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Schlagwortarchiv für: Raub

Redaktion

Gedächtnisprotokoll Strafrecht Mai 2024 NRW

Aktuelles, Examensreport, Nordrhein-Westfalen, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT, Verschiedenes

Wir freuen uns sehr, ein Gedächtnisprotokoll zur Strafrechtsklausur des Mai-Durchgangs 2024 in Nordrhein-Westfalen veröffentlichen zu können und danken Laura erneut ganz herzlich für die Zusendung. Selbstverständlich kann juraexamen.info keine Gewähr dafür geben, dass die in Gedächtnisprotokollen wiedergegebene Aufgabenstellung auch der tatsächlichen entspricht. Dennoch sollen Euch die Protokolle als Anhaltspunkt dienen, was euch im Examen erwartet.

Sachverhalt

A ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten und beschließt sich auf unredliche Weise Geld zu beschaffen. Dabei erinnert er sich an ein Gespräch mit seiner Freundin F, die ihm beiläufig und ohne Gedanken, erzählte dass ihre 90-jährige Bekannte B in einem kleinem Häusschen am Stadtrand lebt, aber eigentlich eine teure Villa besitzt, in der sich ihre Habseligkeiten befinden. A beschließt, dass B das perfekte Ziel sei. Er schafft es auch tatsächlich, dass die B ihn im Februar zum Kaffee einlädt. Schon kurz nach seiner Ankunft drückt er die B kraftvoll in den Sessel und fesselt sie mit einem mitgebrachten Kabel. Die nächsten 15 Minuten isst der A seinen mitgebrachten Kuchen. Anschließend streicht er sich mit der Gabel über den Arm und suggeriert ihr, dass sie ihm sagen solle wo sich der Schlüssel zur Villa befindet, da er ihr sonst weh tun würde. B ist ihr körperliches Wohlbefinden wichtiger als ihre Besitztümer und sie gibt ihm preis, dass sich der Schlüssel in einer Dose befindet. Alleine hätte A diesen Schlüssel niemals gefunden.

Er lässt die B gefesselt zurück und begibt sich zur Villa. Er betritt diese und findet auch relativ schnell die Schmuckschatullen der B, seine anvisierte Beute, aber ihn packt das schlechte Gewissen der ihm doch sympathischen B gegenüber und er verlässt die Villa wieder ohne etwas einzustecken. Er kommt zeitgleich mit F zum Haus zurück, dessen Tür er nur angelehnt hatte, wo F ihn direkt anherrscht mit „mach sie sofort los!“. A zerschneidet das Kabel und verschwindet. Die B bleibt unverletzt.

Im März, der A hat noch immer kein Geld und ist seines Lebens müde, beschließt er sich das Leben zu nehmen und „seine geliebte F mitzunehmen“.

Dazu lädt er F in sein Wohnmobil ein, die in der Annahme ist, dass die beiden einen romantischen Tag verbringen werden. Blitzschnell und ohne dass F reagieren könnte, gießt der A Benzin über die Sitzecke und die Küche und entzündet es. Das Feuer breitet sich rasch auf den Boden und die Wände aus und durch das Feuer ist der F auch der Weg zur Eingangstüre versperrt. Die F könnte sich alleine nicht mehr befreien. Entgegen seines ursprünglichen Plans entschließt A nun zuerst die F zu retten und dann sich selbst. Er schafft es im hinteren Teil ein Fenster aufzuklappen und hilft erst der F hinauszuklettern und dann sich selbst – das passiert im letzten Moment. Das Wohnmobil ist bereits kurz darauf vollständig ausgebrannt. Der A trägt keine Verletzungen davon, die F lediglich leichte Verbrennungen an den Armen die schnell und ohne Probleme verheilen.

Frage 1: (Wie) Hat sich A bezüglich der Geschehnisse im Februar strafbar gemacht?

Frage 2: (Wie) Hat sich der A bezüglich der Geschehnisse im März strafbar gemacht?

Bearbeitervermerk: die Tatbestände des Abschnitts 17 sind nicht zu prüfen. Die §§ 211, 239, 240, 303 sind nicht zu prüfen!

Fallfortsetzung

A, noch immer mit Geldsorgen, beschließt das hochwertige Lastenrad der F, welches sie ihm zur alleinigen Nutzung überlassen hat, an den gutgläubigen K zu veräußern. Sein Plan ist es anschließend der F darzustellen, dass das Rad gestohlen wurde, damit sie dies ihrer Versicherung (G) melden kann, da er weiß, dass das Rad durch die F versichert wurde. Dabei geht er – zu Unrecht – davon aus, dass das Rad auch gegen Diebstahl versichert ist.

Frage 3: Hat sich der A wegen versuchten Versicherungsbetrugs gem. § 265 StGB strafbar gemacht?

03.06.2024/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2024-06-03 12:54:412024-06-03 12:55:25Gedächtnisprotokoll Strafrecht Mai 2024 NRW
Redaktion

Raub (§ 249 StGB)

Karteikarten, Strafrecht, Uncategorized

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Wegnahme einer fremden beweglichen Sache

(P): Abgrenzung zur Räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255 StGB

Abgrenzungskriterium:

  • Rspr.: Äußeres Erscheinungsbild
  • h.L.: Innere Willensrichtung des Opfers

b) Qualifiziertes Nötigungsmittel: Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

c) Zusammenhang zwischen Wegnahme und Nötigung

aa) Finalzusammenhang: Nötigung muss aus der Sicht des Täters kausal für die Wegnahme in ihrer konkreten Gestalt werden

bb) Weitere Anforderungen der Rspr.: zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz

b) Zueignungsabsicht

3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung und entsprechender Vorsatz

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

17.10.2022/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2022-10-17 15:15:392023-10-04 14:40:40Raub (§ 249 StGB)
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zum Gewahrsamsbruch am Geldautomaten

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT

Mit aktuellem Beschluss vom 03.03.2021 hat sich der BGH (Az.: 4 StR 338/20) wieder einmal zu Feinheiten des Gewahrsamsbruchs beim Diebstahl geäußert: Konkret widmete sich der BGH der Frage, wie sich die Gewahrsamsverhältnisse am Bargeld im Ausgabefach eines Geldautomaten darstellen, wenn der Kunde den Auszahlungsvorgang durch Einführen seiner Karte und Eingabe der PIN bereits ausgelöst hat. Hierzu hat der BGH ausgeführt, dass mit der Bereitstellung des Geldes im Ausgabefach und der hierdurch eröffneten Zugriffsmöglichkeit jedenfalls ein (Mit-)Gewahrsam des Berechtigten begründet wird. Dessen antizipierter Erlangungswille genügt für die Annahme eines erforderlichen subjektiven Herrschaftswillens. Ein Blick in die Grundzüge der Entscheidung lohnt sich nicht nur für Examenskandidaten: Die der Entscheidung zugrunde liegende Konstellation lässt sich problemlos in Klausuren ab dem Grundstudium einfügen und eignet sich auch hervorragend für mündliche Prüfungen. Das Setting des Falls ­– der Kunde am Bankautomaten – lädt dabei dazu ein, die erforderliche saubere Prüfung der Diebstahlsmerkmale mit der regelmäßig folgenden Abgrenzung Raub / räuberische Erpressung und sogar mit EC-Karten-Problemen zu kombinieren.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der Täter (T) stellte sich in einer Bankfiliale in die Nähe seines Opfers (O). Er wartete darauf, dass der O in der Absicht, Bargeld abzuheben, seine EC-Karte in einen Geldautomaten eingeführt und seine PIN-Nummer ordnungsgemäß eingegeben hatte. Sodann bedrängte T den O, indem er ihn zur Seite schubste, und gab in das Bedienfeld einen Betrag von 500,00 Euro ein. Das sodann anforderungsgemäß ausgegebene Bargeld entnahm T dem Automaten und entfernte sich.
 
Strafbarkeit des T nach § 242 Abs. 1 StGB?
 
Anmerkung: In einem Fall mit einer offensichtlichen qualifizierten Nötigungshandlung wäre die Prüfung einer Strafbarkeit wegen Raubes gemäß § 249 StGB vorrangig. Aus didaktischen Gründen – und weil die vollendete qualifizierte Nötigung in der hier zu besprechenden Entscheidung durch die Vorinstanz nicht festgestellt wurde – erfolgen die nachstehenden Ausführungen zum Gewahrsamsbruch im Rahmen einer Diebstahlsprüfung. Diese sind freilich für die Prüfung einer Wegnahme im Rahmen von § 249 StGB bei einer entsprechenden Sachverhaltskonstellation dieselben.
 
B) Rechtserwägungen
In Betracht kommt eine Strafbarkeit des T wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB.
 
I. Objektiver Tatbestand
1. Fremde bewegliche Sache
Es müsste sich hierfür bei den Geldscheinen zunächst um fremde bewegliche Sachen handeln. Fremd ist eine Sache, wenn sie jedenfalls nicht im Alleineigentum des Täters steht (MüKoStGB/Schmitz, 3. Aufl. 2017, StGB § 242 StGB Rn. 31). Vorliegend ist mithin zu klären, ob die Bank das Geld an den T gemäß § 929 S. 1 BGB durch Ausgabe der Scheine übereignet hat. Adressat des mit dem Ausgabevorgang verbundenen Einigungsangebots ist nach den vertraglichen Beziehungen zwischen Kontoinhaber und Geldinstitut und der Interessenlage der Parteien gleichwohl lediglich der Kontoinhaber, nicht aber ein unberechtigter Benutzer des Geldautomaten. Dies gilt nach der ganz herrschenden Meinung auch dann, wenn eine technisch ordnungsgemäße Bedienung des Automaten vorangegangen ist (BGH, Beschluss v. 21.03.2019 – 3 StR 333/18, NStZ 2019, 726 Rn. 8; BGH, Beschluss v. 16.11.2017 – 2 StR 154/17, NJW 2018, 245 Rn. 9 m.w.N.). Denn bei der Auslegung der konkludenten rechtsgeschäftlichen Erklärung der Bank sind die Interessen und Zwecke, die mit einer dinglichen Einigung verfolgt werden, zu berücksichtigen. Danach hat ein Geldinstitut keinen Anlass, das in seinem Automaten befindliche Geld an einen unberechtigten Benutzer der Bankkarte und der Geheimzahl des Kontoinhabers zu übereignen. Im Gegenteil richtet sich sein Übereignungsangebot erkennbar ausschließlich an den Kontoinhaber (BGH, Beschluss v. 21.03.2019 – 3 StR 333/18, NStZ 2019, 726 Rn. 9; BGH, Beschluss v. 16.11.2017 – 2 StR 154/17, NJW 2018, 245 Rn. 10). Da der O an einer Annahme durch den T gehindert worden ist, ist das Eigentum an den Geldscheinen mithin bei der Bank verblieben.
 
Anmerkung: Im aktuellen Beschluss stellt der BGH die Fremdheit unter Verweis auf die oben genannten Entscheidungen lediglich fest, ohne selbst eine mögliche Übereignung zu prüfen. In einer Klausur müsste selbstverständlich schon an dieser Stelle eine ausführliche Prüfung erfolgen.
 
