Im Folgenden eine Übersicht über im letzten Monat veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 06.08.2013 – 3 StR 175/13
Die Fesselung des Opfers nach erfolgter räuberischer Erpressung an das Bett, um zu verhindern, dass dieses nach der Flucht des Täters aus dessen Wohnung die Polizei rufen kann, stellt keine Geiselnahme nach § 239b StGB dar, da zum Zeitpunkt des weiteren Nötigungserfolgs (Unterlassen der Benachrichtigung der Polizei) keine Bemächtigungslage mehr besteht, so dass es an dem erforderlichen zeitlichen und funktionalen Zusammenhang zwischen Bemächtigungssituation und erstrebten Nötigungserfolg fehlt. (s. dazu auch IV.)
II. BGH, Beschluss vom 31.08.2013 – 1 StR 449/13
Zur Frage eines Erlaubnistatbestandirrtums im Rahmen einer abgeurteilten Körperverletzung mit Todesfolge, bei der ein Angriff des späteren Opfers durch den Täter zunächst in Notwehr abgewehrt wurde, er das Opfer aber auch noch zu einem Zeitpunkt, als es sich nicht mehr wehrte – da er ein bloßes Vortäuschen der Aufgabe fürchtete – weiterhin im „Schwitzkasten“ hielt, so dass es letztendlich erstickte.
III. BGH, Urteil vom 19.09.2013 – 3 StR 119/13
Befindet sich ein Opfer bereits in der Gewalt von Dritten, die dieses entführt oder sich in sonstiger Weise bemächtigt haben, so kann sich ein erst danach an der Tat beteiligender Täter wegen erpresserischen Menschenraubs nach § 239a Abs. 1 Alt. 2 StGB jedenfalls dann strafbar machen, wenn er im Nachgang noch eigenständige Gewalt über das Opfer erlangt, indem er durch sein Eingreifen die Situation qualitativ ändert und über das Fortbestehen der Bemächtigungslage nunmehr maßgeblich selbst bestimmt.
IV. BGH, Beschluss vom 22.09.2013 – 2 StR 236/13
Die Entführung eines Opfers, um dieses durch Drohung dadurch zu bewegen, bei der Polizei die erstattete Anzeige zurückzunehmen, erfüllt nicht den Tatbestand der Geiselnahme (§ 239b StGB), da der Nötigungserfolg (Rücknahme der Anzeige vor der Polizei) erst nach Aufhebung der Bemächtigungssituation eintreten soll.
V. BGH, Beschluss vom 26.09.2013 – 2 StR 324/13
Zum Vorliegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung und eines versuchten Totschlags bei einem Täter, der Polizisten in Suizidabsicht aus geringer Entfernung mit einem Druckluftnagler („Nagelpistole“) beschießt, um sie zum Schußwaffengebrauch gegen sich und damit zur Verursachung seiner letztendlichen Tötung zu bewegen.
VI. BGH, Beschluss vom 01.10.2013 – 3 StR 299/13
Die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (schwerer Raub) nach Vollendung der Tat setzt voraus, dass der Täter den Tatgegenstand zu einer weiteren (versuchten) Zueignungsabsicht oder jedenfalls in der Absicht der Beutesicherung einsetzt (verneint im konkreten Fall für den Überfall auf einen Taxifahrer, dem ein Mittäter nach Wegnahme der Einnahmen noch einen Schlag auf den Kopf versetzte).
VII. BGH, Urteil vom 09.10.2013 – 5 StR 214/13
Zur Abgrenzung einer Körperverletzung mit (fahrlässiger) Todesfolge von einem Totschlag im Fall einer einverständlichen sexuellen Praktik, in welcher der dominante Partner seinem Gefährten trotz Kenntnis der Todesgefahr die Luftzufuhr sperrte, wodurch dieser verstarb. (Anm.: Nicht behandelt in der Entscheidung, aber hochgradig examensrelevant ist hier auch die Frage, inwiefern die Einwilligung in die Körperverletzung bzw. Todesgefahr strafausschließend wirkt [§ 228 StGB]).
VIII. BGH, Urteil vom 17.10.2013 – 3 StR 263/13
Ein Raub, bei dem der Täter, nachdem er das Opfer niedergeschlagen hat, dessen Wohnung nach Wertgegenständen durchsucht und dabei u.a. einen Messerblock mit fünf Messern an sich nimmt, um diese zu verwerten oder zu behalten, stellt einen schweren Raub mit gefährlichen Werkzeugen nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB dar.
IX. BGH, Beschluss vom 23.10.2013 – 4 StR 401/13
Die konkrete Gefahr des Todes eines Menschen im Sinne des § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB (besonders schwere Brandstiftung) ist nicht bereits allein durch den Umstand, dass sich ein Mensch in enger räumlicher Nähe zu der Gefahrenquelle befindet, belegt (hier: Inbrandsetzen eines Wohnmobils, welches durch die zunächst schlafenden Insassen mit Hilfe einer Decke und 1,5 Liter Wasser innerhalb von fünf Minuten gelöscht werden konnte).
Zum Schluss noch eine lehrreiche Entscheidung des BGH, die sich mit den Folgen einer fehlerhaften Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO auseinandersetzt (namentlich für Referendare interessant):
X. BGH, Beschluss vom 08.10.2013 – 4 StR 339/13
Die Einstellung einer Bedrohung nach § 241 StGB gemäß § 154 Abs. 2 StPO (und nicht, richtigerweise, nach § 154a Abs. 2 StPO) hat zur Folge, dass eine mit dieser örtlich und zeitlich zusammenhängende Anstiftung zur schweren räuberischen Erpressung, da die gleiche „Tat“ i.S.d. § 264 StPO betreffend, ebenfalls nicht mehr verfolgt werden kann. Notwendig ist insoweit ein Wiederaufnahmebeschluss nach § 154 Abs. 5 StPO.
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