Das OLG Hamm entschied kürzlich einen Sachverhalt, der besonders Eingang in eine zivilrechtliche Klausur finden könnte (Urteil vom 23.08.2012 – I-10 U 68/12). Thematisch ging es um den – von den Studenten meist eher stiefmütterlich behandelten – possessorischen Besitzschutzanspruch nach § 861 BGB. Das OLG Hamm entschied, dass ein Verpächter eine frei zugängliche Pachtfläche nach dem Ende des Pachtvertrages nicht ohne den Willen des Pächters und ohne eine ihm dies gestattende gesetzliche Anordnung wieder in Besitz nehmen dürfe.
Sachverhalt
Die Parteien haben im einstweiligen Rechtsschutz über den Besitz an ca. 10 ha Ackerland und ca. 6 ha Grünland gestritten. Beide in Wettringen gelegenen landwirtschaftlichen Nutzflächen sind frei zugänglich. Der beklagte Verpächter hatte die Nutzflächen in der Meinung, den Pachtvertrag zum 31.12.2011 gekündigt zu haben, ohne weitere Rücksprache mit dem klagenden Pächter ab dem 01.01.2012 selbst bewirtschaftet. Dem hatte der Pächter unter Hinweis auf einen nach seiner Ansicht fortbestehenden Pachtvertrag widersprochen und zum Schutz seines früheren Besitzes das Unterlassen weiterer Bewirtschaftung und die Herausgabe der Ackerfläche verlangt.
Entscheidungsgründe
Mit der Entscheidung des OLG Hamm hat der Pächter Recht bekommen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Pächter nach dem vermeintlichen Ende des Pachtvertrages den Besitz an den Pachtflächen freiwillig aufgegeben habe. Im Falle des Vertragsendes bestehe lediglich die Verpflichtung des Pächters zur Rückgabe der Pachtsache, die der Verpächter mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen müsse, wenn er sich mit dem Pächter nicht über eine Rückgabe einigen könne. Nehme der Verpächter die Pachtsache ohne den Willen des Pächters und ohne eine ihm dies gestattende gesetzliche Anordnung in Besitz, begehe er eine nach § 858 Abs. 1 BGB verbotene Eigenmacht. Diese berechtige den Pächter gemäß § 861 BGB dazu, zum Schutze seines Besitzes die Wiedereinräumung seines früheren Besitzes an den Pachtflächen zu verlangen.
Petitorische Widerklage
Examenssachverhalte, die den possessorischen Besitzschutz nach § 861 BGB betreffen, werden in prozessualer Hinsicht oftmals mit der sog. petitorischen Widerklage verknüpft. Aus diesem Grunde sei an dieser Stelle noch auf einen instruktiven Beitrag zum Erfassen dieses Themenkreises verwiesen (siehe dazu hier).