• Suche
  • Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Prozess

Schlagwortarchiv für: Prozess

Tom Stiebert

Erdogan vs. Böhmermann: Ein Nachtrag – § 185 StGB vs. § 103 StGB

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht BT, Tagesgeschehen

In dem gestrigen Beitrag wurde die Frage diskutiert, inwiefern in der causa Böhmermann die Strafbarkeit des § 103 StGB gegeben ist und inwieweit diesbezüglich eine Strafverfolgung zulässig ist. Verwiesen wurde dabei auf § 104a StGB.
Dieser recht antiquiert anmutende Paragraph soll dem Schutz der deutschen Rechtsordnung vor der Einmischung durch ausländische Staatsoberhäupter dienen. Eine Strafverfolgung ist daher nicht sicher.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan geht daher – so Medienberichte – einen zusätzlichen Weg: Neben einem Strafverlangen nach § 104a StGB wurde auch ein Strafantrag nach § 194 StGB bezüglich einer Beleidigung gestellt. Hierbei handelt es sich um ein „normales“ Delikt, das nach dem Legalitätsprinzip stets auf Antrag zu verfolgen ist. So umgeht er die Voraussetzungen des § 104a StGB.
I. Verhältnis der Straftatbestände
Dabei entspricht der Tatbestand des § 103 StGB dem des § 185 StGB und auch des § 186 StGB auf den mitverwiesen wird. Auch bei der Prüfung einer Beleidigung gelten daher die Wertungen, die bei § 103 StGB zu beachten sind. Zu klären ist aber das Konkurrenzverhältnis beider Normen: Von § 103 StGB geschützt ist die Ehre ausländischer Staaten als kollektives Rechtsgut. Das Staatsoberhaupt dient daher als Repräsentant des Staates. Der allgemeine Schutz des § 185 StGB soll aus diesem Grund verstärkt werden. § 103 StGB wird aus diesem Grund als lex specialis zu § 185 StGB angesehen (Schönke/Schröder/Eser, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 103 StGB, Rn. 8).
Andere Ansichten sehen unterschiedliche Rechtsgüter von § 185 StGB und § 103 StGB geschützt: Während § 185 StGB die individuelle Ehre schützt, möchte § 103 StGB hiernach „allein das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einem Mindestbestand funktionierender Beziehungen zu ausländischen Staaten“ schützen (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Wolfgang Wohlers/Walter Kargl, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 103 StGB, Rn. 4). Insofern wäre nach dieser Ansicht zwischen § 185 StGB und § 103 StGB Tateinheit gegeben.
Jedenfalls sollte aber nach beiden Ansichten eine restriktive Auslegung des § 103 StGB geboten sein. Jedenfalls scheidet m.E. eine Strafbarkeit nach § 103 StGB aus, wenn allein das Staatsoberhaupt als Person beleidigt wird und keinerlei denkbarer Bezug zur Ehre des Volkes vorliegt. Wenn ich also den türkischen Präsidenten auf der Straße treffe und beleidige, ihn aber nicht einmal erkenne, ist allein eine Strafbarkeit nach § 185 StGB nicht aber nach § 103 StGB möglich. Ein solcher Bezug dürfte hier allerdings vorliegen, ist aber jedenfalls – was m.E. in der Diskussion etwas zu kurz kommt – im Einzelfall zu prüfen.
II. Folgeprobleme
Das Konkurrenzverhältnis der Normen birgt auch praktische Probleme: So stellt sich die Frage, ob eine tateinheitliche Begehung möglich ist (s.o.).
Wichtiger ist noch die Frage, ob der Antrag auf Verfolgung nach §§ 103, 104a StGB in einen Strafantrag nach § 185 StGB umgedeutet werden kann bzw. direkt als ein solcher anzusehen ist. Die Kommentarliteratur bejaht dies zumeist (siehe nur Schönke/Schröder/Eser, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 103 StGB, Rn. 8). Voraussetzung dafür dürfte allerdings sein, dass § 103 StGB einen Spezialfall des § 185 StGB bildet, dass also jede Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB darstellt. Lehnt man dies ab, so dürfte der Weg zu § 185 StGB schwieriger zu bestreiten sein. Hier müsste dann ausgelegt werden, ob ein Strafantrag iSd § 194 StGB vorliegt oder nicht. Es handelt sich hierbei um ein absolutes Antragsdelikt. Die Voraussetzungen sind hier aber recht gering. Aus dem Antrag muss sich allein der Verfolgungswille bezüglich einer konkreten Tat ergeben. Diese Voraussetzungen dürften im Einzelfall erfüllt sein. Zu beachten sind zudem die formellen Vorgaben des § 158 Abs. 2 StPO.
III. Fazit
Der Fall Erdogan birgt weiterhin juristischen und politischen Sprengstoff. Findige Prüfer finden hier eine Vielzahl von Ansatzpunkten für eine Aufgabenstellung. Zumindest die Strukturen der relevanten Normen sollten daher bekannt sein.

