Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Fabian Toros veröffentlichen zu können. Der Autor hat als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung Rechtswissenschaften an der Universität Bonn studiert. Er promoviert aktuell an der Universität Regensburg zu einer regulierungsrechtlichen Fragestellung.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Rahmen eines Beschlusses vom 24.3.2018 (1 BvQ 18/18) mit dem Examensklassiker der Überlassung einer Stadthalle für eine NPD-Wahlkampfveranstaltung in der interessanten prozessualen Einkleidung der einstweiligen Anordnung gemäß § 32 BVerfGG beschäftigt. Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung im NPD-Parteiverbotsverfahren ist der Umgang des Bundesverfassungsgerichtes mit der NPD weiterhin zu beobachten (vgl. zum Parteiverbotsverfahren https://www.juraexamen.info/bverfg-kein-npd-verbot/).
Sachverhalt
Der NPD wurde – trotz einer durch ein Verwaltungsgericht erlassenen einstweiligen Anordnung – der Zutritt zur Stadthalle zur Durchführung eine Wahlkampfveranstaltung untersagt. Als Gründe für die Untersagung wurden von der Kommune der fehlende Nachweis eines Versicherungsschutzes und eines Sanitätsdienstes angeführt. Eine gegen die einstweilige Anordnung gerichtete Beschwerde der Kommune wurde vor dem Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Das zuständige Verwaltungsgericht drohte ein Zwangsgeld bei Zuwiderhandlung an und setzte dieses schließlich auch fest. Darüber hinaus wurde die Festsetzung eines erneuten Zwangsgeldes bei abermaliger Zuwiderhandlung angedroht. Auch diese Frist verstrich ohne eine Überlassung der Stadthalle.
Die NPD stellte beim Bundesverfassungsgericht daraufhin einen Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 32 BVerfGG aufgrund der Verletzung der Rechte aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG.
Zulässigkeit
Bei der einstweiligen Anordnung gemäß § 32 BVerfGG handelt es sich um die umfassende Möglichkeit zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Bundesverfassungsgericht. Eine Beschränkung dahingehend, dass die einstweilige Anordnung nur für spezifische Hauptsacheverfahren beantragt werden kann, lässt sich aus dem BVerfGG nicht ermitteln. Vielmehr ist eine Beantragung grundsätzlich für jedes Hauptsacheverfahren zulässig und kann mangels entgegenstehender Regelung in § 32 BVerfGG von jedem Antragsberechtigten des Hauptsacheverfahrens gestellt werden.
Es darf jedoch keine evidente Unzulässigkeit des Hauptsachverfahrens gegeben sein und es darf auch nicht zu einer Vorwegnahme des Hauptsachverfahrens kommen. Hiervon besteht eine Ausnahme, wenn die Entscheidung der Hauptsache zu spät kommen würde und der Antragsteller nicht auf andere Weise ausreichenden Rechtsschutz erlangen kann und es in der Folge zu einem nicht zu rechtfertigenden, schwerwiegenden Schaden für den Antragsteller kommen würde (vgl. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Graßhof, 52. EL September 2017, § 32 BVerfGG Rn. 41-53).
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes für Verfassungsbeschwerden ist dies insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Abwarten den Grundrechtsschutz vereiteln würde (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2004 – 1 BvQ 19/04, BVerfGE 111, 147).
Darüber hinaus ist der Antrag form- und fristgerecht einzureichen und es muss ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen.
Diese Kriterien wurden vom Bundesverfassungsgericht als gegeben angesehen und die Zulässigkeit als unproblematisch angenommen.
Begründetheit
Die Prüfung der Begründetheit fällt in der Praxis bei Entscheidungen über einstweilige Anordnung gemäß § 32 BVerfGG eher knapp aus. Dies liegt insbesondere daran, dass keine summarische Prüfung stattfindet.
Insgesamt lassen sich für die Entscheidungsfindung folgende Grundregeln aufstellen:
Dem Antrag wird stattgegeben, wenn eine offensichtliche Begründetheit anzunehmen ist.
Er wird hingegen abgelehnt, wenn eine offensichtliche Unbegründetheit gegeben ist.
Klassischerweise ist in den Fallgestaltungen im Examen eine dritte Variante gegeben. Bei einer fehlenden Offensichtlichkeit ist eine Nachteilsabwägung vorzunehmen.
Im konkreten Fall wurde dem Antrag der NPD aufgrund der offensichtlichen Begründetheit der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache stattgegeben. Hierbei führt das BVerfG aus, dass die NPD
„zur Durchführung einer Versammlung eine vollziehbare verwaltungsgerichtliche Entscheidung erwirkt [hat], mit der die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens zur Überlassung ihrer Stadthalle verpflichtet wurde.“ (BVerfG, Beschl. v. 24.3.2018 – 1 BvQ 18/18)
Im Übrigen seien etwaige Einwendungen der Kommune gegen die unterinstanzlichen Entscheidungen zu spät vorgebracht worden oder unerheblich.
„Es ist absehbar, dass dies in einem Hauptsacheverfahren als Verletzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG zu beurteilen wäre. Zugleich würde durch ein Abwarten die Durchführung der Versammlung und damit die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit des Antragstellers endgültig vereitelt.“ (BVerfG, Beschl. v. 24.3.2018 – 1 BvQ 18/18)
Ausblick
Auch wenn sich das BVerfG im Parteiverbotsverfahren im Hinblick auf die Ausrichtung der NPD und ihr Verhältnis zur Verfassung klar positioniert hat, ist es nicht zu einem Parteiverbot gekommen. Die Partei ist wie jede andere Partei auch zu behandeln. Eine etwaige Untersagung der Nutzung von kommunalen Einrichtungen für Wahlkampfzwecke durch Parteien muss dementsprechend weiterhin den bekannten Begründungsanforderungen genügen.
Die Kommune hat die einstweilige Anordnung des BVerfG ebenfalls ignoriert. Daraufhin hat das Gericht die Kommunalaufsicht und das Innenministerium des Bundeslandes informiert und zu Ergreifung von Maßnahmen aufgefordert.