§ 218 ff. StGB).
2. Sonstige Rechtssubjekte
Bei den sonstigen Rechtssubjekten ist weiter zu differenzieren zwischen den Rechtssubjekten des öffentlichen Rechts und denen des Privatrechts. Diese Differenzierung bedeutet nicht, dass die jeweiligen Rechtssubjekte jeweils nur im öffentlichen oder im Privatrecht anerkannt werden. Es geht lediglich darum, in welchem Bereich der Rechtsordnung sie ihren Ursprung haben.
a) Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts
Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts sind zunächst Staaten, also der Bund und die Länder. Auch die Gemeinden sind wegen Art. 28 Abs. 2 GG als Rechtssubjekte anzusehen. Seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ist auch die EU Rechtssubjekt (vorher nur die EG), vgl. Art. 47 EUV.
Daneben gibt es juristische Personen des öffentlichen Rechts. Diese werden in der Regel durch (materielles) Gesetz errichtet und werden folgenden drei Typen zugeordnet (vgl. § 89 BGB):
– Körperschaften (z.B. die Universitäten, beachte: auch die Gemeinden und Kreise sind Körperschaften, sog. Gebietskörperschaften).
– Stiftungen
– rechtsfähige Anstalten (z.B. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin).
b) Rechtssubjekte des Privatrechts
Bei den Rechtssubjekten des Privatrechts ist juristisch streng zu unterscheiden zwischen den juristischen Personen und den Gesamthandsgemeinschaften.
Zu den juristischen Personen des Privatrechts zählen:
– der eingetragene Verein (§§ 21 ff., 55 ff. BGB, z.B. juraexamen.info e.V.)
– die Stiftung (§§ 80 ff. BGB)
– die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl. § 13 GmbHG)
– die Aktiengesellschaft (§ 1 AktG)
– die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA, § 278 AktG)
– die eingetragene Genossenschaft (e.G., vgl. § 1 GenG)
– die Europäische Aktiengesellschaft (SE)
– die Europäische Genossenschaft (SCE)
– EU-Auslandsgesellschaften (s. dazu diesen Artikel).
Zu den rechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaften zählen:
– die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB, seit BGHZ 146, 341 – ARGE Weißes Roß)
– die offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB, § 124 HGB)
– die Kommanditgesellschaft (§§ 161 ff. HGB, § 124 HGB)
– die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV, § 1 EWIVAG i.V.m. § 124 HGB).
Daneben gibt es Gesamthandsgemeinschaften, die nicht rechtsfähig sind, insbesondere:
– die Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB, dazu BGH, Urt. v. 11. 9. 2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389)
– die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG, § 10 WEG, die aber nach BGH, Beschl. v. 2. 6. 2005 – V ZB 32/05, NJW 2005, 2061 teilweise rechtsfähig ist).
III. Was folgt daraus?
Was bringt es mit sich, Rechtssubjekt zu sein? Wie gesagt, ist das Rechtssubjekt selber Träger von Rechten und Pflichten. In der Klausur ist deshalb z.B. zu fragen, ob die GbR selber (und nicht ihre Gesellschafter oder der handelnde Geschäftsführer) einen Anspruch hat, einen Vertrag geschlossen hat etc.
Daneben hat die Rechtsfähigkeit auch im Prozessrecht Bedeutung. Nach § 50 ZPO ist parteiähig nur, wer rechtsfähig ist. Im Verwaltungsprozes bestimmt § 61 VwGO, wer beteiligtenfähig ist. Auch dabei kommt es in erster Linie auf die Rechtsfähigkeit an (Ausnahmen gelten für Behörden).
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