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Schlagwortarchiv für: Offenbarungspflicht

Gastautor

Keine Hinweispflicht des Verkäufers auf Doppelmord in Wohnhaus: Urteil des LG Coburg vom 06.10.2020 – 11 O 92/20

BGB AT, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Philippe Keller veröffentlichen zu können. Der Autor hat Rechtswissenschaften in Bonn studiert und verfolgt dort derzeit ein Promotionsvorhaben. Außerdem ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kölner Großkanzlei.

Das LG Coburg hatte sich in einem erst kürzlich veröffentlichten Urteil vom 06.10.2020 (Az. 11 O 92/20) mit der Anfechtung eines Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung durch Verschweigen, und damit einem klassischen und examensrelevanten Problem des BGB-AT, zu beschäftigen. Kurz gesagt ging es darum, dass die Verkäuferin eines Wohnanwesens die Käuferin nicht darüber informiert hatte, dass sich in dem Haus ein Doppelmord an einer Frau und ihrem kleinen Kind ereignet hatte.

I.       Sachverhalt

Hintergrund war ein Immobilienerwerb im Jahr 2018. Die Klägerin (K) kaufte mit notariellem Vertrag vom 13.12.2018 ein Wohnanwesen von der Beklagten (B) zur Eigennutzung. Ein knappes Jahr später fand K heraus, dass es sich bei der Immobilie um den Schauplatz eines Doppelmordes an einer Frau und ihrem Kleinkind im Jahre 1998 handelte. Durch die Geschichte des Hauses ist K nun psychisch belastet. Sie hätte das Anwesen nicht gekauft, wenn sie von der düsteren Vorgeschichte gewusst hätte. Am 13.12.2019 erklärte K deshalb gegenüber B die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und verlangte die Rückabwicklung des Vertrags.

B, die das Anwesen ihrerseits 2004 erworben hatte, erfuhr damals auch erst nach dem Kauf von dessen Geschichte, hatte somit aber jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Veräußerung an K Kenntnis. Sie informierte K jedoch hiervon im Rahmen des Immobilienerwerbs nicht. B und ihr damaliger Ehemann hatten vielmehr auch nach Kenntniserlangung von dem Doppelmord noch mehr als zehn Jahre dort gewohnt, da dieser für sie keine große Rolle gespielt hatte und sie sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht hatten.

II.    Rechtliche Einordnung

Das rechtliche Kernproblem liegt in der Frage, wann eine arglistige Täuschung durch Verschweigen vorliegt. Nachfolgend soll diese durch das LG Coburg (unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des BGH) für den konkreten Fall beantwortete Frage erläutert werden.

Zur Geltendmachung ihres Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises aus rechtsgrundloser Bereicherung nach erfolgreicher Anfechtung wegen arglistiger Täuschung Zug um Zug gegen die Rückübereignung des Wohnanwesens kann K sich hier zunächst auf § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB i.V.m. §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 Var. 1 BGB berufen.

B hat den Kaufpreis durch Leistung von K erlangt. Fraglich ist jedoch, ob der Rechtsgrund durch Anfechtung des Kaufvertrags ex tunc (nach der m.M. ex nunc und damit § 812 Abs. 1 S. 2 Var. 1) entfallen ist. Wenn wie hier die Anfechtung eines Kaufvertrags aus Gründen erfolgt, die auch einen Mangel darstellen könnten, ist zumindest gedanklich zu prüfen, ob die Anfechtung nicht durch den Vorrang der §§ 437 ff. BGB ausgeschlossen ist (tatsächlich ist dies nur bei einem Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB der Fall)[1]. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist jedenfalls aufgrund des unterschiedlichen Schutzzwecks nicht ausgeschlossen.[2] K als Anfechtungsberechtigte hat die Anfechtung gegenüber B als richtiger Anfechtungsgegnerin gemäß § 143 Abs. 1, 2 BGB erklärt.[3] Auch die einjährige Anfechtungsfrist nach Kenntniserlangung gemäß § 124 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 BGB wurde eingehalten.

