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Schlagwortarchiv für: OVG Münster

Dr. Maximilian Schmidt

OVG Münster: Wartezeit vor dem Abschleppen bei mobilen Halteverbotsschildern

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Das OVG Münster hat am 13.9.2016 – 5 A 470/14 eine wichtige Entscheidung zur Kostenlast beim Abschleppen bei mobilen Halteverbotsschildern getroffen (sog. „Abschleppfall“). Im Kern ging es um die Frage, wie lange ein Verbotsschild aufgestellt sein muss, bis ein Abschleppen auf Kosten des Fahrzeughalters möglich ist. Da es sich um Grundlagen des Gefahrenabwehrrechts und des Vollstreckungsrechts handelt, wird Examenskandidaten dringend die Lektüre unserer Artikel sowie zum Testen des eigenen Wissens einer simulierten mündlichen Prüfung empfohlen. An dieser Stelle wird nur die wesentliche Aussage des OVG Münster besprochen.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)

Die in Düsseldorf wohnhafte Klägerin hatte ihr Fahrzeug am 19.08.2013 in einer Straße in Düsseldorf geparkt, bevor sie am selben Tag in den Urlaub flog. Am Vormittag des 20.08.2013 wurde in dem Bereich, in dem das Auto abgestellt worden war, von einem Umzugsunternehmen durch Aufstellen von mobilen Halteverbotsschildern eine Halteverbotszone beginnend ab dem 23.08.2013, 7:00 Uhr, eingerichtet. Das Fahrzeug der Klägerin wurde am Nachmittag des 23.08.2013 abgeschleppt.

II. Lösung des OVG Münster
Das OVG Münster geht nun davon aus, dass der Umstand, dass Halteverbotsschilder erst nach dem rechtmäßigen Abstellen eines Fahrzeugs angebracht worden sind, der Verhältnismäßigkeit der Kostenbelastung des Fahrzeugverantwortlichen im Regelfall nicht entgegenstehen, wenn zwischen dem Aufstellen der Schilder und dem Abschleppen eine Frist von 48 Stunden verstrichen sind.
Andere Gerichte gehen hingegen von einer Frist von vollen drei Tagen aus.

Zur Einordnung: An dieser Stelle geht es allein um die Frage der Verhältnismäßigkeit der Kostenlast des Fahrzeughalters, nicht um die Rechtmäßigkeit des als Ersatzvornahme einzuordnenden Abschleppens!

Welche Frist man für angemessen i.S.d. Verhältnismäßigkeit hält, hängt letztlich von den Obliegenheiten ab, die man von Fahrzeugverantwortlichen erwartet, ab.

  • Für eine kurze Frist von 48 Stunden kann etwa angeführt werden, dass im Stadtverkehr ein häufiges Bewegen des PKW üblich ist und im Sinne einer ordnungsgemäßen Gefahrenabwehr auch kurzfristige Abschleppvorgänge auf Kosten des Fahrzeugverantwortlichen möglich sein müssen.
  • Eine kurze Frist von 48 Stunden könnte jedoch unzumutbaren Aufwand für Verkehrsteilnehmer bedeuten. So müsste bei ortsabwesenden Verkehrsteilnehmern, etwa wenn diese sich im Urlaub befinden, eine Person mit der Kontrolle der Verkehrssituation alle zwei Tage beauftragt werden. Dies erscheint doch eine relativ kurze Frist.

Das OVG Münster hat die Revision zum BVerwG zugelassen und man darf gespannt sein, wie dieses entscheiden wird. Letztlich ist es eine offene Abwägungsfrage, für die es kaum rechtliche Leitplanken gibt. Umso mehr sollte an dieser Stelle in der Klausur der Sachverhalt ausgewertet werden und umfassend argumentiert werden.

20.09.2016/1 Kommentar/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2016-09-20 10:00:102016-09-20 10:00:10OVG Münster: Wartezeit vor dem Abschleppen bei mobilen Halteverbotsschildern
Dr. Maximilian Schmidt

OVG Münster: E-Zigarette kein Arzneimittel – Update

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Das OVG Münster hat mit Urteil vom 17.09.2013 – 13 A 2448/12; 13 A 2541/12; 13 A 1100/12 entschieden, dass E-Zigaretten mangels therapeutischer Wirkung keine Arzneimittel sind. Zugleich bestätigte das OVG damit seine Rechtsauffassung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, das wir hier schon besprochen haben.

Dem OVG lagen drei Sachverhaltskonstellationen vor.

1. Die Betreiberin eines Geschäftes für E-Zigaretten klagte gegen eine Untersagungsverfügung der Stadt Wuppertal. Diese beruhte auf der Begründung, dass die spätere Klägerin nicht zugelassene Arzneimittel vertreibe. Da es sich nach Auffassung des OVG Münster aber bei E-Zigaretten nicht um Arzneimittel handelt, war diese Verfügung rechtswidrig. Der Berufung der in der ersten Instanz expresswaterbeds unterlegenen Klägerin wurde daher stattgegeben.