2. Wegnahme 
Diese müsste der T aber auch weggenommen haben. Unter Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendiger Weise tätereigenen Gewahrsams zu verstehen. Gewahrsam bedeutet die von einem natürlichen Willen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Umfang nach der Verkehrsauffassung bestimmt wird. Maßgeblich ist hierbei, dass objektiv keine Hindernisse bestehen, den Willen zur unmittelbaren Einwirkung auf die Sache zu verwirklichen. Hierzu muss nicht notwendigerweise eine räumliche Nähe zur Sache bestehen. Vielmehr genügt es, wenn die Sachherrschaft bei einer räumlichen Trennung im Bereich des sozial Üblichen für eine bestimmte Zeit ausgeübt werden kann. Subjektiv ist ein Herrschaftswille erforderlich, der sich aber auch auf eine Vielzahl von Sachen in einem bestimmten Bereich beziehen kann. Beispielsweise hat der abwesende Wohnungsinhaber einen generellen Gewahrsamswillen hinsichtlich aller Sachen in der Wohnung, auch wenn er nicht zugegen ist (Lackner/Kühl/Kühl, 29. Aufl. 2018, § 242 StGB Rn. 9, 11) und insoweit eine sogenannte Gewahrsamslockerung besteht.
 
a) Bruch des Gewahrsams des Geldinstituts?
Vorliegend könnte der T den Gewahrsam des Geldinstituts gebrochen haben, indem er die Scheine dem Ausgabefach entnahm. Es stellt sich jedoch diesbezüglich die Frage, ob die Herausnahme von Bargeld, das ein Geldautomat nach äußerlich ordnungsgemäßer Bedienung ausgibt, den Bruch des – gelockert fortbestehenden – Gewahrsams des den Automaten betreibenden Geldinstituts bzw. der für dieses handelnden natürlichen Personen (vgl. LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 242 Rn. 57 mwN) darstellt oder ob die Freigabe des Geldes als willentliche Aufgabe des Gewahrsams zu werten ist. Dies ist umstritten und wird auch in der höchstinstanzlichen Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt (für eine willentliche Aufgabe des Gewahrsams – mit der Folge, dass dieser nicht mehr gebrochen werden kann – hat sich der zweite Strafsenat des BGH im Jahr 2017 ausgesprochen, s. BGH, Beschluss v. 16.11.2017 – 2 StR 154/17, NJW 2018, 245; dagegen hat der dritte Strafsenat im Jahr 2019 einen fortbestehenden Gewahrsam des Geldinstituts an im Ausgabefach liegenden Scheinen angenommen, s. hierzu BGH, Beschluss v. 21.03.2019 – 3 StR 333/18, NStZ 2019, 726).
 
b) Jedenfalls Bruch des (Mit-)Gewahrsams des Bankkunden
In dem aktuellen Beschluss vom 03.03.2021 hat sich der vierte Strafsenat des BGH es leicht gemacht und die Problematik offengelassen: Denn jedenfalls war nach der Ansicht des BGH im Zeitpunkt der Entnahme des Geldes durch den T bereits ein (Mit-)Gewahrsam des O an dem Geld begründet worden. Der BGH hat hierbei darauf hingewiesen, dass die Eigentumsverhältnisse in Bezug auf die Geldscheine nicht maßgeblich für die Bestimmung der Gewahrsamsverhältnisse sind:

„Hiernach kommt es für die Sachherrschaft zwar nicht auf eine Berechtigung an der Sache an, denn sonst könnte ein deliktischer Gewahrsam niemals erlangt werden (vgl. Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 25); vielmehr ist der Gewahrsam ein faktisches Herrschaftsverhältnis über eine Sache. Dessen Bestehen oder Nichtbestehen beurteilt sich auch danach, ob Regeln der sozialen Anschauung bestehen, nach denen die Sache einer bestimmten, ihr nicht unbedingt körperlich am nächsten stehenden Person zugeordnet wird (vgl. Schmitz in MK-StGB, 3. Aufl., § 242 Rn. 70).“ (Rn. 8)

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der BGH angenommen, dass mit der Bereitstellung im Ausgabefach und der hierdurch eröffneten Zugriffsmöglichkeit jedenfalls ein (Mit-)Gewahrsam des Berechtigten, der durch die Einführung der Karte und die ordnungsgemäße Eingabe der PIN den Auszahlungsvorgang eingeleitet hat, begründet worden ist. Denn:

„Der Verkehr ordnet das Geld ab diesem Zeitpunkt jedenfalls auch dieser Person als das „ihre“ zu, wie sich auch daran zeigt, dass es sozial üblich ist und teils auch durch entsprechende Hinweise oder Vorrichtungen der Banken eingefordert wird, dass Dritte während des Abhebevorgangs Abstand zu dem Automaten und dem an ihm tätigen Kunden halten.“ (Rn. 10)

Das Vorliegen eines entsprechenden Herrschaftswillens des Bankkunden hat der BGH ebenfalls bejaht. Der in subjektiver Hinsicht erforderliche Herrschaftswille wird ebenfalls durch die Verkehrsanschauung geprägt. Es genügt zur Annahme eines Herrschaftswillens ein genereller, auf sämtliche in der eigenen Herrschaftssphäre befindlichen Sachen bezogener Wille ebenso wie der nur potentielle Beherrschungswille des schlafenden Gewahrsamsinhabers und ein antizipierter Erlangungswille in Bezug auf Sachen, die erst noch in den eigenen Herrschaftsbereich gelangen werden. Einen ebensolchen antizipierten Erlangungswillen hat der BGH im vorliegenden Fall angenommen:

„Der Abhebevorgang wird gerade zu dem Zweck und mit dem Willen zur Sachherrschaft über das ausgegebene Bargeld in Gang gesetzt. Dabei bezieht sich der antizipierte Herrschaftswille jedenfalls dann, wenn es sich – wie hier – bei dem Kartennutzer um den Kontoinhaber handelt, auf sämtliches Bargeld, das infolge des von ihm ausgelösten Vorgangs durch den Automaten ausgegeben wird. Denn das Bargeld wird – wie ihm bewusst ist – gerade unter entsprechender Belastung seines Bankkontos freigegeben. Für die Frage des Herrschaftswillens ist es deshalb unerheblich, dass im vorliegenden Fall jeweils nicht die Geschädigten, sondern die Angeklagten den Auszahlungsbetrag eingaben. Auch kommt es nicht darauf an, ob das Ansichnehmen des im Ausgabefach liegenden Geldes durch die Angeklagten von den Geschädigten wahrgenommen wurde oder ob dies heimlich geschah. Denn auch ein vom Bankkunden unbemerktes Ansichnehmen des Geldes änderte nichts an dessen Willen, an dem infolge seiner Eingabe bereitgestellten Geld die Sachherrschaft auszuüben.“ (Rn. 11)

Indem der T das Geld dem Ausgabefach entnommen hat, hat er mithin jedenfalls den (Mit-)Gewahrsam des O gebrochen und durch das Ansichnehmen und Fortlaufen eigenen Gewahrsam begründet.
 
II. Subjektiver Tatbestand
1. Vorsatz
T handelte auch mit Wissen und Wollen, also vorsätzlich.
2. Zueignungsabsicht
Er handelte zudem in der Absicht, sich die Geldscheine rechtswidrig zuzueignen.
 
III. Rechtswidrigkeit, Schuld
Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
 
IV. T hat sich wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
C) Fazit und Ausblick
Nach der aktuellen Entscheidung des BGH wird jedenfalls ein (Mit-)Gewahrsam des Bankkunden an den Geldscheinen begründet, die der Bankautomat nach ordnungsgemäßer Einführung der EC-Karte und Eingabe der PIN im Ausgabefach freigibt. Wenn nun ein anderer diese Geldscheine nimmt, bricht er also – unabhängig von der Frage, ob zu diesem Zeitpunkt noch das Bankinstitut (Mit-)Gewahrsamsinhaber ist, und unabhängig von den Eigentumsverhältnissen in Bezug auf die Geldscheine – jedenfalls den Gewahrsam des Bankkunden. Dies hat der BGH freilich nur für den berechtigten Karteninhaber entschieden. Hiervon ausgehend stellt sich als Ausblick beispielsweise die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn es sich um den nicht berechtigten oder den „nicht so“-berechtigten Karteninhaber handeln würde – eine komplexe Problematik, die im Rahmen von Hausarbeiten oder Examensklausuren in jedem Fall eine fundierte Argumentation erfordert. 
 

26.04.2021/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2021-04-26 09:20:412021-04-26 09:20:41BGH: Neues zum Gewahrsamsbruch am Geldautomaten
Dr. Lena Bleckmann

BGH: Neues zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei Versterben des Opfers

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Äußert sich der Bundesgerichtshof zu grundlegenden Fragen des Strafrechts, so sollte das Studenten und Examenskandidaten gleichermaßen aufhorchen lassen. So verdient auch die Entscheidung vom 17. März 2020 (Az. 3 StR 574/19) besondere Aufmerksamkeit. Sie beantwortet entscheidende Fragen zum spezifischen Gefahrzusammenhang beim Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) und gibt so Anlass, die objektive Zurechnung allgemein sowie die Voraussetzungen erfolgsqualifizierter Delikte zu wiederholen.
I. Was ist passiert?
Eine 84 Jahre alte Frau, die nicht mehr bei guter Gesundheit war, hatte bei ihrer Bank 600 Euro abgehoben und diese in ihrer Handtasche verstaut. Die Handtasche legte sie wiederum in den Korb ihres Rollators und wickelte den Gurt um den Rollatorgriff. So machte sie sich zu Fuß auf den Heimweg, als der Täter von hinten mit dem Fahrrad an ihr vorbeifuhr und die Handtasche ergriff. Dies tat er, obwohl er sah, dass die Tasche am Rollator befestigt war und sich so aufdrängen musste, dass die Gefahr bestand, dass das Opfer den Halt verlieren und schwer stürzen würde. So kam es auch: Der Frau entglitt der Rollator, sie stürzte und schlug mit dem Kopf auf dem Gehweg auf. Sie erlitt schwerste Schäden. Nach einer Operation erlangte sie aufgrund des während dieser erlittenen Blutverlustes das Bewusstsein nicht wieder. In Übereinstimmung mit der bestehenden Patientenverfügung der Frau stellten die Ärzte die Behandlung ein, sodass die Frau schließlich verstarb.
II. Hat der Täter sich wegen Raubes mit Todesfolge nach § 251 StGB strafbar gemacht?
Mit dieser Frage setzte sich der BGH auseinander. Bevor man sich in einer vergleichbaren Klausur mit den im Mittelpunkt stehenden Fragen des Zurechnungszusammenhangs auseinandersetzen kann, sind die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen dieses erfolgsqualifizierten Delikts zu prüfen.

  1. Verwirklichung des Grunddelikts

Der Anfang ist schnell gefunden: Zunächst muss das Grunddelikt des § 249 StGB verwirklicht sein. Hierzu muss der Täter ein qualifiziertes Nötigungsmittel eingesetzt haben. In Betracht kommt hier allein die Anwendung von Gewalt gegen eine Person, d.h. die Zufügung eines gegenwärtigen, auf den Körper bezogenen Übels von einiger Erheblichkeit.

Anmerkung:  In einer Klausur kann an dieser Stelle durchaus diskutiert werden, ob das Wegreißen der Tasche ausreicht, um das Merkmal der Gewalt gegen eine Person zu erfüllen. Bloße Sachgewalt reicht nicht aus, ebenso darf der eingesetzte Kraftaufwand nicht allein der Ergreifung der Sache dienen. Der Täter muss in zur Überwindung eines zumindest erwarteten Widerstandes handeln.

Der BGH ging vorliegend davon aus, dass das Wegreißen der Tasche als Gewalt gegen eine Person eingeordnet werden kann. Bei der Tasche als Raubobjekt handelt es sich auch um eine fremde bewegliche Sache. Diese muss der Täter weggenommen, d.h. fremden Gewahrsam gebrochen und neuen, nicht notwendigerweise eigenen Gewahrsam begründet haben. Zwar kann man das Bestehen fremden Gewahrsams aufgrund der Platzierung der Tasche in dem offenen Korb des Rollators kurz problematisieren, im Ergebnis ist dies jedoch eindeutig zu bejahen, zumal das Opfer den Gurt der Tasche zusätzlich am Rollator befestigt hatte. Die übrigen Merkmale der Wegnahme sind ebenfalls zu bejahen – insbesondere bedarf es hier keiner breiten Auseinandersetzung mit der typischen Problematik der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung. Nach dem äußeren Erscheinungsbild der Tat liegt eindeutig ein „Nehmen“ vor und auch eine Mitwirkung des Opfers ist zur Erlangung des Gewahrsams nicht erforderlich, sodass die Ansichten der Literatur und Rechtsprechung zu demselben Ergebnis kommen. Auch der notwendige räumlich-zeitliche Zusammenhang sowie der subjektive Finalzusammenhang zwischen Einsatz des Nötigungsmittels und Wegnahme liegen vor. Der Täter handelte vorsätzlich hinsichtlich des Einsatzes des Nötigungsmittels sowie der Wegnahme und auch in der Absicht rechtswidriger Bereicherung.