12.04.2016/1 Kommentar/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-04-12 09:25:172016-04-12 09:25:17Erdogan vs. Böhmermann: Ein Nachtrag – § 185 StGB vs. § 103 StGB
Gastautor

LG Stuttgart: Kein Schadensersatz für Stefan Mappus wegen EnBW-Deal

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Jonas Hensinger veröffentlichen zu können. Der Autor des Beitrags hat in Heidelberg Jura studiert und absolviert aktuell sein Referendariat am LG Stuttgart.
Das Landgericht Stuttgart (Urt.v. 24.02.2015, Az. 9 O 108/14) hat entschieden, dass dem ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg Stefan Mappus keine Schadensersatzansprüche gegen die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz wegen Falschberatung beim Kauf von EnBW-Anteilen vom französischen Energiekonzern EDF zustehen. Das Urteil hat nicht nur medial ein hohes Interesse hervorgerufen. Seine Bezüge zum „beliebten“ Examensthema des „Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter“ machen den Fall auch für künftige Examenskandidaten interessant.
I. Sachverhalt
In der EnBW-Affäre geht es um den Rückkauf eines EnBW-Aktienpaketes von der französischen Électricité de France (EDF), den die baden-württembergische Landesregierung Ende 2010 auf Betreiben des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus unter Verweis auf ein angebliches Notbewilligungsrecht ohne Einbeziehung des Landtags abwickelte. Dabei agierte die Investmentbank Morgan Stanley als Berater der Landesregierung. Für die rechtlichen Aspekte des Geschäftes beauftragte Morgan Stanley die Kanzlei Gleiss Lutz.
Juristisch ist der Fall auf mehreren Themengebieten spannend. In öffentlich-rechtlicher Hinsicht wirft die Umgehung des Landtags beim Rückkauf der EnBW-Anteile zunächst die Frage der Verfassungswidrigkeit des Vorgehens auf, welche vom Staatsgerichtshof Baden-Württemberg (Urt. 06.10.2011, Az. GR 2/11) wegen Verstoß gegen Art. 81 LV BW bejaht wurde. Auch zog der Fall strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen des Verdachts der Untreue nach sich, weil Mappus mit 4,7 Milliarden Euro möglicherweise zu viel für die EnBW-Anteile bezahlt und damit dem Vermögen des Landes Baden-Württemberg Schaden zugefügt hatte. Die Ermittlungen wurden jedoch am 28.10.2014 eingestellt.
Schließlich hatte sich das Landgericht Stuttgart mit zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen des Stefan Mappus gegen die Kanzlei Gleiss Lutz und deren Anwalt Martin Schockenhoff wegen einer anwaltlichen Fehlberatung zu befassen. Mit dieser Frage soll sich dieser Beitrag befassen.
II. Rechtslage
Das LG Stuttgart hat das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs verneint.
1. Schuldverhältnis unmittelbar?
Da das BGB für Beratungsverträge keine speziellen Vorschriften eines Gewährleistungsrechts kennt, kommt allein ein Anspruch direkt aus § 280 I BGB in Betracht. Dieser setzt zunächst ein Schuldverhältnis voraus. Der Anwaltsvertrag wird von der ständigen Rechtsprechung als Geschäftsbesorgungsvertrag gem. §§ 611, 675 BGB aufgefasst. Einen solchen Vertrag hat aber nicht Stefan Mappus selbst, sondern das Land Baden-Württemberg mit der Kanzlei abgeschlossen.
2. Schuldverhältnis von Dritten?
Eigene Schadensersatzansprüche des Stefan Mappus kommen daher allenfalls aus § 280 I BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSzD)in Betracht. Dabei setzt die Einbeziehung des Dritten in die Schutzwirkung eines Vertrags die Leistungsnähe des Dritten, ein Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, die Erkennbarkeit für den Schuldner sowie die Schutzbedürftigkeit des Dritten voraus. Für nähere Details ist der Beitrag auf https://red.ab7.dev/ubersicht-vertrag-mit-schutzwirkung-zugunsten-dritter/ zu empfehlen.
Das LG Stuttgart hat im vorliegenden Fall bereits das Merkmal der Leistungsnähe verneint. Dieses setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Hauptleistung in Berührung kommt und nach der Anlage des Vertrags den Leistungsgefahren in ähnlicher Weise ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst. Es muss sich daher um ein Leistungsverhältnis handeln, das inhaltlich drittbezogen ist. Ein bloß zufälliger Leistungskontakt genügt nicht.
Anwaltsverträge tauchen recht häufig in Verbindung mit Fällen des VSzD auf. Dabei besteht die Leistungsnähe grundsätzlich aber nur gegenüber solchen Dritten, deren Vermögensinteressen durch die Rechtsberatung oder Geschäftsbesorgung gewahrt werden sollen. So hat der BGH beispielsweise den Anwaltsvertrag eines Mieterschutzvereins zugunsten des eigentlich zu beratenden Mitglieds als drittschützend angesehen. Auch eine Schutzwirkung zugunsten der vorgesehen Erben bei der Erarbeitung eines Testamentsentwurfs hat der BGH bereits bejaht.
Im Gegensatz hierzu sind in der vorliegenden Konstellation die Vermögensinteressen des Stefan Mappus nicht unmittelbar betroffen. Eine persönliche Haftung des Ministerpräsidenten für Verfassungsverstöße ist ausgeschlossen. Auch der zweifellos erlittene Imageschaden des Stefan Mappus weist keinen unmittelbar vermögensrelevanten Bezug auf. Allenfalls könnte man darauf abstellen, Mappus habe aufgrund der Falschberatung hohe Anwaltskosten bei der politischen und strafrechtlichen Aufarbeitung des EnBW-Deals begleichen müssen bzw. Einkommensnachteile bei künftigen Tätigkeiten erlitten. Diese entspringen aber keiner bestimmungsgemäßen Berührung mit Beratungspflichten mehr. Bei der Beratung ging es vielmehr um Fragen eines verfassungsmäßigen Vorgehens der Landesregierung, welche privates Vermögen nicht einmal am Rande tangieren. Das Merkmal der Leistungsnähe bezweckt gerade die Vermeidung uferloser Haftungsrisiken des Schuldners. Auf eine rein kausale Verknüpfung entstandener Nachteile mit der Verletzung von Hauptleistungspflichten kann sich daher allenfalls der unmittelbare Vertragspartner, nicht jedoch ein beliebiger Dritter berufen.
Insbesondere für den Fall, dass eine Anwaltskanzlei eine öffentlich-rechtliche Körperschaft berät, erscheint eine klare Trennung der Vermögenssphären von Körperschaft und vertretungsberechtigter Privatperson sachgerecht. Anders als zwischen einem Verein und dessen Mitglied oder einem Erblasser und dessen Erben bestehen hier gerade keine wirtschaftlichen Verflechtungen.
Selbst wenn man aber das Merkmal der Leistungsnähe auf Seiten des Stefan Mappus noch bejahen würde, wäre spätestens beim Einbeziehungsinteresse des Landes Baden-Württemberg Schluss. Denn dieses würde zumindest voraussetzen, dass das Land an der Einbeziehung seines Ministerpräsidenten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages ein besonderes Interesse hat und der Vertrag dahin ausgelegt werden kann, dass der Vertragsschutz in Anerkennung dieses Interesses auf den Dritten ausgedehnt werden soll. Woraus ein solches besonderes Interesse des Landes Baden-Württemberg resultieren soll, leuchtet aber beim besten Willen nicht ein.
III. Fazit
Das Urteil des LG Stuttgart setzt der Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkung eines Anwaltsvertrages eine klare Grenze. Dies ist zur Vermeidung unvorhersehbarer Haftungsrisiken des Anwalts zu begrüßen und wird auf Seiten von Anwälten, Kanzleien und deren Haftpflichtversicherern dankbar zur Kenntnis genommen werden.