2. Im zweiten Fall ging es um eine Warnung seitens des Gesundheitsministeriums NRW vor E-Zigaretten, da diese ein nicht zugelassenes Arzneimittel seien. Hiergegen klagte ein Hersteller und bekam sowohl im April 2012 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als auch im heute entschiedenen Hauptsacheverfahren recht. Das Gesundheitsministerium muss daher künftig die Warnungen unterlassen.

3. Im dritten Fall wollten Hersteller durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM, Sitz in Bonn) feststellen lassen, dass die für die Verwendung der E-Zigaretten notwendigen Liquids kein Medizinprodukt seien und die E-Zigaretten keine Arzneimittel. Dieser Klage gab schon in der ersten Instanz das VG Köln statt. Ebenso entschied das OVG Münster nun in der Berufung.

Zur Begründung führt das OVG Münster im Wesentlichen aus, dass es keine medizinisch begründbare Wirkungsweise der E-Zigarette gebe. Zudem werde sie auch nicht als Medizinprodukt/Arzneimittel beworben oder präsentiert. Sie sei also weder dazu geeignet noch bestimmt Nikotinabhängigkeit zu behandeln und somit kein Arzneimittel.

Der Fall sollte in Vorbereitung einer mündlichen Prüfung durchdacht werden, insbesondere die prozessualen Konstellationen (Verpflichtugsklage, Feststellungsklage, Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage) sollten klar sein. Auch können die bekannten Fälle Glykol und Osho abgefragt werden, die hier ausführlich besprochen sind.

17.09.2013/2 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2013-09-17 19:21:422013-09-17 19:21:42OVG Münster: E-Zigarette kein Arzneimittel – Update
Dr. Simon Kohm

OVG Münster: Klage gegen Versuchsreihen am CERN ohne Erfolg

Lerntipps, Rechtsprechung, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Das OVG Münster hat mit Beschluss vom gestrigen Tage entschieden (OVG Münster, Beschluss vom 16.10.2012, Az. 16 A 591/11), dass die Klage gegen die Versuchsreihen am CERN in Genf ohne Erfolg bleibt.
Hintergrund und Verfahrensgang
Die Bezeichnung CERN leitet sich aus dem Französischen ab – Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire, also die Europäische Organisation für Kernforschung. Diese betreibt in Genf mehrere Teilchenbeschleuniger, die zur Erforschung der Materie dienen. Diese Teilchen (z.B. Atomkerne) werden hier auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt. Dabei werden auch im Rahmen von Versuchsreihen Teilchen auf einander geschossen, um damit den sog. Urknall zu simulieren. Die jetzige Klägerin, die deutsche Staatsangehörige ist, aber in Zürich wohnt, will diese Art der physikalischen Grundlagenforschung verhindern. Sie befürchtet, dass es dabei zu so genannten schwarzen Löchern kommen könne, die das gesamte irdische Leben zerstören könnten. Bereits im Jahr 2008 hat die Klägerin sich mit diesem Begehren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes an das VG Köln gewandt. Die Beschwerde gegen das ablehnende Urteil wies das OVG Münster seiner Zeit zurück, die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Mit der erhobenen Klage in der Hauptsache verfolgte die Klägerin die Sache vor dem VG Köln weiter, das aber mit Urteil vom 27.01.2011 (Az. 13 K 5693/08) die Klage zurückgewiesen hat. Mit dem gestrigen Beschluss und der Nichtzulassung der Berufung hat nunmehr das OVG Münster dem Verfahren ein vorläufiges Ende gesetzt.
Rechtliche Würdigung durch das VG Köln

Neben dem skurrilen Klägerbegehren und der für einfachen Juristen kaum zu durchdringenden Materie der Kernforschung, ist die Sache aber auch rechtlich durchaus interessant, vor allem im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage. Betrachten wir daher zu Anfang den Hauptantrag der Klägerin:

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die von ihr in den Rat der Europäischen Kernforschungsorganisation CERN entsandten Delegierten sofort anzuweisen, im Rat des CERN eine sofortige Beschlussfassung darüber zu initiieren und auf eine dahingehende sofortige Beschlussfassung hinzuwirken, dass der Protonenbeschleuniger LHC in Genf/Schweiz höchstens auf einer Gesamtenergie von 2 Billionen Elektronenvolt betrieben wird.

Es geht der Klägerin damit nicht um ein direktes Vorgehen gegen das CERN selbst (hiermit war sie bereits in der Schweiz gescheitert), sondern um ein Einwirken der Bundesrepublik auf die entsandten Mitglieder.
Das VG Köln hat die Klage für zulässig erachtet.
Die Sache ist justiziabel. Das VG Köln hält fest, dass auch die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf zwischenstaatliche Einrichtungen justiziabel sei. Das gelte dann erst recht im vorliegenden Fall, da hier keine Übertragung von Hoheitsrechten vorläge, sondern bloß ein Fall staatlich geförderter Wissenschaft. Der Art. 19 Abs. 4 GG sehe in einem solchen Fall keine Entbindung von der staatlichen Schutzpflicht vor (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 37 ff.).
Der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 VwGO ist eröffnet. Insbesondere liegt eine öffentlich rechtliche Streitigkeit vor. Vorliegend will die Klägerin einen Anspruch gegen die BRD geltend machen. Streitentscheidende Norm muss hier also eine Anspruchsgrundlage sein. Diese ergibt sich vorliegend aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, der staatlichen Schutzpflicht. Diese Norm verpflichtet in dieser spezifischen Ausprägung den Staat, also einen Hoheitsträger. Das VG Köln hält hier bemerkenswert ausführlich fest, dass keine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegt (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 49). Ein Abweichen von der allgemein bekannten Definition der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit sei hier gerade nicht angezeigt.

Von dieser allgemeinen Rechtsauffassung abzuweichen, sieht das Gericht bei der vorliegenden Konstellation keinen Anlass, zumal neben den rechtlichen Fragen auch tatsächliche Aspekte eine wesentliche Rolle spielen und es daher der dem Grundgesetz zu Grunde liegenden Vorstellung über die Verteilung der Aufgaben von Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes entspricht, das Verfahren zunächst als ein verwaltungsgerichtliches zu führen. Damit soll erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen trifft.

Statthaft ist vorliegend die allgemeine Leistungsklage. Da die Klägerin vorliegend etwas begehrt, käme allenfalls noch die Verpflichtungsklage gem. § 42 VwGO in Betracht. Dann müsste die Anweisung an die deutschen Mitglieder einen VA darstellen. Dies kann vorliegend damit verneint werden, dass hier die Außenwirkung fehlt. Denn solche Weisungen wären als „Dienstanweisungen“ zu sehen, die die jeweiligen Mitglieder nicht in ihrem grundrechtssensiblen Bereich treffen, sondern nur ihre beruflichen Eigenschaften betreffen.
Im Hinblick auf die Klagebefugnis argumentiert das VG Köln mit der Möglichkeitstheorie und hält fest, dass das Eingreifen der staatlichen Schutzpflicht im vorliegenden Fall jedenfalls nicht von vorneherein abzulehnen sei. Auch fordere die Klägerin nichts objektiv Unmögliches von der Beklagten ein. Die BRD hatte vorgebracht, dass es nicht allein in der Hand ihrer Abgesandten läge, Entscheidungen im CERN zu treffen. Das VG Köln argumentiert hier überzeugend dahingehend, dass es die Schutzpflicht aus Art. 2 GG jedenfalls erfordere, die gebotenen Anstrengungen zu unternehmen, auch wenn diese einen Erfolg nicht garantierten (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 55).
Schlussendlich scheitert das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht daran, dass sie vorher keinen „Antrag“ bei der Beklagten gestellt habe. Das VG Köln argumentiert, dass die Beklagte im Vorfeld und im einstweiligen Rechtsschutz mehrfach deutlich gemacht habe, dass es ihrem Ansinnen nicht nachkommen werde (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 56).
Im Rahmen der Begründetheit stellt das VG Köln unter Bezugnahme auf den ablehnenden Beschluss des BVerfG die Einzelheiten der staatlichen Schutzpflichten dar (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 62 f.).

Sie gebiete dem Staat, sich schützend und fördernd vor gefährdetes menschliches Leben zu stellen, es insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren. Eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht könne aber nur unter der Voraussetzung festgestellt werden, dass die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen habe oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückblieben. Die staatliche Schutzpflicht verlange bei komplexen Sachverhalten, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen würden, auch von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Theorien zur Durchsetzung zu verhelfen; im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten obliege aber allen Stellen, die öffentliche Gewalt ausübten, eine gesteigerte Verantwortung, wenn sie Entscheidungen treffen würden, die auf ungewissen Folgenabschätzungen beruhten. Werde wissenschaftlich und praktisch noch unerschlossenes Neuland betreten, hätten sich alle diese Stellen eine möglichst breite Informationsgrundlage für eine möglichst rationale Risikoabschätzung zu verschaffen, wobei die unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen eines gewaltenteiligen Systems berücksichtigt werden müssten.

Auch im Hinblick auf die Darlegungspflichten liefert das VG Köln detaillierte Formulierungen (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 62 f.):

Gehe es um die Vernachlässigung einer Schutzpflicht, sei der klagende Bürger nicht nur gehalten, schlüssig darzutun, dass die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen habe oder dass offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien, das Schutzziel zu erreichen. Vielmehr sei vorweg darzulegen, dass überhaupt eine Gefahr existiere. Dieses Schlüssigkeitserfordernis gelte auch, soweit eine Verantwortung staatlicher Stellen zur empirischen Widerlegung von Warnungen vor Schadensereignissen in Rede stehe. Der bloße Hinweis auf vereinzelt bleibende Warnungen genüge nicht, um eine gesteigerte staatliche Untersuchungs- oder gar Widerlegungspflicht anzunehmen. Soweit experimentelle Forschungsansätze betroffen seien, die im Wesentlichen auf theoretischen Erwägungen zu zentralen Grundfragen der modernen Physik aufbauten, seien jedenfalls solche Behauptungen unzureichend substantiiert, die lediglich eine Verantwortung staatlicher Stellen zur vorherigen, empirischen Widerlegung sämtlicher in der Öffentlichkeit diskutierter Warnungen vor (Groß-)Schadensereignissen einforderten. Die Substantiierung einer Verletzung verfassungsrechtlicher Schutzpflichten verlange für Warnungen, die weitreichende Schutzpflichten auslösen sollen, die Einhaltung gewisser Mindeststandards, jedenfalls die Beachtung des Schlüssigkeitserfordernisses. Ansonsten sei es für staatliche Stellen unmöglich, relevante Warnungen, denen sie prinzipiell nachzugehen haben, von irrelevanten hypothetischen Prophezeiungen zu unterscheiden.