  1. Erfolgsqualifikation

Neben den Merkmalen des Raubes muss auch der qualifizierte Erfolg des § 251 StGB eingetreten sein. Mit dem Tod des Opfers ist das der Fall. Ohne die Gewaltausübung zur Wegnahme der Tasche wäre die Frau auch nicht gestürzt und schließlich nicht verstorben, sodass der notwendige Kausalzusammenhang zwischen Grunddelikt und Erfolg nach der Äquivalenztheorie vorliegt.
Der Tod muss nach § 251 StGB „wenigstens leichtfertig“ herbeigeführt worden sein. Da sich dem Täter der Geschehensablauf ebenso aufdrängen musste, dass ein solch schwerer Sturz einer älteren Person gravierende Gesundheitsschäden oder den Tod zur Folge haben könnte, kann die Leichtfertigkeit bejaht werden (zu den Anforderungen der Leichtfertigkeit siehe MüKoStGB/Sander, 3. Aufl. 2017, § 251 Rn. 12).
Dies allein reicht jedoch nicht aus, um die Voraussetzungen des gegenüber dem bloßen Raub wesentlich höher bestraften Tatbestands des § 251 StGB zu erfüllen. Erforderlich ist – wie bei jedem erfolgsqualifizierten Delikt – das Vorliegen eines spezifischen Gefahrzusammenhangs. Der BGH führt hierzu aus:

„Die deutlich erhöhte Strafdrohung für den Raub mit Todesfolge gebietet eine einschränkende Auslegung des § 251 StGB. Eine wenigstens leichtfertige Todesverursachung durch die Tat ist danach nur dann anzunehmen, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen. Dem speziellen Unrechtsgehalt des § 251 StGB ist nur genügt, wenn sich die dem Raub innewohnende Gefahr für die betroffenen Rechtsgüter in einer über den bloßen Ursachenzusammenhang hinausgehenden Weise in der Todesfolge niedergeschlagen hat. Dieser qualifikationsspezifische Zusammenhang ist allerdings auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigene besondere Gefährlichkeit verwirklicht.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 7)

Es bietet sich an, in zwei Schritten vorzugehen: Zunächst ist zu prüfen, ob der Todeserfolg nach allgemeinen Kriterien objektiv zurechenbar ist. In einem zweiten Schritt ist zu hinterfragen, ob sich die dem Raub typischerweise anhaftende Gefahr, d.h. die Gefahr der qualifizierten Nötigung, verwirklicht hat. Vorliegend liegt das Problem bereits auf der Stufe der objektiven Zurechnung: Der Zusammenhang kann unterbrochen sein, wenn der Todeserfolg erst durch Handeln eines Dritten oder des Opfers selbst eintritt. Allerdings genügt nicht jedes Dazwischentreten des Opfers oder eines Dritten: Nach dem BGH sind „das Gewicht und die Bedeutung des Eingriffs für den weiteren Geschehensablauf in Betracht zu ziehen. Insoweit ist etwa von Belang, ob die Realisierung der spezifischen Todesgefahr durch das Eingreifen des Opfers nur beschleunigt oder durch diese erst geschaffen wurde.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 8)
a. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch die Operation
Als den Zurechnungszusammenhang unterbrechende Umstände kommen die Operation des Opfers sowie der Behandlungsabbruch aufgrund der Patientenverfügung in Betracht.
Die Operation stellte einen Versuch dar, das Leben des Opfers zu retten. Als solcher unterbricht sie den Zurechnungszusammenhang nicht:

„Der im Krankenhaus unternommene Behandlungsversuch wurde mit dem Ziel durchgeführt, der mit der Tat in Gang gesetzten Risikoverwirklichung Einhalt zu gebieten. Dass diese Bemühungen fehlschlugen, beruhte nicht auf einem eigenständigen, von den behandelnden Ärzten verantworteten neuen Risiko für das Leben der dann Verstorbenen. Vielmehr war ein möglicher tödlicher Ausgang der medizinisch indizierten und lege artis durchgeführten Operation bereits zum Zeitpunkt der Tat in der Konstitution des Raubopfers angelegt.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 13)

b. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch den Behandlungsabbruch
Und auch die Patientenverfügung als solche bzw. der ihr nachfolgende Behandlungsabbruch kann nicht dazu führen, dass die objektive Zurechenbarkeit des Todeserfolgs verneint wird. Anerkannt ist, dass ein bloßes Unterlassen des Opfers oder eines Dritten nicht geeignet ist, den Zurechnungszusammenhang zwischen einer aktiven Handlung des Täters und dem Erfolg zu unterbrechen – vielmehr verwirklicht sich allein das vom Täter gesetzte Risiko. Nimmt das Opfer also keine ärztliche Hilfe in Anspruch, obwohl ihm dies möglich wäre, und verstirbt in der Folge, bleibt dies dem Täter zurechenbar. Nichts anderes kann gelten, wenn das Opfer sich nicht erst nach der Tat, sondern bereits zuvor im Rahmen einer Patientenverfügung gegen die Inanspruchnahme bestimmter ärztlicher Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere lebensverlängernder Maßnahmen entschieden hat. Dies muss umso mehr gelten, als dass das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts besonders geschützt ist (siehe hierzu auch unsere Besprechung der wichtigen BVerfG-Entscheidung zum Grundrecht auf Suizid). Der BGH führt hierzu aus:

„Zudem vermag die in der Patientenverfügung der Verstorbenen zum Ausdruck kommende eigenverantwortliche Entscheidung, auf eine „Maximaltherapie“ im Sinne einer apparategestützten Lebensverlängerung verzichten zu wollen, bei wertender Betrachtung auch aus rechtlichen Gründen eine zurechnungsunterbrechende Wirkung nicht zu entfalten. Der eigenverantwortlich in der Patientenverfügung niedergelegte Wille der Verstorbenen ist als Ausdruck ihres verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts zu werten, wonach ein Patient in jeder Lebensphase, auch am Lebensende, das Recht hat, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen will.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 15)

An dieser Wertung ändert sich auch nichts durch die Tatsache, dass die Ärzte die Behandlung einstellten:

„Der Arzt, der in Umsetzung einer Patientenverfügung einen moribunden Zustand nicht durch intensivmedizinische Maßnahmen verlängert, beugt sich damit in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben lediglich dem Patientenwillen. Eine Zurechnungsunterbrechung folgt hieraus nicht.“ (BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 17)

Es handelt sich auch nicht um einen inadäquaten Geschehensverlauf: Sowohl die Schwere der Verletzung, als auch die Möglichkeit des Bestehens einer Patientenverfügung waren vorhersehbar (so auch BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – 3 StR 574/19, Rn. 18). Mithin verwirklicht sich in dem Tod des Opfers das vom Täter durch die gewaltsame Wegnahme der Tasche gesetzte Risiko, der Erfolg ist ihm objektiv zurechenbar.
Die übrigen Prüfungspunkte sind schnell abgehandelt: Neben der objektiven Zurechnung verwirklicht sich auch die spezifische Gefahr der Gewaltanwendung, sodass der gefahrspezifische Zusammenhang gegeben ist. Der Täter handelte auch rechtswidrig und schuldhaft – wobei im Rahmen der Schuldprüfung auf die subjektive Leichtfertigkeit des Täters einzugehen ist – und hat sich somit gemäß § 251 StGB strafbar gemacht.
III. Ausblick
Der vom BGH zu beurteilende Sachverhalt könnte ohne große Veränderung als Klausur gestellt werden. Trotz der Einkleidung in eine Prüfung des § 251 StGB liegt der Schwerpunkt der Problematik vielmehr im Allgemeinen Teil des Strafrechts. Die aufgeworfenen Fragen können nicht nur im Zusammenhang mit erfolgsqualifizierten Delikten relevant werden, sondern betreffen grundlegend die objektive Zurechenbarkeit des Erfolgs. Durch das Spezialproblem der Patientenverfügung erfordert die Prüfung ein gewisses Argumentationsgeschick. Wer sich indes die Grundlagen der objektiven Zurechnung vergegenwärtigt und die grundrechtliche Wertung hinsichtlich des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben berücksichtigt, wird diesen und ähnliche Fälle ohne Probleme bewältigen können.

23.11.2020/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2020-11-23 08:30:062020-11-23 08:30:06BGH: Neues zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei Versterben des Opfers
Dr. Melanie Jänsch

Drogen als Bestandteil des strafrechtlich geschützten Vermögens

Examensvorbereitung, Klassiker des BGHSt und RGSt, Lerntipps, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT

Die begriffliche Bestimmung des strafrechtlichen Vermögens ist ein absoluter Klassiker, der oft Eingang in Klausuren und mündliche Prüfungen findet – insbesondere im Hinblick auf die Problematik, ob illegal erlangte Vermögensposition wie der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln vom strafrechtlichen Vermögensbegriff erfasst sind. Dieser Beitrag soll daher einen Überblick über die Problematik bieten. Als „Aufhänger“ dient eine Entscheidung des BGH v. 16.8.2017 (2 StR 335/15).
 

Anmerkung: Die Entscheidung hat die Besonderheit, dass der 2. Strafsenat des BGH zunächst von der ständigen Rechtsprechung des BGH zum Vermögensbegriff der §§ 253, 255 StGB abweichen wollte (hierzu detailliert s.u. i. R. d. Vermögensschadens). Mit Beschluss v. 1.6.2016 wurde deshalb die Hauptverhandlung ausgesetzt und bei den anderen Senaten angefragt, ob diese der Auffassung folgen, § 132 III GVG. Nachdem die anderen Senate erklärten, an der bisherigen Linie der Rechtsprechung festhalten zu wollen, schloss sich der 2. Senat dieser letztlich an, ohne eine Entscheidung des Großen Senats gemäß § 132 II GVG herbeizuführen.

 
Sachverhalt (abgewandelt):
Der heroinsüchtige D befürchtete Entzugserscheinungen und erfuhr, dass der N mit Heroin handelte. Er beschloss, diesen unter Anwendung von Gewalt zur Herausgabe des Heroins zu zwingen. In Umsetzung seines Plans trat D die Wohnungstür des N ein und fragte diesen nach „Dope“, worauf der N erwiderte, dass er keines besitze. Sodann packte der D den N am Kragen und schlug ihn mit der Aufforderung, das Heroin herauszugeben. Daraufhin gab der N drei Plomben Heroin heraus, wobei er davon ausging, dass der D ohne seine Mithilfe nicht an das Heroin gelangt wäre, und D floh unter Mitnahme der Drogen.
 
Strafbarkeit des D nach §§ 253, 255 StGB?
 
D könnte sich wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255 StGB strafbar gemacht haben, indem er den N durch Schläge zur Herausgabe der Drogen veranlasste.
 
I. Objektiver Tatbestand
1.Qualifizierte Nötigungshandlung
Im Rahmen des objektiven Tatbestandes müsste der D zunächst eine qualifizierte Nötigungshandlung vorgenommen haben. Er könnte hier Gewalt gegen eine Person ausgeübt haben. Gewalt bedeutet die „Entfaltung von – nicht notwendig erheblicher – Körperkraft durch den Täter, die einen unmittelbar oder mittelbar auf den Körper eines anderen wirkenden Zwang ausübt, der nach der Vorstellung des Täters geeignet ist, einen geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden oder auszuschließen“ (BGH v. 22.9.2015 – 4 StR 152/15, NStZ-RR 2015, 373 f.). Indem der D den N schlug, hat er durch die Entfaltung von Körperkraft physischen Zwang auf den N ausgeübt. Hierdurch sollte der durch die anfängliche Weigerung der Herausgabe des Heroins geleistete Widerstand des N überwunden werden. Folglich wurde Gewalt gegen eine Person ausgeübt, eine qualifizierte Nötigungshandlung ist gegeben.
 
2. Nötigungserfolg
Ferner müsste ein kausal durch die qualifizierte Nötigungshandlung herbeigeführter Nötigungserfolg vorliegen. Nach dem Wortlaut des § 253 StGB fällt hierunter jede Handlung, Duldung oder Unterlassung, sodass die Herausgabe des Heroin als durch die Gewaltanwendung veranlasste Handlung tatbestandsmäßig ist.
 
Fraglich ist indes, ob die §§ 253, 255 StGB als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine Vermögensverfügung voraussetzen (s. hierzu unseren Beitrag zu dem Klassiker der Abgrenzung des Raubes von der räuberischen Erpressung). Dies wird von der h. L. als erforderlich angesehen, um eine Abgrenzung der räuberischen Erpressung als Selbstschädigungsdelikt und des Raubes gemäß § 249 StGB als Fremdschädigungsdelikt vorzunehmen, wobei im Hinblick auf die Vermögensverfügung darauf abzustellen ist, ob sich das Opfer subjektiv eine „Schlüsselstellung“ für die Vermögensverfügung beimisst, die darin besteht, dass es seine Mitwirkung für notwendig hält (s. etwa BeckOK StGB/Wittig, §  253 Rn. 6). Demgegenüber erachtet der BGH § 249 StGB als lex specialis zu §§ 253, 255 StGB und lehnt das zusätzliche Erfordernis der Vermögensverfügung ab. Eine Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung soll nach dem äußeren Erscheinungsbild erfolgen: Liegt nach diesem eine Wegnahme seitens des Täters vor, sei § 249 StGB einschlägig, übergibt das Opfer dem Täter dagegen die Sache, liege eine räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB vor (s. BGH v. 17.3.1955 – 4 StR 8/55, NJW 1955, 877; v. 5.7.1960 – 5 StR 80/60, NJW 1960, 1729). Da sowohl nach dem äußeren Erscheinungsbild eine Weggabe des Heroins vorliegt als auch der N seine Mitwirkung subjektiv für erforderlich hält, liegt nach beiden Ansichten eine räuberische Erpressung vor, weshalb hier offenbleiben kann, welche Auffassung vorzugswürdig ist.
 

Kommt es auf den klassischen Streit der Abgrenzung des Raubes von der räuberischen Erpressung – wie vorliegend – offensichtlich nicht an, sind die beiden Ansichten nur sehr knapp darzustellen. Mangels Relevanz im konkreten Fall wäre es verfehlt, den Streit groß aufzuziehen und Argumente ausführlich zu diskutieren. 