III.  Anfechtungsgrund: arglistige Täuschung durch Verschweigen

Die entscheidende Frage ist jedoch, ob eine arglistige Täuschung durch B und damit ein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 Var. 1 BGB vorlag. Das LG Coburg führt hierzu aus:

„Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Umstandes handelt arglistig, wer den Umstand kennt oder ihn für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte (BGH, NJW 1995, Seite 1549f.).“

1.      Täuschung

a)      Offenbarungspflicht

Eine Täuschung kann auch durch ein Unterlassen begangen werden. Grundsätzlich muss aber jede Vertragspartei selbst ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Es gibt keine allgemeine Pflicht zur Offenbarung aller Umstände, die für die andere Partei von Bedeutung für den Vertragsschluss sein könnten. Nur ausnahmsweise kommt eine Offenbarungspflicht in Betracht. Ganz im Sinne der Rechtsprechung des BGH[4] verlangt das LG Coburg für das Vorliegen einer solchen, dass

„[…] der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung über den betreffenden. Umstand erwarten darf.“

Ist nun die Tatsache, dass ein grausames Verbrechen in einem Wohnanwesen stattgefunden hat, ein solcher offenbarungspflichtiger Umstand, über den der Vertragspartner Aufklärung erwarten darf? Wie so oft heißt es auch hier wieder „es kommt drauf an“.

b)     Zeitfaktor: Bedeutung eines Verbrechens nimmt mit der Zeit ab

Grundsätzlich ist nach der Überzeugung des Gerichts die Tatsache, dass in einem zum Verkauf stehenden Haus ein Verbrechen stattgefunden hat, schon aufklärungspflichtig. Allerdings spiele der zeitliche Faktor eine entscheidende Rolle,

„[…] da bei objektiver Bewertung die Bedeutung eines derartigen Umstandes für die Kaufentscheidung mit zunehmendem Zeitablauf geringer wird.“

Hier lagen zwischen dem Doppelmord und dem Vertragsschluss gut 20 Jahre. Eine Zeitspanne, die nach Ansicht des Gerichts dazu führt, dass

„[…] über ein so lange zurückliegendes Verbrechen ohne Nachfrage oder ohne Hinzutreten besonderer Umstände […]“

nicht aufgeklärt werden muss. Vorliegend hat weder K nachgefragt, noch lagen besondere Umstände vor, die an der Beurteilung etwas geändert hätten. Es liegt somit schon keine Täuschung vor.

2.      Arglist

Sicherheitshalber und im Hinblick auf das Gewährleistungsrecht taktisch geschickt widmet sich das LG aber auch noch dem Merkmal der Arglist. Arglistig handelt, wie bereits oben erwähnt, nur der,

„[…] der damit rechnet bzw. billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte.“

Das Gericht stellt darauf ab, dass das Verbrechen für B und ihren damaligen Ehemann keine Bedeutung gehabt habe. Dies zeige sich daran, dass beide auch nach Kenntniserlangung noch über ein Jahrzehnt selbst in dem Anwesen gewohnt hätten. Insoweit glaubt das Gericht der B, dass sie sich bei dem Verkauf keine Gedanken über die tragische Geschichte des Hauses gemacht habe.

„Sie hat daher gerade nicht billigend in Kauf genommen, dass die Klägerin den Vertrag bei Kenntnis der entsprechenden Umstände nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.“

B hätte das Verbrechen somit auch nicht arglistig verschwiegen, wenn es sich dabei um einen offenbarungspflichtigen Umstand gehandelt hätte.

3.      Mängelgewährleistungsrechte

Die Frage, ob es sich bei der Geschichte des Hauses um einen Sachmangel handelt, konnte vorliegend unbeantwortet bleiben, da der Kaufvertrag einen Haftungsausschluss für Sach- und Rechtsmängel enthielt

„[…] und somit nur arglistig verschwiegene Mängel entsprechende Gewährleistungsansprüche des Käufers auslösen könnten.“

Mangels Arglist scheiden deshalb auch Gewährleistungsansprüche, wie die Rückabwicklung oder Schadensersatz für vergebens getätigte Aufwendungen, aus.

IV. Fazit

Auch hinter einer reißerischen Überschrift und einem tragischen Doppelmord kann sich am Ende ein klassisches Anfechtungsproblem des BGB-AT verbergen. Eine Offenlegungspflicht des Verkäufers besteht nur in Ausnahmefällen und zwar dann, wenn es sich um Umstände handelt, bei denen der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten darf. Ein solch schweres Verbrechen wie ein Doppelmord ist grundsätzlich ein solcher Umstand. Allerdings nimmt seine Bedeutung nach objektiver Betrachtung mit der Zeit an Bedeutung für die Kaufentscheidung ab. Ohne das Hinzutreten besonderer Umstände ist diese Information mehr als 20 Jahre nach dem Verbrechen nicht mehr unbedingt offenzulegen.

Das Urteil bietet eine hervorragende Grundlage für einen Klausurfall mit dem Schwerpunkt auf der Arglistanfechtung. Ergänzen ließe sich eine Klausur gut durch eine im Originalsachverhalt angelegte Vertretungsproblematik. Bei fortgeschrittenen Klausuren sind auch eine prozessuale Einkleidung sowie die vertiefte Problematisierung des Haftungsausschlusses denkbar.

Das Schema zur Anfechtungsprüfung findet sich hier.

[1] Vgl. m.w.N. MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 119 Rn. 29-34.

[2] BeckOK BGB/Wendtland, 60. Ed. 1.11.2021, BGB § 123 Rn. 40.

[3] Im Ausgangsfall ließ K sich hierbei vertreten, so dass in einer Klausur an dieser Stelle ein Anknüpfungspunkt für stellvertretungsrechtliche Probleme sein kann.

[4] BGH NJW 2001, 64; NJW-RR 1998, 1406; NJW-RR 1991, 439; NJW 1989, 763.

04.03.2022/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2022-03-04 09:25:002022-07-21 09:44:15Keine Hinweispflicht des Verkäufers auf Doppelmord in Wohnhaus: Urteil des LG Coburg vom 06.10.2020 – 11 O 92/20
Dr. Sebastian Rombey

BGH: Neues zum Haftungsausschluss bei (formgebundenen) Kaufverträgen

Examensvorbereitung, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Der BGH hat sich mit Urteil vom 25. Januar 2019 – V ZR 38/18, BeckRS 2019, 11002 mit der Reichweite eines Haftungsausschlusses in einem formgebundenen Kaufvertrag beschäftigt. Da die Frage, ob auch in Verkaufsexposés enthaltene Angaben von einem allgemein formulierten Haftungsausschluss erfasst werden, von grundlegender Bedeutung ist, kann von einer erhöhten Prüfungsrelevanz des Falles ausgegangen werden, zumal der Fall auch klassische kaufrechtliche Probleme wie die umstrittene teleologische Reduktion des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB bei formgebundenen Verträgen oder die Wirksamkeit einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung enthält. Im Einzelnen:
I. Der Sachverhalt in Kürze (dem Tatbestand des Urteils entnommen und vereinfacht)
Mit notariellem Vertrag vom 2. Mai 2013 kauften die Klägerin (K) und ihr Ehemann (E) von der Verkäuferin (V) unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 750.000 €. Abschnitt V Nr. 1 des notariellen Kaufvertrags lautet:
„(…) Die Zulässigkeit einer weiteren Bebauung oder bestimmten Verwendung gehört nicht zur vereinbarten Beschaffenheit des Grundbesitzes.“
In dem Verkaufsexposé dagegen heißt es:
„Es besteht die Erlaubnis, zwei bis drei Pferdeboxen auf dem hinteren Grundstücksteil zu errichte[n]. Daneben gibt es eine angrenzende Weide, die gepachtet werden kann.“
Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen das Grundstück im Oktober 2013 in Besitz. Nachdem sich erwiesen hatte, dass weder eine Baugenehmigung für die Errichtung von Pferdeboxen bestand noch eine solche Bebauung genehmigungsfähig war, erklärten sie den Rücktritt von dem Kaufvertrag und verlangen nun von der Verkäuferin die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück.
II. Die wesentlichen Erwägungen des Fünften Zivilsenats
K, die für sich sowie in Prozessstandschaft für E klagt, könnte einen Anspruch gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück nach erklärtem Rücktritt aus einem Rückgewährschuldverhältnis haben, § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 433, 434, 437 Nr. 2 Alt. 1 BGB.
1. Ein Kaufvertrag zwischen K und V liegt fraglos vor, §§ 433, 311b I BGB.
2. Ferner müsste das Grundstück im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft gewesen sein, § 446 S. 1 BGB.
a) Bzgl. der fehlenden rechtlichen Möglichkeit, Pferdeboxen im hinteren Teil des Grundstück errichten zu können, kommt das Vorliegen eines Sachmangels in Betracht, § 434 BGB. Dafür muss die tatsächliche Ist-Beschaffenheit von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweichen, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Zwar enthält nicht der Kaufvertrag, wohl aber das Verkaufsexposé, das nach § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ebenfalls bei der Mangelfreiheit zu berücksichtigen ist, den Hinweis auf die „Erlaubnis, zwei bis drei Pferdeboxen“ zu errichten. Da dies jedoch in tatsächlicher Hinsicht nicht der Fall ist, liegt ein Sachmangel vor, der bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, namentlich im Moment der Grundstücksübertragung, bestand.
Anmerkung: Ein Rechtsmangel im Sinne des § 435 S. 1 BGB, bei dem Dritte in Bezug auf die Sache Rechte gegen den Käufer geltend machen können, lag hier nicht vor, da es sich bei der fehlenden Baugenehmigung bzw. Genehmigungsfähigkeit der Pferdeboxen um öffentlich-rechtliche Beschränkungen handelt, der Staat als solcher insoweit aber nicht „Dritter“ ist.
b) Gleichwohl könnte man gemeinsam mit Stimmen aus dem Schrifttum annehmen, dass bei formbedürftigen Verträgen eine teleologische Reduktion des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB angezeigt ist, da öffentliche Äußerungen des Verkäufers – wie etwa Verkaufsexposés – gerade nicht der entsprechenden Form des jeweiligen Vertrages unterliegen, sodass zur Vermeidung von Umgehungen der formgebundene Vertrag selbst einen Hinweis auf den Inhalt der öffentlichen Äußerung oder jedenfalls dahingehende Andeutungen enthalten müsse – alles andere sei wertungswidersprüchlich (sog. Andeutungstheorie, vgl. Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233, 239; Herrler, NJW 2017, 152 f.; ausf. BeckOK-BGB/Faust, 51. Ed. 2019, § 434 BGB Rn. 78).
Die Rechtsprechung ist jedoch anderer Ansicht, was der BGH in der vorliegenden Entscheidung abermals bestätigt [Rn. 13]:

„Entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Ansicht […] ist die Vorschrift des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB ohne Einschränkungen auf Grundstückskaufverträge anwendbar; insbesondere ist sie nicht teleologisch dahin zu reduzieren, dass die nach der öffentlichen Äußerung zu erwartende Beschaffenheit im Vertrag einen Niederschlag gefunden haben muss. Das Gesetz unterscheidet zwischen einer von den Vertragsparteien vereinbarten und der gesetzlich vorgegebenen Beschaffenheit der Kaufsache. Die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten kann, zählen zu der nach dem Gesetz geschuldeten Beschaffenheit, wie sich daraus ersehen lässt, dass es in § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB heißt, diese Eigenschaften gehörten zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2. Schon nach der Gesetzessystematik wäre es deshalb fragwürdig, bei beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäften allein die Vorschrift des § 434 Abs.1 Satz 3 BGB – für die Sollbeschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB wird Entsprechendes, soweit ersichtlich, von niemandem vertreten – im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass die öffentliche Äußerung Erwähnung im Vertrag gefunden haben muss.“

Zweifelsohne: Wortlaut und Systematik lassen nur wenig Raum für eine teleologische Reduktion. Doch damit nicht genug [Rn. 14]:

„Vor diesem Hintergrund überzeugt auch der Einwand nicht, dass es wertungsmäßig keinen Unterschied machen könne, ob der Verkäufer Angaben zur Kaufsache in einer öffentlichen Äußerung mache oder, etwa anlässlich der Besichtigung des Grundstücks, nur gegenüber dem Käufer […]. Zwar ist […] zu beurteilen, welche Rechtsfolgen eine Information des Verkäufers über die Kaufsache nach sich zieht (sofern die Haftung hierfür nicht wirksam ausgeschlossen wurde). Der Maßstab ist aber ein jeweils anderer.“

Auch dem ist zuzustimmen: Es kann nicht gleich bewertet werden, wenn der Verkäufer eine Angabe allein gegenüber der Öffentlichkeit tätigt, gegenüber dem Käufer aber eine abweichende und daher vorgehende Äußerung tätigt und diese darüber hinaus auch noch notariell beurkunden lässt. Mit den Worten des BGH [Rn. 14]:

„Eine öffentliche Äußerung des Verkäufers richtet sich an die Öffentlichkeit und prägt die Erwartung an die Beschaffenheit der Sache. Deshalb steht diese Eigenschaft den in § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB bezeichneten Eigenschaften gleich. Wann eine Äußerung des Verkäufers, die nur an den (späteren) Käufer gerichtet war, zu einer vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB führt, ist dagegen eine Frage der Auslegung. Hierzu hat der Senat den Auslegungsgrundsatz entwickelt, dass eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks durch den Verkäufer vor Vertragsschluss, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führt […].“

Damit rekurriert der Senat auf die Vermutung der Vollständigkeit eines formgebundenen Vertrages und lehnt eine teleologische Reduktion mit guten Gründen ab.
c) Allerdings könnte man in Abschnitt V Nr. 1 des notariellen Kaufvertrages eine von den Angaben des Exposés abweichende und diesen vorgehende Beschaffenheitsvereinbarung sehen, die gerade die Zulässigkeit der weiteren Bebaubarkeit des Grundstücks ausnimmt. Anders formuliert: Treffen die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung, kommt es auf § 434 Abs. 1 S. 3 BGB nicht mehr an. Oder besser: Der subjektive Mängelbegriff geht öffentlichen Äußerungen vor.
Darin wiederum liegt ein klassisches Examensproblem: die negative Beschaffenheitsvereinbarung. Eine solche ist indessen richtigerweise unwirksam, da sich die Parteien positiv über das Vorhandensein einer Eigenschaft einigen können, nicht aber auf das Fehlen derselben. Dem liegt der nachvollziehbare Gedanke zu Grunde, dass Verkäufer nicht in der Lage sein sollen, durch die Aufnahme einer langen Liste denkbarer Mängel in den Kaufvertrag eine mögliche Haftung auszuschließen und so das System des Kaufrechts auszuhebeln, das den Mängelbegriff in seinen Mittelpunkt rückt. Eine negative Beschaffenheitsvereinbarung ist daher unbeachtlich.
Der BGH und Teile der Literatur halten eine Unterscheidung zwischen positiven und negativen Beschaffenheitsvereinbarungen dagegen für überflüssig und gehen davon aus, dass beide gleichermaßen wirksam sein können. Sie grenzen danach ab, ob die Kaufsache positiv oder negativ beschrieben wird (dann Beschaffenheitsvereinbarung) oder die Formulierung eher auf einen partiellen Haftungsausschluss hindeutet [Rn. 18]:

„Abzugrenzen ist die Beschaffenheitsvereinbarung allerdings von der auf eine bestimmte Eigenschaft bezogenen Haftungsbeschränkung […]. Regeln die Kaufvertragsparteien, dass eine bestimmte Eigenschaft des Kaufobjekts nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehört, liegt darin keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn es wird kein bestimmter (ggf. auch mangelhafter) Zustand der Kaufsache als vertragsgemäß festgelegt; vielmehr ist eine solche Abrede darauf gerichtet, für eine bestimmte Beschaffenheit nicht einstehen zu wollen.
Gemessen daran handelt es sich bei der Regelung in Abschnitt V Nr. 1 des notariellen Kaufvertrags, wonach die Zulässigkeit einer weiteren Bebauung oder bestimmte Verwendung nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehört, nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine bestimmte Eigenschaft in Bezug auf die Bebauung oder Verwendung des Grundstücks wird gerade nicht vereinbart. Eine gegenüber den Angaben im Exposé vorrangige Beschaffenheitsvereinbarung hätte einen bestimmten Zustand des Grundstücks in Bezug auf die Pferdehaltung zum Gegenstand haben müssen (z.B. ‚Pferdeboxen können nicht errichtet werden‘). Daran fehlt es.“

Damit liegt nach beiden Sichtweisen keine Beschaffenheitsvereinbarung vor (entweder gar keine, oder sie ist nicht wirksam), sodass ein Mangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag, §§ 434, 446 BGB.
3. Gleichwohl könnte der Rücktritt aus anderen Gründen nicht in Betracht kommen. Dann müsste der im Kaufvertrag enthaltene Haftungsausschluss wirksam sein, was sich nach § 444 BGB bemisst. Nach dessen Alt. 1 könnte sich V nicht auf den Haftungsausschluss berufen, wenn er den Sachmangel gegenüber K arglistig (also mindestens mit Eventualvorsatz) verschwiegen hat.
Klausurtipp: Es ist ratsam, diesen Punkt vor die (hier fehlende) Fristsetzung für die Ausübung des Rücktrittsrechts zu ziehen, da es auch bei der Entbehrlichkeit der Fristsetzung auf das Vorliegen von Arglist ankommt, § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB.
Dafür müsste sich der Haftungsausschluss allerdings zunächst einmal überhaupt auf öffentliche Äußerungen des Verkäufers erstrecken, was insoweit fraglich ist, als § 434 Abs. 1 S. 3 BGB dies allein bei Mängeln ausdrücklich anordnet, eine entsprechende Bestimmung in § 444 BGB aber fehlt. Das stört den BGH indes nicht, wohl letztlich, da bei Arglist des Verkäufers eine entsprechende Schutzwürdigkeit nicht gegeben ist [Rn. 21]:

„Der vereinbarte allgemeine Haftungsausschluss erfasst […] auch die nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB zu erwartenden Eigenschaften eines Grundstücks […]“

Das kann man wegen der soeben ins Feld geführten Systematik auch anders sehen. Oder aber man argumentiert mit dem BGH: Wenn § 434 Abs. 1 S. 3 BGB öffentliche Äußerungen unter den Mangelbegriff fasst, muss sich auch ein Haftungsausschluss darauf beziehen können. Mit dieser Problematik muss man sich indes dann nicht mehr näher befassen, wenn der Haftungsausschluss ohnehin unwirksam ist auf Grund von Arglist, unabhängig von der Erstreckung auf die öffentliche Äußerung im Verkaufsexposé. Das ist insoweit naheliegend, als V „ins Blaue hinein“ angegeben hat, eine weitere Bebaubarkeit sei gegeben, ohne seiner Offenbarungspflicht im Hinblick auf bestehende Zweifel nachzukommen [Rn. 22 ff.]:

„Arglistig im Sinne von § 444 BGB handelt bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels, wer einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Sachmangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.
Die Offenbarungspflicht der Beklagten […] ergab sich bereits daraus, dass die unrichtige Angabe in dem Verkaufsexposé über die Zulässigkeit der Errichtung von Pferdeboxen eine Fehlvorstellung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten hervorgerufen hat […]. Die Beklagte […] hielt den Sachmangel auch mindestens für möglich. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war sie damit einverstanden, dass die Angabe zu einer Errichtung von Pferdeboxen in das Exposé aufgenommen wurde, obwohl sie wusste, dass hierfür keine sichere Tatsachengrundlage bestand, nachdem die amtliche Bauakte lediglich „Indizien“ dafür bot, dass eine Bebauung mit Pferdeboxen bauordnungsrechtlich zulässig war.“

Da auch die billige Inkaufnahme vorliegend unproblematisch gegeben war, ist der partielle Haftungsausschluss auf Grund arglistigen Mangelverschweigens unwirksam und erfasst den betreffenden Mangel nicht.
Anmerkung: Im Originalfall hatte ein Makler das Verkaufsexposé verbreitet, da er allerdings auch die entscheidenden Verhandlungen mit K und E führte, muss V sich dessen Wissen zurechnen lassen, § 166 BGB analog.
4. An den weiteren Rücktrittsvoraussetzungen (insbesondere der Nachfristsetzung, die auf Grund von Arglist des V unterbleiben konnte, und der Rücktrittserklärung, § 349 BGB) bestehen keine Bedenken.
Ergebnis: K hat daher nach wirksam ausgeübtem Rücktritt einen Anspruch gegen V aus dem Rückgewährschuldverhältnis auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück.
III. Summa
Die Entscheidung lehrt gleich dreierlei:

  • Der BGH lehnt eine teleologische Reduktion des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB bei formgebundenen Verträgen ab, die Literatur befürwortet sie teilweise.
  • Eine (negative) Beschaffenheitsvereinbarung, die öffentlichen Äußerungen nach § 434 Abs. 1 S. 3 BGB vorgeht, ist von einem partiellen Haftungsausschluss abzugrenzen; liegt nur letzterer vor, sind öffentliche Äußerungen berücksichtigungsfähig.
  • Ein Haftungsausschluss kann sich auch auf öffentliche Äußerungen eines Verkäufers erstrecken; seine Wirksamkeit entfällt aber, wenn eine Offenbarungspflicht Arglist im Sinne von § 444 Alt. 1 BGB begründet.

12.09.2019/1 Kommentar/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2019-09-12 09:01:272019-09-12 09:01:27BGH: Neues zum Haftungsausschluss bei (formgebundenen) Kaufverträgen

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