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Schlagwortarchiv für: Pressefreiheit

Dr. Lena Bleckmann

BVerfG: Erhöhung des Rundfunkbeitrags nach erfolgreicher Verfassungsbeschwerde

Examensvorbereitung, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Vergangene Woche hat das Bundesverfassungsgericht seine lange erwartete Entscheidung zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags veröffentlicht. Der Beitrag steigt rückwirkend ab dem 20.7.2021 (dem Tag des Beschlusses) um 86 Cent an. Dies ist das Ergebnis einer von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angestrengten Verfassungsbeschwerde, nachdem die geplante Erhöhung zum 1.1.2021 ausgeblieben war.
 
Worum geht es?
Seit 2013 werden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter anderem durch den Rundfunkbeitrag finanziert, der bis zur genannten Entscheidung des BVerfG 17,50€ pro Haushalt betrug. Das Verfahren zur Festsetzung sowie die Höhe des Rundfunkbeitrages sind im Medienstaatsvertrag festgelegt. Zum 1. Januar 2021 sollte der Beitrag um 86 Cent erhöht werden, was im Ersten Medienänderungsstaatsvertrags vorgesehen ist. 15 der 16 deutschen Bundesländer stimmten dieser Erhöhung bis Ende 2020 zu, lediglich das Land Sachsen-Anhalt verweigerte die Zustimmung. Dies verhinderte das Inkrafttreten des Vertrages und damit die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sahen sich hierdurch in ihrer Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verletzt und erhoben Verfassungsbeschwerde, der das BVerfG nun stattgab.
 
Das Wichtigste im Überblick
Im Rundfunk existiert derzeit ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Anbietern, wobei die letzteren weniger strengen Anforderungen unterliegen als die erstgenannten. Nach den Ausführungen des BVerfG kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine besondere Rolle zu:

„Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt im Rahmen der dualen Rundfunkordnung, das heißt im Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatwirtschaftlichem Rundfunk, die Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags der Rundfunkberichterstattung zu. Er hat die Aufgabe, als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet. Er hat so zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann“ (BVerfG, Beschl. v. 20.7.2021, 1 BvR 2756/20 u.a., Rn. 78).

Diese Bedeutung sieht das BVerfG durch die modernen Formen der Kommunikation, insbesondere das Internet, nicht geschmälert, sondern gestärkt. Es weist auf die Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Fakten und Meinung sowie Unsicherheiten hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Quellen im Internet hin. Hierdurch wachse die Bedeutung der Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden“ (Rn. 81 der Entscheidung).
Zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit gehört die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, insbesondere auch einer bedarfsgerechten Finanzierung. Das BVerfG leitet daher aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG einen grundrechtlichen Finanzierungsanspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten her, dessen Erfüllung der „Ländergesamtheit als föderaler Verantwortungsgemeinschaft“ obliegt (Rn. 75 der Entscheidung).  

Zur Erinnerung: In einer Klausur müsste man sich mit der Grundrechtsfähigkeit der Rundfunkanstalten auseinandersetzen. Bei den Anstalten handelt es sich um juristische Personen des öffentlichen Rechts. Für juristische Personen gelten die Grundrechte nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG, soweit sie dem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Dem Wesen nach sind Grundrechte auf juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht anwendbar. Es gilt das Konfusionsargument – wer grundrechtsgebunden ist, kann nicht zugleich grundrechtsverpflichtet sein. Hiervon gibt es wohlgemerkt Ausnahmen, insbesondere die sog. Ausnahmetrias von Kirchen, Universitäten und Rundfunkanstalten. Letztere können sich auf die Rundfunkfreiheit berufen. Zu verorten ist das Problem bei der Beschwerdefähigkeit oder (bei materieller Fallfrage) beim persönlichen Schutzbereich.

Die Konstruktion dieser föderalen Verantwortungsgemeinschaft ist der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen geschuldet: Diejenige für die Rundfunkfinanzierung liegt bei den Ländern. Da der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber deutschlandweit organisiert ist, ist auch eine länderübergreifende Regelung der Finanzierung geboten. (Rn. 68 der Entscheidung)
Die erforderliche Koordinierung kann in derartigen Fällen durch den Abschluss eines intraföderalen Staatsvertrages, d.h. eines Vertrages zwischen den Bundesländern erfolgen. Der Staatsvertrag ersetzt in einem solchen Fall nicht das Landesrecht, verpflichtet die Länder als Vertragsparteien aber dazu, die entsprechenden Regelungen in Landesrecht überzuleiten (vgl. insgesamt Bortnikov, JuS 2017, 27). Dies erfolgt durch den Erlass von Zustimmungsgesetzen auf Landesebene. Vertragsparteien des Medienstaatsvertrags sind alle 16 Bundesländer. Seine Änderung bedarf wiederum der Zustimmung aller. Das BVerfG macht in seiner Entscheidung darauf aufmerksam, dass diese Art der Regelung durch Staatsvertrag mit Erfordernis der Einstimmigkeit nicht der einzige Weg ist, die Rundfunkfinanzierung zu organisieren (s. Rn. 99 der Entscheidung) – da es aber die aktuell gewählte ist, bleibt es bei dem Zustimmungserfordernis aller Länder und der genannten Verantwortungsgemeinschaft für die Gewährleistung der ausreichenden Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich nun gegen die unterlassene Zustimmung des Landes Sachsen-Anhalt. Hier tritt ein weiteres, in einer Klausur nicht zu vernachlässigendes Problem auf: Kann ein Unterlassen Beschwerdegegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein? Das BVerfG bejaht dies mit ausführlicher Begründung.

„Ein Unterlassen der öffentlichen Gewalt kann Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein (vgl. §§ 92, 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Voraussetzung ist hierfür, dass sich eine entsprechende Handlungspflicht aus dem Grundgesetz herleiten lässt (vgl. BVerfGE 6, 257 <264>; 23, 242 <249>; 56, 54 <70 f.>; 129, 124 <176>; 139, 321 <346 Rn. 82>). Eine solche Handlungspflicht ergibt sich hier aus der Rundfunkfreiheit im gegenwärtigen System auch für jedes einzelne Land. Für die funktionsgerechte Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Ausprägung der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG besteht eine staatliche Gewährleistungspflicht (vgl. BVerfGE 90, 60 <91>; 119, 181 <224>), mit der ein grundrechtlicher Finanzierungsanspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten korrespondiert.“ (Rn. 66 der Entscheidung)

Betont wird weiterhin, dass die gemeinschaftliche Verantwortung der Länder nichts an der Handlungspflicht des einzelnen Landes ändere. Ob diese Handlungspflicht und mit ihr die Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nun durch die Verweigerung der Zustimmung des Landes Sachsen-Anhalt verletzt wurde, hängt davon ab, ob die Zustimmung berechtigterweise verweigert wurde. Um dies zu beantworten ist ein Blick auf das Verfahren der Festsetzung des Rundfunkbeitrags erforderlich.
Dieses ist von der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung strikt getrennt. Hierdurch soll einer Einflussnahme auf das Programm der Rundfunkanstalten vorgebeugt werden. Dessen Gestaltung obliegt den Rundfunkanstalten im Rahmen ihrer Programmfreiheit (Rn. 85 ff. der Entscheidung). Prozessual ist dieser Trennungsgrundsatz durch ein dreistufiges Verfahren abgesichert: Zunächst melden die Rundfunkanstalten Finanzbedarf an (1. Stufe). Dieser wird durch die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) überprüft (2. Stufe). Der Beitragsvorschlag, den die KEF im Anschluss an ihre Prüfung macht, ist sodann Grundlage für die Entscheidung der Länder (3. Stufe), die im Staatsvertrag festgehalten wird. Nach der Empfehlung der KEF sollte der Rundfunkbeitrag ab Januar 2021 um 86 Cent erhöht werden.
An die Empfehlung der KEF sind die Länder nicht schlechterdings gebunden. Gemeinsam und mit guten Gründen können sie hiervon abweichen (vgl. Rn. 97 der Entscheidung). Diese Abweichungsmöglichkeit ist schon aufgrund des Demokratieprinzips geboten, ihre Grenzen dürfen im Lichte des Grundrechtsschutzes, den das beschrieben Verfahren gewährleisten soll, jedoch nicht zu weit gezogen werden.

„Der fachlich ermittelte Finanzbedarf muss dabei zwar die Grundlage für die Festsetzung der Beitragshöhe sein. Die Möglichkeit gehaltvoller politischer Verantwortungsübernahme setzt indessen die oben beschriebene Befugnis der Abweichung vom Vorschlag der KEF voraus. Bei der Bestimmung der Reichweite dieser Abweichungsbefugnis muss dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG) Rechnung getragen werden, ohne dass der prozedurale Grundrechtsschutz leerlaufen darf (vgl. BVerfGE 119, 181 <225 f.>). Erforderlich bleibt daher im gegenwärtigen System, der Bedarfsfeststellung durch die KEF maßgebliches Gewicht beizumessen, das über eine bloße Entscheidungshilfe hinausreicht.“ (Rn. 100 der Entscheidung)

Eine deutliche Absage erteilt das BVerfG jedoch Alleingängen der Länder. Im gegenwärtigen System genüge es nicht, wenn ein einzelnes Land die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ablehne (Rn. 101 der Entscheidung). Will ein Land von der Empfehlung der KEF abweichen, sei es die Sache dieses Landes, das Einvernehmen aller Länder herbeizuführen (Rn. 108 der Entscheidung). Schon die Verweigerung der Zustimmung des Landes Sachsen-Anhalt an sich stellt demnach eine Verletzung des Gewährleistungsgehalts des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dar. Darüber hinaus fehle es auch an einer tragfähigen Begründung für die geforderte Abweichung von der KEF-Empfehlung (Rn. 110 der Entscheidung). Hierauf kommt es indes nicht mehr entscheidend an – selbst wenn ein hinreichender Abweichungsgrund bestanden hätte, wäre das Einvernehmen aller Länder herbeizuführen gewesen.
Die Verfassungsbeschwerde der Rundfunkanstalten ist damit begründet – durch die infolge der fehlenden Zustimmung ausgeblieben Erhöhung des Rundfunkbeitrags wurde ihr grundrechtlicher Finanzierungsanspruch nicht erfüllt und ihre Rundfunkfreiheit verletzt. Hier bleibt das BVerfG jedoch nicht stehen: Auf Grundlage des § 35 BVerfGG nimmt es zur Vermeidung weiterer Beeinträchtigungen des Rundfunkfreiheit eine vorläufige Regelung vor und setzt die Regelung des Art. 1 des Ersten Medienänderungsstaatsvertrags, der die Beitragserhöhung vorsieht, übergangsweise in Kraft. Von einer rückwirkenden Änderung ab dem 1.1.2021 sah es ab, die Erhöhung gilt ab dem 20.7.2021, dem Tag der Entscheidung.
 
Ausblick
Die Entscheidung hat große mediale Aufmerksamkeit erfahren und wird kurz- oder langfristig sicherlich ihren Weg in Klausuren und mündliche Prüfungen finden. Neben klassischen Problemen wie dem der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie dem Unterlassen als Beschwerdegegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Prüfung auch mit anspruchsvolleren Fragen wie der Herleitung des Finanzierungsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und dem Umgang mit dem Konstrukt des Staatsvertrags verbunden. Die vorläufige Regelung nach § 35 BVerfGG kann insbesondere in mündlichen Prüfungen angesprochen werden. In der Prüfung dürfte es hilfreich – wenn natürlich auch nicht unverzichtbar – sein, das Argumentationsmuster des BVerfG zu kennen, um auf dieser Grundlage zu einer eigenen Lösung zu gelangen.

 

09.08.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-08-09 08:00:492021-08-09 08:00:49BVerfG: Erhöhung des Rundfunkbeitrags nach erfolgreicher Verfassungsbeschwerde
Redaktion

BVerfG: Verdachtsberichterstattung vs. Pressefreiheit

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Verfassungsrecht

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Fabian Toros veröffentlichen zu können. Der Autor hat als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung Rechtswissenschaften an der Universität Bonn studiert. Er promoviert an der Universität Regensburg zu einer regulierungsrechtlichen Fragestellung.
 
Verdachtsberichterstattungen sind in der schnelllebigen Informationsgesellschaft von heute alltäglich. Auch die Printmedien berichten aufgrund des hochfrequenten und auf Aktualität drängenden Umfeldes immer häufiger auf Basis von Verdachtsmomenten. Dies macht eine differenzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich.
A. Sachverhalt
(vgl. BVerfG, PM Nr. 45/2018 vom 07.06.2018, abrufbar unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-045.html, zuletzt 20.07.2018, 10:56 Uhr)
Die Verfassungsbeschwerde wurde von einer Wochenzeitung angestrengt, die über interne Vorgänge und Verdachtsmomente in einer Landesbank berichtet hatte. Im Mittelpunkt stand der Verdacht der Weitergabe von internen Informationen an Journalisten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Informationen auf eine geheime „Spitzelaktion“ unter Beteiligung der Wochenzeitung zurückzuführen sind, die im Endeffekt zu einer Entlassung des Vorstandsmitgliedes auf Basis der Falschbezichtigung geführt haben. Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens wurde die Beschwerdeführerin zu einer Richtigstellung verurteilt. Konkret wurde auferlegt eine Nachtragserklärung zu verfassen. Dabei sollte nicht nur ein Teil des alten Berichtes wiedergegeben, sondern auch in der Überschrift auf die Korrektur hingewiesen und schlussendlich von der bisherigen Berichterstattung Abstand genommen werden. Ist die zulässige Verfassungsbeschwerde der Wochenzeitung begründet?
B. Entscheidung
Im Fokus der Entscheidung steht die Reichweite der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG im Hinblick auf die vorliegende Konstellation der Verdachtsberichterstattung.
I. Abgrenzung zwischen Meinungs- und Pressefreiheit
Zunächst sind die Schutzbereiche von Meinungs- und Pressefreiheit voneinander abzugrenzen. Durch die Pressefreiheit wird das Recht geschützt, das Pressemedium nach eigenen Vorstellungen zu gestalten (vgl. BVerfGE 95, 28, 35 f.). Das Grundrecht existiert in einer positiven und negativen Ausprägung. Es steht also frei, eine Berichterstattung vorzunehmen oder über etwas nicht zu berichten. Erfasst sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch Investigativjournalismus und Verdachtsberichterstattung in den Grenzen der rechtlichen Zulässigkeit (hierzu grundlegend BVerfGE 7, 198, 208; BVerfGE 12, 113, 115).
Die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG schützt den konkreten Inhalt der jeweiligen Berichterstattung. Auch dieses Grundrecht existiert in einer positiven und negativen Ausgestaltung. Von der negativen Ausgestaltung ist insbesondere auch die Möglichkeit erfasst, eine fremde Meinung nicht als eigene Ansicht darzustellen und sich hiervon zu distanzieren (vgl. BVerfGE 95, 173, 182).
II. Schranken
Die Grundrechte sind nicht vorbehaltlos gewährt, sondern werden durch Art. 5 Abs. 2 GG eingeschränkt. Sie stehen unter dem Vorbehalt allgemeiner Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre (vgl. zum Streit über die Abgrenzung des Begriffes der „allgemeinen Gesetze“ ausführlich Kühling in BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 20. Edition, Rn. 104 ff.).
Für den konkreten Fall wurden durch das OLG insbesondere § 1004 BGB iVm § 823 I, II BGB und § 186 StGB angeführt. Das Bundesverfassungsgericht stellt eindeutig klar, dass es sich selbst nicht als eine Superrevisionsinstanz versteht, sondern dass lediglich die Anwendung spezifischen Verfassungsrechts untersucht:

„Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften ist Sache der Zivilgerichte. Sie kann vom Bundesverfassungsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob dabei die Ausstrahlungswirkung des von der Entscheidung berührten Grundrechts hinreichend beachtet worden ist“ (BVerfG, Beschluss vom 02.05.2018 – 1 BvR 666/17, Rn. 18, abrufbar unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/05/rk20180502_1bvr066617.html, zuletzt am 20.07.2018, 10:58 Uhr).

Grundsätzlich gestattet das Bundesverfassungsgericht die Konstruktion eines „äußerungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruches“ aus §§ 823, 1004 BGB,

„der selbstständig neben dem an andere Voraussetzungen gebundenen Gegendarstellungsrecht steht und eingreift, wenn eine ursprünglich rechtmäßige Meldung über eine Straftat sich aufgrund späterer gerichtlicher Erkenntnisse in einem anderen Licht dargestellt und die durch die Meldung hervorgerufene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts andauert (vgl. BGHZ 57, 325)“ (BVerfG, Beschluss vom 02.05.2018 – 1 BvR 666/17, Rn. 19).

Differenzierung zwischen rechtmäßiger und rechtswidriger Verdachtsberichterstattung
Nach Ansicht des Gerichts ist klar zwischen rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung und einer Berichterstattung zu differenzieren die von Beginn an rechtswidrig gewesen ist.
Bei der rechtmäßigen Berichterstattung

„ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die ursprüngliche Berichterstattung verfassungsrechtlich von der Pressefreiheit gedeckt war und die Presseorgane diese grundsätzlich als abgeschlossen betrachten durften.“ (BVerfG, Beschluss vom 02.05.2018 – 1 BvR 666/17, Rn. 20).

Es gäbe darüber hinaus keine generelle kontinuierliche Überprüfungspflicht einer bereits erfolgten Verdachtsberichterstattung. Darüber hinaus dürfe aufgrund der Wichtigkeit der Pressefreiheit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eine Beschränkung nur in Ausnahmefällen gestattet sein. Eine Klarstellung müsse diesen gestuften Anforderungen gerecht werden (BVerfG, Beschluss vom 02.05.2018 – 1 BvR 666/17, Rn. 21). Es müssten insbesondere die negative Presse- und Meinungsfreiheit beachtet werden. Das Gericht hat diese Kriterien nicht als beachtet angesehen und deswegen der Verfassungsbeschwerde im Ergebnis stattgegeben.
C. Stellungnahme und Ausblick
Das Urteil ist für die Entwicklung der Pressefreiheit von herausragender Bedeutung. Wird nach ordnungsgemäßer Recherche über einen Verdacht berichtet, so muss diese Berichterstattung nur in Ausnahmefällen im Anschluss korrigiert werden.
„Eilmeldungen“ und Verdachtsberichterstattungen bestimmen immer mehr den Nachrichtenalltag. Auch wenn dies in der hochfrequenten und immer aktuelleren Welt der Informationsgesellschaft gefordert wird, so ist dennoch anzuraten, Qualitätsjournalismus mit ausführlicher Recherche zu betreiben. Es muss sichergestellt werden, dass die Rechtmäßigkeitsanforderungen beachtet werden, um von der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts profitieren zu können.
In Zukunft wird es wohl weitere Urteile in dieser Gemengelange geben. Demnach sollte man sich in der Examensvorbereitung intensiv mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur medialen Berichterstattung auseinandersetzen.