 
3. Vermögensschaden
Durch die Vermögensminderung müsste dem Vermögen des N auch ein Nachteil zugefügt worden sein. Der Nachteil für das Vermögen im Sinne des § 253 StGB ist gleichbedeutend mit dem Vermögensschaden beim Betrug (st. Rspr, jüngst BGH v. 4.10.2017 − 2 StR 260/1, NStZ 2018, 213). N müsste also einen Vermögensschaden erlitten haben. Dies ist der Fall, „wenn die Verfügung unmittelbar zu einer nicht durch gleichzeitigen Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts des Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung)“ (Fischer, § 263 Rn. 111).  
Vor der Vermögensverfügung hatte der N Besitz an den drei Plomben Heroin, den er infolge der Vermögensverfügung verloren hat. Damit der Besitzverlust an den Drogen aber überhaupt einen Vermögensschaden darstellen kann, muss der Besitz illegaler Drogen Bestandteil des strafrechtlich geschützten Vermögens sein. Sofern dies nämlich zu verneinen ist, hat sich das schützenswerte Vermögen des N durch die Herausgabe der Drogen auch nicht verringert. Wie der strafrechtliche Vermögensbegriff zu definieren ist, ist umstritten.
 
a) Wirtschaftlicher Vermögensbegriff
Ausgehend von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise könnte man unter den strafrechtlichen Vermögensbegriff alle Gegenstände fassen, denen nach objektiven Maßstäben ein wirtschaftlicher Wert beigemessen werden kann; auf eine rechtliche oder sittliche Bewertung kommt es hierbei gerade nicht an. Der BGH, der in ständiger Rechtsprechung den wirtschaftlichen Vermögensbegriff zugrunde legt, führte im Urteil v. 16.8.2017 in Bezug auf den Vermögenscharakter illegaler Drogen aus:
 

„Betäubungsmittel besitzen bei wirtschaftlicher Betrachtung einen erheblichen Wert, der auch einen besonderen Anreiz dazu bietet, damit Handel zu treiben, obwohl nahezu jeder nicht von einer staatlichen Genehmigung getragene Umgang damit bei Strafandrohung verboten ist. Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen. Maßgeblich ist, ob dem Besitz ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, was regelmäßig zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind. Auch hinsichtlich solcher Sachen, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt, kann unbeschadet ihrer Bemakelung, eine Erpressung begangen werden (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 167/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3; Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72, 73; Senat, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, BGHSt 61, 263, 264; Urteil vom 7. Dezember 2016 – 2 StR 522/15, NStZ-RR 2017, 111, 112).“

 
Da illegalen Betäubungsmitteln auf dem Schwarzmarkt also ein erheblicher Geldwert zukommt, wird unter Zugrundelegung des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs auch deren Besitz strafrechtlich geschützt. Sofern dieser entzogen und nicht durch ein wirtschaftliches Äquivalent ausgeglichen wird, besteht nach dieser Auffassung ein Vermögensschaden.
 
b) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff
Demgegenüber nimmt die wohl h. M. in der Literatur einen juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff an, nach dem bei grundsätzlich wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Sinne der Einheit der Rechtsordnung solche Positionen aus dem Schutzbereich herausgenommen werden, die einer Person nicht in rechtlich schutzwürdiger Weise zugeordnet bzw. nicht ohne Missbilligung der Rechtsordnung realisiert werden können (so z. B. Schönke/Schröder/Perron, § 263 Rn. 82 f.). Fraglich ist mithin, ob der Besitz illegaler Betäubungsmittel zivilrechtlich anerkannt ist. Zwar existieren Besitzschutzansprüche nach §§ 858 ff. BGB; gleichwohl kann der Besitz nach der wohl überwiegenden Meinung der Vertreter des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs nur dann als schützenswert angesehen werden, wenn er auf einem Recht zum Besitz beruht (a. A. auch hier bereits vertretbar, indem darauf verwiesen werden kann, dass sich selbst der unrechtmäßige Besitzer nach §§ 858 ff. BGB eine zumindest vorläufige Herrschaftsposition erlangen kann – dann würde sich der Streitentscheid erübrigen). Wohl auch zu dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff tendierend führte auch der 2. Strafsenat des BGH im Anfragebeschluss v. 1.6.2016, bevor er sich mit dem Urteil v. 16.8.2017 der bisherigen Linie der Rechtsprechung anschloss, aus:
 

„Es gibt kein strafrechtlich schutzwürdiges Vermögen außerhalb des Rechts (vgl. Fischer in Fischer/Hoven/Huber/Raum/Rönnau/Saliger/Trüg [Hrsg.], Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2016, S. 51, 54) oder sogar im Widerspruch dazu. Auch der Besitz ist nur dann ein Bestandteil des geschützten Vermögens, wenn er auf einem Recht zum Besitz beruht (vgl. Gallas in FS f. Eb. Schmidt, 1961, S. 401, 408, 417, 426). Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln ist deshalb kein durch Strafrecht zu schützendes Rechtsgut. Vielmehr ist der Verlust dieses unerlaubten Besitzes gerade der rechtlich erwünschte Zustand (vgl. Mitsch JuS 2003, 122, 124). […] Die Besitzschutzregeln der §§ 858 ff. BGB, die bisweilen als Grund für die Forderung nach einem flankierenden strafrechtlichen Schutz des Besitzes angeführt werden, dienen nicht dem Schutz des Vermögensbestands (vgl. NK/Kindhäuser, StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 239) und besagen nichts über die Legitimität des Besitzes. Sie ändern deshalb nichts an der strafrechtlichen Bewertung des Vermögens (vgl. Cramer, Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, 1969, S. 226 ff.; Gallas aaO S. 426). Ein Anspruch auf Einräumung des – strafbaren – Besitzes an Betäubungsmitteln kann daraus nicht hergeleitet werden (vgl. Dehne-Niemann NStZ 2009, 37 f.; Hillenkamp a.a.O. S. 205; Zieschang a.a.O. S. 837 ff.).“

 
Da der Besitz von Betäubungsmitteln i. S. d. BtMG also grundsätzlich nicht schützenswert – gemäß §§ 29 I Nr. 3, 29a I Nr. 2 BtMG sogar strafbar – ist, kann gerade kein einklagbarer Anspruch auf diesen bestehen. Weitergehend noch nahm der BGH im Anfragebeschluss einen Widerspruch an:
 

„Die gleichzeitige Strafdrohung gegen denjenigen, der unerlaubt Betäubungsmittel besitzt (§ 29 Abs. 1 Nr. 3, § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und gegen denjenigen, der dem Besitzer diesen unerlaubten Besitz durch Täuschung (§ 263 StGB) oder Nötigung (§§ 253, 255 StGB) entzieht, stellt einen offenkundigen Widerspruch dar.“

 
Da der Schutz des Besitzes von Drogen also auch zivilrechtlich nicht anerkannt ist, kann er nach dieser Ansicht auch nicht Bestandteil des strafrechtlich geschützten Vermögens sein. Legt man diese Auffassung zugrunde, hat sich das geschützte Vermögen des M durch den Besitzverlust am Heroin nicht verringert, sodass ein Vermögensschaden zu verneinen ist.
 

Anmerkung: Die begriffliche Bestimmung des strafrechtlichen Vermögensbegriffs ist – wie Fischer treffend herausstellt – „Gegenstand unübersichtlicher Auseinandersetzungen“ (§ 263 Rn. 89), sodass nicht auf alle Nuancierungen eingegangen werden kann. Insbesondere wurden weitere prominente Ansichten, insbesondere der veraltete, im 19. Jahrhundert vorherrschende juristische Vermögensbegriff (s. hierzu NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 18 ff.), der personale Vermögensbegriff (Otto, Die Struktur des strafrechtlichen Vermögensschadens, 1970) sowie der funktionale Vermögensbegriff (NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 35 ff.) im Rahmen dieses Beitrags bewusst ausgespart. Für einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Vermögensbegriffe wird auf NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 16 ff. verwiesen.

 
c) Streitentscheid
Da die beiden Auffassungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, muss der Streit entschieden werden.
 
Für den juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff und somit die Versagung strafrechtlichen Vermögensschutzes des Besitzes illegaler Drogen spricht – wie bereits angesprochen – der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung. Sofern der Besitz eines Gegenstandes strafbar ist, erscheint es auf den ersten Blick widersinnig, den Entzug – also den vermeintlich rechtlich erwünschten Zustand – unter Strafe zu stellen. So wird angeführt, wenn man den Entzug des strafbaren Besitzes sanktionierte, würde dies zu einer „faktischen Anerkennung des Unrechtsverkehrs“ führen (vgl. Cramer, JuS 1966, 472, 476). Ein weiteres Argument ist, dass die Zuordnung strafbaren Besitzes zum strafrechtlichen Vermögen gar nicht erforderlich ist, um den Besitzentzug zu sanktionieren; eine Strafbarkeit nach anderen, nicht vermögensrechtlichen Delikten (Nötigung oder BtMG) komme stets in Betracht.
 
Demgegenüber kann für den wirtschaftlichen Vermögensbegriff der kriminalpolitische Aspekt der Vermeidung rechtsfreier Räume angeführt werden. Außerdem kann die unterschiedliche Betrachtung des Vermögensschutzes in Zivil- und Strafrecht angesichts der Verschiedenartigkeit ihrer Aufgaben gerechtfertigt sein; das Strafrecht hat insbesondere eine generalpräventive Funktion: Es soll Dritte von der Begehung von Straftaten abhalten (negative Generalprävention) sowie das allgemeine Wertbewusstsein in der Bevölkerung durch eine gerechte und gleichmäßige Strafrechtspflege stärken (positive Generalprävention) (hierzu Lackner/Kühl/Kühl, § 46 Rn. 28). Dann aber erscheint es widersinnig, ein Verhalten deshalb nicht als strafbar einzuordnen, weil es sich gegen zivilrechtlich nicht geschützte Rechtspositionen richtet. Überdies spricht für die Erfassung des Besitzes illegaler Drogen vom strafrechtlichen Vermögensbegriff, dass der Besitzentzug durch einen Dritten unter Missachtung des staatlichen Gewaltmonopols eben nicht der „rechtlich erwünschte Zustand“ ist – derjenige macht sich vielmehr ebenso nach dem BtMG strafbar (BGH, Beschl. v. 15.11.2016 – 3 ARs 16/16, NStZ-RR 2017, 244). Ebenso kann die Systematik des Gesetzes angeführt werden: § 33 II BtMG normiert die Möglichkeit der Einziehung. Das weist daraufhin,
 

„dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Betäubungsmittel, obwohl der Umgang mit ihnen rechtlich missbilligt ist, Bestandteil eines privaten Vermögens darstellen können: Folge der Einziehung ist nach § 74e Abs. 1 StGB, dass das Eigentum mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat übergeht; die Betäubungsmittel werden mithin in staatliches Vermögen überführt. Dadurch kommt implizit zum Ausdruck, dass sie sich vorher in fremdem Vermögen befunden haben müssen, denn andernfalls wäre eine gerichtliche Einziehungsentscheidung nicht erforderlich. Auch dies belegt einen gewissen Schutz des Besitzes an Betäubungsmitteln.“ (BGH, Beschl. v. 15.11.2016 – 3 ARs 16/16, NStZ-RR 2017, 244)

 
Ein weiteres, gewichtiges Argument ist, dass die Zugrundelegung des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs der Gefahr von Wertungswidersprüchen gegenüber Eigentumsdelikten entgegenwirkt; so führt der BGH im Urteil v. 16.8.2017 aus:
 

„Es besteht kein Anlass, den bewährten und kriminalpolitisch sachgerechten wirtschaftlichen Vermögensbegriff aufzugeben. Andernfalls entstünden nicht hinnehmbare Wertungswidersprüche gegenüber den Eigentumsdelikten. Bei der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung hängt es vielfach von Zufälligkeiten durch Geben oder Nehmen ab, ob für Verhaltensweisen, die sich im Unrechtsgehalt praktisch nicht unterscheiden, der Anwendungsbereich der §§ 253, 255 StGB oder derjenige der §§ 249 ff. StGB eröffnet ist. Entfielen in der einen Tatvariante, in welcher der Genötigte die Betäubungsmittel herausgibt, wegen der Nichtzuordnung des unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes zum Vermögen des Genötigten die Erpressungsdelikte, so wären dort nur noch § 240 Abs. 1 StGB und § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG einschlägig. In der anderen Variante, in welcher der Täter die Betäubungsmittel wegnimmt und der Genötigte dies nur duldet, läge ein Verbrechen des Raubes vor; denn auch Betäubungsmittel, deren Besitz verboten ist, bleiben nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs taugliche Tatobjekte von Eigentumsdelikten (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2015 – 4 StR 92/15, NStZ 2015, 571; Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72, 73).“

 
So ist insbesondere zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen gegenüber Eigentumsdelikten dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff zu folgen (a. A. vertretbar), nach dem ein Vermögensschaden bei N gegeben ist.
 
II. Subjektiver Tatbestand
D handelte auch vorsätzlich und in der Absicht, sich einen rechtswidrigen und stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen.
 
