Vor einigen Tagen hatte das OLG Hamm darüber zu entscheiden, ob für den Führer eines sog. E-Bikes die 0,5 Promillegrenze des § 24a StVG gilt (Beschluss v. 28.02.2013 – 4 RBs 47/13). Ein E-Bike ist ein Fahrrad mit zusätzlichem Elektromotor, wobei die am meisten verbreitete Form das sog. Pedelec darstellt. Bei einem Pedelec wird der Fahrer beim Pedalieren von einem Elektroantrieb unterstützt (vgl. auch wikipedia). In dem genannten Beschluss stellte das OLG fest, dass obergerichtliche Rechtsprechung zur Einordnung von E-Bikes bzw. Pedelecs noch nicht vorliegt. Es sei insofern fraglich, ob derartige Fortbewegungsmittel als Kraftfahrzeug im strafrechtlichen Sinne einzuordnen sind. Die Rechtsfrage wurde vom OLG weitestgehend offen gelassen.
Examensrelevanz von E-Bikes
§ 24a StVG mag zwar keine examensrelevante Norm darstellen. Die rechtliche Fragestellung, ob ein E-Bike als Kraftfahrzeug einzuordnen ist, spielt jedoch auch im Kernstrafrecht eine Rolle. So kann beispielsweise ein räuberischer Angriff auf Kraftfahrer nach § 316a Abs. 1 StGB nur gegenüber dem Führer eines Kraftfahrzeugs begangen werden. Der Tatbestand kann also bei Sachverhaltsgestaltungen, bei denen ein E-Bike-Fahrer ausgeraubt wird, nur dann verwirklicht sein, wenn das E-Bike auch als Kraftfahrzeug einzuordnen ist.
Legaldefinition des Kraftfahrzeugs
Der Begriff des Kraftfahrzeugs ist für die Normen des StGB in § 248b Abs. 4 StGB legaldefiniert. Hiernach sind Kraftfahrzeuge solche Fahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden. Die Legaldefinition des § 248b Abs. 4 StGB gilt – obschon des beschränkenden Wortlauts („Kraftfahrzeuge im Sinne dieser Vorschrift„) – auch für den Tatbestand des § 316a StGB (vgl. etwa BGH, NStZ 1993, 540).
Bei der Subsumtion des Pedelec ist im Hinblick auf die vorgenannte Legaldefinition indes problematisch, dass das Fahrrad zum einen durch menschliche Kraft angetrieben, diese aber durch Maschinenkraft unterstützt wird. Das Anfahren ist bei diesen Modellen regelmäßig nur mit Menschenkraft möglich (es sei denn, das Rad verfügt über eine sog. Anfahrhilfe). Wenn das Pedelec aber einmal rollt, lässt sich das Gefährt hingegen weitestgehend durch Maschinenkraft bewegen. In der Kommentarliteratur findet sich für die Fragestellung etwa die folgende Aussage:
Fahrräder sind radgebundene Fortbewegungsmittel, die mit den Füßen oder Händen bewegt werden; besitzen sie einen Hilfsmotor, sind sie als Kraftfahrzeuge anzusehen (so Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 248b StGB, Rn. 2).
Sofern man diesem weiten Verständnis folgt, wäre das Pedelec – unabhängig von der Bauart – aufgrund des Vorliegens eines Hilfsmotors als Kraftfahrzeug einzuordnen. Ein räuberischer Angriff auf einen Pedelec-Fahrer wäre damit nach dem erhöhten Strafrahmen des § 316a StGB zu beurteilen. Differenzierender lässt sich eine Äußerung des OLG Hamm in dem oben zitierten Beschluss verstehen. Das OLG stellt nämlich darauf ab, dass von Pedelecs, die nur bis zu maximal 25 km/h motorisiert betrieben werden, keine höhere Gefährlichkeit als von einem bloß pedalbetriebenen Fahrrad ausgeht.
Eine derartige Differenzierung verdient m.E. den Vorzug. Pedelecs, die sich im Hinblick auf Höchstgeschwindigkeit, Beschleunigung und Fahrverhalten nicht wesentlich von gewöhnlichen Fahrrädern unterscheiden, sollten auch in strafrechtlicher Hinsicht keine andere Beurteilung erfahren. Ein pauschales Abstellen auf das Vorliegen eines Motors würde ansonsten auch zu Wertungswidersprüchen mit dem Kfz-Zulassungswesen führen. Pedelecs, die nur bis zu 25 km/h motorisiert werden, gelten nämlich auch nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung noch als zulassungsfreies Fahrrad, das auch keiner Haftpflichtversicherungs- oder Helmpflicht unterliegt (vgl. Huppertz, NZV 2010, 390, 391).
Klassische Auslegung eines Tatbestandsmerkmals
Unabhängig davon, welcher Auffassung man folgen mag, das E-Bike stellt für Klausursachverhalte sowie mündliche Prüfungen hervorragend geeigneten Prüfungsstoff dar. Bei der Prüfung des Tatbestandes des § 316a StGB kann der Examenskandidat bei der Auslegung des Merkmals „Kraftfahrzeug“ nämlich zeigen, dass er mit
- Wortlaut (vgl. § 248b Abs. 4 StGB),
- Systematik (Bezüge zum Zulassungswesen nach dem StVG; Relevanz der Legaldefinition des § 248b Abs. 4 für § 316a Abs. 1 StGB) sowie
- Sinn und Zweck (die besondere Beeinträchtigung der Wahrnehmung des Kraftfahrzeugführers rechtfertigt den erhöhten Strafrahmen bei Delikten, die unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs begangen werden)
argumentieren kann.
Nach vorzugswürdiger Auffassung ist dann auf die jeweils im Sachverhalt angelegten technischen Merkmale des E-Bikes abzustellen. Sofern das Fahrrad durch eine erhebliche Motorisierung faktisch mit einem Motorrad gleichzustellen ist, was auch eine Kfz-Zulassung erfordern würde, kann § 316a StGB erfüllt sein. Sofern das E-Bike diese Schranke nicht überschreitet und weitestgehend mit einem gewöhnlichen Fahrrad bzw. Rennrad zu vergleichen ist, kommt die Erfüllung des Tatbestandes hingegen noch nicht in Frage.
Gebrauchsanmaßung (furtum usus) sowie Gefährdung des Straßenverkehrs
Zu beachten ist für die rechtliche Prüfung, dass der Tatbestand der strafbaren Gebrauchsanmaßung nach § 248b Abs. 1 StGB bereits seinem Wortlaut nach für Kraftfahrzeuge sowie auch für Fahrräder gilt. Die Einordnung des E-Bikes spielt für die Verwirklichung dieses Tatbestandes mithin keine Rolle. Eine Gebrauchsanmaßung eines E-Bikes ist damit stets strafbar nach § 248b StGB. Zu beachten ist, dass es sich gemäß § 248b Abs. 3 StGB um ein absolutes Antragsdelikt handelt.
Überdies ist der Begriff „Fahrzeug“ im Rahmen des Tatbestandes der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) nach der Rechtsprechung auch so zu verstehen, dass Fahrzeug im Sinne der Vorschrift Kraftfahrzeuge, aber auch Fahrräder sind (vgl. etwa Groeschke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 1. Auflage 2006, § 315c StGB, Rn. 6). Die Bauart des E-Bikes ist somit auch in diesem Kontext unbeachtlich.