25.07.2018/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2018-07-25 10:00:122018-07-25 10:00:12BVerfG: Verdachtsberichterstattung vs. Pressefreiheit
Zaid Mansour

LG Duisburg: Kein Zeugnisverweigerungsrecht für Online-Redakteur

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, StPO, Strafrecht, Verfassungsrecht

berichtete kürzlich mit Verweis auf einen auf der Internetpräsenz der veröffentlichten Artikel, wonach der Online-Redakteur eines Internetforums in Beugehaft muss, weil er die Identität eines Foren-Nutzers nicht preisgeben will. Die Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) mittels derer der Online-Redakteur Rechtsschutz gegen einen Beschluss des AG Duisburg, der ihm Beugehaft androhte sowie gegen ein bereits vorher verhängtes Ordnungsgeld ersuchte, wurde vom LG Duisburg mit bisher unveröffentlichtem Beschluss abgewiesen. Nach Ansicht des entscheidenden Gerichts könne der Redakteur sich nicht auf das strafprozessrechtliche Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. S. 1 Nr. 5 StPO berufen. Gegen die Entscheidung erhob der Redakteur nunmehr vor dem BVerfG Verfassungsbeschwerde. Der Umstand, dass die Verfassungsbeschwerde keine aufschiebende Wirkung zeitigt, scheint den Redakteur mittlerweile allerdings dazu bewogen zu haben sein Schweigen zu brechen und die Nutzerdaten preiszugeben, um so den drohenden Antritt der Beugehaft abwenden zu können (s. hier).

I. Sachverhalt

Der Online-Redakteur betreut ein. Nutzer des Internet-Portals müssen sich dort gegenüber dem Portalbetreiber mit authentischen User-Daten registrieren.  Ein User hatte in dem Bewertungsportal einen Kommentar  über eine Klinikmitarbeiterin hinterlassen und der Ärztin dabei unterstellt, sie habe ein sexuelles Interesse an ihren Patienten. Die Medizinerin stellte daraufhin Strafanzeige wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) und verlangte vom Portalbetreiber, den Beitrag zu löschen sowie die Anmeldedaten des Nutzers herauszugeben, der den unflätigen und ehrrührigen Kommentar gepostet hatte. Der Online-Redakteur des Portals löschte daraufhin den Beitrag. Die Herausgabe der User-Daten verweigerte er allerdings, sowohl gegenüber der Medizinerin, als auch gegenüber den zuständigen Strafverfolgern.

II. Rechtliche Problemstellung

Das LG Duisburg hatte sich im Rahmen der Entscheidung mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich der Online-Redakteur auf das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten berufen kann. Das Gericht hatte dabei zu prüfen , ob der Redakteur als Zeuge iSd § 69 StPO hier einer Maßnahme nach § 70 Abs. 1 StPO unterworfen werden kann. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO zustünde. Danach sind im Strafprozess zur Zeugnisverweigerung berechtigt

„Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben“

Die vom Anwendungsbereich des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO erfassten Personen dürfen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 StPO

„das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihrer Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.“ (Hervorhebung durch d. Autor)

Im Wesentlichen ging es also um die Frage, ob der Redakteur sich im Hinblick auf die geposteten Userkommentare auf das hier in Rede stehende strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten berufen kann, was dann der Fall wäre, wenn es sich – und hier liegt das Hauptproblem des Falles – bei den Postings um Beiträge bzw. Mitteilungen für redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikatonsdienste handelt. Dies verneinte das LG Duisburg, da die User-Kommentare in dem Internetportal ungefiltert und ohne eine vorherige redaktionelle Kontrolle von den User eingestellt werden können. Etwas anderes gelte hingegen für Leserbriefe, die in der Regel vor ihrer Veröffentlichung einer redaktionellen Überprüfung standhalten müssen. Da die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, kann insoweit auf die entscheidenden Passagen einer Entscheidung des LG Augsburg verwiesen werden, die eine ähnlich gelagerte Konstellation zum Gegenstand hatte (Beschl. v. 19.03.2013 – x Qs 151/13). Dort heißt es:

Zwar unterfällt die Beschwerdeführerin als Herausgeberin einer Zeitung grundsätzlich dem Schutzbereich des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO. Jedoch ist dieser Schutzbereich gemäß § 53 Abs. 1 S. 3 StPO nur dann eröffnet, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialen für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt. Zwar sind in einer Zeitung gedruckte Leserbriefe nach ständiger Rechtsprechung dem redaktionellen Bereich zuzuordnen (BVerfG 36, 193, 204).

Dies gilt aber nicht für Beiträge von Nutzern in einem Onlineforum. Eine redaktionelle Überarbeitung, die die Zuordnung von Leserbriefen zum redaktionellen Bereich einer Zeitung begründet, findet in den Fällen der Einstellung eines Beitrags in ein Onlineforum gerade nicht statt. Vielmehr erfolgt die Einstellung eines solchen Beitrags durch den Nutzer selbst, ohne dass eine Überarbeitung durch die Redaktion oder eine Prüfung der Einträge vor Veröffentlichung erfolgt. Eine vom Gesetz gem. § 53 Abs. 1 S. 3 StPO geforderte „Aufbereitung“ der Onlinebeiträge findet daher gerade nicht statt.

Eine Auslegung der Vorschrift, bei der primär darauf abgestellt wird, ob die im Rahmen einer Kommentarfunktion gepostete, einzelne Mitteilung bzw. Information als solche einer vorherigen redaktionellen Aufbereitung oder Kontrolle unterliegt, kann bei genauerer Betrachtung des Normwortlauts durchaus angezweifelt werden. Der Wortlaut deutet wohl eher darauf hin, dass nicht darauf abzustellen ist, ob die einzelne Information oder Mitteilung „redaktionell aufbereitet“ wurde. Entscheidend dürfte danach vielmehr sein, ob der jeweilige Informations- und Kommunikationsdienst (bspw. ein Online-Blog) in seiner Gesamtheit das Gepräge redaktioneller Ausarbeitung aufweist, mit der Folge, dass die Eröffnung einer (ungefilterten) Kommentarfunktion dabei als Ausfluss der redaktionellen Gestaltungsfreiheit zu verstehen ist. Zieht man allerdings die einschlägige Gesetzesbegründung zu Rate (BT-Drucks. 14/5166, S. 8), so wird deutlich, dass die vom LG Duisburg betriebene  Auslegung des § 53 Abs. 1 S. 3 StPO im Ergebnis dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entspricht und im Übrigen auch von weiten Teilen des Schrifttums befürwortet wird (statt vieler Huber, in: Graf, BeckOK StPO, § 53 Rn. 35; Senge, in: Hannich, KK-StPO, 6. Auflage 2008, § 53 Rn. 30, 34). In der entsprechende Passage der Gesetzeserläuterung heißt es:

Entsprechend dieser nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfGE 64, 108 ff.) verfassungskonformen Einschränkung müssen Informations- und Kommunikationsdienste redaktionell bearbeitet sein, sollen sie in den Schutzbereich fallen. Im Zusammenhang mit diesen neuen Erscheinungsformen im Medienbereich stellt sich nämlich das Problem der häufig anonymen und unkontrollierbaren Verbreitung insbesondere kinderpornographischer sowie rassistischer oder sonst extremistischer Inhalte, die dem Diensteanbieter (zunächst) unbekannt bleiben oder deren Nutzung er aus technischen Gründen überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in zumutbarer Weise verhindern kann und für die er deshalb – anders als für redaktionell bearbeitete Inhalte – auch nicht nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich ist (vgl. § 5 Abs. 1 und 2 des Teledienstgesetzes). Der Urheber dieser Inhalte kann in der Regel nur über Auskünfte der Diensteanbieter ermittelt werden. Es ist daher sicherzustellen, dass diese Auskünfte auch zukünftig zu erteilen sind und die Aufklärung solcher Straftaten nicht durch ein Zeugnisverweigerungsrecht der Diensteanbieter und ein damit korrespondierendes Beschlagnahmeverbot erheblich beeinträchtigt oder sogar ganz verhindert wird.

Der Gesetzgeber misst dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse in den hier in Rede stehenden Konstellationen einer ungefilterten Online-Kommentarfunktion demnach ein höheres Gewicht bei als den über die sog. Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundrechtlich geschützten Betätigungsweisen. Dies verdient Zustimmung, da die Folgen, die die Erstreckung des Zeugnisverweigerungsrecht auch auf ungefilterte User-Kommentare und ein damit einhergehendes Beschlagnahmeverbot (§ 97 Abs. 1 u. Abs. 5 StPO) mit sich bringen würde, keinesfalls befürwortet werden können. Jedermann könnte in entsprechenden Online-Portalen Aussagen tätigen durch die möglicherweise gegen Strafgesetze verstoßen wird, ohne befürchten zu müssen dafür strafrechtlich belangt zu werden. Auch unter Gesichtspunkten des Opferschutzes kann die in diesem Zustand eintretende Existenz (straf)rechtsfreier Räume auch und gerade von Mitarbeitern entsprechender Mediendienste kaum ernsthaft gewollt sein.

Ob und inwieweit in dem Verdikt aus Duisburg ein Verfassungsverstoß zu erblicken ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht hinreichend bzw. allenfalls dezidiert beantwortet werden. Insoweit bleibt die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe abzuwarten. Hinsichtlich der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte ist allerdings zu beachten, dass das BVerfG keine Superrevisionsinstanz ist. Es beschränkt seine Kontrolle daher auf die Überprüfung von Verletzungen „spezifischen Verfassungsrechts“. Es prüft indes nicht, ob das angegriffene Urteil mit einfachem Recht übereinstimmt oder dagegen verstößt; dies bleibt den Fachgerichten vorbehalten. Als Verletzung spezifischen Verfassungsrechts kommen die folgenden, gemeinhin anerkannten Fallgruppen in Betracht (vgl. Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 8. Auflage 2010, Rn. 286 ff. mw.N.):

  1. Das Fachgericht hat überhaupt nicht erkannt bzw. in Erwägung gezogen, dass Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte einschlägig sein könnten.
  2. Das Fachgericht hat de Bedeutung einschlägiger Grundrechte oder grundrechtsgleicher Rechte grundsätzlich verkannt, in dem es eine grundsätzlich falsche Gewichtung vorgenommen hat oder den Umfang eines grundrechtlichen Schutzbereiches falsch bestimmt hat.
  3. Das der Entscheidung zugrundeliegende Gesetz ist verfassungswidrig.
  4. Durch das fachgerichtliche Verfahren selbst wurden (Justiz-) Grundrechte verletzt.

Im vorliegenden Fall dürfte allenfalls eine der beiden erstgenannten Fallgruppen einschlägig sein. Dabei muss allerdings zunächst genauer untersucht werden auf welches der in Art. 5 Abs. 1 GG aufgeführten Mediengrundrechte sich Betreiber und Redakteure von reinen Online-Zeitschriften oder Blogs überhaupt berufen können. Insoweit können im Einzelnen durchaus schwierige Abgrenzungsfragen aufgeworfen werden. Dem äußeren Erscheinungsbild nach zu urteilen, erscheint zunächst eine Zuordnung zur Pressefreiheit aufgrund der überwiegenden Kombination von Standbild und Text näher. Damit würde man sich aber über das für die Schutzbereichseröffnung der Pressefreiheit konstitutive Merkmal des Druckerzeugnisses hinwegsetzen. Daher dürfte die Zuordnung zur Rundfunkfreiheit wohl sachnäher sein, handelt es sich mit Blick auf die gängige Definition bei solchen Medienangeboten doch um „die Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art für einen unbestimmten Personenkreis unter Zuhilfenahme elektischer Schwingungen“ (umfassend zu den Abgrenzungsfragen Neuhoff, ZUM 2012, 371 ff.). Aufgrund der essentiellen Bedeutung der Medienfreiheiten für eine freiheitlich-demokratische (Informations-) Gesellschaft dürfte das verfassungsrechtliche Schutzniveau unabhängig von der konkreten Zuordnung ohnehin regelmäßig gleich hoch anzusetzen sein.

III. Fazit

Der Fall eignet sich vortrefflich als Gegenstand einer mündlichen Examensprüfung. Dies gilt nicht zuletzt wegen der Vielzahl ähnlich gelagerter Lebenssachverhalte, sondern auch weil das ihm zugrundeliegende Spannungsverhältnis zwischen Mediengrundrechten und dem gleichsam mit Verfassungsrang ausgestattetem staatlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung durchaus als „Klassikerproblem“ bezeichnet werden darf. Das Themenfeld rund um die strafprozessrechtlichen Zeugnisverweigerungsrechte kann zudem ohne weiteres als Zusatzfrage einer strafrechtlichen Examensklausur auftauchen.

14.05.2013/0 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2013-05-14 12:00:492013-05-14 12:00:49LG Duisburg: Kein Zeugnisverweigerungsrecht für Online-Redakteur
Redaktion

Die Meinungs- und Medienfreiheit

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Verfassungsrecht, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Die Meinungs- und Medienfreiheit” von Prof. Dr. Walter Frenz

beleuchtet die Grundlagen dieser aus Art. 5 Abs. 1 zu entnehmenden Grundrechte. In einer „mediengewohnten“ Informationsgesellschaft gehört das Grundrecht der Meinungsfreiheit nahezu unausweichlich zu den am meisten diskutierten Verfassungsgütern. Vor allem, wenn es um die Kollision der Meinungsfreiheit mit anderen Grundrechten, wie insbesondere dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, geht, wecken die juristischen Auseinandersetzungen regelmäßig ein breites öffentliches Interesse. Aus gegebenem Anlass ist eine Auffrischung der Grundkenntnisse auch im Hinblick auf die im Zusammenhang mit §§ 169, 176 GVG denkbaren Fragestellungen sehr zu empfehlen. Der vorliegende Aufsatz vermittelt anhand wichtiger Judikate des Bundesverfassungsgerichts die wesentlichen Grundlagen zu Art. 5 Abs. 1 GG.
Den Beitrag findet Ihr hier.

10.04.2013/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-04-10 10:00:192013-04-10 10:00:19Die Meinungs- und Medienfreiheit
Nicolas Hohn-Hein

BGH: „Playboy am Sonntag“

Bereicherungsrecht, Deliktsrecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verfassungsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

In einer kürzlich im Volltext veröffentlichten Entscheidung des BGH (Az. I ZR 234/10 – Urteil v. 31.05.2012) ging es um die Frage, ob eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG gegeben ist, wenn eine Zeitung (hier: BILD am Sonntag) ein Foto eines Prominenten (hier: Gunter Sachs) abbildet, das die Person beim Lesen eben dieser Zeitung in der Freizeit zeigt. Nach den gängigen Grundsätzen ist – im Falle der Verletzung des APR – der Verletzer zur Zahlung eines angemessenen Lizenzbetrags verpflichtet.
Sachverhalt (vereinfacht)
Kläger G ist ein bekannter Schauspieler, Entertainer und Lebemann, der in der Vergangenheit große öffentliche Aufmerksamkeit genossen hat. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und seinem Rückzug ins Private besteht immer noch ein erhebliches Medieninteresse. Ein großes deutsches Boulevardblatt (B) lässt es sich daher nicht nehmen, G bis in den Urlaub auf seiner Yacht in St. Tropez zu folgen. B gelingt es, ohne Wissen des G, ein Foto davon zu machen wie G gerade die Sonntagsausgabe der B liest.
In der Folge veröffentlich B das Foto:

Das Foto ist großformatig übertitelt mit:

„Psst, nicht stören!
Playboy (75) am Sonntag
Auf einer Jacht in St.-Tropez schaukelt G“

Im daneben stehenden Artikel heißt es u.a.: „Genüsslich blättert er durch die Seiten der B„. G ist entsetzt. Er sei niemals mit der Veröffentlichung solcher Fotos einverstanden gewesen. Er habe sich völlig unbeobachtet gefühlt. Darüber hinaus lese er zwar tatsächlich ab und an die B. Bei dem konkreten Artikel handele es sich aber um eine gezielte Werbemaßnahme der B, die nicht dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit diene, sondern allein kommerziellen Zwecken.
Kann G von B eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 50.000 Euro verlangen?
Abgestuftes Schutzkonzept des BGH bei §§ 22, 23 KUG
Der Einstieg in die Prüfung der Rechtslage erfolgt über die Feststellung, dass im vorliegenden Fall eine mögliche Rechtsverletzung durch die Veröffentlichung des Bildnisses des G an den Voraussetzungen der §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) zu messen ist. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist eine Einwilligung des Betroffenen (§ 22 KUG) nicht erforderlich, wenn es sich um eine Person der Zeitgeschichte handelt. Eine Ausnahme bildet § 23 Abs. 2 KUG, wonach das Zustimmungserfordernis wieder auflebt, wenn der Verbreitung des Bildnisses ein berechtigtes Interesse des Betroffenen entgegensteht (zur Rechtsprechung des BGH vgl. insbes. GRUR 2011, 259, Rn. 13 = NJW 2011, 746 – „Rosenball in Monaco“ mwN).
Zustimmung aufgrund des werbenden Charakters der Berichterstattung erforderlich
Das Gericht hält § 23 Abs. 2 KUG im vorliegenden Fall für anwendbar, da es, nach Ansicht der Richter, der B nicht um das reine Informationsinteresse der Öffentlichkeit ging, sondern zu Werbezwecken für das eigene Blatt geschah. Ein Bildnis, das zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt wird, ist grundsätzlich vermögensrechtlicher Bestandteil des APR. Dabei muss die Werbung keine Werbung „im klassischen“ Sinne sein (z.B. Printanzeige, Werbespot o.ä.). Ein werbender Charakter sei insoweit ausreichend, denn

[…] die für die Beurteilung der Verwendung von Bildnissen im Rahmen von Werbeanzeigen entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für eine redaktionelle Bildberichterstattung, die (auch) der Eigenwerbung dient (zum Titelbild von Zeitschriften vgl. BGH, Urteil vom 14. März 1995 – VI ZR 52/94, NJW-RR 1995, 789 f. – Chris-Revue; BGH, GRUR 2009, 1085, Rn. 24 ff. – Wer wird Millionär?; GRUR 2011, 647 Rn. 12 ff. – Markt & Leute). Ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild kommt insoweit insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwendung des Bildnisses den Werbe- und Imagewert des Abgebildeten ausnutzt, indem die Person des Abgebildeten als Vorspann für die Anpreisung des Presseerzeugnisses vermarktet wird (BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 29 f. – Wer wird Millionär?).

B könne sich ferner auch nicht darauf berufen, es handele sich lediglich um eine Berichterstattung über wahre Tatsachen. Maßgeblich sei der Kontext, in dem die Wort-Bildberichterstattung erfolge, und der Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Lesers. Der BGH schließt sich diesbezüglich den Ausführungen des Berufungsgerichts an.

Das Berufungsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Leser durch den Kontext der begleitenden Wortberichterstattung, die bei der Beurteilung zu berücksichtigen ist, die Berichterstattung vor allem als Eigenwerbung für das Blatt der Beklagten verstehen musste, die über eine reine Tatsachenberichterstattung hinaus geht. So hat es angenommen, der Eingriff in den vermögensrechtlichen Bestandteil des Persönlichkeitsrechts des Klägers wiege deshalb so besonders schwer, weil die werbliche Vereinnahmung des Klägers im Mittelpunkt der Berichterstattung stehe. Die einzig aktuelle Information erschöpfe sich in der Lektüre des Blatts der Beklagten. Diese Information habe aber keinen Nachrichtenwert und biete insofern keine Orientierung im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte. Die übrige Wortberichterstattung verfolge allein den Zweck, den Werbewert des Klägers zu vergrößern. Damit habe der Beitrag inhaltlich ganz überwiegend den Charakter einer Werbeanzeige.

Ein Eingriff in das APR des G war – mangels erforderlicher Einwilligung gemäß § 23 Abs. 2 KUG – damit grundsätzlich gegeben.
APR des G überwiegt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit
Üblicherweise schließt sich an die Bejahung des Eingriffs in das APR die Frage an, ob dieser rechtswidrig erfolgte. Hierzu trifft das Gericht eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Interesse des Betroffenen an dem Schutz seiner Person (Art. 1 Abs. 1 GG iVm. Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit (Informations- und Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG). Die Abwägung erfolgt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.
Der BGH stellt in diesem Zusammenhang zunächst die berechtigten Interessen der Beteiligten gegenüber. Zum einen finde ein gewisser Imagetransfer zugunsten der B und zulasten des G statt, sodass eine Beeinträchtigung des G anzunehmen sei. Dagegen genieße jedoch auch Eigenwerbung für ein Presseerzeugnis Schutz gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wie das Presseerzeugnis selbst.
Im Ergebnis stellt der BGH auf den mangelnden Nachrichtenwert der Meldung und die besondere Hervorhebung der Werbewirksamkeit der Abbildung ab. Dies wirkt insbesondere dann um so schwerer, wenn es sich um einen Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen handelt und dieser in der konkreten Situation davon ausgehen konnte „für sich“ zu sein.

Es hat insoweit angenommen, der Kläger werde durch das große Foto, welches ihn lesend auf seiner Jacht im Hafen von Saint-Tropez zeige sowie die begleitende Wortberichterstattung in seiner Privatsphäre sowie seinem Recht am eigenen Bild verletzt, weil ihn das Bild und der Begleittext in einer offensichtlich privaten Situation der Öffentlichkeit präsentierten, in der er habe davon ausgehen können, unbeobachtet zu sein. Demgegenüber bestehe nur ein geringes schutzwürdiges Informationsinteresse. […]

Bei der Bildberichterstattung sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch der Anlass und die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist, etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den Umständen typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Das kann nicht nur bei einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, sondern außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit auch in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags der Fall sein (BGH, Urteil vom 1. Juli 2008 – VI ZR 243/06, GRUR 2008, 1024 Rn. 24 = NJW 2008, 3138 – Shopping mit Putzfrau auf Mallorca). […]

Art. 5 Abs. 1 GG gebietet es nicht generell anzunehmen, dass mit jeder visuellen Darstellung aus dem Privat- und Alltagsleben prominenter Personen ein Beitrag zur Meinungsbildung verbunden ist, der es aufgrund ihrer positiven oder negativen Leitbildfunktionen für sich allein rechtfertigt, die Belange des Persönlichkeitsschutzes zurückzustellen. Zwar gilt die Pressefreiheit auch für unterhaltende Beiträge über das Privat- oder Alltagsleben von Prominenten und über ihr soziales Umfeld einschließlich der ihnen nahe stehenden Personen. Denn der Unterhaltung dienende Beiträge stellen einen wesentlichen Bestandteil der Medienbetätigung dar. Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß der abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen der Betroffenen (BGH, GRUR 2008, 1024, Rn.20 – Shopping mit Putzfrau auf Mallorca). Auch nach Art. 10 EMRK ist das Recht auf Meinungsäußerung der Presse bei der Berichterstattung über Personen des öffentlichen Lebens oder allgemein bekannte Personen eng auszulegen, wenn sich die veröffentlichten Fotos und die Berichte dazu auf Einzelheiten des Privatlebens beziehen und nur die öffentliche Neugier befriedigen sollen (EGMR, NJW 2012, 1056 Rn. 110 – von Hannover/Deutschland Nr. 2). Die Grenze der zulässigen Berichterstattung über das Alltagsleben prominenter Personen wird daher – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – ebenfalls maßgeblich vom Informationswert der Berichterstattung bestimmt. […]

Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG musste daher im vorliegenden Fall zurückstehen.
Anmerkung: Anspruchsgrundlage war hier eine Eingriffskondiktion aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB jedenfalls wegen des Eingriffs in den Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild durch die kommerzielle Nutzung des Fotos. Darüber, ob auch § 823 Abs. 1 BGB herangezogen werden konnte, musste der BGH daher nicht mehr entscheiden, sodass es auf die Frage eines Verschuldens der B nicht ankam.
Fazit
G konnte hier die Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 50.000 Euro verlangen. Eine interessante Entscheidung, die Anlass geben wird, die Grundsätze rund um das APR und die Bezüge zum KUG abzuprüfen. Zu diesem aktuellen Thema ergehen regelmäßig Entscheidungen (vgl. z.B. hier und hier, etwas älter hier). Dass die deutsche Rechtsprechung sich mittlerweile seit der Caroline-Entscheidung des EGMR im Jahr 2004 von den Begriffen der „relativen“ und der „absoluten“ Personen der Zeitgeschichte verabschiedet hat, sollte dem Kandidaten bekannt sein.

03.01.2013/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2013-01-03 09:00:112013-01-03 09:00:11BGH: „Playboy am Sonntag“
Christian Muders

LG Tübingen: Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Wikipedia-Artikel

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht, ZPO

Anm. zu LG Tübingen, Urteil v. 18.06.2012 – 7 O 525/10
1. Um was geht es?
Geklagt hatte ein außerplanmäßiger Professor an der Universität Tübingen gegen die Wikimedia-Foundation Inc., eine Stiftung nach dem Recht des amerikanischen Bundesstaates Florida, die in San Francisco ansässig ist. Anlass war ein Beitrag auf der deutschen Internetseite der Beklagten, in welchem sowohl über den Kläger selbst als auch über dessen berufliches Wirken berichtet wird. Insbesondere wird dort auf seinen Lebenslauf, seine Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen und seine Schriften Bezug genommen. Einer Veröffentlichung dieses Beitrages hatte der Kläger im Vorfeld nicht zugestimmt und forderte mit Schreiben vom 25.10.2010 die Beklagte auf, den Beitrag zu entfernen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierauf reagierte die Beklagte nicht. Da der Kläger der Auffassung war, er werde durch den Eintrag in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, erhob er vor dem LG Tübingen Klage mit dem Antrag, es zu unterlassen, auf der Internetseite über seine persönlichen Daten zu berichten.
2. Was sagt das Gericht?
Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
a) Zulässigkeit
Dabei ist es zunächst auf seine internationale Zuständigkeit eingegangen und hat diese unter Hinweis auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bejaht:

Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, wobei neben Ansprüchen auf Schadensersatz auch Unterlassungsansprüche erfasst werden. Zur Entscheidung über Klagen wegen der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen sind die deutschen Gerichte nach § 32 ZPO dann international zuständig, wenn die beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen und eine Kollision der widerstreitenden Interessen im Inland tatsächlich schon eingetreten sein kann oder noch eintreten kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Kenntnisnahme der Veröffentlichung im Inland im Gegensatz zur bloßen Abrufbarkeit der Veröffentlichung näher liegt und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch eine Kenntnisnahme auch im Inland eintreten kann. Aufgrund des Wirkens des Klägers im Inland liegt eine Kenntnisnahme des Eintrages im Inland deutlich näher als eine solche im Ausland. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Internetseite vor allem in Hinblick auf seine Stellung als außerplanmäßiger Universitätsprofessor und seine anstehenden Bewerbungen im Inland abgerufen wird.

b) Begründetheit
Im Folgenden hat das LG Tübingen allerdings einen materiellen Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung des Wikipedia-Artikels abgelehnt und insoweit dem Vortrag des Klägers bereits die Schlüssigkeit abgesprochen.
aa) Hierbei bejaht das Gericht zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts und verweist dazu auf die Regelungen des EGBGB:

Auf die geltend gemachte Rechtsverletzung ist deutsches Recht anwendbar. Das anwendbare Recht ergibt sich aus den Art. 40 ff. EGBGB, denn außervertragliche Schuldverhältnisse sind nach Art. 1 Abs. 2 lit. g der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM II-VO) vom Anwendungsbereich der ROM II-VO ausgenommen. Art. 40 EGBGB unterfällt dabei auch der Persönlichkeitsschutz einschließlich der sich daraus herleitenden Unterlassungsansprüche. Der Kläger übte jedenfalls sein Bestimmungsrecht aus Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB in der Klageschrift aus. Er berief sich in dieser ausdrücklich auf deutsche Normen. Zudem trug er vor, dass er im Inland außerordentlicher Professor ist, sich neu bewerben will und die Internetseite mit dem betreffenden Eintrag in Deutschland abrufbar ist, die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts also im Inland eintritt.

bb) Eine mögliche Anspruchsgrundlage für den Kläger erblickt das Gericht sodann in dem sog. „quasinegatorischen“ Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch analog § 1004 i.V.m. § 823 BGB. Von der erstgenannten Norm werden ihrem Wortlaut nach zwar nur Beeinträchtigungen des Eigentumsrechts (abzüglich des Entzugs, für welchen § 985 BGB gilt) erfasst, nach wohl allgemeiner Ansicht sind indes auch sonstige absolute Rechte in entsprechender Anwendung der Vorschrift vor Verletzungen geschützt. Denn es erscheint widersinnig, bei erfolgtem Eingriff zwar einen grundsätzlichen Anspruch des Geschädigten auf Naturalrestitution zu bejahen, ihm aber das Recht zu verwehren, bereits (zuvor) den drohenden Eingriff selbst abwehren zu können. Hierbei nimmt das Gericht zunächst das Vorliegen eines Eingriffs in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes absolutes Recht des Klägers an und zwar in Gestalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, welches durch die Veröffentlichung personenbezogener Daten tangiert werde:

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist, sichert dem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. Palandt/Sprau, 71. Auflage 2012, § 823, Rn.112). Hieran anknüpfend ist vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Dieses verleiht dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Hierunter fällt auch das Recht des Klägers grundsätzlich selbst darüber zu bestimmen, ob und welche Informationen über seine Person auf der streitigen Internetseite der Beklagten veröffentlicht werden. (…) Infolge des Bereithaltens der beanstandeten Inhalte zum Abruf im Internet liegt auch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte vor. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er über den Eintrag auf der Seite http://de.wikipedia.org und darüber, ob dessen persönliche Daten wie Beruf, Lebenslauf und Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen, veröffentlicht werden, nicht selbst entschieden hat. Vielmehr stellte die Beklagte den Eintrag ohne sein Mitwirken ein und dieser ist grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich.

cc) Im Folgenden verneint die Kammer allerdings eine Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich – was etwa auch für das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs gilt – um ein sog. Rahmenrecht, welches erst durch die Rechtsanwendung im Einzelfall konturiert werden kann. Wichtigste Konsequenz hieraus ist, dass bei einem tatbestandsmäßigen Verhalten, also einem bejahten Eingriff in das geschützte Rechtsgut, die Rechtswidrigkeit nicht indiziert wird, so dass bei einem Fehlen besonderer Rechtfertigungsgründe stets von einem grundsätzlich schadensersatzpflichtigen Unrecht auszugehen wäre. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit bei solchen Rahmenrechten immer positiv zu begründen, indem eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Parteien erfolgt. Hier ist auf Seiten des Beeinträchtigenden insbesondere die Intensität des festgestellten Eingriffs zu berücksichtigen, auf Seiten des Eingreifenden ist zu fragen, ob dieser rechtlich besonders geschützte Interessen geltend machen kann. Bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kommen insoweit v.a. die grundgesetzlich verbürgte Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit in Betracht.
(1) Das LG Tübingen prüft im Folgenden daher zunächst die Folgen der Veröffentlichung für den Kläger, denen es aber einen nur geringen Beeinträchtigungsgrad zuspricht:

Weder entfaltet der abrufbereite Eintrag über den Kläger eine erhebliche Breitenwirkung, noch ist er Anknüpfungspunkt, um den Kläger sozial auszugrenzen oder zu isolieren. Dies gilt sowohl bezüglich seiner persönlichen Daten wie Beruf oder Lebenslauf als auch hinsichtlich der Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen. Der Inhalt des Eintrages besteht zwar aus persönlichen Inhalten, es werden jedoch lediglich bestimmte zutreffende Stationen oder Vorgänge im Leben des Klägers beschrieben. Die Inhalte sind ferner zwar abrufbereit im Internet verfügbar, allerdings werden diese nur dann zur Kenntnis genommen, wenn sich ein Nutzer aktiv informieren möchte. Anders als beispielsweise bei einer Zeitungsveröffentlichung ist hier nicht von einer breiten Ausstrahlungswirkung des Beitrages auszugehen, mit welchem potentiell die gesamte Bevölkerung informiert werden soll, sondern hier beschränkt sich die Kenntnisnahme auf Personen, welche den Kläger kennen und sich über ihn informieren möchten. Zudem bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Kläger durch den Beitrag sozial ausgegrenzt oder isoliert zu werden droht.

(2) Auf der anderen Seite sieht das LG die Veröffentlichung der Wikimedia Foundation auf der deutschsprachigen Internetseite sowohl vom Schutzbereich der grundgesetzlichen Informations- als auch der Pressefreiheit erfasst:

Auf Seiten der Beklagten ist ferner zu berücksichtigen, dass es sich bei Wikipedia um eine weltweite freie Online-Enzyklopädie handelt (…). Insofern besteht ein erhebliches öffentliches Interesse nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG, 10 Abs. 1 S. 1 EMRK an den von der Beklagten bereitgehaltenen Einträgen, um sich umfassend informieren zu können. (…) Weiterhin kann die Beklagte die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG für sich in Anspruch nehmen. Diese schützt grundsätzlich die Verbreitung von Informationen, wobei unter anderem auch das Recht eingeräumt wird, wahre Tatsachen zu publizieren. Mit dieser Gewährleistung korrespondiert insbesondere das Interesse der Öffentlichkeit an einer ausreichenden Versorgung mit Informationen. Zudem kommt diesen beiden Rechten schon aufgrund ihres Charakters als demokratische Grundrechte ein hoher Stellenwert zu, sodass gewichtige Gründe erforderlich sind, welche ein Überwiegen eines kollidierenden Rechtsgutes rechtfertigen.

(3) Schlussendlich betont das Gericht nochmals die geringe Intensität des Eingriffs beim Kläger:

Jedenfalls aber muss beachtet werden, dass es sich bei den Einträgen jeweils um wahre Tatsachen handelt und der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nur als sehr gering zu qualifizieren ist. Er ist lediglich der Sozialsphäre zuzuordnen, denn hier ist nur der Bereich des menschlichen Lebens betroffen, in dem sich der Betroffenen als Teil einer sozialen Gesellschaft zeigt und wahrgenommen wird. Äußerungen, welche diese Sphäre betreffen, sind jedoch grundsätzlich hinzunehmen, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Zu den hinzunehmenden Folgen gehören auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung der wahren Tatsachen ergeben (BVerfG, NJW 2011, 47; BVerfG NJW 1998, 2889).

dd) Im Anschluss an diese Prüfung setzt sich das Gericht noch ausführlich mit der Frage auseinander, ob die Beklagte hypothetisch überhaupt als „Störer“ im Hinblick darauf in Betracht kommt, dass nicht sie selbst, sondern die Nutzer der Plattform die Artikel im Internet einstellen und verändern. Angesprochen ist damit die Frage der Passivlegitimation, auch wenn diese bei Verneinung eines rechtswidrigen Eingriffs eigentlich dahinstehen kann. Die Kammer geht dabei ausführlich auf die spezielle Norm des § 10 TMG ein, wonach eine Verantwortlichkeit von Dienstanbietern i.S.d. § 2 TMG solange nicht besteht, wie sie keine Kenntnis von einer Rechtsverletzung haben bzw. – nur bei SE-Ansprüchen – ihnen keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung offensichtlich wird. Jedenfalls mit der erfolglosen Aufforderung des Klägers an die Wikimedia Foundation vom 25.10.2010, den Beitrag zu entfernen, dürfte allerdings die geforderte Kenntnis bei der Beklagten vorliegen.
3. Warum ist die Entscheidung interessant?
a) Die Entscheidung betrifft allgemeine Fragen des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs und ist insofern für Klausur oder mündliche Prüfung durchaus geeignet. Der Reiz liegt dabei nicht zuletzt auch in der Gelegenheit, übergreifende rechtliche Zusammenhänge, namentlich den Einfluss der Grundrechte als „objektive Werteordnung“, bei der Beurteilung zivilrechtlicher Fragen abprüfen zu können. Hinzu kommt die Beschäftigung mit speziellen Fragen des Internetrechts, namentlich die Anwendung der Norm des § 10 TMG.
b) Im Hinblick auf den Inhalt der Entscheidung ist zunächst auf einen Widerspruch des LG Tübingen zwischen Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung hinzuweisen: Nimmt das Gericht nämlich an, dass es bereits an einem schlüssigen Vortrag des Anspruchs fehlt, ist streng genommen auch die Zuständigkeit des Spruchkörpers nach § 32 ZPO zu verneinen: Denn nach dieser Vorschrift ist ein Gericht nur dann zuständig, wenn an dessen Ort eine „unerlaubte Handlung“ begangen wurde. Das tatsächliche Vorliegen einer solchen Handlung ist damit streng genommen bereits für die Frage der Zuständigkeit entscheidend, nicht nur für die Frage der Begründetheit des Anspruchs, so dass es sich sozusagen um ein „doppelfunktionales Merkmal“ handelt. Bei solchen Merkmalen wird im Rahmen der Zulässigkeit gemeinhin aber wenigstens gefordert, dass der Kläger die Tatsachen, welche das Vorliegen einer unerlaubten Handlung begründen sollen, schlüssig darlegt, während erst die Frage des tatsächlichen Vorliegens (bei Bestreiten des Gegners) ein Problem der Sachentscheidung, also der Begründetheit ist (vgl. Musielak-Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 32 Rn. 19; MüKo/ZPO-Patzina, 4. Aufl. 2013, § 32 Rn. 39, jew. m.w.N.). Da das Gericht vorliegend bereits eine schlüssige Darlegung der anspruchsbegründenden Tatsachen verneint, wäre insofern tatsächlich durch Prozessurteil zu entscheiden gewesen, d.h. die Kammer hätte die Klage mangels eigener Zuständigkeit (schon) als unzulässig abweisen müssen.
c) Daneben erscheint auch die Ansicht des Gerichts zweifelhaft, wonach im Rahmen der Abwägung des Eingriffs u.a. das Grundrecht der Pressefreiheit zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sein soll. Denn die Wikimedia Foundation ist als Stiftung eine juristische Person, die aber nur nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechtsträger sein kann. Die vorgenannte Norm begrenzt die Grundrechtsfähigkeit indes ausdrücklich auf inländische juristische Personen, d.h. solche, die ihren tatsächlichen Sitz im Inland haben, was im Hinblick auf das Diskriminerungsverbot nach Art. 18 AEUV allenfalls bezüglich Vereinigungen im EU-Ausland durchbrochen wird, zu denen eine Körperschaft mit Sitz in Amerika aber jedenfalls nicht zählt. Demgemäß bleibt von der Grundrechtsargumentation des LG Tübingen eigentlich nur die von diesem ebenfalls in Bezug genommene Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG übrig, welche das Gericht nicht auf die Beklagte selbst, sondern (allgemein) Dritte bezieht, die sich über deren Plattform informieren wollen. Ebenfalls in Erwägung zu ziehen ist zudem ein Schutz nach Art. 10 EMRK, der die Meinungsfreiheit grundsätzlich auf alle Personen, auch juristische Vereinigungen, erstreckt, die von der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates betroffen werden (vgl. dazu Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 1 Rn. 16) – auf die Frage, ob es sich hierbei um eine in- oder ausländische juristische Person handelt, kommt es also grundsätzlich nicht an.
d) Zu denken ist schließlich daran, den Schutz der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht auf die Beklagte selbst, sondern die beteiligten Nutzer zu projizieren  welche die Artikel bei Wikipedia hochladen und gestalten: Ist nämlich bereits deren Verhalten unter dem Grundrecht der Pressefreiheit zulässig, kann die Beklagte kaum eine „mittelbare“ Verhinderungspflicht dergestalt treffen, demselben Einhalt zu gebieten. Allerdings wird auch die Eigenschaft des einzelnen „Wikipedianers“ als presseberechtigter Grundrechtsträger mit dem Argument in Frage gestellt, dass bei Wikipedia keine einzelnen Autoren für einen Beitrag verantwortlich seien, sondern die Artikel Produkt eines „Schwarms“ seien, der weder durch die Vor- noch Nachkontrolle einer zentralen Redaktion begleitet werde (so Ziegelmayer, LTO v. 13.12.2012). Diese Annahme ist indes nicht unangreifbar, denn die Organisation von Wikipedia ist durchaus in grobe personelle Hierarchien – namentlich durch sog. Administratoren – gegliedert, welche über die Vorgänge auf der Plattform wachen, und der Begriff des „Schwarms“ ist selbstverständlich nur ein Bild für den Schaffensprozess, das aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass durchweg grundrechtsberechtigte Personen aus Fleisch und Blut die einzelnen Artikel gestalten und verändern. Nimmt man dennoch an, dass aufgrund der vorgebrachten Argumente das Grundrecht der Pressefreiheit insgesamt zu versagen ist, bleibt jedenfalls die allgemeine Meinungsfreiheit zugunsten der einzelnen Nutzer übrig, deren Schutzbereich unabhängig von organisatorischen Vorkehrungen im vorgenannten Sinne besteht (so auch Ziegelmayer, a.a.O.).

22.12.2012/0 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-12-22 12:00:082012-12-22 12:00:08LG Tübingen: Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Wikipedia-Artikel
Dr. Johannes Traut

BGH: Post muss NPD Publikation verteilen

Öffentliches Recht, Tagesgeschehen, Verfassungsrecht, Zivilrecht

Heute hat der BGH entschieden, dass die Deutsche Post AG die Publikation „Klartext“ der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag als Postwurfsendung verteilen muss (BGH, Urteil vom 20.9.2012 – I ZR 116/11, hier die Pressemitteilung, auf der diese Nachricht beruht und aus der die Zitate stammen).
Die Entscheidung selbst (I.) ist wegen der Verortung im Regulierungsrecht weniger prüfungsrelevant, dafür umso mehr für die WG-Diskussion geeignet und damit Teil der juristischen Allgemeinbildung. In abgewandelter Form eignet sich der Sachverhalt jedoch hervorragend für die mündliche Prüfung. (II.).
I. BGH: Anspruch aus § 3 PUDLV
Das Postregulierungsrecht findet sich im PostG und der Postdienstleistungsverordnung (PUDLV), wobei europarechtliche Vorgaben zu beachten sind. Entscheidendes Element des Regulierungsrechts ist die Vorgabe gem. §§ 11ff PostG, dass ein Mindestangebot an Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 1 flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden muss (Universaldienst, vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 PostG). Zum Anbieten eines solchen Universaldienstes können Postunternehmen verpflichtet werden (vgl. § 13 Abs. 2 S. 1 PostG). In Deutschland ist momentan die Deutsche Post AG als einziges Postunternehmen zum Universaldienst verpflichtet.
Damit haben Kunden ihr gegenüber aus § 3 PUDLV im Rahmen der Gesetze und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Anspruch auf Erbringung der vom Universaldienst (vgl. § 4 Nr. 1 PostG) erfassten Leistungen. Der BGH zitiert übrigens in seiner Pressemitteilung fälschlicherweise § 2 PUDLV; seine Ausführungen passen dazu aber nicht und er gibt selbst am Ende der Pressemitteilung den Text von § 3 PUDLV wieder, es wird sich also um einen Tippfehler handeln.
Der BGH hat festgestellt, dass die Beförderung der NPD-Sendung vom Universaldienst erfasst ist. Was genau hierunter fällt, ist im Grundsatz eine Frage des Postregulierungsrechts und daher nicht weiter für das Examen oder sonst verallgemeinerungsfähig.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die hier nachgefragte Leistung eine solche Universaldienstleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) […] darstellt. Bei der Publikation handelt es sich um eine periodisch erscheinende Druckschrift, die zu dem Zweck herausgegeben wird, die Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit­ oder Fachfragen durch presseübliche Berichterstattung zu unterrichten. […] Den Einwand der Deutschen Post, dass es sich bei der in Rede stehenden Publikation nicht um eine periodisch erscheinende Druckschrift handelt, hat der BGH nicht gelten lassen. Ausreichend hierfür ist, dass die Druckschrift nach ihrer Aufmachung – anders als ein Flugblatt – auf das für eine Zeitung oder Zeitschrift übliche periodische Erscheinen angelegt ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie trotz dieser Aufmachung nur gelegentlich publiziert werden soll. […] Auch der Umstand, dass die fraglichen Druckschriften nicht adressiert sind, steht der Einordnung als Universaldienstleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 PUDLV, § 4 Nr. 1 Buchst. c PostG […] nicht entgegen. Soweit der Empfängerkreis hinreichend bestimmt ist, unterliegt die Beförderung von nicht adressierten Sendungen keinen für die Beklagte unzumutbaren Schwierigkeiten und trägt dem Bedürfnis Rechnung, auch die Beförderung von Massendrucksachen zu ermöglichen, die sich an eine Vielzahl von Empfängern richten.

Wichtig ist dann aber, dass der BGH klarstellt, dass dieser – dem Gesetzeswortlaut nach klar gegebene – Anspruch auch für die NPD gilt. Er stellt klar, dass auch rechtsradikale, aber nicht verbotene Gruppierungen in gleichem Maße ihre Meinung verbreiten können wie andere. Es besteht insofern eine aus Art. 5 GG herzuleitende staatliche Pflicht zur Neutralität. Diese muss bei der Auslegung der vom Staat auferlegten Verpflichtungen zum Universaldienst beachtet werden. In der Sache geht es also um die mittelbare Geltung der Grundrechte auch im Zivilrecht. Flankierend kann auch auf die Wertung der Art. 3 Abs. 3 GG (keine Diskriminierung wegen politischer Anschauung) und Art. 21 GG (Parteiverbot nur durch BVerfG) verwiesen werden. All das spielt auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Kündigungen wegen NPD-Mitgliedschaft im Arbeitsrecht eine Rolle.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts darf der Umstand, dass die Publikation der Werbung für die Politik und Arbeit der Klägerin dient, auf die Entscheidung keinen Einfluss haben. Die Einordnung als Universaldienst verfolgt mit dem dadurch bestimmten Beförderungszwang das Ziel, zur Förderung der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit Erzeugnisse der Presse dem Empfänger so günstig wie möglich zuzuführen. Die Pressefreiheit begründet für den Staat jedoch eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet. Um die flächendeckende Grundversorgung mit Postdienstleistungen sicherzustellen, sieht die gesetzliche Regelung vor, dass die Lizenzträger, zu denen die Deutsche Post zählt, verpflichtet sind, bestimmte Postdienstleistungen, sogenannte Universaldienstleistungen, zu erbringen. […] Ausgeschlossen wäre die Beförderung allerdings dann, wenn besondere Ausschlussgründe vorliegen, etwa weil der Inhalt der Publikation gegen strafrechtliche Bestimmungen verstößt (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 PUDLV) oder rassendiskriminierendes Gedankengut enthält (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 PUDLV). Dazu hatte die Deutsche Post jedoch nichts vorgetragen.

Die Meinungs- und Pressefreiheit findet wiederum gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 PUDLV ihre Schranke in dem Verstoß gegen Strafgesetze und den Rechten anderer.
Noch ein Wort aber zur Natur und Intensität der Grundrechtsbindung hier: Es handelt sich M.E. um die „normale“ mittelbare Drittwirkung, wie sie auch einem gänzlich privaten Unternehmen gegenüber bestehen würde. Die Fraport-Grundsätze (dazu sogleich, II.) sind nur bei Unternehmen, die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, anwendbar. Allenfalls ergibt sich hier aus funktionalen Gesichtspunkten (Anbieten von „Daseinsvorsorge“) eine etwas stärkere mittelbare Drittwirkung der Grundrechte. Dies gälte dann aber auch für rein Private, welche die gleiche Funktion ausüben (vgl. zu diesem funktionalen Ansatz meinen Beitrag zur Fraport-Entscheidung, Link unten unter II).
II. Ohne Regulierungsrecht: Anspruch auf Beförderung gegenüber öffentlichen Unternehmen?
Wandelt man den Fall nur leicht ab, eignet er sich hervorragend für die mündliche Prüfung im öffentlichen Recht. Geht man davon aus, dass kein spezielles Regulierungsrecht existiert und dass die Anteile der Deutschen Post AG mehrheitlich von der öffentlichen Hand gehalten werden (was tatsächlich nicht mehr der Fall ist), können in der mündlichen Prüfung die in der Fraport-Entscheidung entwickelten Grundsätze zur unmittelbaren Grundrechtsbindung öffentlicher Unternehmen abgeprüft werden.
Als Folgefragen kommen dann etwa noch in Betracht: zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Anspruch? Wohl eher ersteres, weil die Leistungen auf zivilrechtlicher Grundlage angeboten werden und außerdem die Post zivilrechtlich verfasst ist (AG). Dann: zivilrechtlicher Kontrahierungszwang unmittelbar aus den Grundrechten oder über Umweg des § 242 BGB? Was ist mit der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 ParteiG (wohl eher nicht, Post als zivilrechtliche AG kein Träger öffentlicher Gewalt)?

20.09.2012/0 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2012-09-20 10:31:402012-09-20 10:31:40BGH: Post muss NPD Publikation verteilen
Dr. Stephan Pötters

APR eines Arztes durch heimliche Filmaufnahmen verletzt

Öffentliches Recht, Schuldrecht, Verfassungsrecht, Zivilrecht

Einordnung der Problematik
Wir haben bereits mehrfach darauf hingewiesen: Das Spannungsfeld zwischen allgemeinen Persönlichkeitsrechten und der Meinungs- und Pressefreiheit ist eine klassische juristische Problematik, welche sowohl in öffentlichrechtlichen Klausuren, aber u.U. auch im Zivilrecht (Deliktsrecht) oder gar im Strafrecht (bei den Beleidigungsdelikten) vorkommen kann. Die Examensrelevanz solcher Fälle kann also nicht hoch genug geschätzt werden.
LG Düsseldorf gibt bei heimlichen Filmaufnahmen dem APR den Vorrang
Das LG Düsseldorf (Urteil vom 02.09.2009 – 12 O 273/09) hat nun einen Sachverhalt zu entscheiden, der typische rechtliche Folgeprobleme eines „investigativen Journalismus“ aufweist: Eine Reporterin hatte sich als vermeintliche Patientin in eine Arztpraxis eingeschlichen und dann heimliche Filmaufnahmen des Beratungsgesprächs mit dem Arzt gemacht, um so zu belegen, wie leicht man in Deutschland an gefährliche Psychopharmaka komme.
In diesem Fall habe die Pressefreiheit hinter den Persönlichkeitsrechten des Arztes zurückzutreten, urteilte das Düsseldorfer LG. Es betonte dabei vor allem, dass die Heimlichkeit der Aufnahmen zu einem sehr schweren Eingriff in das APR des Arztes führe. Außerdem bestünde ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Reporterin auch durch mildere Mittel ihre Pressefreiheit hätte verwirklichen können; so hätte der spätere Fernsehbeitrag nicht zwangsläufig das Beratungsgespräch selbst zeigen müssen, sondern sich auf ein Interview mit der Reporterin beschränken können.
Ansprüche?
Bei einer Verletzung des APR kommt eine Fülle von Ansprüchen in Betracht. Zunächst ist das APR als sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Insofern kommen Schadensersatzansprüche in Betracht. Dabei ist – bei Verletzung kommerzieller Aspekte des APR – nach dem BGH eine dreifache Schadensberechnung möglich (tatsächlicher entgangener Gewinn, fiktive Lizenzgebühr, Gewinnabschöpfung beim Schädiger). Im vorliegenden Fall gab es hierfür keine Anhaltspunkte, sondern es kam vor allem ein (quasinegatorischer) Unterlassungsanspruch analog § 1004 I BGB iVm § 823 I BGB, Art. 2 I, 1 I GG in Betracht. Das APR ist bei allen diesen Ansprüchen im Rahmen der Rechtswidrigkeit gegen die Pressefreiheit (Art. 5 I GG) abzuwägen.
Im öffentlichen Recht wäre eine Urteilsverfassungsbeschwerde zu prüfen, wenn eine Partei der Auffassung ist, dass ihr APR oder ihre Pressefreiheit/Meinungsfreiheit durch die Instanzgerichte bei der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt wurde.
Häufig geht es dabei sowohl im Zivil- als auch im öffentlichen Recht um ein Verfahren im einstweiligen Rechtschutz.

16.09.2009/0 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-09-16 07:50:432009-09-16 07:50:43APR eines Arztes durch heimliche Filmaufnahmen verletzt
Dr. Stephan Pötters

Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) vs. APR (Art. 2 Abs. 1 iVm 1 Abs. 1 GG) – BVerfG-Entscheidung zu Kürzungen personenbezogener Fremdbeiträge

Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Art. 5 GG vs. APR – Ein klassisches Spannungsfeld!
Es gibt mittlerweile unzählige Entscheidungen des BVerfG und der Instanzgerichte, bei denen die Meinungs- oder die Pressefreiheit mit Persönlichkeitsrechten kollidiert. In diesem klassischen Spannungsfeld wurde nun eine weitere Problemkonstellation durch das BVerfG höchstrichterlich entschieden. Im Beschluss vom 25.07.2009  (1 BvR 134/03) ging es um die Frage, inwiefern das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR, Art. 2 Abs.1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG) durch das Abdrucken einer gekürzten Fassung eines personenbezogenen Fremdbeitrags verletzt werden kann, wenn durch die Kürzungen der Fremdbeitrag zulasten der dargestellten Person in seinem Sinngehalt verfälscht wird. Dies ist ein häufig auftretendes Problem: Viele Personen der Zeitgeschichte („Promis“, Politiker etc.) fühlen sich oft falsch zitiert oder beklagen, dass sie unvollständig zitiert wurden, sodass eine Aussage absichtlich zugespitzt oder aus dem Kontext gerissen werde.
Der Sachverhalt
Der Entscheidung des BVerfG lag folgender Sachverhalt zugrunde: In einer Börsenzeitschrift wurden unter der Rubrik «Meinungen – Presseschau – Nachrichten» Berichte anderer Presseorgane abgedruckt, die als Fremdbeiträge gekennzeichnet wurden. Dort wurden auch Ausschnitte aus einer Tageszeitung publiziert, die sich mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger des Ausgangsverfahrens wegen des Verdachts verbotener Insidergeschäfte und des Betruges zum Nachteil von Kapitalanlegern befasste. Das Verfahren wurde jedoch sehr bald aus Mangel an Beweisen eingestellt.
Das Landgericht Hamburg verurteilte die Börsenzeitschrift zur Unterlassung der mit dem Bericht verbundenen Tatsachenbehauptungen und Unterstellungen sowie Schadensersatz. In zweiter Instanz bestätigte das OLG Hamburg dieses Urteil,  in dritter Instanz wies das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg die Berufung zurück.  Die Börsenzeitschrift erhob gegen diese Entscheidungen (Urteils-)Verfassungsbeschwerde. Sie berief sich auf eine Verletzung ihrer Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
BVerfG: Entscheidungen der Instanzgerichte verfassungskonform
Das BVerfG nahm diese Verfassungsbeschwerde nicht einmal zur Entscheidung an. Die Meinungs- und die Pressefreiheit seien nicht verletzt. Die Instanzgerichte hätten richtigerweise im Rahmen der Prüfung des Verschuldens (beim Schadensersatzanspruch) hervorgehoben, dass die Börsenzeitschrift durch die Kürzung wichtiger Passagen den Sinngehalt des Ursprungsbeitrages verfälscht habe. Dadurch habe sie grob die ihr obliegenden pressemäßigen Sorgfaltspflichten verletzt.
Jedoch: Bedenken bzgl. einer uneingeschränkten Verbreiterhaftung
Gleichwohl äußerte sich das BVerfG auch kritisch zu den angegriffenen Entscheidungen. Soweit die Verurteilung zu Unterlassung und Schadensersatz auf eine uneingeschränkte Verbreiterhaftung gestützt wurde, bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Die wichtigen Kommunikationsgrundrechte aus Art. 5 I GG dürfen nicht durch allzu hohe Sorgfaltsanforderungen in Form von Recherchepflichten eingeschränkt werden. Eine ausdrückliche Kennzeichnung eines Beitrags als gekürzter Fremdbericht könne im Einzelfall durchaus ausreichen, um den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen angemessen Rechnung zu tragen. Die Verwednung von Fremdberichten im Rahmen eines Pressespiegels o.ä. sei ein wichtiges und klassisches Instrument der Öffentlichkeitsarbeit.

12.08.2009/1 Kommentar/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-08-12 10:48:232009-08-12 10:48:23Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) vs. APR (Art. 2 Abs. 1 iVm 1 Abs. 1 GG) – BVerfG-Entscheidung zu Kürzungen personenbezogener Fremdbeiträge

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