III. Rechtswidrigkeit und Schuld
Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
 
IV. Ergebnis
D hat sich wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255 StGB strafbar gemacht.
 
Fazit
Eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BGH hat zwar nicht stattgefunden – dennoch bleibt die Bestimmung des strafrechtlichen Vermögensbegriffs, insbesondere im Hinblick auf die Problematik, ob illegal erlangte Positionen wie der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln i. S. d. BtMG davon erfasst sind, ein Dauerbrenner, der bei der Vorbereitung auf das Staatsexamen nicht ausgespart werden sollte. Dabei ist unerheblich, welcher Ansicht sich letztlich angeschlossen wird – sowohl der wirtschaftliche als auch der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff sind im ersten Examen gut vertretbar. Es kommt vielmehr – wie so oft – auf eine gute Argumentation an.
 
 

28.05.2018/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2018-05-28 11:00:122018-05-28 11:00:12Drogen als Bestandteil des strafrechtlich geschützten Vermögens
Redaktion

Schema: Räuberischer Diebstahl, § 252 StGB

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Schema: Räuberischer Diebstahl, § 252 StGB

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Objektiver Tatbestand

a) Vortat: Vollendeter Diebstahl

– Diebstahl muss vollendet, darf aber noch nicht beendet sein.
– Als Vortat kommt auch ein Raub gem. § 249 StGB in Betracht.
– Täter des § 252 StGB kann jeder Täter der Vortat sein, ob ein Teilnehmer der Vortat Täter des § 252 StGB sein kann, ist umstritten.

b)  Auf frischer Tat betroffen

– Erfordert einen engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Wegnahmehandlung.
– Betreffen erfordert grundsätzlich, dass der Täter und die Tat von einem Dritten bemerkt wird. Ein reines Zusammentreffen kann nur ausnahmsweise ausreichen, zB wenn der Täter das Aufdecken der Tat verhindert durch den Einsatz der Nötigungsmittel.

c)  Nötigungsmittel: Gewalt gegen eine Person oder Drohungen mit 
gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben

2. Subjektiver Tatbestand

a)  Tatbestandsvorsatz

Es genügt bedingter Vorsatz.

b)  Bereicherungsabsicht
Der Täter muss in der Absicht handeln, sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten und diese seinem Vermögen einzuverleiben.

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

23.11.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-11-23 10:00:492017-11-23 10:00:49Schema: Räuberischer Diebstahl, § 252 StGB
Redaktion

Schema: Räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB

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Schema: Räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB

Anwendbarkeit

  • § 253 StGB findet Anwendung, wenn einfache Nötigungsmittel, d.h. Sachgewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel angewandt werden.
  • § 255 StGB ist einschlägig, sofern der Täter qualifizierte Nötigungsmittel anwendet, d.h. Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben.

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Objektiver Tatbestand

a) Qualifiziertes Nötigungsmittel

aa) Gewalt gegen eine Person
– Einsatz körperlicher Kraft zur Überwindung eines zumindest erwarteten (hM) Widerstands.
– Gewalt durch Unterlassen kommt nur in Betracht, sofern der Täter Garant für die Abwendung der Zwangslage ist.

bb) Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben
– Inaussichtstellen eines künftigen, auf den Körper eines Menschen bezogenen Übels, auf dessen Eintritt der Täter zumindest Einfluss zu haben vorgibt.
– Die Gefahr ist gegenwärtig, wenn bei ungehindertem Fortgang des Geschehens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist.

b) Nötigungserfolg
(P) Fraglich ist, ob jede Handlung/Duldung/Unterlassen ausreicht, oder ob das abgenötigte Verhalten den Charakter einer Vermögensverfügung haben muss.
hL: Erforderlich ist eine Vermögensverfügung. Eine Vermögensverfügung erfordert jedoch ein freiwilliges Verhalten. Fraglich ist, ab welchem Grad von Zwang ein freiwilliges Verhalten ausgeschlossen ist. Ausschlaggebend ist die innere Willensrichtung des Opfers. Glaubt das Opfer, den Taterfolg tatsächlich abwenden zu können, dann liegt ein freiwilliges Verhalten und damit eine Vermögensverfügung vor.
Rspr: Es genügt jedes Tun, Dulden oder Unterlassen. Maßgeblich ist allein, dass sich das Gesamterscheinungsbild der Tat äußerlich als „Geben“ darstellt.

c) Vermögensschaden
(+), wenn das Opfer nach der Tat vermögensmäßig schlechter steht als vor der Tat.

2. Subjektiver Tatbestand

a) Zumindest bedingter Vorsatz in Bezug auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands.

b) Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Eigen- oder Drittbereicherung.

II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
 
Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

14.09.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-09-14 10:00:392017-09-14 10:00:39Schema: Räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB
Redaktion

Schema: Raub, § 249 StGB

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Schema: Raub, § 249 StGB


I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Objektiver Tatbestand

a) Tathandlung: Wegnahme einer fremden beweglichen Sache

– Begriff der fremden beweglichen Sache ist wie beim Diebstahl zu verstehen.
– Begriff der Wegnahme erfordert grds. wie beim Diebstahl einen Gewahrsamsbruch.

Umstritten ist jedoch, ab welchem Grad von Zwang eine Wegnahme vorliegt und wann der Akt noch als Weggabe durch das Opfer zu qualifizieren ist.

hL: Ausschlaggebend ist die innere Willensrichtung des Opfers. Glaubt das Opfer, dass seine Mitwirkung i.E. ohne Bedeutung für die Gewahrsamserlangung durch den Täter ist, liegt eine Wegnahme im Sinne von § 249 vor. (Glaubt das Opfer hingegen, den Taterfolg tatsächlich abwenden zu können, greift §§ 253, 255 ein).

Rspr.: Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist das äußere Erscheinungsbild. Liegt äußerlich ein „Nehmen“ vor, greift § 249 ein. (Wenn äußerlich ein „Geben“ vorliegt, ist §§ 253, 255 anzuwenden).

b) Qualifiziertes Nötigungsmittel:

aa) Gewalt gegen eine Person


– Einsatz eines gegenwärtigen Übels, das auf den Körper des Genötigten bezogen und nicht ganz unerheblich ist.
– Die Gewalt muss nicht gegen den Gewahrsamsinhaber gerichtet sein.
– Nach der Rspr. genügen auch schwache körperliche Auswirkungen.
– Es genügt, dass der Kraftaufwand zur Überwindung eines vom Täter erwarteten Widerstands eingesetzt wird (Rspr.).
– Gewalt durch Unterlassen kommt nur in Betracht, wenn der Täter eine Garantenstellung bzgl. der Abwendung der Zwangslage hat.

bb) Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

– Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen, nicht unerheblichen Übels, auf dessen Eintritt der Täter vorgibt, Einfluss zu haben. Der Wille die Drohung umzusetzen, ist dagegen nicht erforderlich.
– Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn bei natürlichem Fortgang des Geschehens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit ihrem Eintritt zu rechnen ist.

2. Subjektiver Tatbestand

a) Finalzusammenhang zwischen Nötigung und Wegnahme: Der Täter muss das Nötigungsmittel gerade zum Zwecke der Wegnahme einsetzen. 
Zumindest bedingter Vorsatz bzgl. des objektiven Tatbestands

b)  Zueignungsabsicht

Absicht rechtswidriger Eigen- oder Drittzueignung.

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld 

 

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

02.02.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-02-02 10:00:392017-02-02 10:00:39Schema: Raub, § 249 StGB
Christian Muders

Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen

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Im Folgenden eine Übersicht über in den letzten Monaten veröffentlichte interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschl.vom 14.05.2013 – 3 StR 69/13
Vorabanfrage des 3. Senats gemäß § 132 Abs. 3 GVG, ob die übrigen Strafsenate des BGH an der bisherigen ständigen Rechtsprechung festhalten wollen, wonach die Tathandlungen des Absetzens wie auch der Absatzhilfe bei der Hehlerei (§ 259 StGB) keinen Erfolg voraussetzen, mit vertiefter Begründung der gegenteiligen Auffassung unter Wortlaut-, systematischen und teleologischen Gesichtspunkten.
II. BGH, Beschl. vom 15.05.2013 – 5 StR 189/13
Keine Strafbarkeit gem. § 145a StGB wegen des Verstoßes gegen eine Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht, wenn die Weisung lautet „jede unbeaufsichtigte Kontaktaufnahme zu Kindern und Jugendlichen zu unterlassen“, der vorgeworfene Umgang mit dem Kind (hier: gemeinsame Fahrt zum Einkaufen) einer ersten, jedoch beaufsichtigten Kontaktaufnahme (durch die Mutter des Kindes) aber lediglich nachfolgt.
III. BGH, Beschl. vom 09.06.2013 – 3 StR 174/13
Es liegt kein vollendeter, sondern nur ein versuchter Raub vor, wenn der Täter bezüglich eines Behältnisses des Opfers, desse Inhalt er nicht einsehen kann, nur die Hoffnung hegt, dieses enthalte irgendwelche Gegenstände, die er selbst verwenden oder jedenfalls mit Gewinn verkaufen könne, und er nach gewaltsamen Entwenden des Behältnisses letztlich nichts vorfindet.
– –  –
Zum Schluss noch ein Hinweis auf eine prozessuale Entscheidung, die eher für Referendare interessant sein dürfte:
IV. BGH, Urteil vom 20.06.2013 – 2 StR 113/13 (zu §§ 140, 145 Abs. 1 StPO)
Der Angeklagte ist nicht hinreichend verteidigt, wenn bei kurzfristiger Erkrankung des Pflichtverteidigers ein anderer Verteidiger für einen Tag der Hauptverhandlung bestellt wird, um die Vernehmung eines Zeugen zu ermöglichen, ohne dass der Ersatzverteidiger sich in die Sache einarbeiten konnte.

01.09.2013/0 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2013-09-01 11:00:512013-09-01 11:00:51Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Christian Muders

Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen

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Im Folgenden eine Übersicht über in letzter Zeit in Zeitschriften veröffentlichte interessante Entscheidungen von Obergerichten in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschl. v. 14.2.2012 – 3 StR 392/11 (= NStZ 2012, 627 f. = StV 2012, 465 f.)
– Kein Raub bzw. räuberische Erpressung bei der gewaltsamen Wegnahme eines Mobiltelefons zur bloßen Durchsuchung des Speichers und dem anschließenden Kopieren einzelner Daten –
1. Es liegt keine für einen Raub erforderliche Zueignungsabsicht vor, wenn der Täter ein Mobiltelefon gewaltsam an sich bringt, um im Speicher des Geräts nach Beweisen für die Art der Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Schwester einer dritten Person zu suchen. Gleiches gilt für das Kopieren gefundener Daten, da dies nicht zu deren Verbrauch führt.
2. Ebenfalls fehlt es in diesem Fall an einer Bereicherungsabsicht i.S.d. räuberischen Erpressung, da der bloße Besitz einer Sache nur dann einen Vermögensvorteil darstellt, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt.
II. BGH, Urt. v. 27.6.2012 – 2 StR 79/12 (= NStZ 2012, 629 f. = wistra 2012, 385 f.)
– Zum Vermögensschaden beim Betrug –
1. Wird bei einem Kauf über Umstände getäuscht, die den Verkehrswert der Sache maßgeblich mitbestimmen, erleidet der dadurch zum Kaufabschluss bewogene Kunde einen Betrugsschaden regelmäßig nur dann, wenn die Sache objektiv den vereinbarten Preis nicht wert ist. Unerheblich ist demgegenüber regelmäßig, ob die gelieferte Ware von geringerem Wert ist als die vertraglich vereinbarte.
2. Daher ist beim Fehlen einer vom Verkäufer fälschlich zugesicherten Eigenschaft der Kaufsache der Käufer nicht stets und ohne Rücksicht darauf, ob die Sache trotz Fehlens der zugesicherten Eigenschaft den vereinbarten Preis wert ist, durch den Abschluss des Vertrages betrügerisch geschädigt (hier: Kauf von Plagiatsfelgen, die als Originalfelgen ausgegeben wurden).
III. OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2012 – 31 Ss 27/12 (StraFo 2012, 419 ff. = DAR 2012, 644 ff.)
– Zur Rechtswidrigkeit einer Diensthandlung i.S.d. § 113 StGB bei einer Verkehrskontrolle –
Eine Diensthandlung ist rechtswidrig im Sinne von § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB, wenn Polizeibeamte einen Betroffenen falsch belehrt haben (konkret: Belehrung über eine allgemeine Verkehrskontrolle nach § 36 Abs. 5 StVO, wenn tatsächlich der Verdacht einer Trunkenheitsfahrt besteht).
VI. OLG Hamm, Urt. v. 21.8.2012 – III-4 Rvs 42/12 (= wistra 2012, 447 f.)
– Untreue und Irrtum über das Einverständnis des Vermögensinhabers –
1. Der Tatbestand der Untreue setzt einen gravierenden Pflichtenverstoß voraus, der durch das Einverständnis des Vermögensinhabers mit dem Handeln des Täters entfällt.
2. Ein Irrtum des Täters über das Einverständnis ist Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB.
(Anm.: Das OLG nutzt in der Entscheidung teilweise auch den Begriff der „Einwilligung“, offenbar als Synonym – dies ist in der Prüfung strikt zu vermeiden!)

