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Schlagwortarchiv für: Politik

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Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Tagesgeschehen, Uncategorized

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Theo Peter Rust veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften im siebten Semester an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Mit dem vorliegenden Aufsatz gewann er eine von ELSA München und ELSA Heidelberg ausgerichtete Essay Competition.

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die Regelungen des am 01.01.2023 inkrafttretenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und der derzeit in der Verhandlung befindlichen EU Richtlinie zu einem europaweiten Lieferkettengesetz und setzt sich kritisch mit deren Effektivität bei der Bekämpfung von Moderner Sklaverei auseinander. Der Verfasser begrüßt zwar ausdrücklich die Intention der Vorhaben, jedoch bewertet er insbesondere die Einschränkungen kritisch, die den beiden Vorhaben innewohnen, die eine Prüfung der eigenen Lieferketten nur in Bezug auf unmittelbare Zulieferer bzw. etablierte Geschäftsbeziehungen beschränken. Durch diese Einschränkungen drohen die Regelungen ausgehöhlt zu werden und die Maßnahmen könnten nicht an den Anfang der Lieferketten reichen. Es obliegt nun dem europäischen Gesetzgeber diese Maßnahmen ausreichend zu schärfen.

I. Einführung

Im vergangenen Jahr wurde von der alten Bundesregierung, entsprechend des vereinbarten Koalitionsvertrags, das Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) verabschiedet, welches am 22.07.2021 verkündet wurde und am 01.01.2023 in Kraft treten soll. Dieses Gesetz zielt darauf ab, „auf eine Verbesserung der weltweiten Menschenrechtslage entlang von Lieferketten hinzuwirken und die Globalisierung mit Blick auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sozial zu gestalten“[1]. Um eine einheitliche Regelung dieser Überprüfung der Lieferketten auf europäischer Eben zu gewährleisten, hat die EU-Kommission einen eigenen Entwurf eines Lieferkettengesetzes erarbeitet, der am 23.02.2022 veröffentlich wurde.

Im Folgenden soll zum einen darauf eingegangen werden, welche Maßnahmen das deutsche und das europäische Lieferkettengesetz zur Abschaffung moderner Sklaverei vorsehen, wie effektiv diese Regelungen bei der Bekämpfung der modernen Sklaverei sind und anschließend welche konkreten Regelungen notwendig wären für eine effektive Bekämpfung der modernen Sklaverei in den internationalen Lieferketten.

II. Das Deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Das zentrale Vorhaben des deutschen LkSG soll es sein deutsche Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 1 LkSG zur Analyse und zum Management auftretender, menschenrechtlicher Risiken in ihren Lieferketten zu verpflichten. Ein menschenrechtliches Risiko soll nach § 2 Abs. 2 vorliegen bei einem Zustand, bei dem auf Grund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen die in Abs. 2 genannten Rechtspositionen droht. Für die Bekämpfung der modernen Sklaverei relevant nennt §2 Abs. 2 verschiedene Formen der Sklaverei wie bspw. in Nr. 1 die Beschäftigung eines Kindes unter dem zulässigen Mindestalter, die Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit in Nr. 3 oder Leibeigenschaft sowie andere Formen von Herrschaftsausübung oder Unterdrückung in Nr. 4. Die Überwachung dieser menschenrechtlichen Risiken soll die Unternehmen für die gesamte Lieferkette betreffen, wobei der Begriff der Lieferkette weiter zu verstehen ist als ihre wirtschaftswissenschaftliche Definition und sich nach § 2 Abs. 5 auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens bezieht und dabei alle Schritte im In-und Ausland umfasst, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich ist, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu Lieferung an den Endkunden.                                                                                                                              Eine so weitreichende Definition des menschenrechtlichen Risikos und des Begriffs der Lieferkette ist zunächst vielversprechend für eine umfassende Verpflichtung der Unternehmen zur Überprüfung ihrer ganzen Lieferketten und eine Bekämpfung von moderner Sklaverei innerhalb dieser. Diese weitreichende Definition der Lieferkette wirft aber das Problem der Praktikabilität auf, da zwar davon ausgegangen werden kann und von den Unternehmen erwartbar ist, dass eine hinreichende Überprüfung der Gegenstände und Dienstleistungen vorgenommen werden kann, die zentral und elementar für den Geschäftsbereich des Unternehmens sind, aber nicht für alle möglichen handelsüblichen Maschinen und Anlagen.[2]Ein großer deutscher Konzern hat nach dieser Definition bis zu 100.000 unmittelbare Zulieferer, bei denen eine umfassende Überprüfung praktisch nicht möglich ist.[3] Daher wäre eine Fokussierung und Konkretisierung auf die elementaren und die besonders risikoreichen Bereiche eines Unternehmens sinnvoller sowie eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Gesetzes, wodurch eine größere Anzahl an Gegenständen und Dienstleistungen überprüft werden und nicht eine so geringe Zahl an Unternehmen alle Bereiche abdecken müssen. 

Auf der anderen Seite unternahm der Gesetzgeber aber eine sehr starke Einschränkung des Anwendungsbereichs, durch zum einen eine Beschränkung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 auf Unternehmen mit 3.000 bzw. ab 2024 mit 1.000 Arbeitnehmern, was lediglich 600 bzw. 2.900 Unternehmen einbeziehen würde, [4] die wiederum ihren Sitz in Deutschland haben müssen. Eine solche Beschränkung auf diese Zahlen wirkt willkürlich und widerspricht den etablierten Größendefinition aus § 267 HGB und führt durch eine Beschränkung auf inländische Unternehmen zu einer leichten Umgehung des Gesetzes, einer eingeschränkten Effektivität sowie der Gefahr eines Abzugs inländischer Unternehmen ins Ausland.[5]                                       Zum anderen werden Präventionsmaßnahmen i.S.d § 6 nach § 6 Abs. 3 nur im eigenen Geschäftsbereich und nach Abs. 4 nur bei unmittelbaren Zulieferer verlangt, wodurch eben nicht, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, die ganze Lieferkette in allen ihren Schritten zu überwachen ist, sondern beispielsweise mittelbare Zulieferer lediglich kontrolliert werden müssen, wenn das Unternehmen nach § 9 Abs. 2 substantiierte Kenntnis über eine mögliche Verletzung einer geschützten Rechtsposition erlangt. Durch dieses Erfordernis bereits eingetretener Menschenrechtsverstöße widerspricht sich das Gesetz in seiner eigentlichen Intention und ist mit dem Präventionsgedanken aus den Nr. 17ff. der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte unvereinbar, auf die sich das Gesetz explizit bezieht.[6]

Der Kritik an diesen Einschränkungen könnte man aber entgegenhalten, dass die großen betroffenen Unternehmen die kleinen Unternehmen in ihrer ganzen Lieferkette vertraglich dazu bringen, diese Compliance Vorschriften einzuhalten, um so eine Haftung zu umgehen, mit der Folge, dass eine Gewährleistung für die ganze Lieferkette gegeben wäre, wodurch aber eine unverhältnismäßige Belastung kleinerer Unternehmen drohen würde.[7] Dagegen spricht aber, dass, durch die enge Definition des Erlangens von substantiierter Kenntnis, die Unternehmen kein Interesse daran haben werden, Nachforschungen in ihrer Lieferkette zu betreiben. Der Gesetzesentwurf incentiviert die Unternehmen vielmehr, dass sie sich vor solchen Informationen verschließen, um so keine Kenntnis zu erlangen und damit in keine Haftung zu geraten.[8] Damit sind die geäußerten Bedenken wenig hinreichend und das Gesetz würde bei einem aktiven Verschließen vor Menschenrechtsverstößen bei Zulieferern leer laufen.

Außerdem ist bisher noch umstritten, inwieweit die Definition des „eigenen Geschäftsbereichs“ aus § 2 Abs. 6 auf Tochterunternehmen anwendbar ist. Dies könnte man bei einer engen Auslegung der Definition verneinen, womit ein erhebliches Umgehungsrisiko drohen würde bei der Abwicklung von Lieferungen über Tochterunternehmen, die in dem Fall nur als (unmittelbare) Zulieferer einzuordnen wären.[9]

Zuletzt ist noch anzumerken, dass sich aus den öffentlichen Äußerungen der letzten Bundesregierung ergibt, dass bei Menschenrechtsverstößen keine zivilrechtliche Haftung für schädigende Unternehmen vorgesehen ist, um diese vor Schadensersatzklagen zu schützen, die für eine effektive Bekämpfung von moderner Sklaverei notwendig wäre und echte Anreize zu eine menschenrechtsschützenden Überprüfung schaffen würde.[10] So würden Unternehmen bei Menschenrechtsverstößen sogar privilegiert werden können, indem ihnen im Falle einer deliktsrechtlichen Klage eine Verteidigungsmöglichkeit verschafft wird, durch Verweis auf die einfache Überprüfung der unmittelbaren Zulieferer, die kleineren Unternehmen nicht zukommt.[11]
Damit ist festzustellen, dass das Vorhaben des Lieferkettengesetzes zwar begrüßenswert war und zu einer wirklichen Verbesserung für viele Menschen in Zwangsarbeit hätte führen können, jedoch wurde der Anwendungsbereich so weit ausgehöhlt, durch die Beschränkung auf so wenige Unternehmen, die nur den eigenen Geschäftsbereich überwachen müssen sowie die Beschränkung auf unmittelbare Zulieferer, die meist selber keine Due Dilligence Pflichten treffen und dazu noch durch das Ermöglichen eines bewussten Verschließen vor Risiken, dass schlussendlich am Anfang einer Lieferkette, wo die Risiken mit am Höchsten sind, wohl kaum eine Wirkung des Gesetzes zu spüren sein wird. Es wurde zwar berechtigterweise auf die Praktikabilität der Umsetzung bei kleineren Unternehmen und die Verhältnismäßigkeit verwiesen, jedoch ist eine Interessen- und Güterabwägung, bei der sich erhöhte Betriebskosten und Praktikabilität für Unternehmen auf der einen Seite und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf der anderen Seite entgegenstehen, sehr einseitig gewogen. Damit ist die Haltung des damaligen Gesetzgebers, wie sie auch Teile der neuen Bundesregierung vertreten,[12] zu Gunsten der Unternehmen bei dieser Abwägung schwer nachzuvollziehen und letztendlich auch, in Bezug auf den Schutz von Menschenrechten, abzulehnen. 

Das deutsche LkSG kann zwar als Übergangsregelung für ein EU-Lieferkettengesetz gesehen werden, welches die Unternehmen auf starke Regulierungen vorbereiten soll,[13] aber auch dafür geht das Gesetz zu kurz, es bleibt weit hinter den Vorhaben der EU-Kommission zurück und führt so zu keiner richtigen Vorbereitung, sondern kostet eher Zeit bei den Bemühungen gegen moderne Sklaverei. 

III. Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission

Am 23.02.2022 hat die EU-Kommission nun ihren Vorschlag für eine europäische Richtlinie veröffentlicht zur Implementierung von europaweit einheitlichen Sorgfaltspflichten in den Lieferketten der Unternehmen. Dieser Vorschlag der Kommission geht nun zunächst im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsverfahrens an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat über und wird voraussichtlich 2025 in Kraft treten und anschließend durch eine Überarbeitung des LkSG in deutsches Recht übergehen. 

Der Entwurf der Kommission schlägt als Anwendungsbereich eine Orientierung an der Mitarbeiterzahl und an dem Umsatz der Unternehmen vor. Demnach sind Unternehmen betroffen, wenn sie gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. (a) mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen und einen Umsatz von mehr als EUR 150 Mio. machen oder wenn sie nach lit. (b) mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und einen Umsatz von EUR 40 Mio. machen und 50% von diesem Umsatz in einem risikoreichen Sektor, namentlich Textil, Landwirtschaft und Bergbau, erwirtschaftet wird. Außereuropäische Unternehmen sind dabei nach Abs. 2 genauso betroffen, wenn sie die genannten Umsatzschwellen in der Union erwirtschaften. Des Weiteren geht auch der Begriff der „Value Chain“ im Richtlinienentwurf weiter als jener im LkSG, wobei neben der gesamten Wertschöpfungskette auch die Entsorgung der Produkte gemäß Art. 3 Lit. (g) unter diese Definition fällt. Außerdem regelt der Entwurf explizit die Haftung für das Handeln von Tochtergesellschaften[14]sowie die konkrete zivilrechtliche Haftung der Unternehmen bei mangelhafter Umsetzung der Due Dilligence Prozesse[15]. 

Diese weiten Regelungen finden aber auch bei diesem Entwurf lediglich Anwendung auf um die 1% aller europäischen Unternehmen[16] und auch wenn die Schwellen für Unternehmen, die in besonders risikoreichen Sektoren aktiv sind, gesenkt wurden, was insbesondere mit Blick auf das deutsche Gesetz begrüßenswert ist, fehlen bei dieser Aufzählung der Risikobereiche die besonders gefährdeten Sektoren Transport, Bauwesen, Energie und Finanzen.[17] Die Europäische Kommission behält sich aber vor, die geregelten Risikobereiche um weitere zu ergänzen.[18]                                                                                                                                    Eine sehr drastische Einschränkung erfährt dieser Entwurf aber durch das Erfordernis einer etablierten Geschäftsbeziehung, bei der erst eine Pflicht zur Due Dilligence in der Wertschöpfungskette entsteht, wenn zu den unmittelbaren oder mittelbaren Zulieferern eine Dauerhaftigkeit in der Geschäftsbeziehung besteht.[19] Dies schränkt zum einen den Anwendungsbereich erheblich ein und sorgt dazu auch noch für eine schlechtere Praktikabilität, indem jedes Unternehmen anhand dieser wagen Definition ihre Geschäftsbeziehungen kategorisieren muss und es birgt das Risiko, dass sich Unternehmen durch dauerndes Wechseln der Geschäftsbeziehungen von dieser Verpflichtung befreien könnten. Außerdem soll den Unternehmen bei der zivilrechtlichen Haftung für indirekte Geschäftsbeziehungen ein Exkulpationstatbestand zugutekommen, wenn sie die verminderten Due Dilligence Anforderungen einhalten, wobei diese Exkulpation eine begrüßenswerte Einschränkung findet, wenn es ungerechtfertigt war zu glauben, dass die Maßnahmen zu einer Verbesserung führen würde.[20]Weiterhin ergibt sich das Problem, dass Unternehmen nicht dazu angehalten sind Formen der modernen Sklaverei innerhalb ihrer Wertschöpfungskette zu eliminieren und Geschäftsbeziehungen mit Zulieferern, die durch moderne Sklaverei profitieren, zu beenden sondern lediglich sich verhältnismäßig dafür einzusetzen diese zu minimieren.[21]Dies widerspricht einem Zero-Tolerance-Approach, dem sich die Union verpflichtet hat.[22]

IV. Effektive Handlungsmöglichkeiten

Dieser Richtlinienentwurf wird nun zur Verhandlungen an das europäische Parlament und den Ministerrat weitergeleitet. Somit obliegt es unter anderem der deutschen Bundesregierung, die sich in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet hat ein europäisches Lieferkettengesetz sowie ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit zu unterstützen,[23] die Entscheidung über die Konsequenz und den Umfang eines solchen europäischen Lieferkettengesetzes festzulegen.

Zwingend notwendig für eine effektive Umsetzung wäre dabei eine Änderung der Voraussetzungen von etablierten Geschäftsbeziehungen, um ein Umgehungsrisiko zu verhindern und die Prüfungspflichten auf weitere Teile der Wertschöpfungsketten auszuweiten. Es sollte des Weiteren die Zero-Tolerance Haltung gegenüber moderner Sklaverei mehr in den Entwurf eingearbeitet werden, durch konsequenteres Handeln der Unternehmen in Bezug auf ihre Zulieferer sowie das schnellere Erfordernis des Geschäftsabbruchs bei Kenntnisnahme oder Kennenmüssen von Menschenrechtsverstößen. Außerdem ist ein zentraler Aspekt der konsequenten Durchsetzung der Regelungen die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen bei Schädigungen, wobei das Beweisen eines Vertretenmüssens von Seiten der Geschädigten, mangels Kenntnis der internen Geschäftsabläufe der Unternehmen, unmöglich sein wird.[24] Damit wäre es erforderlich eine Beweislastumkehr zu Lasten der Unternehmen einzuführen, womit die Unternehmen von ihrer Seite aus das Einhalten der Due Dilligence Pflichten nachweisen müssten, was anderen Beteiligten nicht möglich wäre. Die Geschädigten müssen dabei weiterhin die Haftungsbegründenden Tatsachen vorlegen und werden nur insoweit entlastet, dass sie nicht selber die interne Ausübung der Sorgfaltspflichten nachweisen müssen. 

Diese Regelungen müssen selbstverständlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit beschlossen werden, jedoch fällt diese Prüfung, wie bereits dargestellt, sehr einseitig aus. Im Jahr 2020 waren 160 Mio. Kinder Opfer von Kinderarbeit, was jedem zehnten Kind auf der Welt entspricht.[25] Außerdem befinden sich ca. 25 Mio. Menschen auf der Welt in Zwangsarbeit und Deutschland hat dabei den dritthöchsten Konsum von Gütern, bei denen ein hohes Risiko besteht, dass diese in Zwangsarbeit produziert wurden.[26]

Damit steht die deutsche Bundesregierung in der Verpflichtung umfassende und konsequente Regelungen in den Gesetzesentwurf der Kommission zu implementieren, um moderne Sklaverei effektiv zu bekämpfen. 


[1] RegE LkSG, S. 1.

[2] Stellungnahme des DAV, S. 11ff. 

[3] Ebd. 

[4] Stellungnahme der ILG, S. 4.

[5] Krajewski, Stellungnahme zum RegE, S. 9.

[6] Stellungnahme ILG, S. 3.

[7] Stellungnahme des BGA, S. 4.

[8] Korte, Der Betrieb 2021, Heft 12 S. M5.

[9] So auch Ehmann, ZVertriebsR 2021, S. 147; Vgl. Robert Grabosch Stellungnahme zum RegE vom 12.05.2021 S. 5ff.

[10] Krajewski, Stellungnahme zum RegE, S. 2.

[11] Krajewski, Stellungnahme zum RegE, S. 9. 

[12] Sigmund/Specht, „Justizminister Buschmann: EU-Lieferkettengesetz muss praktikabel sein“.

[13] So Löning, Stellungnahme zum RegE, S. 8.

[14] RichtlinienE, S. 31. 

[15] Ebd. S. 42.

[16] Ebd. S. 14

[17] ILG, Pressemitteilung vom 02.03.2022.

[18] RichtlinienE, S. 45.

[19] Ebd. S. 40. 

[20] Ebd. S. 21 (DE).

[21] Ebd. S. 17.

[22] EU-Strategy on the Rights of the Children, S. 21. 

[23] Koalitionsvertrag 2021-2025, S. 34. 

[24] ILG, Anforderungen an ein wirksames Lieferkettengesetz, S. 7.

[25] COM 2022 66, S. 5.

[26] Global Slavery Index 2018, S. 4ff.

23.12.2022/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2022-12-23 07:42:522022-12-23 08:49:11Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten
Dr. Lena Bleckmann

COVID-19: Sind Beherbergungsverbote rechtmäßig? Aktelle Entscheidungen aus Baden-Württemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein

Examensvorbereitung, Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Kaum ein Thema hat in der vergangenen Woche die Diskussion um neue Präventionsmaßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 so dominiert wie die Beherbergungsverbote. Diese wurden von einigen Bundesländern aufgrund stark ansteigender Fallzahlen eingeführt, andere wiederum verweigerten vergleichbare Maßnahmen. Nicht nur diese Uneinheitlichkeit stand in der Kritik – auch die Wirksamkeit solcher Beherbergungsverbote zur Pandemiebekämpfung wurde bezweifelt.
Nun liegen erste Eilentscheidungen der zuständigen Gerichte vor, und es zeigt sich: Einheitlichkeit wird auch die Rechtsprechung hier vorerst nicht herbeiführen. Im Folgenden sollen die aktuellen Entscheidungen des VGH Mannheim, des OVG Lüneburg sowie des OVG Schleswig-Holstein in ihren Grundzügen vorgestellt werden. Die Examensrelevanz – für Klausuren wie mündliche Prüfungen – liegt auf der Hand.
I. VGH Mannheim: Beherbergungsverbot außer Vollzug gesetzt
In Baden-Württemberg wurde die Beherbergung von Gästen, die sich in einem Land- oder Stadtkreis oder einer kreisfreien Stadt innerhalb der Bundesrepublik aufgehalten haben oder dort ihren Wohnsitz haben, in dem der Schwellenwert von 50 gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen überschritten wurde, durch § 2 Abs. 1 der Corona-Verordnung Beherbergungsverbot untersagt. Eine Ausnahme sollte nur möglich sein, wenn die betroffenen Gäste einen negativen Coronatest vorlegen konnten, der nicht älter als 48 Stunden ist. Die Reisebeschränkung soll nach Angaben der Landesregierung der Eindämmung des Pandemiegeschehens dienen.
Hiergegen wendete sich eine Familie aus dem Kreis Recklinghausen, in dem die kritische Marke bereits überschritten wurde, mit einem Eilantrag. Die Familie hatte einen mehrtägigen Urlaub in Baden-Württemberg gebucht und wollte diesen auch antreten.

Anmerkung: Das Land Baden-Württemberg hat in § 4 AGVwGO von der Möglichkeit nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht, die Normenkontrolle auch gegen im Rang unter dem Landesrecht stehende Rechtsvorschriften zuzulassen. Bei dem Eilantrag gegen die Verordnung handelt es sich daher um einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen.

Das Gericht gab dem Antrag statt. Dies begründete es vorwiegend mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG. Der Eingriff in den Schutzbereich steht hier außer Frage. Kernstück der Prüfung dürfte die Verhältnismäßigkeit eines Verbots sein. Zugunsten der Verordnung ist hier – wie so häufig zur Rechtfertigung von Präventionsmaßnahmen in Zeiten der Pandemie – anzuführen, dass das Beherbergungsverbot dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter dient, da es Gefahren für die körperliche Unversehrtheit und Gesundheit einer Großzahl von Personen abwenden soll und der Bewahrung der Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems dient. Gegen die Verhältnismäßigkeit eines Beherbergungsverbots spricht jedoch nach der Argumentation des VGH Mannheim ganz entscheidend, dass innerdeutsche Urlaubsreisen sowie der Aufenthalt in Beherbergungsbetrieben bisher kein Treiber der Pandemie gewesen sind. Dies seien vielmehr Feiern in größeren Gruppen sowie der Aufenthalt in engen Räumen. Ein Zusammenhang zwischen der Beherbergung und einem besonders hohen Infektionsrisiko bestehe nicht, zumal in Beherbergungsbetrieben nicht zwangsläufig eine größere Zahl von Menschen aufeinandertreffen würde. Dass daher gerade Beherbergungsbetriebe im Gegensatz zu Bars und Vergnügungsstätten Beschränkungen unterworfen werden sollen, erschließe sich nicht.
Hieran soll auch die Befreiungsmöglichkeit aufgrund eines negativen Coronatests nichts ändern: Ob ein solcher in der vorgegebenen Zeit überhaupt erlangt werden könne, sei nicht gesichert. Den Betroffenen sei es daher nicht zumutbar, sich auf diese Möglichkeit der Befreiung verweisen zu lassen.
Insgesamt wurde das baden-württembergische Beherbergungsverbot daher mit sofortiger Wirkung außer Vollzug gesetzt.
(Siehe zum Ganzen: VGH Mannheim, Pressemitteilung vom 15.10.2020, hier abrufbar).
II. OVG Lüneburg: Niedersächsisches Beherbergungsverbot ebenfalls außer Vollzug gesetzt
Ähnlich entschied das OVG Lüneburg zum niedersächsischen Beherbergungsverbot. Dieses war in § 1 der Niedersächsischen Corona-Berherbergungs-Verordnung vorgesehen. Der Betreiber eines Ferienparks wendete sich wiederum mit einem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen das Verbot und hatte Erfolg.
Das niedersächsische Verbot ist nach Ansicht des OVG Lüneburg bereits zu unbestimmt, da es Personen „aus“ Risikoverbieten erfasse, ohne zu präzisieren, ob sie dort ihren Wohnsitz haben oder gewöhnlichen Aufenthalt haben müssten.
Weiterhin bezweifelte das Gericht die Notwendigkeit der infektionsschutzrechtlichen Maßnahme:

 „Angesichts des engen Anwendungsbereichs (Übernachtungen zu touristischen Zwecken in Beherbergungsbetrieben, nicht aber bloße Einreisen und Aufenthalte ohne Übernachtungen zu jedweden Zwecken, unter anderem Fahrten von Berufspendlern und Heimreisen niedersächsischer Bürgerinnen und Bürger aus Urlauben in innerdeutschen Risikogebieten) und zahlreicher Ausnahmen (unter anderem negativer Corona-Test, „triftiger Reisegrund“ und Einzelfallausnahmen des Gesundheitsamts) erfasse das Verbot von vorneherein nur einen sehr begrenzten Ausschnitt des Reisegeschehens und könne auch nur insoweit überhaupt eine Wirkung auf das Infektionsgeschehen entfalten.“ (OVG Lüneburg, Pressemitteilung vom 15.10.2020).

Im Übrigen argumentierte das Gericht vergleichbar dem VGH Mannheim mit dem fehlenden Zusammenhang zwischen dem Aufenthalt in Beherbergungsbetrieben und dem Infektionsgeschehen. Das Verbot stelle insgesamt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Betreiber nach Art. 12 GG dar, der auch nicht durch die geltenden Ausnahmen so abgemildert werde, dass eine Verhältnismäßigkeit der Regelung bestehe. Auch hinsichtlich der begrenzten Möglichkeit, innerhalb einer kurzen Zeitspanne einen negativen Coronatest zu erlangen, entspricht die Argumentation des Gerichts der das VGH Mannheim.
Auch das niedersächsische Beherbergungsverbot wurde daher vorläufig außer Vollzug gesetzt.
(Siehe zum Ganzen OVG Lüneburg, Pressemitteilung vom 15.10.2020, hier abrufbar).
III. OVG Schleswig-Holstein: Beherbergungsverbot bleibt in Kraft
Anders entschied demgegenüber das Schleswig-Holsteinsche Oberverwaltungsgericht. Vor dem Hintergrund der stark ansteigenden Infektionszahlen sah sich das Gericht nicht in der Lage, das dort geltende Beherbergungsverbot außer Vollzug zu setzen. Dies könnte zu einem unkontrollierten Anreisen von Touristen nach Schleswig-Holstein führen, was die öffentliche Gesundheit gefährden würde. Im Rahmen der Folgenabwägung müsse eine Entscheidung daher zugunsten des Beherbergungsverbots ausfallen.
(Siehe zum Ganzen die Zusammenfassung der FAZ , eine Pressemitteilung des Gerichts steht noch aus).
IV. Ausblick
Wie so oft zeigt sich: Mit guter Argumentation sind verschiedene Lösungen vertretbar. Die Entscheidungen sollten Studenten wie Examenskandidaten Anlass geben, die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowie die Normenkontrolle nach § 47 VwGO zu wiederholen. Ein Augenmerk sollte auch auf den Unterschieden, die sich aus der Situation des Antragstellers ergeben, liegen: Während das baden-württembergische Verbot an Art. 11 GG gemessen wurde, kam es in Niedersachsen auf die Vereinbarkeit mit Art. 12 GG an. 
Im Übrigen sollte im Hinblick auf anstehende Klausuren und mündliche Prüfungen die aktuelle Rechtsprechung zum Pandemiegeschehen im Blick gehalten werden – an den Beherbergungsverboten zeigt sich besonders deutlich, dass sich diese hervorragend in juristische Prüfungen einbinden lässt. 

16.10.2020/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2020-10-16 09:15:592020-10-16 09:15:59COVID-19: Sind Beherbergungsverbote rechtmäßig? Aktelle Entscheidungen aus Baden-Württemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein
Dr. Christoph Werkmeister

Streit um die Verfassungsmäßigkeit des Sondergremiums zur parlamentarischen Kontrolle des Euro-Rettungsschirms

Öffentliches Recht, Tagesgeschehen, Verfassungsrecht

Das Hamburger Abendblatt fasst den derzeitigen Stand und die Probleme, die im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Sondergremiums zur parlamentarischen Kontrolle des Euro-Rettungsschirms bestehen, sehr gut zusammen:

Das Gericht verhandelte über eine Organklage der beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Swen Schulz und Peter Danckert. Sie wehren sich dagegen, dass vertrauliche und eilige Entscheidungen über Finanzhilfen für notleidende Euro-Staaten von einem aus nur neun Bundestagsabgeordneten bestehenden Gremium beschlossen werden können. Durch den Sonderausschuss werde eklatant in seine Rechte als Abgeordneter eingegriffen, sagte Schulz.
Das Bundesverfassungsgericht zweifelt an der Rechtmäßigkeit des geheim tagenden Sondergremiums zur parlamentarischen Kontrolle des Euro-Rettungsschirms EFSF. Es berge einige Gefahren, wenn nur neun Bundestagsabgeordnete exklusiv wichtige Informationen im Zuge der Euro-Rettung erhielten und dann eine Entscheidung treffen müssten, gab Verfassungsrichter Udo di Fabio gestern in Karlsruhe zu bedenken.

Das Thema eignet sich derzeit, gerade weil noch keine Entscheidung des BVerfG gefällt wurde, hervorragend für mündliche Prüfungen. Insbesondere eine Rechtsverletzung von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, also dem Recht auf das freie Mandat, kann ausführlich diskutiert werden. Als Ergebnis ist aufgrund der Vielschichtigkeit des Sachverhalts einiges vertretbar. In einer Prüfung würde es darauf ankommen, die gegenläufigen Interessen darzustellen und einem gerechten Ausgleich zuzuführen.
Als Argument werden laut dem o.g. Bericht des Hamburger Abendblatts bisweilen die folgenden Überlegungen ins Feld geführt:

Präsident des BVerfG Andreas Voßkuhle etwa habe Zweifel, ob es richtig sei, die übrigen 611 Abgeordneten mit der Schaffung eines „Kleinst-Gremiums“ aus der Verantwortung zu entlassen. Wenn man dem Plenum die budgetrechtliche Verantwortung entziehe, müsse es dafür gute Gründe geben, sagte Verfassungsrichter Peter Huber. Berichterstatter di Fabio kritisierte, dass der Ausschuss mit seiner Entscheidungsbefugnis in die Nähe der Exekutive rücke. Die Situation in der europäischen Staatsschuldenkrise sei außergewöhnlich schwierig, warnte dagegen Schäuble: „Wenn Märkte reagieren, reagieren sie überzogen. Dann kommt Panik.“ Der EFSF müsse handlungsfähig bleiben.

Zu beachten ist, dass es sich in der Sache um ein Organstreitverfahren handelt. Es kann demnach nicht jedweder Verfassungsverstoß gerügt werden. Eine „allgemeine“ Verletzung des Demokratieprinzips aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG reicht demnach nicht für die Begründetheit des Verfahrens aus. Im Organstreit wird nämlich neben dem Verfassungsverstoß auch eine Rechtsverletzung des Antragstellers, also in diesem Fall des Abgeordneten, gefordert, vgl. Art 93 Abs. 1 Nr. 1 GG.

30.11.2011/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-11-30 10:25:042011-11-30 10:25:04Streit um die Verfassungsmäßigkeit des Sondergremiums zur parlamentarischen Kontrolle des Euro-Rettungsschirms
Dr. Christoph Werkmeister

Verfassungsrichter Huber fordert Volksabstimmung als Legitimation für weitreichende EU-Harmonisierungen

Europarecht, Öffentliches Recht, Tagesgeschehen, Verfassungsrecht

Wie der Spiegel berichtet, hat sich Verfassungsrichter Peter Michael Huber zur Euro-Schuldenkrise geäußert.

Verfassungsrichter Huber warnt nun in der „SZ“ vor einer mangelnden Legitimation dieser Wirtschaftsregierung. Durch das Urteil zum Vertrag von Lissabon von 2009 seien die Grundsätze des Grundgesetzes durch dessen „Ewigkeitsgarantie“ geschützt und damit „europafest“. Das gelte auch für zentrale wirtschaftspolitische Zuständigkeiten wie die Sozialversicherungssysteme und die Besteuerung. Wollte man dies auf EU-Ebene harmonisieren, müsste zuvor das Grundgesetz geöffnet werden – und zwar durch eine Abstimmung des gesamten Volkes.
Die Äußerungen konkretisieren das Urteil des Gerichts von Anfang September. Damals hatten die Verfassungsrichter drei Klagen gegen die Hilfskredite für hochverschuldete Euro-Länder abgewiesen. Dabei mahnte das Gericht zugleich aber mehr Mitspracherecht für den Bundestag an. Künftig sollen die Abgeordneten bei Rettungsaktionen mehr Möglichkeiten für Kontrolle und Widerspruch haben .

Die Äußerungen von Verfassungsrichter Huber lassen sich aufgrund der national- und europarechtlichen Dimension bestens in der mündlichen Prüfung anbringen, um bekanntes Grundlagenwissen abzuprüfen. Aus diesem Grund sollte sich der Prüfling – sofern bald eine mündliche Prüfung ansteht – kritisch mit den im Folgenden genannten Problempunkten auseinandersetzen.
Eine Frage der Kompetenzen
Der Richter am Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle wohl darauf ein, dass die weitreichenden Harmoniserungsbestrebungen der Europäischen Union in Bezug auf zentrale wirtschaftspolitische Fragen einer  zusätzlichen nationalen demokratischen Legitimation bedürfen. M.E. sollte man sich an dieser Stelle in dogmatischer Hinsicht allerdings nicht die Frage stellen, ob es hierzu eines Volksentscheides Bedarf. Die Frage und dessen Lösung ist eher in einer Auslegung der auf die EU übertragenen Kompetenzen nach den Verträgen des EUV und des AEUV zu suchen. Mithin geht es darum, ob zu weitgehende EU-Finanz- und Wirtschaftspolitik einer ultra-vires-Kontrolle durch den EuGH standhalten würde bzw. ob eine Übertragung solcher Kompetenzen noch von der nationalen Ermächtigung in Art. 23 GG gedeckt ist, wobei letzteres vom BVerfG zu entscheiden wäre. Für den Moment jedenfalls wurden diese Grenzen der Mitwirkung an einer europäischen Fiskalpolitik durch das BVerfG mittels des  Urteils zum Euro-Rettungsschirm weitgehend definiert. An einer klaren Aussage zu den Grenzen der Kompetenztitel durch den EuGH fehlt es hingegen.
Diskussion über Volksabstimmungen geht fehl
Über die Zulässigkeit von Volksentscheiden auf Bundesebene hingegen hatten wir bereits ausführlich berichtet. Die Analyse zeigt, dass die Systematik des GG solche nur in besonders gelagerten Fällen zulässt. Nur dann, wenn das GG geändert würde, könnten erweiterte Befugnisse in Form von direkter Demokratie durch das Volk, etwa in Form von Volksentscheiden, zulässig sein. Die Forderungen von Verfassungsrichter Huber, wie sie im Spiegel-Artikel geschildert werden, gehen an dieser Stelle also fehl. Nur, wenn sich das verfassungsmäßige Grundgerüst ändern würde, wären die Überlegungen mit Blick auf direkte Volksabstimmungen legitim.
 

18.09.2011/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-09-18 13:56:592011-09-18 13:56:59Verfassungsrichter Huber fordert Volksabstimmung als Legitimation für weitreichende EU-Harmonisierungen

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