25.02.2015/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-02-25 10:13:512015-02-25 10:13:51LG Stuttgart: Kein Schadensersatz für Stefan Mappus wegen EnBW-Deal
Tom Stiebert

Diskussion um den NSU-Prozess – Jura vs. Politik

Schon gelesen?, Startseite, StPO, Tagesgeschehen, ZPO

Der Aufruhr ist groß: Politiker jeglicher couleur – vom türkischen Premier Recep Erdogan bis zum CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder – kritisieren die Sitzplatzvergabe beim in Kürze beginnenden NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte in München. Auch die Medien wie bspw. die türkische Hürriyet oder auch die BILD äußern harsche Kritik an den Vergabemodalitäten. Aber auch juristisch versierte Kreise äußern starke Zweifel an der Sitzplatzvergabe durch das sog. Windhundprinzip und fordern zumindest eine Übertragung in Nebenräumen.

Dennoch erscheint die Kritik oftmals eher politisch denn juristisch motiviert zu sein. Der Beitrag möchte aus diesem Grund eine Übersicht über die juristischen Fragen der Sitzplatzvergabe für Zuschauer und Medien in Gerichtsverhandlungen geben.

I. Sachverhalt

Was ist eigentlich genau passiert? In München beginnt am 17. April der NSU-Prozess – teilweise reißerisch als „Jahrhundertprozess“ bezeichnet (so SPD- Innenexperte Dieter Wiefelspütz in der „Berliner Zeitung“; das OLG-München widerspricht dagegen einem solchen Superlativ). Stattfinden wird der Prozess im Schwurgerichtssaal A 101 des OLG, dem bestgesicherten Saal dieses Gerichts. Vergeben werden dabei 50 Journalistenplätze sowie weitere 50 Plätze für Zuschauer. Daneben sind 71 Nebenkläger sowie 49 Anwälte beteiligt. Die Vergabe der Zuschauerplätze erfolgt jeden Verhandlungstag aufs Neue nach dem Windhundprinzip (Prioritätsprinzip) – die ersten Anwesenden werden also eingelassen. Auch Journalisten können hierbei Einlass begehren. Hingegen wurden die Journalistenplätze bereits im Vorfeld vergeben. Auch hier wurde der Zeitpunkt der Anmeldung per Mail oder Fax berücksichtigt. Bereits drei Stunden nach Beginn der Meldefrist waren dabei die 50 festen Plätze vergeben, so dass eine Nachrückerliste eröffnet wurde, auf der sich nun insgesamt 73 Medienvertreter befinden. Dabei fällt auf, dass sich unter den 50 registrierten Medienanstalten keine türkischen Medien befinden.

II. Rechtliche Bewertung

Ausgangspunkt der juristischen Betrachtung muss der § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sein, der eine öffentliche Verhandlung vorschreibt (§ 169 S. 1 GVG), Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung aber untersagt (§ 169 S. 2 GVG). Jede Person muss also die reelle Möglichkeit haben, als Zuhörer am Prozess teilzunehmen (BGH NStZ 1982, 476; BGH NStZ 1989, 1741; BVerfG NJW 2002, 814).

1. Sitzungssaal zu klein

Der Bundesgerichtshof stellt aber gleichwohl klar, dass die vorhandenen Kapazitäten eine natürliche Grenze des Zugangsrecht darstellen (BGH NJW 1977, 157). (Hier zeigt sich eine Parallele zum Zugangsrecht bei öffentlichen Einrichtungen im Kommunalrecht.) Das Gericht ist auch nicht gezwungen zusätzliche Kapazitäten zu schaffen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Insbesondere Sicherheitsmaßnahmen können zu einer Absenkung der Zuschauerplätze führen. Unzulässig ist es lediglich einen so kleinen Verhandlungssaal zu wählen, in welchem eine Teilnahme Dritter ausgeschlossen ist (bspw. das Richterzimmer; BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7).