02.12.2012/2 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-12-02 12:00:522012-12-02 12:00:52Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Nicolas Hohn-Hein

OLG Nürnberg: Gewaltsame Wegnahme einer Fan-Jacke

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In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des OLG Nürnberg (Az. 1 St OLG Ss 258/12) hat sich das Gericht mit der Frage befasst, ob die gewaltsame Wegnahme einer Fan-Jacke einen Raub nach § 249 Abs. 1 StGB begründen kann. Die Entscheidung befasst sich mit einer grundlegenden Thematik des Raub-Tatbestands und hat daher hohe Examensrelevanz.
Sachverhalt ‚
A und M sind Fans eines bekannten deutschen Fußballvereins. Anlässlich eines Spiels gegen den „verhassten“ Bundesligaverein Greuther Fürth nutzen sie die Gunst der Stunde und treffen folgende Verabredung: A soll einen Fan des Vereins Greuther Fürth festhalten. M soll diesem sodann die Fan-Jacke vom Leib reißen. A und M wollen die Jacke als „Trophäe“ mit nach Hause nehmen und sich später überlegen, wie sie damit als „echte Fans“ Aufmerksamkeit erregen und ihrer eigenen Vereinsliebe Ausdruck verleihen können. Genaue Vorstellungen bezüglich der konkreten Weiterverwendung der Jacke haben sie zum Zeitpunkt der Tat aber nicht.
A und M setzen ihren gemeinsam gefassten Plan in die Tat um und nehmen Fan B nach dem Spiel gewaltsam die Jacke ab. Auf dem Rückweg  versteckt A die Jacke unter seinem Mantel. Am Auto angelangt verstauen A und M  die Jacke im Kofferraum und fahren damit nach Hause.
 
Äußere Umstände begründen Annahme einer Zueignungabsicht
Die äußeren Umstände der Tat gaben dem BGH, genauso wie schon der Vorinstanz, Anlass zu der Annahme, dass A und B mit Zueignungsabsicht gehandelt haben, als sie die Jacke im Kofferraum ihres Fahrzeugs verstauten. Nach Ansicht des Gerichts war dies ein sicherer Anhaltspunkt dafür, dass A und M zu keiner Zeit vorhatten, sich der Jacke zu entledigen.

Dementsprechend verhielten sich die Angeklagten auch, indem einer der beiden Angeklagten nach der Wegnahme der Jacke diese unter seiner eigenen Jacke versteckte, während beide Angeklagten zu dem ca. 30 bis 40 Meter entfernten PKW liefen, um anschließend wegzufahren. Als sie das Fahrzeug erreicht hatten, verbargen sie die dem Geschädigten weggenommene Jacke hinter dem linken Sitz der Rückbank im Kofferraum des PKW. Hätten die Angeklagten von vorneherein beabsichtigt, die Jacke wegzuwerfen, so hätten sie sich bereits auf dem Weg zu ihrem PKW der Jacke des Geschädigten entledigen können.

 
Zueignungsabsicht an Weiterverwendung der Beute gemessen
Sehr instruktiv setzt sich das Gericht mit der Zueignungsabsicht der beiden Angeklagten auseinander und definiert zunächst die Zueignung. Hiernach besteht die Zueignung aus einer Aneignungs– und einer Enteignungskomponente. Die Aneignungskomponente ist dabei das entschiedene Kriterium, um die Zueignung von der straflosen Sachentziehung und der strafbaren Sachbeschädigung gemäß §§ 303 ff. StGB abzugrenzen. Entscheidend für den vorliegenden Fall ist, dass sich der Täter

[f]ür die Zueignung wie ein Eigentümer verhalten [muss]. Prinzipiell darf aber nur der Eigentümer seine Sache beiseiteschaffen oder zerstören. Deshalb muss hier der Täter mit dolus directus ersten Grades die Sache seinem Vermögen jedenfalls vorübergehend hinzufügen wollen (zum Ganzen Jahn JuS 2011, 846, 847 m.w.N.). Daran fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseitezuschaffen oder zu beschädigen. Der etwa auf Hass- und Rachegefühlen beruhende Schädigungswille ist zur Begründung der Zueignungsabsicht ebenso wenig geeignet wie der bloße Wille, den Eigentümer durch Sachentzug zu ärgern. In solchen Fällen genügt es nicht, dass der Täter für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt (BGH StV 2011, 412 Tz. 21)

Hier ging es A und M nicht darum, die Jacke nach deren Erbeutung zu vernichten. Vielmehr wollten sie die Jacke als Trophäe behalten und später gegebenenfalls damit anderweitig weiterverfahren. Folglich haben sich A und M wegen gemeinschaftlichen Raubs gemäß § 249 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
 
Abgrenzung zum „Hells Angels“-Fall des BGH
In derselben Entscheidung – und das macht sie besonders interessant für eine Klausur oder eine mündliche Prüfung –  verweist der BGH auf einen kürzlich entschiedenen Fall des 4. Strafsenats (BGH 4 StR 502/10 – Urteil vom 27. Januar 2011), in dem Mitglieder einer Rocker-Gang einem verfeindeten Rocker die „Kutte“ entreißen, um durch deren Zerstörung ein Zeichen zu setzen und „Präsenz zu zeigen“.

In dem vom 4. Strafsenat des BGH entschiedenen Fall aus dem Rockermilieu (Auseinandersetzung zwischen „Hells Angels“ und „Outlaws“) diente die Wegnahme der Rockerkutte nach den Feststellungen des Tatgerichts vornehmlich dem Ziel, „Präsenz zu zeigen“. Eine über die Enteignung hinausgehende Zueignungsabsicht – etwa, um die erbeutete Kutte als Tauschobjekt, Arbeitsnachweis oder zum Angeben zu nutzen –vermochte die Strafkammer jedoch dort nicht festzustellen. Vielmehr vermochte sie nicht auszuschließen, dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten.

Anders in der vorliegenden Entscheidung. Der BGH dazu dezidiert:

So liegt es hier nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Jugendkammer nicht. Danach ging es dem Angeklagten im Rahmen des gemeinsam entwickelten Tatplans gerade darum, die Fanjacke eines Anhängers der Spielvereinigung Greuther Fürth zu erbeuten, um später frei darüber entscheiden zu können, in welcher Form mit der Jacke weiter verfahren werden solle. In Ausführung dieses Plans wurde die Jacke des Geschädigten B tatsächlich als „handliches Paket“ auf dem linken Sitz der Rückbank im Kofferraum des Fahrzeugs des Angeklagten und seines Mittäters verstaut.

 
Fazit
Das Thema wird mit einiger Sicherheit Prüfungsgegenstand im Examen bleiben. Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH seine Rechtsprechung anhand eines ganz ähnlich gelagerten Sachverhalts bestätigt. Dass es sich bei den Problemen rund um das Thema Zueignung um ein absolutes Kerngebiet des Strafrechts handelt, sollte jedem klar sein.
In einer Klausur würde es sich beispielsweise anbieten, zunächst vom Grundfall der Zueignungsabsicht (Stichwort: „Sich wie ein Eigentümer gerieren“) auszugehen und sodann in einer Abwandlung den gleichen Fall unter umgekehrten Vorzeichen zu stellen.

24.11.2012/1 Kommentar/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-11-24 12:00:312012-11-24 12:00:31OLG Nürnberg: Gewaltsame Wegnahme einer Fan-Jacke
Christian Muders

BGH: Vollendeter Raub bei heimlicher Abkehr eines Mittäters vom Tatplan

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Anm. zu BGH, Beschl. v. 08.05.2012 – 5 StR 88/12 (= NStZ 2012, 508)
1. Um was geht’s?
A und J führten einen von beiden geplanten Raub dergestalt aus, dass A das Opfer O körperlich in Schach hielt, während sein Kumpan J sich in die Wohnung des O begab und nach Geld suchte. Nachdem er fündig geworden und wieder aus der Wohnung gekommen war, spiegelte er dem A allerdings vor, nichts gefunden zu haben, da er die Beute für sich behalten wollte.
Nachdem die erste Instanz (auch) den A wegen vollendetem Raub verurteilt hat, macht dieser mit der Revision geltend, dass für ihn allenfalls eine versuchte Tatbegehung in Betracht komme, da nach seinem Vorstellungsbild eine Vollendung der gemeinsam begangenen Raubtat beim Verlassen des Tatorts nicht vorgelegen habe.
2. Was sagt der BGH?
Der BGH hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und die Verurteilung wegen vollendeten Raubes beibehalten. Er hat zur Erklärung folgendes ausgeführt:

Zwar war die Erwartung eines „fünfstelligen Betrags“ aus der Tatbeute nach den Feststellungen wesentlich dafür, dass sich der Angeklagte zur Mitwirkung an der Tat bereiterklärte. Seine Beuteerwartung war damit bestimmend für die Erbringung seines Tatbeitrages und sein eigenes Interesse an der Tat. Dies ändert aber nichts daran, sondern belegt indes, dass das gesamte objektive Tatgeschehen im gemeinsamen Tatplan lag und mithin vom Vorsatz des Angeklagten gedeckt war. Im Zeitpunkt der Wegnahme des Geldes durch J. hatte er auch die für den Mittäter eines Raubes erforderliche Zueignungsabsicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 – 4 StR 204/11, StraFo 2011, 408). Der Angeklagte hat auf der Grundlage gemeinsamen Wollens und in der Erwartung, einen Teil der Beute zu erhalten, vor und während des tatbestandsmäßigen Geschehens im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit J. Tatbeiträge erbracht, welche die Tatbestandsverwirklichung maßgeblich förderten.

Zur Unterstützung seines Ergebnisses führt das Gericht außerdem noch einen Vergleich mit dem hypothetischen Fall einer eigenhändigen Aufgabe der Tat durch A an:

Der vorliegende Fall, dass sich ein Mittäter in Abkehr vom gemeinsamen Tatplan das vorgefundene Geld alleine zueignen will, kann im Ergebnis nicht anders beurteilt werden als derjenige, dass sich der Angeklagte selbst vom gemeinsamen Tatplan distanziert und daher die weitere Tatvollendung nicht beobachten und beeinflussen kann: Selbst wenn der Angeklagte in dem Moment, als sein Mittäter das Geld wegnahm, die Tatbegehung abgebrochen hätte, wäre er in Anbetracht seiner fortwirkenden Tatbeiträge gleichwohl wegen vollendeten (mittäterschaftlichen) Raubes strafbar gewesen (vgl. § 24 Abs. 2 StGB). Die spätere Fehlvorstellung des Angeklagten über die Tatvollendung ändert an deren Zurechnung erst recht nichts.

3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
a) Der Beschluss stammt bereits vom Mai 2012, ist also schon etwas älteren Datums. Dennoch ist es nicht fernliegend, dass sein Abdruck in der aktuellen Ausgabe der NStZ Prüfer, die noch auf der Suche nach einem geeigneten Fall sind, dazu animiert, sich des Sachverhalts als Vorbild für einen eigenen Prüfungsfall anzunehmen. Die Geschehnisse sind so einfach gehalten, dass sie sich für eine mündliche Prüfung hervorragend eignen, aber auch als Teilaspekt einer größeren schriftlichen Klausur Verwendung finden können, zumal die Vermögensdelikte im Strafrecht ein „Examensdauerbrenner“ sind.
b) Inhaltlich ist dem BGH in vollem Umfang zuzustimmen, wobei sein ergänzender hypothetischer Vergleich mit einem Rücktritt des A meines Erachtens allerdings eher verwirrend erscheint, da eine freiwillige Aufgabe der Tat (durch wen auch immer) hier gerade nicht vorliegt. Vielmehr ergibt sich das stimmige Ergebnis unter konsequenter Anwendung der Grundsätze der Mittäterschaft, wobei die Besonderheiten des Raubes als „kupiertes Erfolgsdelikt“ zu beachten sind. Danach wird der zweiaktige, objektive Tatbestand des Raubes vorliegend in geradezu „klassischer Manier“ als Fall eines mittäterschaftlichen Vorgehens durchgeführt: Während der eine Beteiligte (A) die Nötigungshandlung ausführt (Gewalt durch das körperliche „In-Schach-halten“), führt der andere die Wegnahme innerhalb der Wohnung des Opfers aus. Letztere Handlung ist dem draußen wartenden A wiederum über § 25 Abs. 2 StGB zurechenbar, da er 1.) selbst einen wesentlichen Tatbeitrag in Gestalt der Nötigung ausführt und 2.) dieses Verhalten auch dem beiderseitig verabredeten Vorgehen entsprach. Dass J dabei – sozusagen „im Exzess“ – von dem gemeinsamen Tatplan insofern abgewichen ist, als er vor oder nach der abgesprochenen Ansichnahme des Geldes die Absicht fasste, selbiges alleine für sich zu behalten, ist dabei für die mittäterschaftliche Zurechnung unschädlich. Denn diese kann sich ohnehin nur auf die objektiven Tatteile beziehen, während subjektive Elemente (wie Vorsatz, aber auch eine Bereicherungs- oder Zueignungsabsicht) sowie Sonderpflichtmerkmale zwingend stets in persona des jeweiligen Tatbeteiligten vorliegen müssen. Dementsprechend führt auch die Tatsache, dass der A schlussendlich leer ausgegangen ist, nicht zur Annahme eines (für ihn) bloß versuchten Raubes. Denn der Raub ist, entsprechend der Kriterien beim Diebstahl, bereits dann vollendet, wenn die Wegnahme erfolgreich abgeschlossen wurde, was bei kleineren Gegenständen wie Geld mit dem Einstecken in eine dem Täter gehörige „Gewahrsamsenklave“ der Fall ist – auf eine anschließende objektive Zueignung, wie sie etwa für die Unterschlagung nach § 246 StGB gefordert wird, kommt es gerade nicht an. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der jeweilige Täter das von ihm – nach dem oben Gesagten – höchstpersönlich zu verwirklichende subjektive Merkmal der „Zueignungsabsicht“ zum Zeitpunkt der Tat – und d.h. nach § 8 S. 1 StGB: der Tathandlung – aufweist (Koinzidenzprinzip). Letzteres kann vorliegend im Hinblick auf A aber nicht zweifelhaft sein, da er sowohl zum Zeitpunkt der Nötigung als auch der ihm zuzurechnenden Wegnahme durch J noch in Erwartung eines zu erlangenden Geldbetrages vor der Wohnung des O ausharrte.

27.09.2012/11 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-09-27 10:00:342012-09-27 10:00:34BGH: Vollendeter Raub bei heimlicher Abkehr eines Mittäters vom Tatplan
Christian Muders

Der Wegnahmebegriff und seine Anwendung im Strafrecht BT

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Der Begriff der Wegnahme begegnet uns im Strafrecht an verschiedenen, teils eminent wichtigen Stellen. Der Beitrag hat nicht den Ehrgeiz vertieft irgendwelche inhaltlichen Streitfragen zu erläutern, sondern möchte lediglich einen kurzen Überblick über einige Aufbaufragen für die Klausur anhand dreier relevanter Tatbestände behandeln – wobei allerdings, wie zu sehen sein wird, um kurze Hinweise zu inhaltlichen Kontroversen nicht herumzukommen ist.
1. Tatbestand: der Diebstahl, § 242 StGB.
§ 242 StGB ist der „klassische“ Fall für unseren Wegnahmebegriff – und häufig in diversen Klausuren zu bearbeiten. Bekanntlich wird die Wegnahme hier als „Bruch fremden und Begründung neuen (nicht unbedingt tätereigenen) Gewahrsams“ definiert. Als Marschroute in der Klausur bietet sich insofern ein Dreischritt an: 1. Bestand vor der Tathandlung des Täters fremder Gewahrsam eines Dritten? 2. Wurde dieser Gewahrsam gebrochen? 3. Wurde neuer Gewahrsam begründet? Bei der ersten Frage, nämlich dem Bestehen von Drittgewahrsam, ist dann die Definition des Gewahrsams („tatsächliche Sachherrschaft, getragen von einem natürlichen Besitzwillen, in ihrem Umfang von der Verkehrsanschauung bestimmt“) unterzubringen. Der mittlere Prüfungsschritt lässt sich wiederum aufteilen in zwei Unterprüfungsschritte, ausgehend von der Definition des Gewahrsamsbruchs: „Bruch ist die a) Aufhebung des bisherigen Gewahrsams b) ohne den Willen des alten Gewahrsamsinhabers.“ Im letzten Akt schließlich ist noch kurz (und regelmäßig unproblematisch) festzustellen, ob das Tatobjekt in eine neue Gewahrsamssphäre übergegangen ist, wofür wieder auf die Definition aus dem ersten Prüfungsschritt zurückgegriffen werden kann, die demgemäß nicht noch einmal neu zu wiederholen ist.
Alternativ zu diesem Prüfungsprogramm besteht auch die Möglichkeit, zunächst die Aufhebung und Neubegründung des Gewahrsams zu untersuchen, um erst im letzten Schritt zu prüfen, ob diese Gewahrsamsverlagerung ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers, also tatsächlich als „Bruch“ geschah. Diese Variante kann insofern einen Vorzug bieten, als Aufhebung des Alt- und Begründung des Neugewahrsams regelmäßig in einem Atemzug erfolgen, so dass die zeitlich enge Verbindung zwischen diesen Schritten deutlich ist und zudem etwas Schreibarbeit gespart wird. Allerdings ist zu bedenken, dass die Aufhebung des Altgewahrsams und die Begründung von Neugewahrsam nicht zwingend stets in einem Schritt erfolgen. So ist etwa an den Fall zu denken, dass der Täter T auf ein umschlossenes Werkgelände eindringt und dort einen Zementsack, den er sich zueignen will, über die Werksmauer auf die andere Seite wirft, um ihn später abholen zu können: Hier ist die Aufhebung des bisherigen Gewahrsams bereits mit dem Werfen des Zementsacks über die Mauer und damit hinaus aus der räumlichen Herrschaftssphäre des Werksinhabers eingetreten; die Neubegründung des Gewahrsams und mithin die Vollendung des Diebstahls erfolgen hingegen erst, wenn der T später das begehrte Objekt außerhalb der Werksmauern an sich nimmt. Neben diesem Merkposten spricht für die zuerst dargestellte Abfolge der Prüfungsschritte, dass sie der gesetzlichen Definition und zeitlichen Reihenfolge folgt: Ansonsten wird die Definition des Bruchs auseinandergerissen und (teilweise) mit der Neubegründung des Gewahrsams „vermengt“, was durchaus zu leichten Konfusionen im Gutachtenaufbau führen kann.
2. Tatbestand: der Raub, § 249 StGB.
Der Raub ist ein weiterer wichtiger Tatbestand, der sowohl in der universitären Ausbildung als auch im Examen häufig auftaucht. Grundsätzlich ist im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme zu sagen, dass die Definition der obigen Darstellung, inkl. der einzelnen Unterdefinitionen, entspricht. Dazu passt, dass weit überwiegend vertreten wird, der Raub sei ein aus Nötigung und Diebstahl zusammengesetztes, wenn auch eigenständiges Delikt (dazu nur Kindhäuser, BT II, 6. Aufl. 2011, § 13/1).
Im Hinblick auf die Frage, ob eine Gewahrsamsaufhebung und -neubegründung durch den Täter vorliegt, ergeben sich auch keine Besonderheiten. Problematisch kann allerdings das Merkmal der Aufhebung „ohne den Willen“, also ohne ein (tatbestandsausschließendes) Einverständnis sein. Insofern ist man zunächst geneigt anzunehmen, dass ein solches Einverständnis beim Raub eigentlich nie vorliegen könne, da auf den Willen des Opfers ja qua qualifizierter Nötigungshandlung (Gewalt gegen eine Person/Drohung gegen Leib oder Leben) eingewirkt wird. Indes scheint uns die beim Wegnahmebegriff zusätzlich vorzunehmende standardmäßige Abgrenzung zu einem verwandten Delikt, nämlich der räuberischen Erpressung, Gegenteiliges zu lehren: Auch dort sind die angewandten Nötigungsmittel identisch und dennoch soll eine „Verfügung“ des Opfers möglich sein, die, folgt man dem Exklusivitätsdogma der h.L., eine Wegnahme qua „Einverständnis“ mit dem Gewahrsamswechsel bei der Abpressung von Sachen ausschließt. Demgemäß wäre also auch ein abgenötigtes Einverständnis wirksam, was aber wiederum der allgemeinen Lehre, wonach ein Einverständnis zwar ggf. täuschungs-, nicht aber nötigungsresistent ist, zu widersprechen scheint (vgl. hierzu Wessels/Beulke, AT, 32. Aufl. 2002, Rn. 116; MK-Gropp/Sinn, 1. Aufl. 2003, § 240 Rn. 102; Kindhäuser, AT, 5. Aufl. 2011, § 12/50 ff.; a.A. aber offensichtlich Rengier, BT I, 9. Aufl. 2007, § 2/31). Auch kein besseres Bild liefert allerdings das Abgrenzungskriterium der Rspr., die bekanntlich das Vorliegen eine räuberischen Sacherpressung vom Raub nach dem „äußeren Erscheinungsbild“ (wegnehmen oder weggeben?) unterscheidet: Denn wenn man streng nach der allgemeine Definition der Wegnahme geht, kommt es nur auf den Gewahrsamswechsel ohne Einverständnis des Opfers an, nicht auch darauf, wer diesen (äußerlich) vollzieht (a.A. aber Mitsch, BT, 2. Aufl. 2003, § 3/16): Aufgrund der vorangehenden Nötigung durch den Täter kann nämlich auch eine eigenhändige Gewahrsamsaufhebung durch das Opfer nicht diesem selbst, sondern allein dem Täter zugerechnet werden (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB). Der in diese Feststellung stoßende Vorschlag von Otto (BT, 7. Aufl. 2005, § 46/11), der den konsequenten Weg geht, beim Raub einen anderen Begriff der Wegnahme als bei § 242 StGB zugrundezulegen, erscheint aber wiederum insofern zweifelhaft, als dies der fast durchgängig vertretenen These widerspricht, dass der Wegnahmebegriff bei Raub und Diebstahl identisch ist (s.o.).
Auf diese missliche Lage, dass nämlich die Kriterien zur Abgrenzung von Raub und räuberische Erpressung nicht exakt auf die gemeinhin verwendete Wegnahmedefinition zu passen scheinen, die Abgrenzung aber dennoch an eben dieser Stelle zu leisten ist, kann man m.E. folgendermaßen reagieren: Zunächst sollte man – entgegen dem oben für den Diebstahl aufgeführten Prüfungsprogramm – beim Raub den unproblematischen Teil der Wegnahme, nämlich die Aufhebung und Neubegründung des Gewahrsams, in einen ersten Prüfungspunkt vorziehen. Im Anschluss ist dann zu der Frage Stellung zu nehmen, ob dieser Gewahrsamswechsel auch als „Bruch“, also ohne Einverständnis des Opfers erfolgt ist. Diese Veränderung der Prüfungsreihenfolge lässt sich mit der Erwägung rechtfertigen, dass beim Raub regelmäßig nicht der Gewahrsamswechsel an sich (und eigentlich auch nicht die Unfreiheit desselben, s.o.) problematisch ist, sondern die Abgrenzung zur räuberischen Erpressung. Bei dem zweiten Prüfungspunkt des Bruchs sind dann die Abgrenzungskriterien von Rspr. und h.L. unterzubringen, wobei man etwa folgendermaßen formulieren könnte: „Fraglich ist, ob dieser Gewahrsamswechsel auch durch Bruch, nämlich – in Abgrenzung zur räuberischen Sacherpressung (§§ 253 Abs. 1, 255 StGB) – ohne Einverständnis des Opfers, erfolgt ist.“ Hiernach kann dann die Erfassung des Bruchs durch die Rspr., nämlich als eine allein im äußeren Geschehen verhaftete „Wegnahme“, und die von der h.L. bekleidete Position, wonach auf die innere Willensrichtung abzustellen ist, dargestellt werden, inkl. der konkreten Sachverhaltssubsumtion. Der ausdrückliche Verweis auf die Abgrenzung zur räuberischen Erpressung macht dabei deutlich, dass man den Prüfungspunkt des Einverständnisses hier in einem – je nach Auffassung – ggf. leicht abgewandelten Verständnis zum Normalfall heranzieht (vgl. auch Joecks, Studienkommentar StGB, 7. Aufl. 2007, § 249 Rn. 8 ff; demgegenüber ist natürlich dann kein „angepasstes“ Verständnis erforderlich, wenn man wie Rengier, a.a.O. ein Einverständnis auch bei einer abgenötigten Übergabe als gegeben sieht [Harmonie mit dem Verfügungskriterium der h.L.] oder wie bei Mitsch, a.a.O. das Abstellen allein auf den äußeren Vollzug des Gewahrsamswechsels als mit der hergebrachten Wegnahmedefinition für vereinbar hält [Harmonie mit dem Kriterium der Rspr.]).
3. Tatbestand: die Pfandkehr, § 289 StGB.
Als letztes Delikt in unserem Streifzug soll noch kurz die Pfandkehr beleuchtet werden, die ebenfalls fordert, dass der Täter eine bestimmte Sache „wegnimmt“, und zwar als Eigentümer oder zumindest zugunsten desselben – bereits ein Fingerzeig, dass durch diesen Tatbestand abweichend zu den vorgenannten Delikten nicht der dingliche Vollrechtsinhaber, sondern sonstige (dinglich oder obligatorisch) berechtige Personen geschützt werden. Führt die Pfandkehr auch in der strafrechtlichen Ausbildung regelmäßig ein Schattendasein, so dürfte das Erkennen ihres Vorliegens in Klausur und mündlicher Prüfung regelmäßig mit einem wohlwollenden Punkteregen goutiert werden – dies gilt umso mehr, als entgegen der irreführenden gesetzlichen Überschrift der Tatbestand nicht nur beim Eingriff in (Faust-)Pfandrechte Dritter verwirklicht wird, sondern auch bei der Vereitelung von Gebrauchsrechten wie Miete oder Leasing sowie bei Zurückbehaltungsrechten (§§ 273, 320, 1000 BGB) zum Zuge kommt.
Bzgl. des Wegnahmebegriffs ist nun bedeutsam, dass dieser im Fall der Pfandkehr in Abkehr zum entsprechenden Begriff bei §§ 242, 249 StGB, zumindest nach h.L. und Rspr., nicht zwingend einen Gewahrsamsbruch im engeren Sinne erfordert (Kindhäuser, BT II, 6. Aufl. 2011, § 10/8 f. m.w.N.) – auch wenn ein solcher selbstverständlich unschädlich ist! So sollen insbesondere auch besitz- und damit gleichzeitig gewahrsamslose Pfandrechte, namentlich des Vermieters (§§ 562 ff BGB) und Verpächters (§ 581 Abs. 2 i.V.m. §§ 562 ff BGB), geschützt werden. Ausreichend ist danach, dass das Tatobjekt aus dem „Machtbereich“ des geschützten Rechtsinhabers entfernt wird, was etwa beim häufig vorkommenden Vermieterpfandrecht unproblematisch dann der Fall ist, wenn der Gegenstand aus der vermieteten Räumlichkeit oder von dem vermieteten Grundstück weggeschafft wird (nebenbei bemerkt: Der Vermieter hat hiergegen ein Selbsthilferecht, § 562b Abs. 1 S. 1 BGB, das in der Strafrechtsklausur als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommt). In der Fallbearbeitung bietet es sich an, nach der hypothetischen Fragestellung, ob eine taugliche Tathandlung vorliegt, zunächst die allgemeingültige Wegnahmedefinition als „Grundsatz“ bzw. i.S.e. „Jedenfalls“-Sentenz abzuspulen und bei Problemfällen dann im ersten Schritt – der Frage nach dem Altgewahrsam – darzustellen, dass ein Gewahrsamsverhältnis (etwa des Vermieters) gerade nicht vorliegt. Sodann ist in einem weiteren Prüfungspunkt zu fragen, ob ein solches Gewahrsamsverhältnis bei § 289 StGB überhaupt erforderlich ist (dafür etwa Joecks, Studienkommentar StGB, 7. Aufl. 2007, § 289 Rn. 3), oder ob nicht etwa auch ein ähnliches „Gewaltverhältnis“, das gebrochen wird, ausreicht – letzteres kann etwa damit begründet werden, dass das Gesetz nicht zwischen Faustpfand- und besitzlosen Pfandrechten unterscheidet, letztere aber demgemäß ebenfalls von § 289 StGB geschützt sein müssen (vgl. etwa MK-Maier, 1. Aufl. 2006, § 289 Rn. 15). Im Übrigen kann sicherlich auch in der mündlichen Prüfung bei der Frage, ob für die Wegnahme ausnahmslos ein Gewahrsamsbruch erforderlich ist, mit dem Hinweis auf die gegenteilige Rspr. bei § 289 StGB gepunktet werden.

29.05.2012/3 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-05-29 09:34:162012-05-29 09:34:16Der Wegnahmebegriff und seine Anwendung im Strafrecht BT
Nicolas Hohn-Hein

OLG Celle: Mitgewahrsam und Näheverhältnis bei der „Dreieckserpressung“

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Das OLG Celle (1 Ws 355/11 – Beschl. v. 13.09.2011) hat vor kurzem eine examensrelevante Entscheidung veröffentlicht. Insbesondere für den Vortrag im Strafrecht könnte der Fall auf Grund seiner Schwerpunktsetzung eine gute Grundlage bilden.
Sachverhalt
K und A beschließen, gemeinsam die Pizzeria des J um die etwas Bargeld zu erleichtern. Die M, Freundin des K, will ihnen dabei helfen, da sie als Kellnerin dort angestellt und als einzige für die Kasse verantwortlich ist. Wie verabredet, lässt sie entgegen der Anweisungen des J am Tattag die Tür zum Ladenlokal ab 23:25 Uhr unverschlossen. Kurz darauf stürmen K und A herein. Der Angestellte G ist in diesem Moment mit dem Zählen der Tageseinnahmen beschäftigt. G hatte sich diesmal bereit erklärt, der M dabei zu helfen, damit beide „früh Schluss machen“ können. M hatte kurz zuvor angekündigt, sie müsse „dringend telefonieren“, und war dann in die Küche entschwunden.
A gelingt es den völlig überraschten G zu überwältigen. Sodann fixiert er G auf dem Boden und hält ihm ein Messer an den Hals. M hält sich während der ganzen Zeit im Küchenbereich auf. Nachdem K die Tageseinnahmen an sich genommen hat, ergreifen A und K die Flucht. M gibt sich später bei der Polizei als Opfer aus.
Einverständnis des Inhabers des übergeordneten Mitgewahrsams ausreichend
Zur BGH-Rechtsprechung im Allgemeinen führt das OLG aus:

Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Angestellter, der allein eine Kasse zu verwalten und über ihren Inhalt abzurechnen hat, in aller Regel Alleingewahrsam am Kasseninhalt hat. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in diesen Entscheidungen jeweils den Gewahrsam des Angestellten im Verhältnis zu dem- während der Taten nicht anwesenden – Dienstherren gewürdigt und hierzu ausgeführt, dass allein das „generelle Kontroll- und Weisungsrecht des Dienstherrn nicht ohne weiteres dessen Mitgewahrsam“ begründet. Darum geht es hier indes nicht. Fragen des Gewahrsams sind immer nach den Umständen des einzelnen Falles und den Anschauungen des Verkehrs oder des täglichen Lebens zu beantworten (BGHSt 16, 271; 22, 182; 23, 255; Fischer aaO m.w.N.). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch in den oben genannten Entscheidungen zum Alleingewahrsam des Kassierers zugleich ausgeführt, dass dieser nur „vorbehaltlich besonderer Fallgestaltungen“ bzw. „in aller Regel“ anzunehmen ist. So hat der Bundesgerichtshof etwa in einem Fall den Alleingewahrsam einer Kassiererin verneint, weil ein anderer Angestellter mit ihr ständig in einem kleinen Büro zusammen war und er tagsüber eine starke Einwirkungsmöglichkeit auf die Kasse hatte (BGHSt 8, 273).

Die Vorinstanz hatte hier noch Alleingewahrsam der M an dem Kasseninhalt angenommen und damit eine Wegnahme bei G verneint. Das OLG Celle kommt zum gleichen Ergebnis, aber mit einer anderen Begründung: Im Verhältnis zum Dritten J, bei dem die Vermögensschädigung eintritt, ist sie alleinige Gewahrsamsinhaberin, da sie als einzige für die Kasse zuständig ist. G habe insofern nur untergeordneten, M übergeordneten Mitgewahrsam. Das Einverständnis der M zur Entnahme des Geldes durch A wirke aber auch hinsichtlich des untergeordneten Mitgewahrsams des G, der die superiore Position der M kenne und akzeptiere. Daran ändere auch nichts, wenn zum Zeitpunkt der Tat der G ausnahmsweise die alleinige Kontrolle über die Kasse hat.

 Eine besondere Fallgestaltung liegt auch hier vor. Denn der Zeuge G. hat glaubhaft bekundet, dass er zum Tatzeitpunkt gerade dabei war, der Angeklagten M. beim Zählen der Tageseinnahmen zu helfen, indem er das Münzgeld in den Zählkasten einsortierte, während diese telefonierte. Damit übte er zumindest über einen Teil der Tageseinnahmen willentlich die tatsächliche Sachherrschaft aus. Er hielt die Münzen in den Händen und veränderte zielgerichtet ihren Ablageort. Anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen lag hier also im Tatzeitpunkt gerade keine ausschließliche Einwirkungsmöglichkeit des Kassierers auf den Kasseninhalt vor. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Kassenverwaltung nach dem Willen des Dienstherrn allein der Angeklagten M. oblag. Denn für den Gewahrsam kommt es auf eine normative Zuordnung der Sache oder gar die Rechtmäßigkeit der Ausübung der Sachherrschaft nicht an (vgl. Fischer aaO; Sch/Sch-Eser/Bosch aaO).
Allerdings ist trotz des Gewahrsams des Zeugen G. hier dennoch nicht das Tat-bestandsmerkmal der Wegnahme erfüllt. Denn der Zeuge hatte gegenüber der Angeklagten M. nur untergeordneten Mitgewahrsam (vgl. BGHSt 10, 400; BGH NStZ-RR 1996, 131). Die Angeklagte M. war gegenüber dem Geschäftsinhaber allein für die Verwaltung der Kasse verantwortlich. Dies war auch dem Zeugen G. bekannt, der bekundet hat, dass „eigentlich“ nur die Angeklagte M. Zugriff auf die Kasse habe und dass er nur deshalb das Münzgeld schon einsortiert habe, weil die Angeklagte M. telefoniert und er gewollt habe, dass es schneller gehe. Damit war der Zeuge G. sich des Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen ihm und der Angeklagten M. bei der Ausübung der Sachherrschaft über die Tageseinnahmen bewusst. Ist aber – wie hier – die Inhaberin des übergeordneten Mitgewahrsams mit der Gewahrsamsbegründung durch Dritte einverstanden, so fehlt es an einer Wegnahme, auch wenn dadurch zugleich untergeordneter Mitgewahrsam faktisch gebrochen wird .

„Lagertheorie“ des BGH bestätigt
Die Lagertheorie des BGH dürfte wohl bekannt sein. Das OLG Celle schließt sich vorliegend dieser an. Ein besonderes Näheverhältnis, wie es die Vorinstanz noch gefordert hat, sei nicht erforderlich, denn

 [d]er Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nicht zu entnehmen, dass das erforderliche Näheverhältnis nur beim Bestehen enger persönlicher Beziehun-gen in Form von Ehe, Lebenspartnerschaft oder Verwandtschaft oder bei einer besonderen Verantwortung für das Vermögen des Geschädigten anzunehmen ist. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass eine Dreieckserpressung „weder eine rechtliche Verfügungsmacht noch eine tatsächliche Herrschaftsgewalt des Genötigten über die fremden Vermögensgegenstände im Sinne einer Gewahrsamsdienerschaft“ voraussetze; es genüge vielmehr, dass das Nötigungsopfer spätestens im Zeitpunkt der Tatbegehung auf der Seite des Vermögensinhabers stehe (BGH aaO). Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass das geforderte Näheverhältnis jedenfalls dann vorliegt, wenn eine faktische Sonderbeziehung des Genötigten zu den fremden Vermögensgegenständen im Sinne einer Gewahrsamsinhaber oder -dienerschaft oder einer sonstigen Obhutsfunktion besteht. Eine Gewahrsamsinhaberschaft ist hier durch den – bereits oben näher begründeten – untergeordneten Mitgewahrsam des Zeugen G. an den Tageseinnahmen gegeben. Abgesehen davon besteht das erforderliche Näheverhältnis hier auch unter einem anderen Gesichtspunkt. Es ist nämlich regelmäßig auch dann anzunehmen, wenn im Geschäftsbereich ein Angestellter zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zum Nachteil des Vermögens seines Arbeitgebers genötigt wird. Auch diese Sachlage bestand hier. Der Zeuge G. war Angestellter des in seinem Vermögen geschädigten Geschäftsinhabers. Der Auffassung des Landgerichts, dass die Schutzbereitschaft des Zeugen G. nicht anders zu bewerten wäre als die eines zufällig vorbeikommenden Passanten, kann nicht gefolgt werden. Der Zeuge G. hat hier gerade auf Grund seiner Funktion als Angestellter tatsächlichen Zugriff auf die Tageseinnahmen genommen. Die Angeklagte M. hätte hingegen einem zufällig vorbeikommenden Passanten nicht gestattet, das Münzgeld in den Zählkasten einzusortieren.

Fazit
A, K und M haben sich wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Mittäterschaft nach §§ 253 Abs. 1 und Abs. 2, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Wegen des Messereinsatzes ist die Qualifikation des § 250 Abs.2 Nr.1 („gefährliches Werkzeug“) erfüllt. Abgrenzung Raub – räuberische Erpressung, Gewahrsamsbegriff im Strafrecht, Beziehung zwischen Genötigtem und geschädigtem Dritten bei einer Erpressung – in dem Fall ist so einiges drin, was zum gängigen Prüfungsstoff gehört.
 

22.11.2011/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2011-11-22 11:39:582011-11-22 11:39:58OLG Celle: Mitgewahrsam und Näheverhältnis bei der „Dreieckserpressung“

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