Das OLG Hamm hat mit Urteil v. 21.07.2016 – 28 U 175/15 einen examens- und praxisrelevanten Fall zu Gewährleistungsrechten beim Kauf eines mangelhaften Neufahrzeugs entschieden. Im Folgenden sollen die für das Examen wichtigsten Aussagen des Gerichts thesenartig zusammengefasst werden – diese können auch als Wiederholung für einige Problemkreise des Kaufrechts dienen.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen, gekürzt)
Die Klägerin erwarb im Juni 2013 von der Beklagten einen fabrikneuen KIA Ceed zum Kaufpreis von ca. 16.300 Euro. Im Dezember 2013 erhielt die Klägerin Kenntnis von einem Transportschaden am Auspuffrohr und Tank des Fahrzeugs, der bereits bei der Fahrzeugübergabe vorhanden und nicht fachgerecht behoben worden war. Die Beklagte bot der Klägerin eine kostenfreie Schadensbeseitigung an, auf die sich die Klägerin nicht einließ, weil die Beklagte eine zusätzliche Minderung des Kaufpreises ablehnte. Daraufhin verlangte die Klägerin unter Fristsetzung die Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem die Beklagte hierzu nicht bereit war. Mit ihrer Klage hat die Klägerin – unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils – die Rückzahlung des Kaufpreises und die Erstattung der Zulassungskosten in Höhe von zusammen ca. 15.000 Euro gegen die Rückgabe des Fahrzeugs verlangt. Das Landgericht hat den Rücktritt als unverhältnismäßig angesehen und die Klage abgewiesen.
II. Die Entscheidung des Gerichts
- Der Klägerin stand aufgrund des mangelhaften Fahrzeuges ein Anspruch auf Nacherfüllung nach § 439 BGB zu. Insoweit hat der Käufer grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen Nachlieferung und Nachbesserung, das in keinem Rangverhältnis steht.
- Beim Kauf eines PKW muss zwischen Neu- und Gebrauchtwagen unterschieden werden: Während es sich bei ersterem um eine Gattungsschuld handelt, bei der eine Nachlieferung grundsätzlich möglich ist, muss bei Gebrauchtwagen geprüft werden, ob die Nachlieferung des speziellen Typs überhaupt möglich ist, § 275 BGB (gelaufene Kilometer, Alter, Anzahl der bisherigen Halter, Ausstattung etc.).
- In jedem Fall muss der Verkäufer nach § 275 Abs. 1 BGB geltend machen sowie darlegen und beweisen, ein entsprechendes mangelfreies Fahrzeug nicht liefern zu können.
- Das Nachlieferungsverlangen des Käufers war nicht wegen einer vorrangigen Nachbesserung ausgeschlossen. Eine Nachbesserung hat die Klägerin nicht verlangt, dieses wurde lediglich von der Beklagten angeboten, ohne dass sich die Parteien über ihre Modalitäten verständigt hätten.
- Den Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung (§ 439 Abs. 3 BGB) konnte die Beklagte nicht mehr mit Erfolg erheben: Dieser muss vom Verkäufer geltend gemacht werden, solange noch ein Nacherfüllungsanspruch besteht. Dieser erlösche u.a. dann, wenn der Käufer zu Recht vom Vertrag zurücktrete. Eine erstmalige Geltendmachung im Prozess – so wie im vorliegenden Fall – ist hingegen verspätet.
- Die Pflichtverletzung war auch nicht unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Wichtig: Die Unerheblichkeit ist zwar im Rahmen des Rücktritts relevant, nicht aber hinsichtlich des Nacherfüllungsanspruchs als solchem!
- Unerheblich ist nur ein geringfügiger Mangel, der mit einem Kostenaufwand von bis zu 5 % des Kaufpreises zu beseitigen sei. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten waren hier aber Mangelbeseitigungskosten i.H.v. ca. 12 % des Kaufpreises zu veranschlagen gewesen, so dass keine Unerheblichkeit gegeben war.