Gegen diese Vorgaben verstößt das OLG München offensichtlich nicht. Hier wurde ein verhältnismäßig großer Verhandlungssaal gewählt, der insbesondere auch die erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt.

2. Vergabe der Plätze willkürlich

Hauptkritikpunkt ist freilich die Vergabe der Plätze selbst. Hier ist zwischen den Plätzen für die eigentliche Öffentlichkeit (unmittelbare Öffentlichkeit) und Journalistenplätzen (die zu einer mittelbaren Öffentlichkeit führen) zu differenzieren. Bei den Zuschauerplätzen ist eine Vorreservierung generell unzulässig (BGHSt 26, 99). Die Vergabe muss hier also zwingend an Anwesende erfolgen; einziges objektives Kriterium kann dabei der Zeitpunkt der Ankunft am Sitzzungssal sein. Zur Wahrung der Übersichtlichkeit ist es aber zulässig, Einlasskarten zu verteilen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Eine Vorabvergabe der Zuschauerplätze, aber auch die Berücksichtigung einer Quote für türkische Staatsangehörige würde damit gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen. Ebenso wäre es auch unzulässig, türkische Politiker oder Botschafter bevorzugt zu berücksichtigen.

Davon zu unterscheiden ist die Sitzplatzvergabe für Medien. Hier ist eine Reservierung eines bestimmten Pressekontingents zulässig (BGH NJW 2006, 1220; BVerfG NJW 2003, 500). Dies verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit, sofern eine ausreichende Anzahl von Plätzen auch für Nichtpressevertreter freigehalten wird. Ein besonderes Recht auf Bereitstellung von Presseplätzen besteht hingegen nicht (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 51; vgl. auch BVerfGE 50, , ; NJW 2001, ). Daraus ergibt sich auch, dass die Medien denselben Beschränkungen unterworfen sind wie einfache Zuhörer. Dies hat zur Folge, dass die Auswahlkriterien übereinstimmend gewählt werden müssen. Stets ist auch hier das Prioritätsprinzip zu wahren. Lediglich dann, wenn dessen Beachtung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, ist eine zufällige Vergabe (Losverfahren) möglich (BGH NJW 2006, 1220).

Fraglich ist allerdings, ob eine besondere Quote für ausländische Medien nicht geboten oder sogar zwingend wäre. Zwingend kann diese keinesfalls sein; das Gesetz unterscheidet nicht zwischen besonderen Arten der Öffentlichkeit; vielmehr gibt es vor, dass jeder potentielle Prozesszuschauer gleichberechtigte Chancen zum Zugang haben muss. Allerdings wäre eine Quotierung dann geboten, wenn hierdurch Ungleichheiten ausgeglichen würden. Die Anmeldung für Medien sollte hier per Mail oder Fax erfolgen. Im Gegensatz zum Postversand zeigen sich dabei keine Unterscheide zwischen in- und ausländischen Absendern. Eine Antwort binnen kurzer Zeit wäre folglich auch den türkischen Medienvertretern möglich gewesen. Es sind auch keine weiteren Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine solche Reaktionsmöglichkeit sprechen; insbesondere wird nicht behauptet, dass die Medieninformation allein in deutscher Sprache oder sehr kurzfristig erfolgt sei, sodass nichtdeutschen Medien eine Antwort faktisch unmöglich war. Aus diesem Grund scheidet eine besondere Behandlung ausländischer Medien als unzulässig aus. Gerade dies würde dem Grundsatz der Öffentlichkeit aus § 169 GVG widersprechen.

Das Gericht hat hier sachliche Kriterien angewandt, um eine gleichberechtigte Auswahl zwischen allen potentiellen Prozesszuschauern zu treffen. Eine Benachteiligung ausländischer Medien (wie bspw. bei einer Anmeldung per Post oder ausschließlich in deutscher Sprache) ist hier nicht ersichtlich. Insofern scheidet ein Verstoß gegen § 169 GVG aus.

3. Vergabe von Nachrückplätzen

Kritisiert wurde zudem, dass auch Nachrückplätze (beim Fehlen von registrierten Medien) nach dem Prioritätsprinzip vergeben werden und hierbei nicht der Wunsch des Nichterscheinenden beachtet wird. Auch dies ist aber nach dem GVG zwingend. Öffentlichkeit ist ohne Ansehung der Person herzustellen und jeder Beteiligte ist gleich zu behandeln. Wird aber die Vergabe ins Ermessen Dritter gestellt, so führt das dazu, dass gerade keine rein objektiven Kriterien mehr angewandt werden. Das Gericht hat damit keine andere Möglichkeit, als das Prioritätsprinzip strikt durchzuhalten und auch auf Nachrückplätze anzuwenden.

4. Übertragung in zusätzlichen Saal

Auf Grund der erwarteten zu geringen Kapazitäten des Sitzungssaals wird zudem gefordert, eine Übertragung für Zuschauer und Medienvertreter in einen weiteren Sitzungssaal zu ermöglichen. Klar ist nach dem oben Gesagten, dass eine solche Übertragung von § 169 S. 1 GVG keinesfalls gefordert wird (auch nicht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG BVerfG – NJW 1993, ). Vielmehr genügt es, wenn ein durch faktische Grenzen beschränkter Personenkreis die Möglichkeit zur Teilnahme hat.

