Vielen Dank für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls zu der im Januar 2013 gelaufenen ersten Klausur im Öffentlichen Recht in Niedersachsen. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen, sowie Lösungsansätze sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
B betreibt auf seinem Reiterhof ein Gestüt mit 15 Pferden, die er zur Zucht und zur Vermietung nutzt. Im Oktober 2011 muss er eine eineinhalbjährige Haftstrafe antreten. B tut dies, ohne Vorkehrungen für die Versorgung und Pflege der Pferde zu treffen. Dies wird einige Wochen später dem Landkreis von einigen Pferdefreunden gemeldet, der daraufhin tätig wird.
Der verbeamtete Tierarzt ist bei der Begehung des Hofes über die Zustände schockiert und bittet den nahe gelegenen Reitverein sogleich, vorübergehend für die Pflege und Versorgung der Pferde zu sorgen, ohne ein schriftliches Gutachten abzufassen. Der Reitsportverein nimmt sich der Aufgabe an. Da die Futtervorräte nicht ausreichen, muss er auch neues Futter beschaffen. Die Kosten für Pflege und Futter belaufen sich wöchentlich auf 1.000 Euro, die dem Landkreis in Rechnung gestellt werden.
Am 01.12.2011 geht dem B in der Haftanstalt ein Schreiben des Landkreises zu, in dem er aufgefordert wird, bis zum 15.12.2011 Vorkehrungen für die zukünftige Versorgung der Pferde zu treffen. Andernfalls, so der Landkreis in dem Brief, „könne es zum Eigentumsverlust kommen“. B reagiert auf dieses Schreiben nicht. Nach weiteren sechs Wochen des Zuwartens entschließt sich der Landkreis zur Versteigerung. Der verbeamtete Tierarzt war seit der Bitte an den Reitsportverein nicht mehr in die Angelegenheit involviert. Kontakt zu B wurde seitens des Landkreises nicht mehr aufgenommen. In einer E-‐Mail an den zuständigen Sachbearbeiter heißt es: „Wir sollten jetzt keine weiteren Verzögerungen in Kauf nehmen. Die Sache ist den Landkreis bisher schon teuer genug zu stehen gekommen!“ Die Versteigerung findet daraufhin gem. § 935 II BGB am 15.02.2012 statt. Für die Pferde wird ein Erlös zum Marktwert erzielt.
Im Anschluss daran erhebt B beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht Klage, um dem Landkreis zu zeigen, „dass es so nicht geht“. B bringt vor, er sei während der Verbüßung seiner Haftstrafe gleich „ein zweites Mal bestraft worden“ und begehre Genugtuung. Darüber hinaus möchte er durch die Klage die Grundlage für „Klagen auf die Wiedererlangung des Eigentums oder Schadensersatz“ legen. Auch habe der Landkreis die Versteigerung vorher „anordnen“ müssen, so seien ihm Rechtsschutzmöglichkeiten abgeschnitten worden. Der Landkreis entgegnet, bei der Veräußerung habe keine Anordnung ergehen müssen. Auch vorher sein ein Verwaltungsakt nicht zwingend notwendig gewesen.
Aufgaben
1. Wie wird das VG entscheiden?
2. Angenommen, das VG gibt der Klage des B statt. Hat B dann einen Anspruch gegen den Landkreis auf Wiedereinräumung des Eigentums an den Pferden, der durchsetzbar ist? Die Zulässigkeit einer Klage ist hier nicht zu prüfen.
Bearbeitervermerk: Es ist davon auszugehen, dass der Landkreis für die Durchführung des TierSchG zuständig ist. Andere Normen des TierSchG als die nachfolgend abgedruckten, sind nicht zu erörtern.
TierSchG – Auszug:
§ 1
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
§ 3
Es ist verboten, […] 3. ein im Haus, Betrieb oder sonst in Obhut des Menschen gehaltenes Tier auszusetzen oder es zurückzulassen, um sich seiner zu entledigen oder sich der Halter- oder Betreuerpflicht zu entziehen,
§ 16a
Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere
1. im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen anordnen,
2. ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist; ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern; die Behörde kann das Tier auf Kosten des Halters unter Vermeidung von Schmerzen töten lassen, wenn die Veräußerung des Tieres aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist oder das Tier nach dem Urteil des beamteten Tierarztes nur unter nicht behebbaren erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben kann, […]
§ 18
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. einem Wirbeltier, das er hält, betreut oder zu betreuen hat, ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt, 2. einer vollziehbaren Anordnung nach § 8a Abs. 5, § 11 Abs. 3 Satz 2 oder § 16a Satz 2 Nr. 1, 3 oder 4 zuwiderhandelt