Gleichwohl dürfte der Staat Restrisiken in Kauf nehmen.

Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende Schutzpflicht hindere die öffentliche Gewalt nicht, mit der Förderung wissenschaftlicher Forschungstätigkeit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) insofern unentrinnbare Restrisiken in Kauf zu nehmen. Ansonsten wäre großexperimentelle Grundlagenforschung kaum möglich, weil sich im zu erforschenden Grenzbereich überraschende physikalische Wirkungen auslösende Ergebnisse nicht völlig ausschließen ließen. Allerdings treffe die Träger öffentlicher Gewalt eine Pflicht, Erkenntnisquellen auszuschöpfen und eine Risikoanalyse mit fachlicher Bewertung vorzunehmen. Diese Anforderungen dürften aber nicht zu Lasten der Forschungsfreiheit überspannt werden; sie dienten vielmehr dazu, den wissenschaftlichen Diskurs offen zu halten und seine Erkenntnisse nachzuvollziehen. Soweit die dafür zuständigen Verfassungsorgane oder entsprechende Stellen öffentlicher Verwaltung die fachlichen Abschätzungen verantwortlich vorgenommen hätten, fehle es den Gerichten an Maßstäben, ihre eigene Beurteilung jenseits praktischer Vernunfterwägungen an die Stelle des legislativen oder exekutiven Sachverstandes zu setzen.

Insbesondere hält das VG Köln fest, dass es nicht Sache der Gerichte sei, über fachwissenschaftliche Streitigkeiten zu entscheiden bzw. diese zu bewerten (VG Köln, Urteil vom 27.01.2011, Az. 13 K 5693/08, Rn. 81):

Von einer Grundrechtsgefährdung und erst recht einem Grundrechtseingriff kann nach dem gesamten Sachstand nicht ausgegangen werden. Dabei ist im Ausgangspunkt zum einen zu berücksichtigen, dass nach dem von der Klägerin beschworenen Gefahrszenario nur niedrige Anforderungen an die plausible Darlegung und Feststellung möglicher Gefahrenlagen zu stellen sind. Zum anderen ist hier aber in den Blick zu nehmen, dass die gesamte Diskussion um Voraussetzungen und Folgen der hier in Rede stehenden Experimente im LHC mit 2 TeV übersteigenden Energien weitgehend durch eine theoretische Auseinandersetzung ohne gesicherte experimentelle Basis geführt wird. Wissenschaftliche Streitfragen zu entscheiden, ist nicht Aufgabe der Gerichte.

In der Folge entscheidet das VG Köln dann über die einzelnen Gefahren, deren Wahrscheinlichkeiten und den jeweiligen Forschungsstand. Das dürfte für die juristische Prüfung eher zweit- und drittrangig sein.
Examensrelevanz: Niemand wird erwarten, dass sich der Examenskandidat vertieft mit der Problematik schwarzer Löcher auseinandersetzt. Gleichzeitig aber kann dieser skurrile Sachverhalt durchaus den ein oder anderen Prüfer dazu motivieren, mal wieder die Zulässigkeit einer verwaltungsrechtlichen Klage im Detail und versehen mit einigen Sonderproblemen abzufragen. Materiell ist vor allem die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 GG examensrelevant. Ein aktueller Bezug ist auch mit dem Atommoratorium gegeben (dazu hier und hier). Besonders interessant sind hier die Äußerungen des VG zu den Darlegungspflichten (nicht formelle Beweislast) und dem Hinweis, dass bloße wissenschaftliche Uneinigkeiten nicht zur einer belastbaren Gefahrprognose führen können und dass es nicht Sache der Gerichte, sondern vielmehr der Exekutive sei, derartige Unstimmigkeiten aufzulösen bzw. zu bewerten. Das VG nimmt also eine Art „Beurteilungsspielraum“ an. Die Exekutive bzw. Legislative muss den Sachverhalt und die entsprechenden wissenschaftlichen Stimmen auswerten, darf aber durchaus Restrisiken eingehen und muss hier auch nicht auf jede einzelne Stimme in Wissenschaft und Öffentlichkeit eingehen und diese in ihre Bewertung einbeziehen.

17.10.2012/7 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2012-10-17 15:05:262012-10-17 15:05:26OVG Münster: Klage gegen Versuchsreihen am CERN ohne Erfolg
Dr. Christoph Werkmeister

BayVerfGH erneut zum Rauchverbot

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verfassungsrecht

Der BayVerfGH konnte sich erneut zum Thema Rauchverbot äußern. So lautete der zweite Leitsatz der Entscheidung

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das gesetzliche Rauchverbot in Gaststätten und Vereinsräumlichkeiten auch für Rauchervereine und Raucherclubs gilt, soweit nicht Einlass im Rahmen einer geschlossenen Gesellschaft gewährt wird.