Fraglich ist aber, ob ein solches Vorgehen zumindest rechtlich möglich wäre. Ein klares Meinungsbild zu dieser Frage existiert nicht. Fest steht nur, dass eine Prüfung anhand des § 169 S. 2 GVG geboten ist. Diese Vorschrift verstößt auch nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 622/99, NJW 2001, 1633). Eine Übertragung scheidet jedenfalls dann aus, wenn die Wahrheitsfindung durch eine solche Übertragung leiden würde (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33). Roxin hingegen hält eine solche Übertragung für zulässig und vergleicht sie mit der Öffnung einer Zwischentür im Sitzungssaal (Roxin, Strafverfahrensrecht § 45 A). Bedenken bezüglich einer solchen Erweiterung ergeben sich insbesondere daraus, dass das Gericht damit die Einhaltung des Veröffentlichungsverbots aus § 169 S. 2 GVG nur noch schwer überwachen kann (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33; so auch BGH DRiZ 1971, 207). Jedenfalls sind deshalb Maßnahmen vorzunehmen, um auch in dem zusätzlichen Sitzungssaal die Ordnung zu wahren, da hier das Gericht keinen unmittelbaren Einfluss mehr hat. Die Übertragung darf keinesfalls zu einer Art Kinovorführung verkommen, führte dies sonst dazu, dass der Prozess den Charakter eines Schauprozesses erhalten würde. Jedenfalls muss also gewährleistet sein, dass die Übertragung den gleichen Charakter wie der eigentliche Prozess hat – nur dann ist das Bild der sich öffnenden Schiebetür zutreffend. Dies erscheint problematisch, sodass eine solche Übertragung zumindest starken rechtlichen Bedenken unterliegt.

III. Rechtsfolgen

Sollte der Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt sein – was nach der hier vertretenen Ansicht gerade nur durch eine gesonderte Berücksichtigung nichtdeutscher Medien und möglicherweise durch eine Übertragung in andere Gerichtssäle eintreten würde – liegt ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 5 ZPO (Anm. bzw. hier § 338 Nr. 6 StPO) vor. Das Gericht ist also gut beraten, hier trotz der politischen Brisanz allein eine juristische und nüchterne Betrachtung vorzunehmen und nicht dem Druck diverser Medien nachzugeben.

IV. Fazit

Für eine mündliche Prüfung ist die gezeigte Diskussion absoluter Pflichtstoff. Aber auch darüber hinaus gehört es wohl zur juristischen Allgemeinbildung, diese Diskussion zu verfolgen. Gerade eine rein juristische Vorgehensweise könnte hier sehr nützlich sein, um etwas Feuer aus der Diskussion zu nehmen. Dies würde im Ergebnis auch dem Prozess selbst dienen, der in einer aufgeheizten Atmosphäre nur sehr schwer geführt werden und nicht zur erwünschten Aufklärung führen kann.

Statt populistische Forderungen zu stellen, wäre die Politik gut beraten, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, sondern sowohl national als auch international zu erklären, warum die Sitzplatzvergabe durch das OLG München juristisch absolut korrekt und zwingend war. Einige Politiker gehen hier bereits mit gutem Beispiel voran. Letztlich liegt der Sitzplatzvergabe durch das OLG München der Gedanke zugrunde, dass alle Personen und Medien gleich sind und damit gleich zu behandeln sind – unabhängig aus welchem Land sie stammen. Dem wird wohl niemand ernsthaft widersprechen können.

04.04.2013/53 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-04-04 15:00:452013-04-04 15:00:45Diskussion um den NSU-Prozess – Jura vs. Politik
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuelle examensrelevante öffentlich-rechtliche Themen

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

In den letzten Tagen ist wieder eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemkreisen durch die Judikatur gegangen. Kandidaten, für die bald die mündliche Prüfung ansteht, sollten sich deshalb mit den im Folgenden genannten Themen einmal kurz auseinandergesetzt haben. Daneben ist es zumindest denkbar, dass die folgenden Sachverhalte zu gegebener Zeit auch als Aufhänger in Klausuren für das erste sowie zweite Staatsexamen Eingang finden werden. Da die Pressemitteilungen der genannten Fälle die jeweils einschlägige Problematik bereits ausreichend erläutern, werden im Folgenden lediglich Auszüge aus den respektiven Mitteilungen zitiert, wobei jeweils am Ende auf weiterführende Lektüre hingewiesen wird.
VerfGH Sachsen: NPD darf mit ins Ausland (Vf. 95-I-12)

Das Landtagspräsidium hatte beschlossen, auf eine Schweiz-Reise im April 2013 zwölf Abgeordnete mitzunehmen – jedoch niemanden von der NPD. Derartige Reisen dienten weniger der politischen Willensbildung, als der Pflege menschlicher Kontakte und der Darstellung Sachsens als weltoffenes, tolerantes Land, hatte das Präsidium argumentiert. Außerdem müssten die Kosten begrenzt werden. Die NPD beklagte dagegen eine systematische Ausgrenzung.
Das Gericht urteilte: „Bei einer Delegationsstärke von zwölf Personen verstößt die Nichtberücksichtigung der NPD-Fraktion gegen das verfassungsmäßige Recht auf formale Chancengleichheit aller Fraktionen“. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs verstößt die Nichtberücksichtigung der NPD-Fraktion bei einer Delegationsstärke von zwölf Personen gegen das verfassungsmäßige Recht auf formale Chancengleichheit aller Fraktionen. Das in Art. 39 Abs. 3 SächsVerf garantierte Recht auf formale Gleichbehandlung der Fraktionen erfasse auch die Mitwirkungsbefugnisse an parlamentarischen Aufgaben, die im weiteren Sinne der politischen Willensbildung dienen. Die Entsendung einer Delegation zu einem ausländischen Parlament sei eine solche parlamentarische Angelegenheit des Landtags. Die Länder verfolgten u.a. über den Austausch von Delegationen ihre eigenen auswärtigen Interessen. Die Besuche dienten dem interparlamentarischen Erfahrungsaustausch und im weiteren Sinne auch der Außendarstellung des Parlaments. Werde der Landtag bei derartigen parlamentarischen Angelegenheiten durch eine Personenmehrheit repräsentiert, müsse daher grundsätzlich jede Fraktion an dieser Personenmehrheit beteiligt werden. Für eine Abweichung von diesem Beteiligungsgebot seien sachlich hinreichend tragfähige Gründe weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Insbesondere stelle das von der Antragsgegnerin herangezogene Interesse an einer Kostenbegrenzung vorliegend keine hinreichende Rechtfertigung dar, da die Antragstellerin beteiligt werden könne, ohne dass Mehrkosten entstünden. Entscheide das Landtagspräsidium, zumindest so viele Teilnehmer zu entsenden wie Fraktionen bestehen, gebiete das Recht auf Gleichbehandlung, dass ein Verteilungsschlüssel angewandt werde, der grundsätzlich jeder Fraktion eine Teilnahme ermögliche.

Die Entscheidung reiht sich nahtlos ein in eine Vielzahl an Judikaten, die vermeintliche Diskriminierungen zulasten der NPD betreffen. Äußerst examensrelevant sind in diesem Kontext die Fälle des Hausverbots von NPD-Mitgliedern aufgrund des Tragens von Marken, die eine besondere Zugehörigkeit zur rechten Szene aufweisen (siehe dazu hier). Aktuell, und damit auch besonders für die mündliche Prüfung relevant, sind zudem jegliche Probleme rund um das in der Tagespresse brisant diskutierte Parteiverbotsverfahren der NPD (siehe dazu insbesondere hier und hier).
AG Schöneberg: Verbot gemeinschaftlicher Adoption durch beide Partner eingetragener Lebensgemeinschaft verfassungswidrig (24 F 172/12)

Das AG Schöneberg hat in zwei Familiensachen, bei denen es um die Adoption von jetzt volljährigen bisherigen Pflegekindern durch die Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft geht, das Verfahren ausgesetzt und die Verfahren dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Die gegenwärtigen rechtlichen Regelungen, nach denen die gemeinschaftliche Adoption durch Lebenspartner abweichend von der Regelung für Ehegatten verboten sei, seien mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig, so das Amtsgericht in den beiden gleichlautenden Beschlüssen. Ein genereller Vorrang verschiedengeschlechtlicher Elternschaft gegenüber gleichgeschlechtlicher Elternschaft sei nicht begründbar.

Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des vorgenannten Adoptionsverbots eignet sich hervorragend, um in verfassungsrechtlicher Hinsicht die Judikatur des BVerfG (siehe etwa hier) sowie die Grundsätze des Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG zu diskutieren. Im Hinblick auf das aktuelle Tagesgeschehen sollten Aspiranten für anstehende mündliche Prüfungen zudem auch über die kürzlich beschlossene Gesetzesinitiative zur Einführung einer „Homo-Ehe“ Bescheid wissen (siehe dazu hier: „Durch die Gesetzesinitiative solle § 1353 BGB geändert werden. Eine Ehe solle zukünftig von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts eingegangen werden können. Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von dieser gesetzlichen Neuregelung unberührt.“).
BGH: Berichterstattung über laufende Strafverfahren (VI ZR 93/12, VI ZR 106/12, VI ZR 107/12, VI ZR 108/12)

Der BGH hatte in mehreren Verfahren zu entscheiden, in welchen Grenzen die Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren zulässig ist.
Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer damaligen Freundin als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal „www.bild.de“ während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens. Kurz nach seiner Verhaftung begann eine intensive Medienberichterstattung über das gegen ihn wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung eingeleitete Strafverfahren sowie über sein bis zu diesem Zeitpunkt der breiten Öffentlichkeit unbekanntes Privatleben, insbesondere seine Beziehungen zu Frauen. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil wurde er von den Tatvorwürfen freigesprochen.
In dem vom BGH verhandelten Rechtsstreit hat der Kläger das verklagte Presseorgan auf Unterlassung wegen noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgter Äußerungen in einem am 13.06.2010 auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite aufrufbar gestellten Artikel mit der Überschrift „Magazin „Focus“ veröffentlicht intime Details – Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht“ in Anspruch genommen. Anlass des Artikels waren bekannt gewordene Passagen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung. Das Protokoll dieser Vernehmung wurde später in der öffentlichen Hauptverhandlung im Strafverfahren verlesen.
Wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung war die Veröffentlichung im Juni 2010 wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht nach Auffassung des BGH gleichwohl nicht. Nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung war eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig. Infolgedessen sei die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen. Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht wieder neu entstanden. Der Kläger habe sich mit seinem Unterlassungsantrag gegen die aktuelle Berichterstattung im Strafverfahren gewandt. Umstände dafür, dass die Beklagte eine erneute Veröffentlichung in dieser Form vornehmen könnte, seien nicht ersichtlich.
In drei weiteren Verfahren hat der BGH allerdings die Nichtzulassungsbeschwerden der Presseorgane gegen Entscheidungen des OLG Köln zurückgewiesen, in denen den Unterlassungsanträgen des Klägers stattgegeben worden ist. Dabei ging es um Berichte über ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger, das wegen eines angeblichen Vorfalls aus dem Jahre 2001 eingeleitet worden war, nachdem eine frühere Freundin des Klägers drei Tage nach dessen Festnahme im Jahre 2010 die Justizbehörden darüber informiert hatte. In diesen Fällen haben die Gerichte das Vorliegen der Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint, weil schon der für eine Verdachtsberichterstattung erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen nicht gegeben war und zudem die notwendige Stellungnahme des Klägers nicht eingeholt worden war.