Den Volltext der wenig überraschenden Entscheidung findet Ihr hier.
Das Thema Rauchverbot geistert nun bereits seit einigen Jahren durch Examensklausuren und mündliche Prüfungen. Entscheidungen wie diese hier heizen das Thema stets erneut an und sorgen für Diskussionsbedarf. Aus diesem Grund sei an dieser Stelle auf unsere bereits erfolgte Berichterstattung zu diesem Thema hingewiesen. Es zeigt sich dadurch, dass das Rauchverbot nicht bloß auf verfassungsrechtlicher Ebene, sondern auch im allgemeinen Verwaltungsrecht oder sogar im Zivilrecht auftauchen kann. Ein Überblick über die Grundproblematik sollte bei Examenskandidaten deshalb auf jeden Fall vorhanden sein.

04.02.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-02-04 12:27:012012-02-04 12:27:01BayVerfGH erneut zum Rauchverbot
Nicolas Hohn-Hein

VG Düsseldorf: Ein „Bierbike“ dient nicht dem Zweck der Teilnahme am Straßenverkehr

Öffentliches Recht, Verwaltungsrecht

Das OVG Münster (Az. 11 A 2325/10; 11 A 2511/10) muss sich derzeit mit der Frage beschäftigen, ob der Betrieb eines sog. Bierbikes (Anschauungsmaterial siehe hier) straßenrechtlich noch als Nutzung innerhalb des Gemeingebrauchs anzusehen ist oder einer behördlichen Sondernutzungserlaubnis bedarf. Die Verwaltung der Stadt Düsseldorf ist nicht allzu begeistert von dieser – zugegebenermaßen – angenehmen Art der Fortbewegung und hatte entsprechende Fahrten kurzfristig per Ordnungsverfügung untersagt. Der Betreiber klagte im Jahr 2009 gegen die Untersagung beim VG Düsseldorf, dessen Entscheidung (Az. 16 K 8009/09 – Urteil v. 06.10.2010) hier Gegenstand der Betrachtungen sein soll. Mittlerweile wurde die Berufung beim OVG Münster zugelassen, eine letztinstanzliche Entscheidung steht demnach noch aus.
Sachverhalt
K ist Betreiber eines sog. fahrenden „Bierbikes“ oder auch „Partybikes“. Die Konstruktion lässt sich als fahrbare Theke mit Rädern verstehen, an der bis zu 12 Personen sitzen können (Leergewicht: 1100 kg, Breite: 2,25 Meter). Angetrieben wird das Gefährt allein durch die Gäste über Fahrradpedalen, die zu ihren Füßen installiert sind. Die Lenkung erfolgt durch einen – nüchternen – Angestellten des K. Auf dem Bierbike ist mittig ein großes Fass Bier installiert, über das die Gäste während der Fahrt ausreichend mit gekühltem Gerstensaft versorgt werden. Außerdem ist ein großer Schriftzug „Partyfahrrad für Spaß unter Freunden“ angebracht. Daneben findet sich ein Logo mit einem Bierfass auf Rollen.
Der zuständigen Straßenverkehrsbehörde ist das Treiben des K schon länger ein Dorn im Auge und erlässt mit formell ordnungsgemäßem Bescheid vom 13.11.2009 folgende Verfügung:
„Die Benutzung des sogenannten „Bierbikes“ auf den öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen der Stadt E ist untersagt. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung ist mit einem Zwangsgeld in Höhe von 5.000,– Euro zu rechnen.“
In der Begründung heißt es, die Nutzung des Bierbikes auf öffentlichen Straßen überschreite die Grenzen des üblichen Gemeingebrauchs und erfordere eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis. Außerdem sei mit erheblichen Störungen für die Sicherheit und Ordnung zu rechnen. So sind schon in der Vergangenheit die Fahrten des Bierbikes vor allem durch den exzessiven Alkoholgenuss der Teilnehmer aufgefallen. Betrunkene seien von dem Wagen herabgefallen und hätten Passanten angepöbelt. Durch die Alkoholisierung falle Glas zu Boden und zersplittere. Zudem könne der Lenker nicht ausreichend bremsen, wenn die Gäste entgegen der Anweisungen nicht aufhören, in die Pedalen zu treten.
K macht geltend, der Hauptzweck des Bierbikes liege in der Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsraum und sei auch nach seinem Erscheinungsbild als Fahrrad zu kategorisieren. Immerhin würden auch andere mehrrädrige Fahrzeuge (Planwagen, Kutschen) erlaubnisfrei betrieben werden können. Überdies sei der Lenker nüchtern und die Gäste nicht „Teilnehmer“ im straßenverkehrsrechtlichen Sinne. Was den Konsum anginge, so würde man nur Plastikbecher verteilen und das Bier auf 10l pro Stunde begrenzen. Folgten die Feiernden nicht den Anweisungen des Lenkers, könne dieser die Fahrt abbrechen, was bisher jedoch nie erforderlich war. Man müsste auch nicht mit einer Behinderung des Straßenverkehrs wegen Stillstands rechnen, da das Bierbike im Notfall mit Muskelkraft einer Person an den Fahrbahnrand geschoben werden könne. Während der Fahrten existiere außerdem eine Bereitschaft des K, die den Wagen innerhalb von 15 Minuten abtransportieren kann.
K erhebt Anfechtungsklage gegen die Ordnungsverfügung.
Von der Zulässigkeit der Klage ist auszugehen. Auf § 18 StrWG NRW wird hingewiesen.
Lösung
Die Klage ist nach § 113 Abs.1 S.1 VwGO begründet, wenn die Ordnungsverfügung der Stadt Düsseldorf rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten verletzt ist.
I. Ermächtigungsgrundlage
Zum Erlass eines belastenden Verwaltungsakts ist eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Die Stadt Düsseldorf könnte ihre Entscheidung auf § 22 S.1 StrWG NRW stützen. Durch den Erlass einer Sondernutzungserlaubnis regelt die Behörde zur Gefahrenabwehr solche Konstellationen, in denen die begehrte Straßennutzung nicht dem üblichen, erlaubnisfreien Gebrauch durch die Allgemeinheit entspricht. Im Fall geht es um die Art und Weise der Nutzung des öffentlichen Straßenraums durch K im Rahmen des Betriebs eines sog. Bierbikes. § 22 S.1 StrWG NRW kommt damit als Ermächtigungsgrundlage in Betracht.
II. Formelle Rechtmäßigkeit
In formeller Hinsicht ergeben sich keine Bedenken bezüglich der Rechtsmäßigkeit der Ordnungsverfügung.
III. Materielle Rechtsmäßigkeit
Die Verfügung müsste materiell rechtmäßig zustande gekommen sein.
1. Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage
a) Die Art und Weise der Straßennutzung müsste die Grenzen des Gemeingebrauchs überschreiten, sodass eine Sondernutzungserlaubnis im Sinne von § 18 Abs.1 S.1 StrWG NRW erforderlich wird. Gemeingebrauch i.S.v. § 14 Abs. 1 StrWG NRW liegt vor, wenn die Verkehrsfläche im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften zum Zwecke des Verkehrs benutzt wird und die Nutzung nicht unzumutbar ist. Kein Gemeingebrauch liegt hingegen vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist, § 14 Abs. 3 StrWG NRW.
aa) Auf eine Nutzung innerhalb des Gemeingebrauchs könnte schon aufgrund der Erwägung geschlossen werden, dass es sich bei dem Bierbike äußerlich um ein Fahrrad, also um ein per Pedalbetrieb über Muskelkraft angetriebenes Beförderungsmittel handelt. Nach Ansicht des VG Düsseldorf kommt es jedoch nicht darauf an,

[…] ob das Bierbike als Fahrrad im Sinne des Straßenverkehrsrechts einzustufen ist (den Vorstellungen des Gesetzgebers von einem Fahrrad entspricht ein derartiges mehrrädriges Fahrzeug wie das Bierbike jedenfalls nicht, wie sich an der in § 2 Abs. 4 Satz 5 StVO für Fahrräder normierten Pflicht zur Radwegebenutzung und an der aus § 21 Abs. 3 StVO folgenden grundsätzlichen Unzulässigkeit der Personenbeförderung zeigt). Denn auch mit einem – sei es als Fahrrad, sei es als sonstiges Straßenfahrzeug (§ 63 StVZO) – straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften genügenden Fahrzeug kann eine Straße über den Gemeingebrauch hinaus genutzt werden. Entscheidend ist der mit der Nutzung der Straße verbundene Zweck, wobei dem fließenden Verkehr auf den Fahrbahnen ein kommunikativer Gemeingebrauch fremd ist.

Folglich kann allein aus der (zweifelhaften) Natur des Bierbikes als „Fahrrad“ nicht auf automatisch eine Gleichstellung angenommen werden. Abzustellen ist auf den nach außen erkennbar werdenden Zweck der Nutzung.
bb) Äußerlich müsste daher objektiv feststellbar sein, dass der Betrieb des Bierbikes dem üblichen Gemeingebrauch der Straße zuwiderläuft. Dies wäre der Fall, wenn aus Sicht eines unbefangenen Betrachters die Nutzung der öffentlichen Straßen zu Verkehrszwecken nicht im Vordergrund steht. Vorliegend

[…] wird das als Mehrpersonenfahrzeug konzipierte Bierbike durch die Betätigung der Pedale auch in Bewegung gesetzt; die damit verbundene Ortsveränderung ist jedoch lediglich ein Nebeneffekt. Aus den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere auf Grund der äußeren Aufmachung des thekenähnlichen Fahrzeugs, das mit einem nicht zu übersehenden Bierfass ausgestattet ist und deutlich sichtbar die Aufschrift „x.de“ sowie ein großes Bierfass auf Rädern im Logo trägt, und auf Grund der Werbung für das Gefährt als „Partyfahrrad für Spaß unter Freunden“ (www.x.de) wird deutlich, dass der Hauptzweck des Betriebes dieses Fahrzeugs nicht der Personentransport, sondern der Betrieb einer mobilen Plattform ist, der dem geselligen, mit dem Konsum von vorwiegend alkoholischen Getränken verbundenen Zusammensein einer Gruppe von Personen dient; die Klägerin betreibt im Schwerpunkt praktisch einen – nicht ortsgebundenen – Selbstbedienungsausschank bzw. eine bewegliche Veranstaltungsfläche;

Rein äußerlich steht damit die Nutzung zu Verkehrszwecken nicht im Vordergrund.
cc) Fraglich ist, ob auch in subjektiver Hinsicht eine solche Zweckentfremdung zu beobachten ist. Bei der Beurteilung, ob eine Verhalten noch im Rahmen des Gemeingebrauchs im Sinne von § 18 Abs.1 StrWG liegt, müssen auch subjektiv verfolgte Zwecke miteinbezogen werden, da es allein auf das äußerliche Erscheinungsbild nicht ankommen kann. Hier fehlt es an einem Willen der Benutzer des Bierbikes, am Straßenverkehr teilzunehmen,

[d]enn zum einen bestimmt hier ein Großteil der Passagiere aktiv die Fortbewegung des Gefährts und nimmt damit entscheidend auf die Teilnahme am fließenden Verkehr Einfluss, zum anderen sitzen die Mitfahrer so exponiert auf dem Fahrzeug, dass sie als Verkehrsteilnehmer nach außen in Erscheinung treten und von den anderen Verkehrsteilnehmern entsprechend wahrgenommen werden. Gerade durch das Verhalten der auf dem Bierbike fahrenden Personen, das auf den in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Fotos zu sehen ist, drängt sich für den außenstehenden Dritten der Eindruck auf, dass für die an Bord des Fahrzeuges befindlichen Personen die Teilhabe am Straßenverkehr keine wirklich entscheidende Rolle spielt, sondern für diese das Party-Feiern und der Spaßfaktor eindeutig im Vordergrund stehen. Dies wird auch deutlich, wenn man dem auf der Internetseite www.x.de enthaltenen Link auf drei bei YouTube eingestellte verfilmte Erinnerungen von Gästen folgt […]

dd) Daneben könnte eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich sein, wenn die Art und Weise der Nutzung den übrigen Straßenverkehr unzumutbar beeinträchtigt und die Grenze der Gemeinverträglichkeit überschreitet. Hiervon ist vorliegend auszugehen, da

[…| das Bierbike mit seinen 1100 kg Leergewicht ein ausgesprochen langsames und schwerfälliges Gefährt [ist]; es kann nur eine Geschwindigkeit von ca. 6 km/h erreichen, dies allerdings auch nur dann, wenn die Mitfahrer das wollen und entsprechend in die Pedale treten, ansonsten ist das Fahrzeug langsamer und bewegt sich allenfalls mit Schrittgeschwindigkeit durch die Straßen oder bleibt sogar stehen, ohne dass der Fahrzeugführer/Lenker dies beeinflussen kann. Das Bierbike stellt damit für den sonstigen fließenden Verkehr ein erhebliches Hindernis dar, das wegen seiner beträchtlichen Breite von ca. 2,25 m auch nicht einfach überholt werden kann. Dabei hängt es ganz vom Willen der überwiegend unter Alkoholeinfluss stehenden Benutzer ab, ob das Fahrzeug stehen bleibt, ist also nicht vergleichbar mit einem Pannenfahrzeug, das wegen eines technischen Defektes liegen bleibt.

Die Nutzung ist demnach auch insgesamt unzumutbar.
b) Die Grenzen des Gemeingebrauchs werden damit im Sinne von § 18 Abs.1 S.1, § 14 Abs.1 S.1 StrWG überschritten. Eine Sondernutzungserlaubnis ist erforderlich. Der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage ist damit erfüllt. Grundsätzlich ist für den Betrieb des Bierbikes eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich.
2. Rechtsfolge
Die Behörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, zu entscheiden. Eine Ermessensreduktion auf Null aufgrund eines Anspruchs auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis kommt vorliegend nicht in Betracht. Sonstige Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Maßnahme müsste auch verhältnismäßig sein.

Gründe für die Annahme, die Untersagungsverfügung sei unverhältnismäßig, sind nicht ersichtlich. Gegen die nach §§ 55 Abs. 1, 60 und 63 VwVG NRW zulässige Androhung des Zwangsgeldes bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken.

Ergebnis: Die Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig. Die Klage des K ist zulässig, aber nicht begründet und daher abzuweisen.

Fazit
Spätestens nach der Entscheidung des OVG Münster wird dieser Fall noch Gegenstand schriftlicher und mündlicher Examensprüfungen sein. Es bleibt abzuwarten, ob das OVG Münster den Ausführungen des VG Düsseldorf folgt oder doch eine andere Linie fährt. Anknüpfungspunkt bleibt dabei § 22 S.1 StrWG NRW (oder die entsprechende Norm anderer Bundesländer, für eine Auflistung siehe hier). Kern der Bearbeitung sollte die Frage sein, wann ein Gemeingebrauch im Sinne von § 14 Abs.1 StrWG NRW nicht mehr angenommen werden kann, sodass eine behördliche Sondernutzungserlaubnis für den weiteren Betrieb des Bierbikes auf öffentlichen Straßen erforderlich wird. Die vorliegende Problematik lässt sich hervorragend mit weiteren Problemen aus dem allgemeinen und besonderen Verwaltungsrecht verbinden.

06.06.2011/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2011-06-06 17:59:412011-06-06 17:59:41VG Düsseldorf: Ein „Bierbike“ dient nicht dem Zweck der Teilnahme am Straßenverkehr
Dr. Christoph Werkmeister

OVG Münster: Rauchverbot – Es gibt kein Recht auf eine Zigarettenpause

Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Das OVG Münster hat den Beschäftigten der Stadt Köln einen Anspruch auf Raucherraum und Zigarettenpause versagt. Damit bestätigten das OVG am 08.04.2010 eine Entscheidung des VG Köln (Az. 1 A 812/08). Das Urteil des OVG Münster ist bisweilen leider noch nicht im Internet abrufbar.
Die Entscheidung des OVG Münster
Nach dem Urteil ist eine Raucherpause keine zulässige Arbeitsunterbrechung wie zum Beispiel der Gang zur Toilette oder der Kaffee im Büro. Dabei sei das Verbot der zusätzlichen Zigarettenpause keineswegs einseitig raucherunfreundlich, sondern vielmehr eine Frage der Gleichbehandlung; es werde auch von Nichtrauchern während der Kernarbeitszeit die Anwesenheit im Büro verlangt.
Verletzung von Art. 3 I GG
Art. 3 I GG könnte durch das Rauchverbot verletzt sein. Hierbei ist im Rahmen der Rechtfertigung zu diskutieren , ob das Merkmal „Raucher“ personenbezogen oder lediglich sach- bzw. verhaltensbezogen ist. Nach dem BVerfG ist bei personenbezogenen Differenzierungen eine Rechtfertigung nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit möglich. Sach- bzw. Verhaltensbezogene Differenzierungen können hingegen bereits durch das Vorliegen eines sachlichen Grundes gerechtfertigt sein.
Vorliegend würde ich das Mermal „Raucher“ als personenbezogenes Merkmal einordnen, da die Sucht einer Person wie eine Krankheit anhaftet (sofern es sich bei dem Kläger lediglich um einen Gelegenheitsraucher handelt, läge wohl ein Verhaltensbezogenes Merkmal vor).
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit kann dann allerdings auf das o.g. Argument abgestellt werden, nämlich, dass von Nichtrauchern ebenfalls erwartet wird, dass sie keine entsprechenden Pausen machen. Es hat im letzten Schritt der Verhältniskeitsprüfung, der Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit i.e.S., wie immer eine wertende Abwägung der widerstreitenden Interessen im Sinne einer praktischen Konkordanz zu erfolgen. Hier gilt, dass zunächst die abstrakte Wertigkeit der widerstreitenden Interessen zu vergleichen ist und sodann eine konkrete Abwägung der Eingriffsintensität im Verhältnis zum verfolgten Zweck erfolgt. Für eine ausgiebige Diskussion der Verhältnismäßigkeit, sollte man sich bei Interesse das Urteil, wenn es verfügbar ist,  im Volltext anschauen.
Anspruch auf einen Raucherraum
Sofern ein Anspruch auf einen Raucherraum gefordert wird, gilt es zu klären, woraus sich ein solcher  Anspruch ergeben kann. Die Grundrechte sind überwiegend als bloße Abwehrrechte zu verstehen. Ansprüche lassen sich nur in den seltensten Fällen aus ihnen herleiten. Dies ist im Einzelfall dann zu bejahen, wenn ohne den Anspruch gegen den Staat der Kernbereich des tangierten Grundrechts ausgehöhlt würde.
Ein Berufen auf Art. 2 II 1 GG wäre in diesem Sinne u.U. dann möglich, wenn substantiiert vorgetragen wird, dass eine körperliche Nikotin-Abhängigkeit besteht und dass im Falle des überlangen Nikotinentzugs körperliche Schäden zu befürchten sind. Selbst, wenn eine solche körperliche Abhängigkeit vorgetragen werden kann, erscheint es jedoch angemessen, den Raucher auf Nikotinpflaster und Kaugummis zu verweisen. Ein Anspruch auf einen Raucherraum lässt sich somit nich aus Art. 2 II 1 GG herleiten.
Examensrelevanz
Ein interessanter Fall, der sich aufgrund der Aktualität selbstverständlich für die mündliche Prüfung eignet. Zudem zeigt sich, dass im Rahmen einer gutachterlichen Prüfung auch eine Reihe von Problemen in diesem Fall steckt, so dass ein Rauchverbot auch innerhalb einer Klausur als Baustein Eingang finden kann.

08.04.2010/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2010-04-08 22:50:362010-04-08 22:50:36OVG Münster: Rauchverbot – Es gibt kein Recht auf eine Zigarettenpause

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