Zugegebenermaßen handelt es sich hierbei um einen Fall, der nicht bloß in öffentlich-rechtlichen, sondern auch in zivilrechtliche Klausuren Eingang finden kann. Gleichwohl handelt es sich im Kern um ein Austarieren verfassungsmäßiger Grundrechtspositionen, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie die Pressefreiheit der Berichterstatter nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG. Wie aus der Pressemitteilung des BGH hervorgeht, spielen in diese Grundrechtsabwägung zudem noch Aspekte wie die Unschuldsvermutung, die aus dem Rechtsstaatsprinzip resultiert, sowie das allgemeine Informationsbedürfnis der Bevölkerung eine Rolle. Insofern gilt es nach den vom BGH aufgestellten Maßstäben sauber den Verdachtsgrad und die von der Berichterstattung ausgehende Stigmatisierungswirkung einzuschätzen.
Wir berichteten bereits über einen sehr ähnlichen Fall zur Medienberichterstattung über laufende Prozesse, der seinerzeit ebenfalls vom BGH entschieden wurde. Aus diesem Grunde sei für einen vertiefteren Einblick in die Materie eingehend die Lektüre dieses Beitrages empfohlen.

26.03.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-03-26 09:00:542013-03-26 09:00:54Aktuelle examensrelevante öffentlich-rechtliche Themen
Dr. Christoph Werkmeister

Kann Twittern im Gerichtssaal verboten werden?

Rechtsprechung, Schon gelesen?, StPO, Strafrecht, Zivilrecht, ZPO

Die LTO berichtet über einen interessanten Problemkreis, der sich auch für Examensprüfungen eignet. In der Sache ging es um ein Verfahren vor dem LG Mannheim, bei dem durch den vorsitzenden Richter ein Twitterverbot als Maßnahme i.S.v. §§ 176 ff. GVG verhängt wurde. Der verlinkte Beitrag behandelt die infrage stehenden Gesichtspunkte umfassend und kommt zu dem Ergebnis, dass sitzungspolizeiliche Anordnungen, die das Schreiben von Twitter-Meldungen untersagen, rechtlich kaum haltbar wären. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich der Einfachheit halber auf den oben verlinkten Artikel, der meiner Ansicht nach gut begründet ist.

26.11.2011/3 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-11-26 10:23:362011-11-26 10:23:36Kann Twittern im Gerichtssaal verboten werden?
Gastautor

Vom endgültigen Tod der alternativen Klagehäufung

Zivilrecht, ZPO

Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Dr. Timo Rosenkranz veröffentlichen zu können. Der Autor ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im gewerblichen Rechtsschutz im Hamburger Büro der Kanzlei CMS Hasche Sigle. Er ist zudem als Autor für den „Blog CMS“ tätig. Bei dem hier veröffentlichten Gastbeitrag handelt es sich um eine gekürzte und überarbeitete Version eines Beitrags aus dem CMS-Blog.
Die alternative Klagehäufung
Referendare wissen es besser. Wer strikt nach gesundem Menschenverstand und der klaren Linie der einschlägigen Ausbildungsliteratur (etwa Anders/Gehle, 9. Aufl., J 13, K 17) vorgeht, wäre nie auf die Idee gekommen, dass die sog. „alternative Klagehäufung“ zulässig sein könnte. Würde sie es doch dem Gericht ermöglichen, eine Entscheidung zu treffen, bei der die Parteien über die Reichweite der Rechtskraftwirkung im Unklaren blieben. Dennoch sah der 1. Zivilsenat des BGH es im Gewerblichen Rechtsschutz (Markenrecht, Wettbewerbsrecht u.a.) jahrzehntelang anders.
Die Entscheidung des BGH
Aber plötzlich hatte man nun ein Einsehen. Der 1. Zivilsenat des BGH hat unter dem 24. März 2011 nunmehr einen Hinweisbeschluss („TÜV“) verkündet, der zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ist und sich instruktiv auch für die Examensvorbereitung (und eine Assessorexamensklausur?) eignet: Weil er die Geltung allgemeiner zivilprozessualer Grundsätze feststellt und diese dazu plastisch erläutert.
Worum geht es? Der BGH hat in casu festgestellt, dass die alternative Klagehäufung gegen § 253 II Nr. 2 ZPO verstößt. Bei der alternativen Klagehäufung leitet der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) her und überlässt dem Gericht die Auswahl, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt. Lehrbuchbeispiel ist der Klagantrag auf Zahlung von Euro 10.000,00, der alternativ auf Darlehen und Kaufvertrag gestützt wird. Im kennzeichenrechtlichen Streitfall ging die Klägerin aus drei verschiedenen Klagmarken und ihrem Unternehmenskennzeichen gegen eine Werbung der Beklagten vor. Dabei begründete sie ihre Ansprüche jeweils alternativ auf diese Schutzrechte, wobei sie die Auswahl des Schutzrechts, aus dem ein etwaiger Verbotstenor herzuleiten sei, in das Ermessen des Gerichts stellte.
Unter Bezugnahme auf zivilprozessuale Gerechtigkeitsüberlegungen hat der BGH nunmehr auch für den gewerblichen Rechtsschutz festgestellt, dass bei einer Klagehäufung ausschließlich eine kumulative oder eine gestaffelte (d.h. haupt- und hilfsweise) Geltendmachung verschiedener Streitgegenstände möglich ist. Nichts Anderes gilt im allgemeinen Zivilprozessrecht. Deswegen ist die Entscheidung äußerst instruktiv.
Praktische Konsequenzen
Man mag die Begründung des BGH im Allgemeinen für überzeugend halten oder nicht, jedenfalls in einstweiligen Rechtsschutzverfahren dürfte die neue Linie tatsächlich der Waffengleichheit der Parteien zuträglich sein: Hier wurden die Antragsgegner bisher häufig ohne Begründung und damit ohne Wissen darüber, auf welchen der alternativen Antragsbegründungen das Gericht denn die einstweilige Verfügung gestützt habe, zurückgelassen.
Die Rechtsprechung hat erhebliche Konsequenzen bei den Kosten und bei der Begründung des Gerichts, das spätestens im Rahmen der Kostenentscheidung Farbe bekennen muss. Auch die marken- und wettbewerbsrechtlichen Kläger beziehungsweise Antragssteller werden sich in allen neuen Verfahren – wenn nicht klar und eindeutig ein einziger Streitgegenstand vorliegt – mit der neuen Rechtsprechung befassen und im Zweifelsfall entweder kumulieren oder abstufen müssen. Stützt der Kläger seinen Antrag sodann gestaffelt und unter Angabe der Reihenfolge auf 5 Streitgegenstände, und greift nach Auffassung des Gerichts erst Streitgegenstand Nr. 5, so trägt der Kläger trotz Obsiegens unter Umständen 80 % der Kosten. Das Gericht kann in seiner Begründung nicht einen der fünf Streitgegenstände herausgreifen, sondern muss tatsächlich über Streitgegenstände Nr. 1, 2, 3 und 4 entscheiden, wenn es erst Nr. 5 für überzeugend hält. Insbesondere in EV-Verfahren, für die diese Grundsätze gleichfalls gelten, dürfte dies gravierende Auswirkungen haben.
Darüber hinaus wird die Abgrenzung mehrerer Streitgegenstände in Wettbewerbssachen nicht immer einfach sein. Obwohl hierzu eigentlich erst einmal in Ruhe klare Maßstäbe entwickelt werden müssten, wirkt sich die Änderung der Senatsrechtsprechung bereits auf zahlreiche bereits laufende Verfahren aus und führt zu einer Hinweispflicht der Gerichte im Hinblick auf die Fassung der Anträge und des Vortrags (vgl. Leitsätze b) und c) des Hinweisbeschlusses).
Wie sieht dies aber nun praktisch aus, wenn bisher alles anders gewesen sein soll? Der Verfasser durfte dies am 26.05.  in einer Verhandlung vor dem 3. Zivilsenat des Hanseatischen OLG erleben. Der gegnerische Anwalt schien darauf zu setzen, dass der Senat den Fall noch nach „altem Recht“ abwickeln würde. Stattdessen nahm sich das Gericht knapp 2 Stunden Zeit, um mit den Parteivertretern die Antragsreihenfolge und den Streitgegenstandsbegriff zu erörtern und nötigte dem Antragstellervertreter schließlich auch eine diesbezügliche Entscheidung ab.
 

03.06.2011/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2011-06-03 11:42:442011-06-03 11:42:44Vom endgültigen Tod der alternativen Klagehäufung

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • Neues zur falsa demonstratio beim Grundstückskauf
  • Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 2
  • Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 1

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Gastautor

Neues zur falsa demonstratio beim Grundstückskauf

BGB AT, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Marie-Lou Merhi veröffentlichen zu können. Die Autorin studiert Rechtswissenschaften im siebten Semester an der Universität Bonn Examenskandidaten aufgepasst: Der BGH hat abermals zur […]

Weiterlesen
06.09.2023/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-09-06 10:00:002023-09-06 15:16:09Neues zur falsa demonstratio beim Grundstückskauf
Alexandra Ritter

Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 2

Europarecht, Europarecht Klassiker, Examensvorbereitung, Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Uncategorized, Verschiedenes

Dies ist Teil 2 zu den verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH, in dem das Vorabentscheidungsverfahren und die Schadensersatzklage dargestellt werden. In Teil 1 erfolgten bereits Darstellungen […]

Weiterlesen
30.08.2023/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2023-08-30 08:17:102023-09-04 13:02:58Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 2
Alexandra Ritter

Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 1

Europarecht, Europarecht Klassiker, Examensvorbereitung, Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Uncategorized, Verschiedenes

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Klagen vor den europäischen Gerichten in der Form, wie sie im ersten Examen oder in Vorlesungen zum Europarecht geprüft werden können. Das Europarecht […]

Weiterlesen
30.08.2023/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2023-08-30 08:17:022023-09-04 13:03:07Die verschiedenen gerichtlichen Verfahren vor dem EuG und dem EuGH – Teil 1

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen