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Schlagwortarchiv für: NPD

Dr. Maximilian Schmidt

BVerfG: Kein NPD-Verbot – Ein Überblick über die wichtigsten Aussagen

BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Das Urteil des BVerfG vom 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 zum Verbot der rechtsextremen Partei NPD ist nicht nur in der juristischen Welt auf großen Widerhall gestoßen, sondern wird auch in Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert. Im Folgenden sollen die für Studenten der Rechtswissenschaft wichtigsten Thesen des BVerfG dargestellt und erläutert werden. Gerade in einer anstehenden mündlichen Prüfung könnten neben dem Verbotsverfahren auch weitere Fälle rund um die NPD thematisiert werden – sei es die Bezeichnung durch den Bundespräsidenten als „Spinner„, Versammlungsrechtsstreitigkeiten oder die Kündigung im öffentlichen Dienst wegen einer Mitgliedschaft in der NPD. Ein Überblick über die wichtigsten Entscheidungen rund um die NPD findet sich hier. 
I. Die wichtigsten Aussagen des BVerfG
Zunächst stellt das BVerfG fest, dass das Parteiverbot eine Art „ultima ratio“ des Rechtstaats ist. Grundsätzlich soll ein Meinungskampf stattfinden, der auch extreme Ansichten zulässt.

„Das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG stellt die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde dar. Es soll den Risiken begegnen, die von der Existenz einer Partei mit verfassungsfeindlicher Grundtendenz und ihren typischen verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen.“

Mit Bezug zum NPD-Verfahren I, das wegen V-Leuten in der Führungsebene der Partei ebenfalls zur Ablehnung eines Verbots führte (s. unseren Grundlagenartikel), benennt das BVerfG noch einmal den Grundsatz der Staatsfreiheit politischer Parteien sowie die Notwendigkeit eines fairen Verfahrens. Dieses ist jedenfalls dann nicht gewahrt, wenn nicht mehr unterscheidbar ist, ob V-Leute oder echte Parteimitglieder verfassungsfeindliche Ziele verfolgen und dies öffentlich kundtun. Zudem dürfen die von V-Leuten gewonnenen Erkenntnisse über interne Umstände der Partei grundsätzlich nicht im Verbotsverfahren verwendet werden.
Besonders lesenswert sind die Ausführungen des BVerfG zu der Frage, was denn Art. 21 Abs. 2 GG überhaupt unter „freiheitlich demokratischer Grundordnung“ versteht. Insoweit ist eine enge Auslegung vorzunehmen, da andernfalls die Gefahr einer übermäßigen Einschränkung der Meinungsfreiheit drohte. Letztlich sind insoweit nur die schlechthin unabdingbaren Grundprinzipien unserer Verfassung geschützt: Würde des Menschen sowie Demokratie- und Rechtstaatsprinzip.
Ebenfalls von großer Bedeutung für die Prüfung des Art. 21 Abs. 2 GG ist die Frage, wessen Verhalten einer Partei überhaupt zurechenbar ist. Häufig wehren sich extreme Parteien mit der Behauptung, dass bestimmte Äußerungen gerade nicht „von“ der Partei stammten, sondern Einzelmeinungen darstellten. Der Bezug zur Rede des AfD-Politikers Hoecke in Dresden vom Montag ist schnell hergestellt. Das BVerfG differenziert insoweit sauber zwischen verschiedenen Personengruppen:

  • Tätigkeit ihrer Organe, besonders der Parteiführung und leitender Funktionäre sind ohne weiteres zurechenbar.
  • Bei Äußerungen oder Handlungen einfacher Mitglieder ist eine Zurechnung nur möglich, wenn diese in einem politischen Kontext stehen und die Partei sie gebilligt oder geduldet hat.
  • Bei Anhängern, die nicht der Partei angehören, ist grundsätzlich eine Beeinflussung oder Billigung ihres Verhaltens durch die Partei notwendige Bedingung für die Zurechenbarkeit.
  • Eine pauschale Zurechnung von Straf- und Gewalttaten ohne konkreten Zurechnungszusammenhang kommt nicht in Betracht.

Somit dürfte immer eine zumindest konkludente Billigung durch leitende Organe der Partei notwendig sein, um Äußerungen Dritter zurechnen zu können. Im Einzelfall muss dann zwischen einer konkludenten Billigung und einer bloß unterlassenen Distanzierung (die bei Dritten gerade nicht ausreicht) differenziert werden.
Schließlich folgt der Kern der Entscheidung. Hier gibt es Neues, und zwar zu Recht: Eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung einer Partei reicht für die Anordnung eines Parteiverbots allein nicht aus. Die bloße verfassungsfeindliche Gesinnung kann ein Verbot also nicht begründen. Vielmehr ist eine kämpferische Haltung der Partei notwendig. Andererseits muss nicht bereits eine konkrete Gefahr für den Bestand der freiheitliche demokratischen Grundordnung bestehen. Hiermit hat das BVerfG seine Rechtsprechung aus der KPD-Entscheidung ausdrücklich aufgegeben (BVerfG 5, 85), in der es davon ausgegangen war, dass es einem Parteiverbot nicht entgegenstehe, wenn für die Partei nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen kann. Auch der EGMR hatte – wenn auch mit anderer Nuancierung – bereits zu Art. 11 EMRK deutlich gemacht, dass mehr als das bloße Verfolgen verfassungsfeindlicher Ziele für ein Parteienverbot vorliegen müsse (Urt. v. 13.02.2003, Antrag Nr. 41340/98 u.a.). 
Zuletzt tritt das BVerfG noch der Ansicht entgegen, dass die Wesensverwandtschaft einer Partei mit dem Nationalsozialismus eine die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG ersetzende Funktion habe. Eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus könne allein indizielle Bedeutung hinsichtlich der Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele einer Partei entfalten.
II. Fazit: „Erlaubt ist, was schwach ist“
Das Urteil hat ohne Zweifel sowohl juristisch als auch gesellschaftlich Charme: Es wird eindeutig festgestellt, dass die NPD eine Partei ist, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Allerdings fehlt es ihr schlichtweg (zum Glück!) an faktischer Durchsetzungsmacht. Letztlich mag die NPD somit ein Verfahren „gewonnen“ haben, steht aber doch als großer Verlierer da. Die FAZ hat auch den juristischen Kern der Diskussion um ein Verbot der NPD auf den Punkt gebracht: Erlaubt ist, was schwach ist!

20.01.2017/2 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2017-01-20 09:00:182017-01-20 09:00:18BVerfG: Kein NPD-Verbot – Ein Überblick über die wichtigsten Aussagen
Dr. Maximilian Schmidt

(Politische) Äußerungen von Amtsträgern – Was geht, was geht nicht?

Aktuelles, Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Immer wiedern äußern sich Amtsträger zu aktuellen politischen Entwicklungen. Lieblingsziel sind rechte oder gar rechtsradikale Parteien und Demonstrationen. Nimmt man das staatliche Neutralitätsgebot in den Blick, könnte man zunächst davon ausgehen, dass tagespolitische Äußerungen für oder gegen konkrete Parteien, Gruppierungen oder Demonstrationen durch Amtsräger unzulässig sind. Dass es so einfach nicht ist, soll der folgende Beitrag aufzeigen.
I. Äußerungs- und Ausfertigunsverweigerungsrecht des Bundespräsidenten
1. Das Ausfertigungsverweigerungsrecht – häufig ungenau als Prüfungsrecht bezeichnet – des Bundespräsidenten zählt zu den Klassikern der juristischen Examensvorbereitung. Gestritten wird, ob der Bundespräsident die Ausfertigung von Gesetzen nach Art. 82 GG mit politischen, materiellen oder bloß formalen Bedenken verweigern darf. Im Ergebnis sollte man der vermittelnden Meinung folgen, wonach grundsätzlich nur ein Verweigerungsrecht bei formellen Fehlern besteht; ausnahmsweise wird dieses bei evidenten materiell-rechtlichen Verstößen ebenso bejaht (s. unseren Beitrag)
2. Das Äußerungsrecht des Bundespräsidenten ist eine weitere klassische Fallgestaltung. Hier geht es um die Frage, ob und wenn ja, wie der Bundespräsident sich zum aktuellen Tagesgeschehen äußern darf. Zuletzt wurde diese Frage im Zusammenhang mit der Äußerung „Spinner“ seitens Bundespräsident Gauck gegenüber der NPD virulent. Das Bundesverfassungsgericht entschied auf Klage der NPD hin, dass diese Äußerung im Gesamtzusammenhang seiner Aussagen noch zulässig sei (zur Vertiefung, welche dringend empfohlen sei, kann unser ausführlicher Beitrag dienen). Ebenfalls tagesaktuell sind die kritischen Äußerungen Gaucks zur Linkspartei im Zuge der Wahl Bodo Ramelows zum Thüringischen Ministerpräsidenten (s. unseren kurzen Beitrag).
Als Kernaussage des BVerfG lässt sich festhalten, dass die Stellung des Bundespräsidenten, die Chancengleichheit der Parteien und die Neutralitätspflicht von Verfassungsorganen relevant sind. Diese „keywords“ sind Grundlage jeder Argumentation zum Äußerungsrecht. Gerade im Hinblick auf das nicht ausdrücklich erwähnte Rederecht des Bundespräsidenten, das seiner Stellung als Staatsoberhaupt immanent ist, gilt es sich argumentativ mit den Kompentenzen des Bundespräsidenten im Grundgesetz auseinanderzusetzen. Das BVerfG nimmt letztlich lediglich eine Evidenzkontrolle vor:

Nicht mehr mit seiner Repräsentations- und Integrationsaufgabe in Einklang stehen Äußerungen, die keinen Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung leisten, sondern ausgrenzend wirken, wie dies grundsätzlich bei beleidigenden, insbesondere solchen Äußerungen der Fall ist, die in anderen Zusammenhängen als „Schmähkritik“ qualifiziert werden (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014  2 BvE 4/13 , juris, Rn. 29). Abgesehen davon können Äußerungen des Bundespräsidenten über eine Partei verfassungsgerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob er unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsfunktion und damit willkürlich Partei ergriffen hat (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014,  2 BvE 4/13 , juris, Rn. 30).

II. Äußerungsrecht von Bundesministern
Examensrelevant sind zudem Äußerungen von Bundesministern zu anderen politischen Parteien. Im vom Bundesverfassungsgericht  mit Urteil vom 16. Dezember 2014 – Az. 2 BvE 2/14 entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob Familienministerin Schwesig durch ein Zeitungsinterview die Rechte der NPD aus Art. 21 GG verletzt hat.
1. Sachverhalt
Familienministerin Schwesig äußerte sich anlässlich der Verleihung des Thüringer Demokratiepreises am 25. Juni 2014 in einem in der Thüringischen Landeszeitung (TLZ) erschienenen Interview. In dem Interview ging es unter anderem um den Kampf der Bundesregierung gegen den Rechtsextremismus und ein dafür vorgesehenes Demokratieprogramm des Bundes, das von der Antragsgegnerin verantwortet wird.

„Das Gefährliche an der NPD ist, dass sie versucht, ihr Molotow-Cocktail-Image abzulegen. Sie kommt nicht mehr mit Springerstiefeln und Glatzen daher, sondern im feinen Nadelstreifenanzug. Sie tut so, also ob sie sich sozial engagiert. Aber dahinter versteckt sich die Ideologie von Hitler – und jedes Parlament muss sich beraten, wie es damit umgeht. Meine Erfahrung aus dem Landtag in Mecklenburg-Pommern ist: der Antrag wird abgelehnt und ein Demokrat spricht für alle demokratischen Fraktionen, um dabei deutlich zu machen, dass der Antrag nur vermeintlich soziales Engagement ist und dahinter etwas anderes steckt. Das hat sich in Schwerin bewährt – und kann ein Beispiel sein. Aber ich werde im Thüringer Wahlkampf mithelfen, alles dafür zu tun, dass es erst gar nicht so weit kommt bei der Wahl im September. Ziel Nummer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt.“

Die NPD (Antragsstellerin) richtet ihren Antrag gegen die letzten beiden Sätze, da die Familienministerin mit dieser Äußerung ihre parteipolitische Neutralität und somit das Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 GG verletzt habe. Die NPD war bereits mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem BVerfG gescheitert (v. 15. Juli 2014 – 2 BvE 2/14).
2. Rechtserwägungen
a) Keine Übertragbarkeit der Maßstäbe, die für Bundespräsidenten gelten, auf Bundesminister

Im Unterschied zur Bundesregierung und deren Mitgliedern steht der Bundespräsident weder mit den politischen Parteien in direktem Wettbewerb um die Gewinnung politischen Einflusses noch stehen ihm in vergleichbarem Umfang Mittel zur Verfügung, die es ermöglichten, durch eine ausgreifende Informationspolitik auf die Meinungs- und Willensbildung des Volkes einzuwirken (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014  2 BvE 4/13 , juris, Rn. 27). Der Bundespräsident kann vor diesem Hintergrund weitgehend frei darüber entscheiden, bei welcher Gelegenheit und in welcher Form er sich äußert.

b) Neutralitätsgebot
Die Bundesministerin könnte mit ihrer Äußerung das Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 GG verletzt haben. Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass Staatsorgane aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung grundsätzlich nicht als solche zugunsten oder zulasten einer Partei in den Wahlkampf eingreifen dürfen (sog. Neutralitätsgebot, s. hierzu unseren Beitrag; vgl. auch BVerfGE 44, 125, 146; 63, 230, 243 f.; BVerfG, 2 BvE 4/13 , juris, Rn. 25). Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass gerade Minister regelmäßig selbst Parteimitglieder sind und als solche in den Wahlkampf einwirken können müssen. Das BVerfG geht sogar noch einen Schritt weiter:

Jedoch ist zu berücksichtigen, dass Politiker, insbesondere wenn sie ein Staatsamt bekleiden, vor Wahlen nicht alle Auftritte in der Öffentlichkeit meiden können. Mitglieder der Bundesregierung sind daher grundsätzlich befugt, sich auch im Wahlkampf in amtlicher Funktion über die Medien an die Öffentlichkeit zu wenden (vgl. BVerfGE 44, 125 <154 f.>), haben dabei aber die Chancengleichheit der Parteien zu beachten.

Wichtig ist an dieser Stelle zunächst zu fragen, in welcher Funktion Schwesig das Interview gegeben hat („Amtsbezug“). Je mehr das Amt Grundlage der Äußerung war, desto eher ist diese unzulässig.Maßgeblich ist bei Ministern also, ob die Äußerungen tatsächlich als Staatsorgan getätigt wurden und wenn ja, welche Eingriffsintensität sie haben. Bei gemischter Tätigkeit (z.B. Interview/Talkshow, bei denen schlichtweg nicht jede Äußerung vorher zugeordnet werden kann) als Staatsorgan und Parteipolitiker ist eine Gewichtung der Umstände im Einzelfall notwendig. So wird die Parteitagsrede Angela Merkels kaum gegen das Neutralitätsgebot verstoßen können, Äußerungen bei Günter Jauch sind abhängig vom jeweiligen Kontext, während Einlassungen auf Bundespressekonferenzen die Vermutung eines Verstoßes in sich tragen.
Hier ist zu berücksichtigen, dass Schwesig sich im unmittelbaren Zusammenhang zu einem vom Bund initiierten Programm gegen Rechtsextremismus äußerte, weswegen davon auszugehen ist, dass sie jedenfalls auch in staatlicher Funktion aktiv war. Jedoch handelte es sich nur um ein Interview, nicht etwa um die Inanspruchnahme hoheitlicher Funktionen oder Zuwendung von Geldleistungen. Zudem berief sie sich nicht ausdrücklich auf ihr Amt, sondern sprach nur von ihrer eigenen Person und subjektiven Eindrücken. Sie machte auch nicht von Staatssymbolen oder Hoheitszeichen Gebrauch. Das Tätigwerden ist also als eher wenig eingriffsintensiv einzuordnen. Daher lehnte das BVerfG letztlich eine Verletzung des Neutralitätsgebotes sowie der Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 GG ab.
III. Äußerungsrecht von Bürgermeistern
Last but not least von großer Relevanz im juristischen Staatsexamen sind Äußerungen von Bürgermeistern zum aktuellen Tagesgeschehen. Jüngst ließ der Düsseldorfer Oberbürgermeister mit der Entscheidung aufhorchen, die Lichter der Stadt auszuschalten um gegen DÜGIDA, einen Ableger von PEGIDA, zu protestieren. Zugleich veröffentlichte er einen Aufruf an die Bevölkerung  auf den städtischen Internetseiten diesem Beispiel zu folgen. Andere Fälle sind denkbar, bspw. Aufrufe „gegen Rechts“ oder konkret gegen „rechte Parteien“.
Das VG Düsseldorf entschied erstinstanzlich, dass der Aufruf „Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz“ von der Internetseite www.duesseldorf.de zu entfernen sei, da dieser gegen das Neutralitätsgebot verstoße. Die Beschwerde des Oberbürgermeisters hatte Erfolg, weswegen die Organisatoren nunmehr vor dem OVG NRW einen Eilantrag auf Entfernung des Aufrufs stellten. Dieses führt aus: (s. Pressemitteilung):

Der Senat könne in der Kürze der ihm für die Beschwerdeentscheidung zur Verfügung stehenden Zeit nicht feststellen, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiege. Der Fall werfe die schwierige Frage nach der Geltung und Reichweite des für Amtswalter geltenden Neutralitätsgebots in politischen Auseinandersetzungen außerhalb von Wahlkampfzeiten und ohne Beteiligung politischer Parteien auf. Zulässigkeit und Grenzen von staatlichen Aufrufen an die Bevölkerung zu Kundgebungen oder ähnlichen politischen Aktionen seien jedoch bislang in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt. Bei dieser Sachlage sehe der Senat keine Veranlassung zum Erlass der begehrten einstweiligen Regelung. Zwar werde die Antragstellerin durch den Aufruf des Oberbürgermeisters in ihren Grundrechten berührt. Sie könne ihre Versammlung aber wie geplant durchführen.

Dies kann praktisch wenig überzeugen – zudem müsste in einer Klausur eine Entscheidung getroffen werden. Hier muss mit dem staatlichen Neutralitätsgebot argumentiert werden, vergleichbar dem der Bundesminister. Gegen die Zulässigkeit der Äußerungen spricht, dass sie auf der städtischen Internetseite getätigt werden, somit staatliche Mittel im politischen Meinungskampf verwendet werden. Zudem handelt es sich um einen konkreten Aufruf an die Bürger, der allein deswegen schon deutlich intensiver ist als bloße Wertungen. Vieles spricht daher gegen die Zulässigkeit eines solches Aufrufs.
IV. Äußerungsrechte als argumentatives Spielfeld

Wir sehen: argumentativ kann sich auf dem Spielfeld „Äußerungsrecht von Amtsträgern“ ausgetobt werden. Vieles ist mit guter Argumentation vertretbar. Hierzu sollte man sich mit den Anforderungen des Neutralitätsgebotes und der Chancengleichheit der Parteien auseinandergesetzt werden.
15.01.2015/7 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-01-15 10:00:582015-01-15 10:00:58(Politische) Äußerungen von Amtsträgern – Was geht, was geht nicht?
Redaktion

Notiz: VGH Mannheim: Stadthallen-Fall reloaded

Rechtsprechung, Startseite

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des VGH Mannheim (Urteil v. 17.10.2014 – Az. 1 S 1855/14)  hat sich das Gericht mit der Frage beschäftigt, ob der Partei NPD die Nutzung der Stadthalle in der Stadt Weinheim zur Veranstaltung ihres Bundesparteitages zu gewähren war. Die NPD hatte sich nach Ablehnung durch die Stadt Weinheim im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes an das VG Karlsruhe gewandt, unterlag dort aber ebenfalls. Der VGH hat nun die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt.
In der Pressemitteilung heißt es dazu:

Das VG Karlsruhe lehnte den Eilantrag ab. Der Bundesparteitag hielte sich zwar im Rahmen des Widmungszwecks der Stadthalle, wie er in der Benutzungsordnung festgelegt sei. Die Antragstellerin habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin die Stadthalle schon für vergleichbare Veranstaltungen zur Verfügung gestellt und sich dadurch in ihrer Verwaltungspraxis entsprechend gebunden habe.

Die Begründung, die Stadthalle sei bisher noch nicht für nichtöffentliche Parteiveranstaltungen genutzt worden, reicht zwar nicht aus, um der NPD die Nutzung zu verwehren:

Wenn sich eine geplante Veranstaltung – wie hier der Bundesparteitag der NPD – im Rahmen des in der Benutzungsordnung einer Stadthalle ausdrücklich bestimmten Widmungszwecks halte, könne ein Anspruch auf Überlassung der Stadthalle allerdings nicht mit der Begründung versagt werden, dass dort noch keine vergleichbaren nichtöffentlichen Parteiveranstaltungen stattgefunden hätten.

Allerdings war Stadthalle für die in Frage kommenden Zeiträume aus tatsächlichen Gründen nicht verfügbar

Der geltend gemachte Überlassungsanspruch scheitert nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs jedoch daran, dass die Stadthalle zu den fraglichen Terminen unter Beachtung des Prioritätsprinzips bereits für andere, ebenfalls im Rahmen des Widmungszwecks liegende Veranstaltungen vergeben worden bzw. geschlossen sei. Die Antragsgegnerin habe plausibel dargelegt, dass die Stadthalle am 01./02.11.2014 geschlossen sei und für keinerlei Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werde. Für die hilfsweise beanspruchten Termine habe die Antragsgegnerin nachvollziehbar dargelegt, dass die jeweiligen Reservierungen zeitlich vor der Anfrage der Antragstellerin im Februar 2014 vorgenommen worden seien.

Fazit
Die sog. Stadthallen-Fälle sind absolute Prüfungsklassiker im ersten und zweiten Staatsexamen, da sich eine Vielzahl von Problemen abprüfen lassen, und sollten daher beherrscht werden. Auf den hiesigen Fall bezogen wäre es beispielsweise denkbar, in der Klausur die Benutzungsordnung abzudrucken und den Prüfling den Widmungszweck herausarbeiten zu lassen. Daneben können aber noch zahlreiche andere Aspekte in die Fallprüfung eingebaut werden, eine instruktive Übersicht findet ihr hier.
 
 

18.10.2014/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-10-18 18:55:372014-10-18 18:55:37Notiz: VGH Mannheim: Stadthallen-Fall reloaded
Dr. Christoph Werkmeister

OVG Koblenz: NPD-Mitglied zu Recht aus Ausschuss abberufen

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Verwaltungsrecht

Wir berichteten bereits im Januar 2013 über ein äußerst examensrelevantes Urteil des VG Neustadt, das sich mit der Abberufung eines NPD-Mitglieds aus einem Kreisausschuss befasste. Das VG bejahte seinerzeit die Rechtmäßigkeit der Entscheidung. In der Berufungsinstanz wurde das respektive Urteil mit der Berufung beim OVG Koblenz angegriffen (Beschluss vom 07.08.2013, Az. 10 A 10430/13.OVG). Das OVG bestätigte – zumindest unter Zugrundelegung des hiesigen Sachverhalts – die Entscheidung des VG.
Mit der aktuellen Entscheidung des OVG dürfte sich die Examenrelevanz der im Urteil diskutierten rechtlichen Fragestellung noch einmal signifikant erhöhen, so dass die Lektüre der erstinstanzlichen Entscheidung im Volltext durchaus angeraten sei (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 28.01.2013 – 3 K 845/12.NW).
Sachverhalt und Entscheidung
Die Pressemitteilung des erstinstanzlich zuständigen VG Neustadt fasst den Sachverhalt sowie die wesentlichen Entscheidungssgründe konzis zusammen:

Das VG Neustadt hat entschieden, dass die Entscheidung des Kreistages des Landkreises Südwestpfalz, eines seiner Mitglieder, das der NPD angehört, als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss des Landkreises Südwestpfalz abzuberufen, rechtmäßig war ().
Nach Auffassung des VG Neustadt ist die Entscheidung des Kreistages, den Kläger als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss abzuberufen, rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sei ein Beisitzer von seinem Amt abzuberufen, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt habe. Dies sei hier der Fall. Ein Beisitzer im Kreisrechtsausschuss übe ein Ehrenamt aus und unterliege deshalb gegenüber dem Landkreis einer besonderen Treuepflicht. Der Kreisrechtsausschuss sei weisungsunabhängig und überprüfe das vom Bürger beanstandete Verhalten der Verwaltung auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit. Insofern übe er hoheitliche Gewalt aus. Die Stellung des von Weisungen des Landkreises unabhängigen Beisitzers des Rechtsausschusses sei derjenigen eines ehrenamtlichen Richters angenähert. Dieser unterliege jedoch einer Pflicht zur besonderen Verfassungstreue. Da der Beisitzer dasselbe Stimmrecht wie der vorsitzende Landrat bzw. dessen Vertreter habe, dieser aber die Gewähr dafür bieten müsse, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, müsse dies ebenso für die Beisitzer gelten. Der Kläger biete diese Gewähr aber nicht. Er sei langjähriges Mitglied in der NPD, einer rechtsextremen Partei, und nehme dort eine herausgehobene Funktion wahr. So gehöre er als NPD-Mitglied dem Kreistag des Landkreises Südwestpfalz. Er trete als Organisator rechtsextremistischer Demonstrationen und Veranstaltungen in Erscheinung und berichte auf den Seiten des NPD-Kreisverbandes Westpfalz und der “Pfalzstimme”, deren Herausgeber er sei, über aktuelle politische Themen und Veranstaltungen der NPD sowie anderer rechtsextremistischer Organisationen. Bei Kundgebungen verunglimpfe er die Bundesrepublik öffentlich als “Bananenrepublik”, “BRD-Regime” und “Besatzer-Regime”.
Zwar habe es bisher keine aktenkundigen Beanstandungen aufgrund seines Verhaltens in Sitzungen des Kreisrechtsausschusses gegeben. Jedoch stelle auch ein außeramtliches Verhalten eines Beisitzers eine Amtspflichtverletzung dar, wenn durch dessen gezeigtes Verhalten sein Ansehen in einem solchen Maße erschüttert werde, dass seine Vertrauenswürdigkeit ausgeschlossen werde. Davon sei hier auszugehen. Der Kläger habe mehrfach mit E-Mails die Betriebsabläufe in der Kreisverwaltung gestört, um Arbeitskraft zu binden und zu provozieren. Ferner habe der Kläger einen Beitrag in der “Pfalzstimme” verfasst (“NPD legt Bürokratie in der Südwestpfalz lahm”), in dem er seine negative Einstellung zur Kreisverwaltung eindeutig zu erkennen gegeben habe. Mit diesem Artikel habe er ebenfalls gegen die Treuepflicht verstoßen. Es sei aufgrund einer Gesamtschau nicht anzunehmen, dass der Kläger seiner Aufgabe im Rechtsausschuss unvoreingenommen (z.B. Ausländer betreffend) und offen für unterschiedliche Auffassungen und Überzeugungen nachzukommen vermöge. Das Ansehen des Rechtsausschusses als von Weisungen unabhängiges Kontrollorgan bei der Kreisverwaltung sei daher in hohem Maße gefährdet.

Prozessuales
In prozessualer Hinsicht stellt hier u.a. die statthafte Klageart einen Schwerpunkt bei der Prüfung der Zulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen die Abberufungsentscheidung des Kreisrechtsausschusses dar. Die statthafte Klageart hängt davon ab, ob man den Ausschluss als Verwaltungsakt iSd § 35 S. 1 VwVfG qualifizieren kann. Insbesondere ist fraglich, ob die dafür erforderliche Außenwirkung vorliegt. Dies wäre nur dann der Fall, sofern der Ausschluss als Beisitzer den Inhaber des Ehrenamtes auch außerhalb seiner organschaftlichen Funktion, mithin im verwaltungsexternen Bereich, tangiert. Das VG Neustadt führt hierzu etwa aus:

Der Beschluss des Kreistages oder Stadtrates ergeht gegenüber dem abberufenen  Mitglied als hoheitliche Maßnahme mit Regelungscharakter. Denn der Abberufene verliert seine Stellung als Beisitzer des Kreis- oder Stadtrechtsausschusses. Dieser Maßnahme kommt auch die für einen Verwaltungsakt charakteristische Außenwirkung zu. Denn der Verlust der Stellung als Beisitzer des Rechtsausschusses trifft den Betroffenen in seinem Recht auf ehrenamtliche Tätigkeit als Beisitzer des Kreis- oder Stadtrechtsausschusses (vgl. § 9 Abs. 3 AGVwGO) und damit als Bürger, der ein Ehrenamt bekleidet (vgl. Oster/Nies, Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz, Kommentar, § 11 AGVwGO, Anm. 3; Stamm/Lukas in Gabler/Höhlein u.a., Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Stand: Dezember 2012, § 28 GemO, Anm. 4.1).
Im vorliegenden Fall ändert an der Einordnung des Beschlusses des Kreistages des Südwestpfalz Kreises vom 18. Juni 2012 als Verwaltungsakt die Mitgliedschaft des Klägers im Kreistag des Südwestpfalz Kreises nichts. Denn der Kläger ist durch diesen Kreistagsbeschluss nicht in seiner Stellung als Kreistagsmitglied und damit als Teil des Landkreisorgans Kreistag (§ 21 Abs. 1 LKO) betroffen. Seine Rechtsstellung als Kreistagsmitglied bleibt von der angegriffenen Entscheidung des Kreistages gänzlich unberührt.

Eine andere Ansicht ist an dieser Stelle indes gut vertretbar. Es lässt sich insofern durchaus argumentieren, dass vorliegend lediglich die organschaftliche Position als solche und nicht etwa weitere subjektive öffentliche Rechte in Frage stehen. Das Vorliegen der Außenwirkung i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG wäre bei dieser Argumentation zu verneinen.  Da es dann an einem Verwaltungsakt fehlen würde, wäre die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO nicht die statthafte Klageart. Vielmehr wäre dann eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO einschlägig und zwar gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (und damit Rechtsfolgenlosigkeit) des Kreistagsbeschlusses.
Der letztgenannte Weg ist – auch wenn die Gerichte dies gut vertretbar anders entschieden haben – zumindest aus klausurtaktischer Sicht vorzugswürdig. Der Fall bietet so nämlich Gelegenheit, sich im Übrigen noch mit den besonderen Zulässigkeitsproblemen des sog. Kommunalverfassungsstreites zu befassen, was bei Annahme einer Anfechtungsklage fehlgehen würde. Einen umfassenderen Überblick zu den relevanten prozessualen Problemen des Kommunalverfassungsstreites bietet dieser instruktive Beitrag.
Kontext
Die Entscheidung reiht sich nahtlos in die bereits bestehende Judikatur zu nachteiligen Folgen durch die NPD-Mitgliedschaft ein. Das Urteil ist aufgrund der prozessualen sowie materiellrechtlichen Hürden als enorm examensrelevant zu bezeichnen und wird ganz sicher in nächster Zeit Gegenstand von Klausuren des ersten sowie des zweiten Staatsexamens sein. Aus diesem Grunde sei – wie Eingangs bereits erwähnt – ausnahmsweise die Lektüre der Entscheidungsgründe im Volltext empfohlen.
Um sich mit dem breiten Kontext der übrigen examensrelevanten Entscheidungen in diesem Zusammenhang vertraut zu machen, sei zudem die Lektüre der folgenden weiterführenden Artikel sehr empfohlen:

  • Entzug einer Waffenbesitzkarte wegen NPD-Mitgliedschaft
  • Kündigung im öffentlichen Dienst wegen NPD-Mitgliedschaft
  • Gleichbehandlung bei Ausübung des Hausrechts gegen ein NPD-Mitglied
  • Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfeger wegen NPD-Mitgliedschaft

19.08.2013/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-08-19 08:11:402013-08-19 08:11:40OVG Koblenz: NPD-Mitglied zu Recht aus Ausschuss abberufen
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuelle examensrelevante verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung

Kommunalrecht, Rechtsprechung

In den letzten Tagen ist wieder eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemkreisen durch die verwaltungsgerichtliche Judikatur gegangen. Kandidaten, für die bald die mündliche Prüfung ansteht, sollten sich deshalb mit den im Folgenden genannten Themen einmal kurz auseinandergesetzt haben. Daneben ist es zumindest denkbar, dass die Sachverhalte zu gegebener Zeit auch als Aufhänger in Klausuren für das erste sowie zweite Staatsexamen Eingang finden werden. Da die Pressemitteilungen der genannten Fälle die jeweils einschlägige Problematik bereits ausreichend erläutern, werden im Folgenden lediglich Auszüge aus den respektiven Mitteilungen zitiert, wobei jeweils am Ende auf weiterführende Lektüre hingewiesen wird.
OVG Koblenz: Voraussetzungen für den Ausschluss eines Ratsmitglieds aus dem Stadtrat (Urteil vom 15.03.2013 – 10 A 10573/12.OVG)

Der Stadtrat von Trier durfte den Kreisvorsitzenden der Trierer NPD aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aus dem Rat ausschließen. Der Ausschluss des Klägers aus dem Stadtrat gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 GemO Rheinland-Pfalz sei rechtmäßig gewesen. Insbesondere verstoße diese Vorschrift, wonach ein nach seiner Wahl rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteiltes Ratsmitglied vom Gemeinderat ausgeschlossen werden kann, wenn es durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt hat, bei verfassungskonformer Auslegung nicht gegen die verfassungsrechtlich gewährleisteten Wahlgrundsätze der Allgemeinheit, Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl. Zwar stelle der Ausschluss aus dem Gemeinderat, durch den die Zusammensetzung eines gewählten Organs nach Abschluss des eigentlichen Wahlvorganges verändert werde, einen Eingriff in diese Wahlgrundsätze dar. Denn diese würden auch für das passive Wahlrecht gelten und das Recht gewährleisten, eine Wahl anzunehmen und das errungene Mandat auszuüben. Der Eingriff sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. § 31GemO Rheinland-Pfalz diene dem Schutz des Ansehens der Gemeindevertretung, sofern dadurch die verfassungsrechtlich gewährleistete Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung betroffen sei.
Nichts anderes ergibt sich für das OVG aus dem Umstand, dass der Bundesgesetzgeber nach § 45 Abs. 1 und 4 StGB erst bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen eines Verbrechens einen den Verlust öffentlicher Ämter rechtfertigenden Ansehensverlust von Straftätern annehme und im Kommunalrecht der anderen Bundesländer vergleichbare Regelungen über den Ausschluss von Mitgliedern aus dem Gemeinderat fehlten.

Es handelt sich hierbei (mal wieder) um eine kommunalrechtliche Entscheidung, bei der (vermeintliche) Benachteiligungen der NPD im Vordergrund stehen. Die Entscheidung ist insbesondere deshalb interessant, da eine landesrechtliche Gemeinderechtsnorm am Maßstab der Wahlrechtsgrundsätze gemessen wird. Zudem stellt der argumentative Rekurs auf die Vorschrift des § 45 StGB eine Möglichkeit dar, um auch im weiteren systematischen Kontext zu punkten. Ähnliche Entscheidungen wurden bereits häufiger bei uns besprochen, weswegen an dieser Stelle auf die damaligen Beiträge verwiesen sei (s. dazu etwa hier, kürzlich auch hier sowie hier).
OVG Rheinland-Pfalz: Trauermarsch der NPD am Volkstrauertag (Urteil vom 20.03.2013 – 7 A 11277/12.OVG)

Die NPD hatte für den 13.11.2011 – den Volkstrauertrag – einen Trauermarsch mit etwa 40 Teilnehmern von Haßloch nach Böhl-Iggelheim angemeldet. Die Veranstaltung sollte nach ihren Angaben anlässlich des Volkstrauertages zum Gedenken an die in den Kriegen gefallenen Soldaten und Zivilisten sowie die in Böhl-Iggelheim umgekommenen deutschen Gefangenen des dortigen alliierten Gefangenenlagers stattfinden. Es war beabsichtigt Fahnen, Stellschilder, ein Handmegaphon, eine transportable Lautsprecheranlage, ein Lautsprecherfahrzeug, Fackeln und Transparente mitzuführen. Verschiedene Redner sollten zu Wort kommen und Flugblätter verteilt werden. Der beklagte Landkreis Bad Dürkheim verbot die Versammlung, weil sie gegen den Schutz des Volkstrauertages nach dem Feiertagsgesetz verstoße. Der sich über 5 km erstreckende Marsch mit Kundgebungsmitteln widerspreche dem Charakter des Volkstrauertages als Tag der Trauer und des stillen Gedenkens. Es sei auch mit Gegendemonstrationen und daher mit einem entsprechenden Polizeiaufgebot zu rechnen. Dies störe die Feiertagsruhe empfindlich. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht war das Verbot der Versammlung rechtswidrig. Zwar habe der angemeldete Trauermarsch in seiner konkreten Ausgestaltung gegen das Feiertagsgesetz verstoßen. Dieses schütze den Volkstrauertag, der als Gedenktag für die Toten der beiden Weltkriege und die Opfer des Nationalsozialismus zu den wenigen stillen Feiertagen gehöre, besonders, indem es neben dem Verbot von Sport- und Tanzveranstaltungen öffentliche Versammlungen untersage, die nicht dem Charakter des Feiertags entsprächen. Die während der mehrstündigen Versammlung vorgesehene Verwendung eines Handmegaphons, einer transportablen Lautsprecheranlage und eines Lautsprecherfahrzeugs habe nicht zu Trauer und stillem Totengedenken beigetragen, sondern im Gegenteil das Gedenken der Bevölkerung empfindlich gestört. Das angeordnete Verbot des Trauermarschs sei jedoch unverhältnismäßig gewesen. Denn der genannte Verstoß gegen das Feiertagsgesetz hätte – ebenso wie etwaige weitere Verstöße – durch die Erteilung von Auflagen bezüglich der vorgesehenen Hilfsmittel sowie gegebenenfalls der Reden und Flugblätter abgewehrt werden können. Der Trauermarsch als solcher habe einen inhaltlichen Bezug zum Volkstrauertag und zum Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege gehabt. Er habe daher nach seinem Anlass dem Charakter des Feiertags keinesfalls widersprochen. Wenn es wegen Gegendemonstranten etwa im Hinblick auf ihre Anzahl und ihr – unfriedliches – Verhalten eines größeren Polizeiaufgebots bedurft haben sollte, wäre die Störung der Feiertagsruhe von den Gegendemonstranten ausgegangen und könne dem Kläger nicht zugerechnet werden.

Mal wieder eine versammlungsrechtliche Entscheidung, wobei insbesondere in materiellrechtlicher Sicht die Voraussetzungen eines Versammlungsverbots nach § 15 Abs. 1 VersG zu prüfen waren. Bei der Frage, ob von der Versammlung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausging (hier in Form der Rechtsordnung, namentlich des Landesfeiertagsgesetzes), galt es die Besonderheiten des o.g. Sachverhalts zu beachten. Die Vorschrift des § 15 VersG ist hierbei zudem im Lichte der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Um sich die Systematik und Prüfung eines Versammlungsverbotes zu vergegenwärtigen, sei im Übrigen auf ausführlicheren Beitrag zu § 15 VersG in einem anderen examensrelevanten Einzelfall verwiesen (siehe dazu hier).

14.04.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-04-14 08:37:262013-04-14 08:37:26Aktuelle examensrelevante verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuelle examensrelevante öffentlich-rechtliche Themen

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

In den letzten Tagen ist wieder eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemkreisen durch die Judikatur gegangen. Kandidaten, für die bald die mündliche Prüfung ansteht, sollten sich deshalb mit den im Folgenden genannten Themen einmal kurz auseinandergesetzt haben. Daneben ist es zumindest denkbar, dass die folgenden Sachverhalte zu gegebener Zeit auch als Aufhänger in Klausuren für das erste sowie zweite Staatsexamen Eingang finden werden. Da die Pressemitteilungen der genannten Fälle die jeweils einschlägige Problematik bereits ausreichend erläutern, werden im Folgenden lediglich Auszüge aus den respektiven Mitteilungen zitiert, wobei jeweils am Ende auf weiterführende Lektüre hingewiesen wird.
VerfGH Sachsen: NPD darf mit ins Ausland (Vf. 95-I-12)

Das Landtagspräsidium hatte beschlossen, auf eine Schweiz-Reise im April 2013 zwölf Abgeordnete mitzunehmen – jedoch niemanden von der NPD. Derartige Reisen dienten weniger der politischen Willensbildung, als der Pflege menschlicher Kontakte und der Darstellung Sachsens als weltoffenes, tolerantes Land, hatte das Präsidium argumentiert. Außerdem müssten die Kosten begrenzt werden. Die NPD beklagte dagegen eine systematische Ausgrenzung.
Das Gericht urteilte: „Bei einer Delegationsstärke von zwölf Personen verstößt die Nichtberücksichtigung der NPD-Fraktion gegen das verfassungsmäßige Recht auf formale Chancengleichheit aller Fraktionen“. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs verstößt die Nichtberücksichtigung der NPD-Fraktion bei einer Delegationsstärke von zwölf Personen gegen das verfassungsmäßige Recht auf formale Chancengleichheit aller Fraktionen. Das in Art. 39 Abs. 3 SächsVerf garantierte Recht auf formale Gleichbehandlung der Fraktionen erfasse auch die Mitwirkungsbefugnisse an parlamentarischen Aufgaben, die im weiteren Sinne der politischen Willensbildung dienen. Die Entsendung einer Delegation zu einem ausländischen Parlament sei eine solche parlamentarische Angelegenheit des Landtags. Die Länder verfolgten u.a. über den Austausch von Delegationen ihre eigenen auswärtigen Interessen. Die Besuche dienten dem interparlamentarischen Erfahrungsaustausch und im weiteren Sinne auch der Außendarstellung des Parlaments. Werde der Landtag bei derartigen parlamentarischen Angelegenheiten durch eine Personenmehrheit repräsentiert, müsse daher grundsätzlich jede Fraktion an dieser Personenmehrheit beteiligt werden. Für eine Abweichung von diesem Beteiligungsgebot seien sachlich hinreichend tragfähige Gründe weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Insbesondere stelle das von der Antragsgegnerin herangezogene Interesse an einer Kostenbegrenzung vorliegend keine hinreichende Rechtfertigung dar, da die Antragstellerin beteiligt werden könne, ohne dass Mehrkosten entstünden. Entscheide das Landtagspräsidium, zumindest so viele Teilnehmer zu entsenden wie Fraktionen bestehen, gebiete das Recht auf Gleichbehandlung, dass ein Verteilungsschlüssel angewandt werde, der grundsätzlich jeder Fraktion eine Teilnahme ermögliche.

Die Entscheidung reiht sich nahtlos ein in eine Vielzahl an Judikaten, die vermeintliche Diskriminierungen zulasten der NPD betreffen. Äußerst examensrelevant sind in diesem Kontext die Fälle des Hausverbots von NPD-Mitgliedern aufgrund des Tragens von Marken, die eine besondere Zugehörigkeit zur rechten Szene aufweisen (siehe dazu hier). Aktuell, und damit auch besonders für die mündliche Prüfung relevant, sind zudem jegliche Probleme rund um das in der Tagespresse brisant diskutierte Parteiverbotsverfahren der NPD (siehe dazu insbesondere hier und hier).
AG Schöneberg: Verbot gemeinschaftlicher Adoption durch beide Partner eingetragener Lebensgemeinschaft verfassungswidrig (24 F 172/12)

Das AG Schöneberg hat in zwei Familiensachen, bei denen es um die Adoption von jetzt volljährigen bisherigen Pflegekindern durch die Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft geht, das Verfahren ausgesetzt und die Verfahren dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Die gegenwärtigen rechtlichen Regelungen, nach denen die gemeinschaftliche Adoption durch Lebenspartner abweichend von der Regelung für Ehegatten verboten sei, seien mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig, so das Amtsgericht in den beiden gleichlautenden Beschlüssen. Ein genereller Vorrang verschiedengeschlechtlicher Elternschaft gegenüber gleichgeschlechtlicher Elternschaft sei nicht begründbar.

Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des vorgenannten Adoptionsverbots eignet sich hervorragend, um in verfassungsrechtlicher Hinsicht die Judikatur des BVerfG (siehe etwa hier) sowie die Grundsätze des Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG zu diskutieren. Im Hinblick auf das aktuelle Tagesgeschehen sollten Aspiranten für anstehende mündliche Prüfungen zudem auch über die kürzlich beschlossene Gesetzesinitiative zur Einführung einer „Homo-Ehe“ Bescheid wissen (siehe dazu hier: „Durch die Gesetzesinitiative solle § 1353 BGB geändert werden. Eine Ehe solle zukünftig von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts eingegangen werden können. Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von dieser gesetzlichen Neuregelung unberührt.“).
BGH: Berichterstattung über laufende Strafverfahren (VI ZR 93/12, VI ZR 106/12, VI ZR 107/12, VI ZR 108/12)

Der BGH hatte in mehreren Verfahren zu entscheiden, in welchen Grenzen die Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren zulässig ist.
Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer damaligen Freundin als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal „www.bild.de“ während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens. Kurz nach seiner Verhaftung begann eine intensive Medienberichterstattung über das gegen ihn wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung eingeleitete Strafverfahren sowie über sein bis zu diesem Zeitpunkt der breiten Öffentlichkeit unbekanntes Privatleben, insbesondere seine Beziehungen zu Frauen. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil wurde er von den Tatvorwürfen freigesprochen.
In dem vom BGH verhandelten Rechtsstreit hat der Kläger das verklagte Presseorgan auf Unterlassung wegen noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgter Äußerungen in einem am 13.06.2010 auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite aufrufbar gestellten Artikel mit der Überschrift „Magazin „Focus“ veröffentlicht intime Details – Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht“ in Anspruch genommen. Anlass des Artikels waren bekannt gewordene Passagen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung. Das Protokoll dieser Vernehmung wurde später in der öffentlichen Hauptverhandlung im Strafverfahren verlesen.
Wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung war die Veröffentlichung im Juni 2010 wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht nach Auffassung des BGH gleichwohl nicht. Nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung war eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig. Infolgedessen sei die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen. Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht wieder neu entstanden. Der Kläger habe sich mit seinem Unterlassungsantrag gegen die aktuelle Berichterstattung im Strafverfahren gewandt. Umstände dafür, dass die Beklagte eine erneute Veröffentlichung in dieser Form vornehmen könnte, seien nicht ersichtlich.
In drei weiteren Verfahren hat der BGH allerdings die Nichtzulassungsbeschwerden der Presseorgane gegen Entscheidungen des OLG Köln zurückgewiesen, in denen den Unterlassungsanträgen des Klägers stattgegeben worden ist. Dabei ging es um Berichte über ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger, das wegen eines angeblichen Vorfalls aus dem Jahre 2001 eingeleitet worden war, nachdem eine frühere Freundin des Klägers drei Tage nach dessen Festnahme im Jahre 2010 die Justizbehörden darüber informiert hatte. In diesen Fällen haben die Gerichte das Vorliegen der Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint, weil schon der für eine Verdachtsberichterstattung erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen nicht gegeben war und zudem die notwendige Stellungnahme des Klägers nicht eingeholt worden war.

Zugegebenermaßen handelt es sich hierbei um einen Fall, der nicht bloß in öffentlich-rechtlichen, sondern auch in zivilrechtliche Klausuren Eingang finden kann. Gleichwohl handelt es sich im Kern um ein Austarieren verfassungsmäßiger Grundrechtspositionen, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie die Pressefreiheit der Berichterstatter nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG. Wie aus der Pressemitteilung des BGH hervorgeht, spielen in diese Grundrechtsabwägung zudem noch Aspekte wie die Unschuldsvermutung, die aus dem Rechtsstaatsprinzip resultiert, sowie das allgemeine Informationsbedürfnis der Bevölkerung eine Rolle. Insofern gilt es nach den vom BGH aufgestellten Maßstäben sauber den Verdachtsgrad und die von der Berichterstattung ausgehende Stigmatisierungswirkung einzuschätzen.
Wir berichteten bereits über einen sehr ähnlichen Fall zur Medienberichterstattung über laufende Prozesse, der seinerzeit ebenfalls vom BGH entschieden wurde. Aus diesem Grunde sei für einen vertiefteren Einblick in die Materie eingehend die Lektüre dieses Beitrages empfohlen.

26.03.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-03-26 09:00:542013-03-26 09:00:54Aktuelle examensrelevante öffentlich-rechtliche Themen
Dr. Christoph Werkmeister

VG Gera: Verweis aus Stadtratsitzung wegen Kleidung der Marke «Thor Steinar»

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite

Das VG Gera hat mit Urteil vom 20.02.2013 (Az. 2 K 267/12 Ge) einen äußerst examensrelevanten Sachverhalt aus dem Gebiet des Kommunalrechts entschieden.
Nach dem Urteil des VG könne eine Person, die ihre rechtsextreme Gesinnung mit Kleidung einschlägiger Marken kundtue, nicht pauschal aufgrund dieser Kleidung einer Stadtratssitzung verwiesen werden. Es müsse vielmehr im jeweiligen Einzelfall abgewogen werden.

Im konkreten Fall ging es um die Jacke eines Geraer NPD-Stadtrates, an deren Ärmel das «Thor Steinar»-Label prangte. Dies müsse der Stadtrat tolerieren, entschieden die Richter. In einem anderen Fall trug ein Gast einer Stadtratssitzung ein T-Shirt der Marke «Ansgar Aryan» mit kriegsverherrlichendem Motiv. Er wurde des Saales verwiesen. Dieser Schritt sei angesichts des Motivs und seiner Größe gerechtfertigt, ließ das Gericht durchblicken, woraufhin die Klage zurückzogen wurde.

Wir berichteten bereits im Juni 2012 ausführlich zu dieser Problematik, weshalb die Lektüre des damaligen Beitrages zu vergleichbaren Rausschmissen im sächsischen Landtag unbedingt angeraten sei (siehe dazu hier). Interessant ist die Thematik insbesondere auch deshalb, weil der sächsische Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf den damaligen Fall von der Rechtmäßigkeit des Rauswurfs eines NPD-Mitglieds, das einschlägige Mode-Labels trug, ausging (siehe dazu SächsVerfGH, Beschluss vom 22. Juni 2012, Az. Vf. 58-I-12).

08.03.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-03-08 17:00:222013-03-08 17:00:22VG Gera: Verweis aus Stadtratsitzung wegen Kleidung der Marke «Thor Steinar»
Dr. Johannes Traut

BVerfG: Anträge der NPD in „Verbotsverfahren“ verworfen

Rechtsprechung, Verfassungsrecht

Wie die Presse heute meldet, hat das BVerfG mit einem Beschluss vom 20.2.2013 (Az. 2 BvE 11/12) die Anträge der NPD,

  1. festzustellen, dass die Antragstellerin nicht verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG ist,
  2. hilfsweise festzustellen, dass die Antragsgegner die Rechte der Antragstellerin aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG dadurch verletzen, dass sie fortwährend die Verfassungswidrigkeit der Antragstellerin behaupten, ohne jedoch einen Verbotsantrag nach Art. 21 Abs. 2 GG, § 13 Nr. 2, §§ 43 ff. BVerfGG zu stellen und auf diese Weise die Wirkungen eines faktischen Parteiverbots zum Nachteil der Antragstellerin herbeiführen,
  3. höchst hilfsweise festzustellen, dass die Antragsgegner die Rechte der Antragstellerin aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG dadurch verletzen, dass sie es in der Vergangenheit unterlassen haben und auch fortwährend unterlassen, im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht eine Antragsberechtigung für politische Parteien vorzusehen, deren Verfassungswidrigkeit behauptet wird und die deshalb ihre Verfassungskonformität verfassungsgerichtlich feststellen lassen möchten,

verworfen. Es hielt die Anträge zu 1) und 2) für unzulässig und den Antrag zu 3) als jedenfalls offensichtlich unbegründet.
Kein Verfahren, um Verfassungskonformität herzustellen
Unter Verweis auf den klaren Wortlaut des § 43 BVerfGG stellt das BVerfG zunächst klar, dass es ein Verfahren, in dem die Verfassungskonformität einer Partei festzustellen wäre, nach dem BVerfGG nicht gibt (Rn. 17).
Ein solches sei auch nicht wegen ansonsten entstehender Rechtsschutzlücken zu schaffen. Zur Begründung führt das Gericht aus:

  • Eine Partei werde als verfassungskonform behandelt, bis das BVerfG anderes festgestellt habe (Rn. 19).
  • „Politische Parteien müssen sich entsprechend ihrer Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG), der öffentlichen Auseinandersetzung stellen. Teil der öffentlichen Auseinandersetzung sind Äußerungen zur Einschätzung einer politischen Partei als verfassungsfeindlich, sofern sie sich im Rahmen von Recht und Gesetz halten. Solchen Äußerungen kann und muss die betroffene Partei mit den Mitteln des Meinungskampfes begegnen.“ (Rn. 21)
  • Auch staatliche Stellen dürfen eine Debatte darüber führen, ob eine Partei verfassungswidrig ist und deshalb ein Verbotsantrag gestellt werden muss. Dies ist erst unzulässig, „wenn ein solches Vorgehen bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht“ (Rn. 22f.). Vgl. dazu umfangreich auch unseren Beitrag „Antrag der NPD auf Klärung der Verfassungsmäßigkeit“ unter III.2.a).
  • Außerdem kann die NPD auch um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen (Rn. 24).

Organstreitverfahren unzulässig
Das BVerfG hat zwar den Antrag der NPD zu 2) für Organstreitverfahren grundsätzlich als statthaft angesehen. Damit hat es seine ältere Rspr., wonach Meinungsäußerungen keine „Maßnahmenqualität“ gem. § 64 Abs. 2 BVerfGG zukommt, wohl aufgegeben (vgl. Rn. 26 – „Bekundungen oder sonstige Maßnahmen der Antragsgegner“). Zu dem bisherigen Meinungsstreit „Antrag der NPD auf Klärung der Verfassungsmäßigkeit“ unter III.1.b).
Ebenso wie von uns prognostiziert („Antrag der NPD auf Klärung der Verfassungsmäßigkeit“ unter III.1.b) ist der Antrag aber deshalb unzulässig, weil die von der Partei aufgeführten vereinzelten Meinungsäußerungen nicht den Organen Bundestag oder Bundesrat zugerechnet werden können (Rn. 27f., umfangreicher in dem Beitrag).
Antrag auf Schaffung von Rechtsschutzmöglichkeiten jedenfalls unbegründet
Nach dem oben zum Vorliegen einer Rechtsschutzlücke Gesagten hat das BVerfG auch diesen Anspruch konsequent schon deshalb verneint, weil er jedenfalls eine Rechtsschutzlücke voraussetzen würde (Rn. 30).

05.03.2013/0 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2013-03-05 14:00:252013-03-05 14:00:25BVerfG: Anträge der NPD in „Verbotsverfahren“ verworfen
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuelle examensrelevante verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung

In den letzten Tagen ist wieder eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemkreisen durch die verwaltungsgerichtliche Judikatur gegangen. Kandidaten, für die bald die mündliche Prüfung ansteht, sollten sich deshalb mit den im Folgenden genannten Themen einmal kurz auseinandergesetzt haben. Daneben ist es zumindest denkbar, dass die folgenden Sachverhalte zu gegebener Zeit auch als Aufhänger in Klausuren für das erste sowie zweite Staatsexamen Eingang finden werden. Da die Pressemitteilungen der genannten Fälle die jeweils einschlägige Problematik bereits ausreichend erläutern, werden im Folgenden lediglich Auszüge aus den respektiven Mitteilungen zitiert, wobei jeweils am Ende auf weiterführende Lektüre hingewiesen wird.
VG Koblenz: Verteilung von Spendengeldern durch Rat oder Bürgermeister?

Der Bürgermeister einer Gemeinde […] darf ohne besondere Dringlichkeit nicht über die Festlegung der Kriterien zur Verteilung von Spendengeldern nach einer Hochwasserkatastrophe entscheiden. Vielmehr ist in einer solchen Angelegenheit ausschließlich der Gemeinderat zuständig (Urteil vom 15.01.2013 – 1 K 593/12.KO).

In der Sache geht es in der Entscheidung um die Festlegung der Organzuständigkeit, also die Frage, ob der Gemeinderat oder der Bürgermeister zuständig ist, was wiederum einen Prüfungspunkt bei der formellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung eine Rolle spielt . Dies Organzuständigkeit richtet sich nach der jeweiligen Landesgemeindeordnung (in NRW ergibt sich die Organzuständigkeit beispielsweise aus § 41 GO NW, wobei in besonders dringlichen Fällen nach § 60 Abs. 1 S. 2 GO NW der Bürgermeister entscheiden kann). Ein vergleichbarer Problemkreis, der einen Klausurklassiker darstellt, stellt sich bei Einvernehmensentscheidungen nach § 36 BauGB (siehe dazu ausführlicher hier).
VG Neustadt: NPD-Mitglied aus Ausschuss abberufen

Das VG Neustadt hat entschieden, dass die Entscheidung des Kreistages des Landkreises Südwestpfalz, eines seiner Mitglieder, das der NPD angehört, als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss des Landkreises Südwestpfalz abzuberufen, rechtmäßig war (Urteil vom 28.01.2013 – 3 K 845/12.NW).
Nach Auffassung des VG Neustadt ist die Entscheidung des Kreistages, den Kläger als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss abzuberufen, rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sei ein Beisitzer von seinem Amt abzuberufen, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt habe. Dies sei hier der Fall. Ein Beisitzer im Kreisrechtsausschuss übe ein Ehrenamt aus und unterliege deshalb gegenüber dem Landkreis einer besonderen Treuepflicht. Der Kreisrechtsausschuss sei weisungsunabhängig und überprüfe das vom Bürger beanstandete Verhalten der Verwaltung auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit. Insofern übe er hoheitliche Gewalt aus. Die Stellung des von Weisungen des Landkreises unabhängigen Beisitzers des Rechtsausschusses sei derjenigen eines ehrenamtlichen Richters angenähert. Dieser unterliege jedoch einer Pflicht zur besonderen Verfassungstreue. Da der Beisitzer dasselbe Stimmrecht wie der vorsitzende Landrat bzw. dessen Vertreter habe, dieser aber die Gewähr dafür bieten müsse, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, müsse dies ebenso für die Beisitzer gelten. Der Kläger biete diese Gewähr aber nicht. Er sei langjähriges Mitglied in der NPD, einer rechtsextremen Partei, und nehme dort eine herausgehobene Funktion wahr. So gehöre er als NPD-Mitglied dem Kreistag des Landkreises Südwestpfalz. Er trete als Organisator rechtsextremistischer Demonstrationen und Veranstaltungen in Erscheinung und berichte auf den Seiten des NPD-Kreisverbandes Westpfalz und der „Pfalzstimme“, deren Herausgeber er sei, über aktuelle politische Themen und Veranstaltungen der NPD sowie anderer rechtsextremistischer Organisationen. Bei Kundgebungen verunglimpfe er die Bundesrepublik öffentlich als „Bananenrepublik“, „BRD-Regime“ und „Besatzer-Regime“.
Zwar habe es bisher keine aktenkundigen Beanstandungen aufgrund seines Verhaltens in Sitzungen des Kreisrechtsausschusses gegeben. Jedoch stelle auch ein außeramtliches Verhalten eines Beisitzers eine Amtspflichtverletzung dar, wenn durch dessen gezeigtes Verhalten sein Ansehen in einem solchen Maße erschüttert werde, dass seine Vertrauenswürdigkeit ausgeschlossen werde. Davon sei hier auszugehen. Der Kläger habe mehrfach mit E-Mails die Betriebsabläufe in der Kreisverwaltung gestört, um Arbeitskraft zu binden und zu provozieren. Ferner habe der Kläger einen Beitrag in der „Pfalzstimme“ verfasst („NPD legt Bürokratie in der Südwestpfalz lahm“), in dem er seine negative Einstellung zur Kreisverwaltung eindeutig zu erkennen gegeben habe. Mit diesem Artikel habe er ebenfalls gegen die Treuepflicht verstoßen. Es sei aufgrund einer Gesamtschau nicht anzunehmen, dass der Kläger seiner Aufgabe im Rechtsausschuss unvoreingenommen (z.B. Ausländer betreffend) und offen für unterschiedliche Auffassungen und Überzeugungen nachzukommen vermöge. Das Ansehen des Rechtsausschusses als von Weisungen unabhängiges Kontrollorgan bei der Kreisverwaltung sei daher in hohem Maße gefährdet.

Die Entscheidung reiht sich nahtlos in die bereits bestehende Judikatur zu nachteiligen Folgen durch die NPD-Mitgliedschaft ein. Das Urteil ist als äußerst examensrelevant zu bezeichnen und wird ganz sicher auch Gegenstand von Examensklausuren werden. Um sich mit dem breiten Kontext der anderen examensrelevanten Entscheidungen vertraut zu machen, sei die Lektüre der folgenden weiterführenden Artikel sehr empfohlen (siehe dazu hier, hier, hier und schließlich hier).

02.02.2013/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-02-02 09:08:012013-02-02 09:08:01Aktuelle examensrelevante verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung
Dr. Johannes Traut

Antrag der NPD auf „Klärung der Verfassungsmäßigkeit“

Aktuelles, Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Verfassungsrecht

In der letzten Woche hat die NPD einen Antrag beim BVerfG gestellt, in dem sie begehrt, das Gericht möge ihre Verfassungsmäßigkeit feststellen (vgl. etwa sueddeutsche.de vom 13.11.2012, „Antrag beim Bundesverfassungsgericht – NPD lässt Verfassungstreue prüfen“). Dieser Antrag ist juristisch interessant, weil es kein festgelegtes Verfahren gibt, wonach eine Partei ihre Verfassungstreue „feststellen“ lassen kann. Es bietet sich, gerade wegen der großen Öffentlichkeitswirkung daher an, die Frage in der mündlichen Prüfung im Examen aufzugreifen.
I. Inhalt des Antrages
Aus der Presse lässt sich jedenfalls der ungefähre Inhalt des Antrages der NPD entnehmen. Er richtet sich wohl gegen die Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Der Bund und die Länder sollten deshalb entweder Beweise für die Verfassungswidrigkeit vorlegen und einen Verbotsantrag stellen – oder ihre öffentlichen Zweifel an der Verfassungstreue der NPD unterlassen.

Nachtrag: Der Antrag ist im Wortlaut (und mit Begründung) auf der Homepage der NPD veröffentlicht, darauf wurde in einem Kommentar hingewiesen. Die rechtlichen Ausführungen des hiesigen Artikels beantworten M.E. alle Fragen, die sich auch bei Kenntnis des Wortlauts des Antrages stellen. Der Antrag der NPD wird, jedenfalls so wie er gestellt ist, keinen Erfolg haben, weil das Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG / § 43 BVerfGG gerade nicht auf die Partei ausgeweitet werden muss (dazu II.). In Betracht kommt allenfalls eine „Auslegung“ als Antrag im Organstreitverfahren, weil nur dieses statthaft ist (III.). Auch dieser Antrag wird M.E. keinen Erfolg haben (s. dort).

II. Kein Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG
Schon vom Antrag her dürfte damit ein Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG nicht in Betracht kommen. Es wäre auch wohl nicht statthaft. Das Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG kann jedenfalls nach dem BVerfGG, das nach Art. 21 Abs. 3 GG hierfür nähere Regeln enthält, nicht von der Partei selbst angestoßen werden. Nach § 43 BVerfGG kann der Verbotsantrag nur von dem Bundestag, dem Bundesrat oder von der Bundesregierung gestellt werden (sowie nach § 43 Abs. 2 BVerfGG von einer Landesregierung für Parteien, deren Tätigkeit sich auf das Land beschränkt).
Eine Zulassung des Antrages außerhalb des BVerfGG, unmittelbar gestützt auf Art. 21 GG, dürfte wohl eher ausscheiden. Erstens erlaubt Art. 21 Abs. 3 GG die Regelung durch das BVerfGG. Das gibt Raum, dass das BVerfGG auch zu einer Beschränkung führt.
Zum Zweiten ist das Verbotsverfahren auch der Sache nach ungeeignet dafür, von der Partei selbst betrieben zu werden. Denn die Partei hätte ja gar kein Interesse daran, das Verfahren mit Energie zu betreiben. Ebenso wäre es auch misslich, wenn die genannten Organe von der Partei in das Verfahren getrieben werden könnten. Dann drohte ein Ergebnis, wie es beim letzten Anlauf des Parteiverbotsverfahrens gegen die NPD zu befürchten war, nämlich dass das BVerfG den Nachweis der Verfassungswidrigkeit als nicht geführt ansieht. Wenn also die Partei es in der Hand hätte, die Organe zur Unzeit in das Verfahren zu treiben, könnte sie sich erhebliche taktische Vorteile verschaffen.
Zum Dritten bedarf es für die Durchführung des Verfahrens nach Art. 21 Abs. 2 GG wohl durchaus eines Antragsstellers, der dieses durch entsprechende Ermittlungsarbeit vorbereitet hat und dann energisch vorantreibt. Zwar gilt auch für das BVerfG nach § 26 Abs. 1 S. 1 BVerfGG der Amtsermittlungsgrundsatz. Das Gericht hat auch – jedenfalls theoretisch –recht umfangreiche Möglichkeiten der Beweiserhebung, sei es durch Zeugen und Sachverständige (§ 28 BVerfGG) oder sachverständige Dritte (§ 27a BVerfGG). Auch Durchsuchung und Beschlagnahme kann das Gericht im Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG anordnen, §§ 47, 38 BVerfGG. Wichtig dürfte aber vor allem die Möglichkeit sein, nach § 27 BVerfGG Amtshilfe in Anspruch zu nehmen. Demnach wäre es durchaus möglich, die Sicherheitsbehörden mit Ermittlungen dahingehend, ob eine Partei zu verbieten ist oder nicht, zu betrauen. Praktisch erscheint es jedoch schwierig, dass das BVerfG eine solche Untersuchung vollständig selbst durchführt. Aus rechtsstaatlicher Sicht wäre außerdem, statt eines solchen Inquisitionsprozesses, ohnehin eine Trennung zwischen Richter und Ermittlerrolle wünschenswert.
Vor allem aber ist auch das Bedürfnis nach einem solchen Verfahren nicht groß, weil nach Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG bis zur Entscheidung des BVerfG die Partei als verfassungsgemäß gilt, sie also rechtlich betrachtet bereits steht, als wäre ihre Verfassungsmäßigkeit festgestellt worden. Damit ist dann fraglich, welches Interesse sie an einem vom BVerfG abgelehnten Verbotsantrag haben kann. Dieser bedeutet noch nicht einmal zwingend, dass die Partei verfassungskonform ist, weil nur festgestellt wird, dass die gefundenen Beweise nicht ausreichen. Außerdem kann sich dieses „Siegel der Verfassungskonformität“ auch immer nur auf einen Moment erstrecken, kann aber natürlich nicht die Verfassungsmäßigkeit der Partei für alle Zeit rechtskräftig feststellen. Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit kann das Verfahren daher auch nicht entscheidend besser ausräumen als die Fiktion des Art. 21 Abs. 2 GG.

Hier kann man natürlich anderer Ansicht sein wegen des politischen Effekts, der mit einem entsprechenden Urteil des BVerfG verbunden wäre. Dieser Effekt ist M.E. aber kaum vom Schutzzweck des Art. 21 Abs. 2 GG gedeckt. Deshalb spielt dieses Argument M.E. allenfalls eine untergeordnete Rolle.

Letztlich stellt sich die Frage nach einer Erstreckung aber ohnehin erst , wenn andere rechtliche Möglichkeiten ausscheiden.
III. Organstreitverfahren
Vieles spricht bei diesem Antrag dafür, dass das Verfahren der NPD als Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG einzuordnen ist. Sowohl von den Beteiligten wie auch von der Begehr (Rechte der Partei aus Art. 21 GG) her passt es.
1. Zulässigkeit
a) Zulässige Beteiligte
Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sind nach § 63 BVerfGG und Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG taugliche Gegner eines Organstreitverfahrens.
Die NPD müsste jedoch auch tauglicher Antragsteller sein. In Erweiterung von § 63 BVerfGG erkennt das BVerfG in stRspr auch die politischen Parteien als andere Beteiligte im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 an, sofern sie um eigene Rechte streiten, die sich aus ihrem in Art. 21 GG garantierten verfassungsrechtlichen Status ergeben (BVerfGE 1, 208, 223 ff = NJW 1952, 657; 82, 322, 335 = NJW 1990, 3001 BeckOK-GG/Morgenthaler, Art. 93 Rn. 22; wenn auch in der Literatur kritisiert, vgl. BeckOK-GG/Kluth, Art. 21 Rn. 208 m.w.N.). Also ist die NPD, soweit es um ihre Rechte aus Art. 21 GG geht, auch tauglicher Antragsteller.
b) Antragsgegenstand (§ 64 Abs. 1 BVerfGG)
Zunächst müsste Gegenstand des Antrages eine Handlung oder Unterlassung der Antragsgegner sein. Hier gibt es zwei verschiedene Antragsgegenstände. Vorliegend begehrt die NPD entweder die Stellung des Verbotsantrages und/oder die Unterlassung, öffentliche Zweifel an der Verfassungstreue der Partei weiterhin zu äußern. Leider ist der genaue Antrag nicht bekannt, insbesondere ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis die beiden Handlungsalternativen – Unterlassung weiterer Diskussion oder Verbotsantrag – stehen.
Dem Wortlaut nach scheint es der Partei in erster Linie darauf anzukommen, einen Verbotsantrag zu erreichen. Dieser stellt eine Maßnahme nach § 64 Abs. 2 BVerfGG dar und ist daher tauglicher Antragsgegenstand.
Soweit dagegen die Partei die Unterlassung weiterer Äußerungen hinsichtlich ihrer Verfassungswidrigkeit begehrt, ist fraglich, inwiefern diese Äußerungen als Maßnahme i.S.d. § 64 Abs. 2 BVerfGG eingeordnet werden können. Nach der Rspr. des BVerfG muss eine Maßnahme rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden rechtserheblichem Verhalten verdichten können (so BVerfG NJW 1961, 1913). Meinungsäußerungen seien dies nach Ansicht des BVerfG in der zitierten Entscheidung nicht zwingend, denn sie schränken den Rechtskreis des Antragstellers in keiner Weise ein. Das gälte insbesondere für Äußerungen hinsichtlich der Verfassungskonformität einer Partei, da diese nur das BVerfG bindend nach Art. 21 Abs. 2 GG feststellen könne.
Demgegenüber bejaht die hL die Maßnahmenqualität einer Meinungsäußerung dahingehend, dass eine Partei verfassungwidrig sei (vgl. nur Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 64 Rn. 29 m.w.N.). Für diese Ansicht spricht vor allem, dass inzwischen allgemein anerkannt ist, dass auch faktischem Handeln wie Meinungsäußerungen Eingriffsqualität zukommen kann. Der formale Eingriffsbegriff ist überwunden. Darüber hinaus vermischt das BVerfG mit seiner Definition der Maßnahme Fragen von Antragsbefugnis und Antragsgegenstand. Ob der Antragssteller in seinen Rechten eingeschränkt ist, richtet sich nach dem materiellen Gehalt der geltend gemachten Rechte. Es kommt also darauf an, ob Art. 21 GG möglicherweise einer derartigen Meinungsäußerung entgegensteht. Das ist eine Frage der Antragsbefugnis. Insgesamt ist daher der hL zu folgen, zumal ohnehin zweifelhaft ist, ob das BVerfG nach dem Stand der heutigen Dogmatik an seiner Ansicht festhalten würde.
Dann ist aber weiterhin zu klären, ob es sich bei den angegriffenen Meinungsäußerungen auch um Maßnahmen der Organe handelt, ob diese also dem Organ zugerechnet werden können. Leider weiß man nicht, welche Äußerungen genau angegriffen werden; im Folgenden werden daher möglichst allgemeine Leitlinien entwickelt, wie die verschiedenen Fälle zu behandeln wären. Jedenfalls werden Meinungsäußerungen im hiesigen Kontext zumeist nicht von dem Organ als solchem getätigt, sondern von einzelnen Teilen des Organs. Nicht der Bundestag beschließt, die NPD sei verfassungswidrig, sondern einzelne Abgeordnete äußern sich dahingehend – und zwar nicht notwendigerweise im Bundestag, sondern auch gegenüber der Presse. Für die Zurechnung von Äußerungen dürfte dann bei den einzelnen Organen Folgendes gelten:

  • Bundesregierung: „Beschlüsse der Bundesregierung“ (§ 20 Abs. 1 GO BReg; vgl. auch § 15 Abs. 1 GO BReg) sind ihr eindeutig zuzurechnen. Gleiches dürfte aber im Ergebnis auch für Äußerungen von Regierungsmitgliedern gelten, jedenfalls soweit sie nicht eindeutig in einer anderen (etwa Partei-)Funktion getätigt wurden. In diesem Fall ist M.E. die Diskussion offen. Ebenfalls zugerechnet werden können M.E. auch Äußerungen von sonstigen Repräsentanten der Regierung, insbesondere von Beamten aus dem nachgeordneten Verwaltungsaufbau, soweit die Äußerung in amtlicher Funktion getätigt wurde.
  • Bundestag: Beschlüssen nach Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG sind dem Bundestag selbstverständlich zuzurechnen. Bei den sonstigen Äußerungen der Parlamentarier sollte man zunächst zwischen solchen im Bundestag (und Ausschüssen) und solchen außerhalb differenzieren. Für erstere kommt noch eher eine Zurechnung in Betracht. Ich würde sie aber auch ablehnen mit folgender Kontrollüberlegung: Wie kann der Bundestag dafür verantwortlich gemacht werden, was seine Mitglieder sagen? Wie soll er eine Unterlassungsverpflichtung ihnen gegenüber durchsetzen? Das gilt erst Recht für Aussagen der Parlamentarier außerhalb des Bundestages, etwa gegenüber der Presse.
  • Bundesrat: Auch hier dürfte nur der „offizielle“ Beschluss (Art. 52 Abs. 3 S. 1 GG) zuzurechnen sein. Erwägen mag man dies dann allenfalls noch für Äußerungen im Bundesrat. Äußerungen der Landesregierungen und ihrer Mitglieder außerhalb können dem Bundesrat jedoch keinesfalls zugerechnet werden.

M.E. dürften daher die meisten der angegriffenen Äußerungen schon keine tauglichen Antragsgegenstände sein. Entsprechend kann auch ein geltend gemachter Unterlassungsanspruch hierauf nicht gestützt werden. Mithin dürfte der Antrag im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch gegenüber Bundesrat und Bundestag bereits unzulässig sein.
c) Antragsbefugnis (§ 64 Abs. 1 BVerfGG)
Ferner müsste eine Antragsbefugnis gem. § 64 Abs. 1 BVerfGG gegeben sein. Das ist der Fall, wenn eine Verletzung von organschaftlichen Rechten des Antragsstellers durch die bezeichneten Maßnahmen jedenfalls nicht von vornherein ausscheidet.

Wie im Verwaltungsrecht bei § 42 Abs. 2 VwGO (dort: Klagebefugnis) kann man die Antragsbefugnis nach § 64 Abs. 1 BVerfGG bereits bejahen, wenn die Möglichkeit einer Verletzung eines Rechts bzw. einer Pflicht ernsthaft in Betracht kommt, ohne aber die damit verbundenen Rechtsfragen erschöpfend zu klären. Im Verwaltungsprozess wird dies als sog. Möglichkeitstheorie bezeichnet. Demgegenüber fordert die Schlüssigkeitstheorie, dass bereits im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO die Schlüssigkeit der Klage, bei § 64 Abs. 1 BVerfGG dann des Antrages, festgestellt wird. D.h., es ist zu prüfen, ob der Antrag, die vorgetragenen Tatsachen unterstellt, Erfolg hätte. Damit wird die Prüfung allerdings kopflastig. In der Klausur sollte man hier keinen Theorienstreit aufmachen, sondern ohne jede Diskussion einfach eine der Theorien anwenden. Vorzugswürdig ist dabei die Möglichkeitstheorie, weil sie die Kopflastigkeit vermeidet.

Eine Antragsbefugnis im Hinblick auf die begehrte Stellung des Verbotsantrages ist damit gegeben, wenn ein Anspruch der NPD hierauf jedenfalls in Betracht kommt. Wegen der beschränkten Beteiligtenfähigkeit der NPD müsste sich dieser vorliegend aus Art. 21 GG ergeben. Dies erscheint schon beim ersten Zugriff zweifelhaft.
Insofern kann auf die obigen Ausführungen (II.) verwiesen werden. Art. 21 GG sieht einen solchen Antrag nicht vor, § 43 Abs. 1 BVerfGG schließt ihn aus. Dies ist verfassungskonform, weil es wegen Art. 21 Abs. 2 GG ein dringendes Bedürfnis der Partei auf die Stellung des Verbotsantrages nicht gibt. Sie wird ja nach dem Gesetz ohnehin behandelt, als sei ein Verbot abgelehnt worden. Darüber hinaus hat es auch keinen Sinn, der Partei zu erlauben, die zuständigen Organe zur Unzeit in das Verbotsverfahren zu treiben. Damit scheidet eine Antragsbefugnis der NPD hinsichtlich der ersten Begehr, nämlich die genannten Organe zur Stellung des Verbotsantrages zu verpflichten, aus.

Diese Frage hätte man im Hinblick auf die Möglichkeitstheorie an dieser Stelle auch vertretbar offenlassen können. Es entschlackt jedoch die Prüfung deutlich, an dieser Stelle bereits den Anspruch auf Stellung des Verbotsantrages ausscheiden zu lassen. Da er M.E. eher fernliegend sein dürfte, habe ich ihn bereits hier „rausgeworfen“.

Eine Antragsbefugnis im Hinblick auf die begehrte Unterlassung der Meinungsäußerungen ist gegeben, wenn der von der NPD begehrte Anspruch auf Unterlassung jedenfalls in Betracht kommt. Das ist umgekehrt der Fall, wenn die fortlaufenden Behauptungen der Verfassungsorgane, die NPD sei verfassungsfeindlich, eine Verletzung eines Rechts aus Art. 21 GG darstellten.
Schon prima facie spricht hierfür vieles. Die stärkste Beeinträchtigung der Parteienfreiheit stellt die Verhängung eines Parteiverbots dar (BeckOK-GG/Kluth, Art. 21 Rn. 197). Als Vorstufe dessen wird man auch der Diskussion über das Parteiverbot Eingriffsqualität zuerkennen müssen. Daher ist zumindest die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts aus Art. 21 GG hinreichend dargetan.

Nach der Schlüssigkeitstheorie müsste man dagegen hier bereits endgültig klären, ob ein solcher Anspruch auf Grundlage der vorgetragenen Tatsachen aus Art. 21 GG folgen könnte. Um Kopflastigkeit zu vermeiden, wird hier darauf verzichtet.

d) Frist: § 63 Abs. 3 BVerfGG
Die Frist des § 63 Abs. 3 BVerfGG dürfte unproblematisch gewahrt sein, weil es sich bei der fortlaufenden Debatte um wiederholte Verstöße handelt, welche die Frist stets aufs Neue zu laufen beginnen lassen.
e) Rechtsschutzbedürfnis
In Hinblick auf Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG könnte ferner das Rechtsschutzbedürfnis der NPD fraglich sein. Nach dieser Vorschrift ist die Partei so lange als verfassungsgemäß anzusehen, bis das BVerfG anderes festgestellt hat. Daher stellt sich die Frage, inwieweit der hiesige Anspruch über diese Position hinausgeht. Vorliegend begehrt die NPD insbesondere Behauptungen zu unterlassen, die Partei sei verfassungswidrig. Derartige Behauptungen werden nicht direkt durch Art. 21 Abs. 2 GG verboten. Es besteht daher durchaus ein Interesse zu klären, inwiefern sie zulässig sind. Da es auch um die Abwägung gegenteiliger Interessen geht, insbesondere um die Frage, inwiefern die Verfassungsmäßigkeit einer Partei zur politischen Diskussion eröffnet ist, stellen sich schwierige Rechtsfragen, die das BVerfG klären kann.
2. Begründetheit: Unterlassungsanspruch aus Art. 21 GG

Ob die momentane Debatte über die Verfassungsmäßigkeit der NPD und die Diskussion über das für und wider eines Verbotsantrages die Partei in ihrem Recht aus Art. 21 GG verletzt, lässt sich an dieser Stelle nicht abschließend beantworten, weil die tatsächlichen Grundlagen fehlen. Es lassen sich aber einige der rechtlich relevanten Fragen und Leitlinien für deren Beantwortung skizzieren.

Der Antrag der NPD ist begründet, wenn sie einen Anspruch gegen die Bundesregierung hat, Äußerungen, dass die Partei verfassungswidrig sei, künftig zu unterlassen.
a) Voraussetzungen des Anspruchs aus Art. 21 Abs. 2 GG
Es ist anerkannt, dass aus Art. 21 GG ein Anspruch der Partei folgt, dass andere Organe Handlungen unterlassen, die sie in ihrem Recht verletzen. Mithin bestünde ein Anspruch der NPD gegen die Bundesregierung, Äußerungen, die Partei sei verfassungswidrig, zu unterlassen, wenn derartige Äußerungen die Partei in ihrem Recht aus Art. 21 GG verletzen.
Zwar ist nicht eindeutig normiert, dass nach Art. 21 Abs. 2 GG auch Diskussionen über die Verfassungsmäßigkeit der Partei unzulässig sein sollen. Andererseits entspricht es aber durchaus seiner Stoßrichtung, dass eine Partei, die nicht vom BVerfG verboten ist, gerade als verfassungskonform behandelt werden muss. Diese Wertung legt es nahe, dass daher regierungsamtliche Zweifel nicht zu einer faktischen Umgehung des Verbotsmonopols des BVerfG führen dürfen.
Entscheidend ist aber vor allem Sinn und Zweck des Art. 21 GG insgesamt. Dieser soll die Chancengleichheit der Parteien wahren und sie vor staatlicher Einflussnahme schützen. Hiermit wäre nicht zu vereinbaren, wenn „der Staat“ durch die Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat durch eine zielgerichtete Kampagne die Seriösität der NPD untergräbt. Solange sie nicht verboten ist, dürfen sich staatliche Organe eben nicht mit Äußerungen zu der Partei in den Wettstreit um die Wählergunst einmischen.
Daher können durchaus Meinungsäußerungen dahingehend, eine Partei sei verfassungswidrig, Art. 21 GG verletzen. Das könnte etwa der Fall sein, wenn die Bundesregierung ohne jeden Zusammenhang mit einem Verbotsantrag äußert, die NPD sei verfassungwidrig. Das widerspräche der Wertung des Art. 21 Abs. 2 GG. Dies gilt aber keineswegs für alle Meinungsäußerungen mit diesem Inhalt. Denn auch die Freiheit der Bundesregierung, derartige Äußerungen zu tätigen, ist grundgesetzlich geschützt.
Schon ihrer Natur nach ist die Debatte über die Verfassungswidrigkeit einer Partei auch eine politische, weshalb nicht jede Diskussion ausgeschlossen sein darf. Das gilt jedenfalls für die Stellung des Verbotsantrages: Nicht umsonst wird die Stellung des Antrags in § 43 BVerfGG politischen Organen übertragen und ihnen dort ein Ermessen („kann“) eingeräumt. Bei der Ausübung dieses Ermessens dürfen auch politische Erwägungen eine Rolle spielen (BVerfGE 5, 85, 129f.). Schon von daher ist eine gewisse Diskussion sogar zwingend notwendig. Im Rahmen dieser Diskussion muss daher auch die Äußerung der Rechtsansicht, eine bestimmte Partei sei verfassungswidrig und daher sei ein Verbotsantrag zu stellen, zulässig sein.
Daneben hat die Regierung im Rahmen ihrer Aufgaben auch das Recht und bisweilen sogar die Pflicht zu informieren und sich zu äußern (vgl. etwa BVerfG NJW 2002, 2621, 2623). Hierher gehört es etwa, wenn die Regierung die Beobachtung einer Partei durch die Sicherheitsbehörden anordnet oder diese bekannt gibt. Bei gegebenem Anlass (z.B. Bericht über Extremismus) muss man auch über mögliche Verbindungen der Partei zu verfassungsfeindlichen Kreisen berichten dürfen.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Mitglieder der Regierung nicht politisch neutrale „Verwaltungschefs“ sind, sondern ihnen auch eine politische Rolle zukommt. Diese üben sie insbesondere auch durch ihre Funktionen in der Partei aus. Dabei wird man ihnen nicht gänzlich verwehren dürfen, in ihrer Rolle als Parteifunktionäre auch zu vertreten, dass die Ansichten oder Handlungen einer Konkurrenzpartei verfassungswidrig seien. Denn das ist durchaus ein legitimes Argument im Parteienwettbewerb, den ja gerade Art. 21 GG schützen möchte. Daher muss Art. 21 GG auch in Hinblick auf die außerhalb der streng amtlichen Funktion ausgeübten Grundrechte, insbesondere auf Meinungsäußerung (Art. 5 GG), sowohl der Regierungsmitglieder wie auch ihrer Partei beschränkt werden.
Insgesamt kann daher erst nach Abwägung mit den oben aufgezeigten und sonstigen verfassungsimmanenten Werten von einer Verletzung des Art. 21 Abs. 2 GG gesprochen werden, die einen Unterlassungsanspruch auslöst.
b) Abwägung
Eine solche Abwägung wird eher zu Ungunsten der NPD ausfallen. Klar unzulässig wäre etwa eine gezielte Kampagne der Bundesregierung, den Ruf einer Partei durch Behauptung ihrer Verfassungswidrigkeit zu untergraben, ohne aber den Verbotsantrag zu stellen. Die Bundesregierung darf Art. 21 Abs. 2 GG nicht durch faktisches Handeln umgehen.
Dass dagegen die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird, dürfte nicht zu bestanden sein. Hierfür gibt es hinreichenden Anlass, denn tatsächlich sind Mitglieder der Partei mit verfassungsfeindlichem Gedankengut wiederholt aufgetreten. Auch dass es eine politische Debatte über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der NPD gibt, ist zunächst nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens und im Übrigen auch von Art. 5 Abs. 1 GG der anderen Diskussionsteilnehmer gedeckt. Im vorliegenden Kontext spielen allenfalls die Beiträge der Bundesregierung und der Mitglieder der Bundesregierung eine Rolle. Dabei ist (meiner Kenntnis nach) in amtlicher Eigenschaft nie verlautbart worden, die NPD sei verfassungswidrig, allenfalls, dass es insofern Beobachtungsbedarf gäbe. Wenn dagegen einzelne Mitglieder der Bundesregierung diese Meinung vertreten haben, dann M.E. weniger in dieser Eigenschaft, als vielmehr als Akteure in der politischen Debatte. Das ist auch den Mitgliedern der Bundesregierung nicht verwehrt – siehe oben. Sie müssen vielmehr gerade im Rahmen des politischen Prozesses auch politisch handlungsfähig bleiben. Daher deckt auch bei ihnen Art. 5 Abs. 1 GG entsprechende Meinungsäußerungen jedenfalls bis zu einem gewissen Maße. Dieses ist wohl nicht überschritten worden.

Hier kommt es natürlich genau auf den vom BVerfG zu ermittelnden Sachverhalt an. Ich bin von dem Stand ausgegangen, der mir aus den Medien bekannt war.

IV. Verfassungsbeschwerde
Jedenfalls theoretisch kommt auch eine Verfassungsbeschwerde der NPD in Betracht. Angesichts der Antragsfassung wird eine solche jedoch nicht vorliegen, weil die Inanspruchnahme von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat nur im Rahmen des Organstreits möglich ist. Ferner kann die Partei das Recht aus Art. 21 GG nach hM mangels Grundrechtseigenschaft nicht im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen.

22.11.2012/8 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2012-11-22 15:27:112012-11-22 15:27:11Antrag der NPD auf „Klärung der Verfassungsmäßigkeit“
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuelle examensrelevante verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung

Baurecht, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Verwaltungsrecht

In den letzten Tagen sind eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemkreisen durch die verwaltungsgerichtliche Judikatur gegangen. Kandidaten, für die bald die mündliche Prüfung ansteht, sollten sich deshalb mit den im Folgenden genannten Problemkreisen einmal kurz auseinandergesetzt haben. Daneben ist es sehr wahrscheinlich, dass die folgenden Sachverhalte zu gegebener Zeit auch als Aufhänger in Klausuren für das erste sowie zweite Staatsexamen Eingang finden werden.
VG Gelsenkirchen: Stadt darf Rechtsextremisten in Informationsbroschüre namentlich benennen

Die Stadt Dortmund darf in ihrer Informationsbroschüre „Rechtsextreme Strukturen in Dortmund, Formationen und neuere Entwicklungen – ein Update 2012“ ein führendes Mitglied der rechtsextremen Szene in Dortmund auch namentlich benennen. Einen Antrag des Betroffenen, der Stadt die namentliche Benennung im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, lehnte die 12 Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen ab (Beschluss vom 28.09.2012 – 12 L 874/12).
Die Stadt Dortmund gab 2011 im Rahmen ihres Aktionsplans gegen Rechtsextremismus über die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie eine Studie über die Entwicklung der rechtsextremen Szene in der Stadt in Auftrag, deren Ergebnisse in der oben genannten Broschüre veröffentlicht wurden. Im Text wurde der Antragsteller im Zusammenhang mit den „Autonomen Nationalisten“ namentlich genannt und als „Anführer der Nationalen Front Eving“, „lokaler Meinungsführer“, als „Helfer“ anderer Rechtsextremer und als „Neonazi“ bezeichnet.
Diese Äußerungen wertete die Kammer als Werturteile, die den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten und auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachlich und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen. Zwar sei der Antragsteller dadurch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen, dieser Eingriff sei jedoch rechtmäßig, weil sich die Stadt bei der Veröffentlichung der Studie im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben bewege und die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit hoheitlicher Äußerungen gewahrt seien. Die streitgegenständliche Studie betreffe das unmittelbare Umfeld der Gemeindeeinwohner, da sie zielgerichtet die Versuche rechtsextremer Gruppierungen untersucht, Einflusssphären zu gewinnen und lokale Räume im Alltag zu besetzen. Gegenstand der Studie sei nicht die zielgerichtete Beobachtung und Untersuchung verfassungsfeindlicher, verfassungsgefährdender, sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Bestrebungen im Allgemeinen, die in die Zuständigkeit der Verfassungsschutzbehörden falle, sondern die spezielle Untersuchung, wie sich das Phänomen des Rechtsextremismus auf örtlicher Ebene darstellt.
Die namentliche Nennung des Antragstellers sei, gemessen an dem Ziel der Veröffentlichung, auch nicht unverhältnismäßig. Nur die freie öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung sichere die freie Bildung der öffentlichen Meinung, die sich im demokratischen Gemeinwesen notwendig pluralistisch im Widerstreit verschiedener und aus verschiedenen Motiven vertretener Auffassungen vor allem in Rede und Gegenrede vollziehe. Der Antragsteller könne nicht mit Erfolg geltend machen, von dritter Seite negativ auf die Schrift angesprochen und beschimpft worden zu sein. Wer sich selbst in führender Funktion politisch betätige und mit seiner Überzeugung mehrfach selbst in die Öffentlichkeit getreten sei, der müsse im politischen Diskurs hinnehmen, mit seinen politischen Überzeugungen öffentlich identifiziert zu werden.

VGH Mannheim: „Gehsteigberatung“ schwangerer Frauen verboten

Die gezielte Ansprache von Frauen auf eine Schwangerschaft oder gar einen Schwangerschaftskonflikt in der Nähe einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (sog. „Gehsteigberatung“) verletzt das Persönlichkeitsrecht der angesprochenen Frauen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg  mit Urteil vom 19.10.2012 – 1 S 36/12 entschieden (siehe dazu auch die instruktive Pressemitteilung des VGH Mannheim hier).

VG Koblenz: Klage gegen nachmittägliche Nutzung eines Schulhofes

Ein Ehepaar ist vor dem Verwaltungsgericht Koblenz (Urteil vom 27.09.2012 – 7 K 985/11.KO) mit seiner Klage gegen die Nutzung des benachbarten Schulhofes durch Kinder auch außerhalb der Unterrichtszeiten gescheitert, teilte das Verwaltungsgericht Koblenz mit. Kinderlärm sei als sozialadäquat von der Nachbarschaft hinzunehmen. Die Gemeinde, die bereits Schilder angebracht habe, um übermäßige Lärmbelästungen zu verhindern, hafte auch nicht, wenn Dritte den Schulhof für Trinkgelage oder als Parkplatz missbrauchten (mehr dazu hier).

VG Osnabrück: Krematorium im Gewerbegebiet

Das VG Osnabrück hat entschieden (Urteil vom 10.10.2012 – 2 A 118/10), dass ein Krematorium für Humanleichen in einem Gewerbegebiet unzulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat die Klage einer Firma abgewiesen, die auf einem Grundstück innerhalb eines festgesetzten Gewerbegebietes ein kommerziell geführtes Krematorium für Humanleichen betreiben will. Das Gericht hat dazu klarstellend ausgeführt, dass es sich bei dem Vorhaben entgegen der Behauptung der Klägerin nicht nur um eine auf den technischen Vorgang des Verbrennens von Leichen beschränkte Anlage handele, sondern um ein Krematorium mit einem Abschiedsraum. Das ergebe sich daraus, dass die Klägerin auch die Baugenehmigung für ein – diesem Zweck entsprechend in das Gebäude integriertes – „Familienzimmer“ beantragt habe, um Angehörigen Verstorbener die Möglichkeit zu geben, während der Einäscherung anwesend zu sein. Ein solches Krematorium sei in einem Gewerbegebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Dazu hat das Gericht unter Berufung auf die jüngste diesbezügliche Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG, Urt. v. 02.02.2012 – 4C 14/10) im Wesentlichen ausgeführt, eine derartige Anlage vertrage sich nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebietes. Ein Gewerbegebiet diene der Unterbringung verschiedenartigster Betriebe des produzierenden Gewerbes sowie artverwandter Nutzungen und werde deshalb durch entsprechende Geschäftigkeit, Geräusche und Unruhe geprägt.
Gegen derartige Störungen sei ein Krematorium mit Abschiedsraum ganz besonders empfindlich. Es stelle nach der herrschenden gesellschaftlichen Anschauung zum Umgang mit dem Tod und nach der kulturellen Bedeutung eines Krematoriums der hier betroffenen Art einen Ort der Ruhe, des Friedens sowie des kontemplativen Gedenkens an die Verstorbenen dar. Dazu stünden der in einem Gewerbegebiet übliche Umgebungslärm, die allgemeine Geschäftigkeit und Unruhe in einem nicht überbrückbaren Gegensatz (wir berichteten bereits über diese Problematik, die schon mehrfach Gegenstand von Examensklausuren war, siehe dazu hier und hier).

22.10.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-10-22 09:00:212012-10-22 09:00:21Aktuelle examensrelevante verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung
Dr. Johannes Traut

BGH: Post muss NPD Publikation verteilen

Aktuelles, Öffentliches Recht, Verfassungsrecht, Zivilrecht

Heute hat der BGH entschieden, dass die Deutsche Post AG die Publikation „Klartext“ der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag als Postwurfsendung verteilen muss (BGH, Urteil vom 20.9.2012 – I ZR 116/11, hier die Pressemitteilung, auf der diese Nachricht beruht und aus der die Zitate stammen).
Die Entscheidung selbst (I.) ist wegen der Verortung im Regulierungsrecht weniger prüfungsrelevant, dafür umso mehr für die WG-Diskussion geeignet und damit Teil der juristischen Allgemeinbildung. In abgewandelter Form eignet sich der Sachverhalt jedoch hervorragend für die mündliche Prüfung. (II.).
I. BGH: Anspruch aus § 3 PUDLV
Das Postregulierungsrecht findet sich im PostG und der Postdienstleistungsverordnung (PUDLV), wobei europarechtliche Vorgaben zu beachten sind. Entscheidendes Element des Regulierungsrechts ist die Vorgabe gem. §§ 11ff PostG, dass ein Mindestangebot an Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 1 flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden muss (Universaldienst, vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 PostG). Zum Anbieten eines solchen Universaldienstes können Postunternehmen verpflichtet werden (vgl. § 13 Abs. 2 S. 1 PostG). In Deutschland ist momentan die Deutsche Post AG als einziges Postunternehmen zum Universaldienst verpflichtet.
Damit haben Kunden ihr gegenüber aus § 3 PUDLV im Rahmen der Gesetze und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Anspruch auf Erbringung der vom Universaldienst (vgl. § 4 Nr. 1 PostG) erfassten Leistungen. Der BGH zitiert übrigens in seiner Pressemitteilung fälschlicherweise § 2 PUDLV; seine Ausführungen passen dazu aber nicht und er gibt selbst am Ende der Pressemitteilung den Text von § 3 PUDLV wieder, es wird sich also um einen Tippfehler handeln.
Der BGH hat festgestellt, dass die Beförderung der NPD-Sendung vom Universaldienst erfasst ist. Was genau hierunter fällt, ist im Grundsatz eine Frage des Postregulierungsrechts und daher nicht weiter für das Examen oder sonst verallgemeinerungsfähig.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die hier nachgefragte Leistung eine solche Universaldienstleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) […] darstellt. Bei der Publikation handelt es sich um eine periodisch erscheinende Druckschrift, die zu dem Zweck herausgegeben wird, die Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit­ oder Fachfragen durch presseübliche Berichterstattung zu unterrichten. […] Den Einwand der Deutschen Post, dass es sich bei der in Rede stehenden Publikation nicht um eine periodisch erscheinende Druckschrift handelt, hat der BGH nicht gelten lassen. Ausreichend hierfür ist, dass die Druckschrift nach ihrer Aufmachung – anders als ein Flugblatt – auf das für eine Zeitung oder Zeitschrift übliche periodische Erscheinen angelegt ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie trotz dieser Aufmachung nur gelegentlich publiziert werden soll. […] Auch der Umstand, dass die fraglichen Druckschriften nicht adressiert sind, steht der Einordnung als Universaldienstleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 PUDLV, § 4 Nr. 1 Buchst. c PostG […] nicht entgegen. Soweit der Empfängerkreis hinreichend bestimmt ist, unterliegt die Beförderung von nicht adressierten Sendungen keinen für die Beklagte unzumutbaren Schwierigkeiten und trägt dem Bedürfnis Rechnung, auch die Beförderung von Massendrucksachen zu ermöglichen, die sich an eine Vielzahl von Empfängern richten.

Wichtig ist dann aber, dass der BGH klarstellt, dass dieser – dem Gesetzeswortlaut nach klar gegebene – Anspruch auch für die NPD gilt. Er stellt klar, dass auch rechtsradikale, aber nicht verbotene Gruppierungen in gleichem Maße ihre Meinung verbreiten können wie andere. Es besteht insofern eine aus Art. 5 GG herzuleitende staatliche Pflicht zur Neutralität. Diese muss bei der Auslegung der vom Staat auferlegten Verpflichtungen zum Universaldienst beachtet werden. In der Sache geht es also um die mittelbare Geltung der Grundrechte auch im Zivilrecht. Flankierend kann auch auf die Wertung der Art. 3 Abs. 3 GG (keine Diskriminierung wegen politischer Anschauung) und Art. 21 GG (Parteiverbot nur durch BVerfG) verwiesen werden. All das spielt auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Kündigungen wegen NPD-Mitgliedschaft im Arbeitsrecht eine Rolle.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts darf der Umstand, dass die Publikation der Werbung für die Politik und Arbeit der Klägerin dient, auf die Entscheidung keinen Einfluss haben. Die Einordnung als Universaldienst verfolgt mit dem dadurch bestimmten Beförderungszwang das Ziel, zur Förderung der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit Erzeugnisse der Presse dem Empfänger so günstig wie möglich zuzuführen. Die Pressefreiheit begründet für den Staat jedoch eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet. Um die flächendeckende Grundversorgung mit Postdienstleistungen sicherzustellen, sieht die gesetzliche Regelung vor, dass die Lizenzträger, zu denen die Deutsche Post zählt, verpflichtet sind, bestimmte Postdienstleistungen, sogenannte Universaldienstleistungen, zu erbringen. […] Ausgeschlossen wäre die Beförderung allerdings dann, wenn besondere Ausschlussgründe vorliegen, etwa weil der Inhalt der Publikation gegen strafrechtliche Bestimmungen verstößt (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 PUDLV) oder rassendiskriminierendes Gedankengut enthält (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 PUDLV). Dazu hatte die Deutsche Post jedoch nichts vorgetragen.

Die Meinungs- und Pressefreiheit findet wiederum gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 PUDLV ihre Schranke in dem Verstoß gegen Strafgesetze und den Rechten anderer.
Noch ein Wort aber zur Natur und Intensität der Grundrechtsbindung hier: Es handelt sich M.E. um die „normale“ mittelbare Drittwirkung, wie sie auch einem gänzlich privaten Unternehmen gegenüber bestehen würde. Die Fraport-Grundsätze (dazu sogleich, II.) sind nur bei Unternehmen, die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, anwendbar. Allenfalls ergibt sich hier aus funktionalen Gesichtspunkten (Anbieten von „Daseinsvorsorge“) eine etwas stärkere mittelbare Drittwirkung der Grundrechte. Dies gälte dann aber auch für rein Private, welche die gleiche Funktion ausüben (vgl. zu diesem funktionalen Ansatz meinen Beitrag zur Fraport-Entscheidung, Link unten unter II).
II. Ohne Regulierungsrecht: Anspruch auf Beförderung gegenüber öffentlichen Unternehmen?
Wandelt man den Fall nur leicht ab, eignet er sich hervorragend für die mündliche Prüfung im öffentlichen Recht. Geht man davon aus, dass kein spezielles Regulierungsrecht existiert und dass die Anteile der Deutschen Post AG mehrheitlich von der öffentlichen Hand gehalten werden (was tatsächlich nicht mehr der Fall ist), können in der mündlichen Prüfung die in der Fraport-Entscheidung entwickelten Grundsätze zur unmittelbaren Grundrechtsbindung öffentlicher Unternehmen abgeprüft werden.
Als Folgefragen kommen dann etwa noch in Betracht: zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Anspruch? Wohl eher ersteres, weil die Leistungen auf zivilrechtlicher Grundlage angeboten werden und außerdem die Post zivilrechtlich verfasst ist (AG). Dann: zivilrechtlicher Kontrahierungszwang unmittelbar aus den Grundrechten oder über Umweg des § 242 BGB? Was ist mit der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 ParteiG (wohl eher nicht, Post als zivilrechtliche AG kein Träger öffentlicher Gewalt)?

20.09.2012/0 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2012-09-20 10:31:402012-09-20 10:31:40BGH: Post muss NPD Publikation verteilen
Nicolas Hohn-Hein

VG Neustadt: Verbot eines NPD-Trauermarsches am Volkstrauertag rechtmäßig

Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung

Das VG Neustadt hat in einer aktuellen Entscheidung (5 K 1163/11.NW) klargestellt, dass ein „NPD-Trauermarsch“ am Volkstrauertag gegen das Landesfeiertagsgesetz verstößt.
Sachverhalt
Der NPD-Kreisverband K beabsichtigt, am Volkstrauertag (2 Sonntage vor dem ersten Adventssonntag) eine sechstündige Veranstaltung zum Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege abzuhalten. Es sind mehrere Kundgebungen sowie ein Marsch zum Denkmal des „Deutschen Befreiungskrieges“ 1870/71 geplant. Neben Fahnen und Bannern sollen auch eine transportable Lautsprecheranlage, ein Handmegafon sowie ein Lautsprecherfahrzeug zum Einsatz kommen.
Die zuständige Behörde untersagte die Veranstaltung mit der Begründung, dass diese gegen das Landesfeiertagsgesetz verstoße. K fühlt sich in seinem Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt. Das Landesfeiertagsgesetz müsse hinter dem Versammlungsgesetz zurücktreten. Immerhin betreffe die Veranstaltung gerade das Gedenken an gefallene Soldaten und sei „ganz im Sinne“ des Volkstrauertags. Es handele sich nicht um eine Tanzveranstaltung.
Versammlungsrecht durch Landesfeiertagsgesetz beschränkbar
Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass das Versammlungsrecht in jedem Fall dem Landesfeiertagsgesetz vorgehe. Stattdessen stellt es Versammlungsfreiheit und den Schutz der Sonntags- und Feiertagsruhe in einen Zusammenhang.

Das Landesfeiertagsgesetz konkretisiere den Schutz der Sonntags- und Feiertagsruhe und beschränke das Recht auf Versammlungen unter freiem Himmel an bestimmten Feiertagen. Am Volkstrauertag seien ab 4.00 Uhr generell öffentliche Versammlungen und Aufzüge verboten, soweit sie nicht der Religionsausübung dienten oder dem Charakter des Feiertags entsprächen. Der beklagte Landkreis habe zu Recht angenommen, dass die von der NPD geplante Versammlung, bei der ein nicht erforderlicher Akustikverstärker hätte verwendet und Flugblätter über die so genannte Rheinwiesenlagerkampagne hätten verteilt werden sollen, dem Charakter des Volkstrauertages als Tag des stillen Gedenkens an die Opfer der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus widersprochen habe (Pressemitteilung 32/12).

 
Konkrete Ausgestaltung der Versammlung maßgeblich
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, die bei solchen Entscheidungen immer zum Tragen kommen müssen, verweist das Gericht auf die konkrete Ausgestaltung der Versammlung. Maßgeblich ist, ob die Versammlung im konkreten Fall dem – gesetzlich geschützten – Charakter des Volkstrauertags entgegensteht. Dabei müssen nach Ansichts des Gerichts nicht nur versammlungsspezifische Umstände (z.B. die Lautsprecheranlage) berücksichtigt werden, sondern auch die äußeren Umstände, die eine solche Versammlung von Rechtsextremen typischerweise mit sich bringt.

Die konkret geplante Ausgestaltung der Versammlung als Trauermarsch sei in hohem Maße geeignet gewesen, den durch das Landesfeiertagsgesetz geschützten Charakter des Volkstrauertags zu stören; das Verbot sei daher wegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit gerechtfertigt gewesen. Hinzu komme, dass bei Durchführung des Trauermarsches mit einem größeren Aufgebot an Polizeikräften im näheren Umfeld des Aufzugs hätte gerechnet werden müssen, so dass auch deshalb eine empfindliche Störung der Feiertagsruhe zu befürchten gewesen sei (Pressemitteilung 32/12).
 

Fazit
Das Versammlungsrecht ist ein Klassiker im Examen, v. a. im Zusammenhang mit dem Aufmarsch extremer Gruppen (vgl. auch diesen Beitrag mit weiteren Nachweisen).
Bei dem zuletzt verlinkten Beitrag vom 30.01.2012 ging es übrigens um einen NPD-Aufmarsch am „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ (nicht, wie hier, am „Volkstrauertag“),  der am 27.01 eines jeden Jahres begangen wird. Diese beiden Feiertage sind also nicht gleichbedeutend! Bei der Entscheidung des OVG Koblenz wurde insbesondere mit der erheblichen Provokationswirkung der Veranstaltung hinsichtlich des Sinn und Zwecks des Feiertags argumentiert (nachzulesen unter Beschl. v. 27.01.2012, Az. 7 B 10102/12.OVG im Volltext).

07.08.2012/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-08-07 13:33:522012-08-07 13:33:52VG Neustadt: Verbot eines NPD-Trauermarsches am Volkstrauertag rechtmäßig
Tom Stiebert

BGH: Zulässige Ausübung des Hausrechts – Ausschluss von Udo Voigt

BGB AT, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Der Bundesgerichtshof hat am gestrigen Freitag (09.03.2012) ein sehr interessantes Urteil gesprochen (V ZR 115/11), dass nicht nur in den Medien auf große Resonanz gestoßen ist.
I. Sachverhalt
Inhaltlich geht es darum, dass die Frau des damaligen Vorsitzenden der NPD Udo Voigt einen viertägigen Aufenthalt in einem Wellnesshotel für sich und ihren Mann gebucht hatte. Die Buchung wurde vom Hotel bestätigt. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Familie Voigt dann aber mitgeteilt, dass ein Hotelaufenthalt nicht möglich sei und ein entsprechendes Hausverbot verhängt. Dies wurde – auf Nachfrage – mit der politischen Überzeugung Udo Voigts begründet, die mit dem vom Hotel verfolgten Wohlfühlaspekt nicht vereinbar sei. Gegen diese Zurücksetzung ging der Kläger Udo Voigt gerichtlich vor.
II. Die Entscheidung des BGH
1. Grundsatz
Der BGH prüfte im konkreten Fall, ob die „Diskriminierung“ durch das Verhängen des Hausverbots gegen Udo Voigt rechtswidrig war. Konkret wurde damit allein die Rechtmäßigkeit eines Hausverbots geprüft.
Grundsätzlich legt der BGH dar, dass es jedem Eigentümer einer Sache möglich ist, Dritte vom Umgang hiermit auszuschließen. Dies gilt selbstverständlich auch für Hotels. Der Rechtsgrund des Hausverbots ist damit in § 903 i.V.m. § 1004 BGB zu finden. Zugleich wurzelt das Hausrecht und damit verbunden das Recht ein Hausverbot zu verhängen auch in der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und wohl auch in Art. 14 GG.

Folge dessen ist, dass der Hausrechtsinhaber, hier die Beklagte, in der Regel frei darüber entscheiden kann, wem er den Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt.

Die Erteilung eines Hausverbots kann damit grundsätzlich völlig willkürlich erfolgen – eine Überprüfbarkeit ist nicht möglich. Zu entscheiden  wem Zugang gewährt wird und wem nicht, obliegt allein dem Eigentümer als Hausrechtsinhaber.
Von diesem Grundsatz bestehen aber Ausnahmen:
Begrenzt ist die Ausübung des Hausrechts zunächst durch die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Hier sieht der Gesetzgeber explizit Fälle vor, in denen eine willkürliche Ungleichbehandlung unzulässig sein soll. Eine Ungleichbehandlung aufgrund der politischen Ansichten ist aber nicht vom Anwendungsbereich des AGG erfasst. Dieses sieht nur ein Diskriminierungsverbot wegen der Weltanschauung vor – die aber parallel zur Religion auszulegen ist. Allgemeine politische Ansichten fallen nicht darunter. Dies bestätigt auch der BGH:

„Aus den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), die im Zivilrecht den Schutz vor Diskriminierungen regeln, ergeben sich unter diesem Gesichtspunkt keine Beschränkungen bei der Ausübung des Hausrechts. Der Gesetzgeber hat nämlich bewusst davon abgesehen, das Diskriminierungsverbot auf Benachteiligungen wegen politischer Überzeugungen zu erstrecken.“

Einer freien Ausübung des Hausrechts könnte aber die Regelung des Art. 3 Abs. 3 GG entgegenstehen. Allerdings ist zu beachten, dass diese Norm bei einer Rechtsbeziehung zwischen Privaten nur mittelbar Geltung erlangt. Zudem gebietet sich eine Abwägung mit den geschützten Interessen des Beklagten, die im konkreten Fall überwiegen.

„Das Verbot, das Hotel der Beklagten nicht zu nutzen, betrifft den Kläger nur in seiner Freizeitgestaltung. Demgegenüber geht es für die Beklagte um das von ihr zu tragende wirtschaftliche Risiko für das Geschäftskonzept eines Wellnesshotels. Das lässt es gerechtfertigt erscheinen, der Beklagten die Freiheit einzuräumen, solchen Gästen den Zutritt zu verweigern, von denen sie annimmt, der Aufenthalt könne mit Blick auf die von ihnen vertretene politische Auffassung diesem Konzept abträglich sein.“

Damit zeigen sich hier im Grundsatz keine Anhaltspunkte, die der Verhängung eines Hausverbots entgegenstehen.
2. Ausnahme bei bereits geschlossenem Vertrag
Nach Ansicht des BGH ist aber dann eine andere Behandlung geboten, wenn ein bestehender Vertrag vorgelegen hat. Die Verhängung des Hausverbots für die Zeit des Vertrags würde faktisch die Vereitelung des Vertragszweckes zur Folge haben und damit faktisch eine Lösung vom Vertrag darstellen. Dies ist im Regelfall nicht zulässig. Hintergrund dieser Sichtweise ist, dass der Eigentümer zwar grundsätzlich das Recht hat mit der Sache nach Beliebem zu verfahren, dieses echt hat er aber gerade dadurch ausgeübt, indem er den Vertrag geschlossen hat. Diese Freiheit resultiert gerade aus seinen grundrechtlich geschützten Interessen der Art. 2, 12 und insbesondere 14 GG.

„Durch die freiwillige – privatautonome – Gestaltung der eigenen Interessen verliert die Berufung der Beklagten auf die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG), die unternehmerische Freiheit (Art. 12 GG) und die Ausübung der Eigentumsrechte (Art. 14 GG) nämlich deutlich an Gewicht.“

Würde sich der Hausrechtsinhaber hier auf sein Recht berufen, ein Hausverbot verhängen zu können, so liegt ein widersprüchliches Verhalten zu seiner vorherigen Handlung dar (venire contra factum proprium).
3. Ausnahme: Täuschung des Vetragspartners
Das Gesagt muss selbst dann gelten, wenn der Hausrechtsinhaber keine konkrete Kenntnis von der Person des Vertragspartners hatte, aber bewusst verzichtet hat die Personalien zu erfassen. Im konkreten Fall hatte wohl nur die Ehefrau für zwei Personen gebucht. Gleiches wird auch dann greifen, wenn die Verträge über Drittplattformen geschlossen werden, hat auch hier der Vertragspartner keine Kenntnis von der genauen Identität. Dass er diese Kenntnis nicht hat, ist aber seiner eigenen Sphäre zuzuordnen; er hat bewusst auf entsprechende Maßnahmen verzichtet. Dies darf dann aber nicht zu Lasten des Vertragspartners angeführt werden.
Abweichendes gilt nur dann, wenn eine bewusste Täuschung des Vertragspartners über seine Identität vorlag und damit ein Anfechtungsgrund nach § 123 BGB gegeben wäre. Eine solche Täuschung kann durch handlung oder Unterlassen erfolgen. Ein Unterlassen liegt aber noch nicht allein darin, dass der Kläger seine Identität oder gar politische Gesinnung beim Buchen vorzulegen hat. Fordert  der Eigentümer dies nicht ab, so muss er auch die entsprechenden Folgen tragen. Eine Täuschung wäre damit nur gegeben, wenn bewusst die Identität verschleiert wird.
Ebenso kommt auch eine Anfechtung wegen einers Irrtums über verkehrswentliche Eigenschaften des Vertragspartners nach § 119 abs. 2 BGB nicht in Betracht. Wenn der Eigentümer keine Informationen über die Identität des Vertragspartners fordert, so ist ihm diese egal – er hat somit keine Vorstellung hierüber und nicht etwa eine Fehlvorstellung.
Eine Anfechtung des Vertrags ist damit nur in sehr engen Grenzen möglich. Ist diese aber erfolgreich, so kann dann auch ein Hausverbot verhängt werden. Auch wenn der BGH diese Problematik nicht mehr konkret geprüft hat, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass er entsprechend entscheiden würde.
III. Aufbau in der Klausur
Für Studenten am wichtigsten ist wohl die Frage, wie dieser Fall in einer Klausur geprüft werden kann. In der Entscheidung des BGH wurde – eher abstrakt – die Zulässigkeit eines Hausverbots geprüft. In einer Klausur wäre dies m.E. eher nicht der ansatzpunkt – vielmehr wäre dort wohl zu prüfen, ob der Kläger Zugang zu dem Hotel begehren kann. Auch hier ist wiederum wieder zu unterscheiden, ob ein Vertrag bereits geschlossen ist oder ob nicht.
1. Bestehender Vertrag
Liegt ein Vertrag vor, so ergibt sich der Anspruch direkt aus dem Beherbergungsvertrag (als typengemischten Vertrags) selbst. Dieser wäre dann zu prüfen. Der Anspruch könnte dann aber hier durch die Verhängung des Hausverbots leerlaufen. Das Hausverbot wäre dann meiner Ansicht nach entweder bereits bei einer Unmöglichkeit des Vertrags zu prüfen oder bei einer mangelnden Durchsetzbarkeit des Anspruchs. Insbesondere wäre bei der Zulässigkeit des hausverbots insbesodnere wieder der Grundsatz des venire contar factum proprium anzusprechen.Die Lösung hat sich dann wieder an der Entscheidung des BGH zu orientieren.
2. Fehlender Vertrag
Fehlt hingegen ein Vertragsschluss, so kann sich ein Anspruch auf Zugang zum Hotel allein aus dem Vorliegen eines Kontrahierungszwangs ergeben. Da dieser gerade eine Ausnahme vom Grundsatz der Privatautonomie darstellt, ist er nur in sehr engen Grenzen zulässig (bspw. bei Verkehrsbetrieben, Energieversorgung etc.). In allen anderen Fällen ist ein solcher Kontrahierungszwang abzulehnen. auch hier muss die Rechtsprechung des BGH wiederholt werden – der Nichtabschluss eines Vertrags hat identische Folgen wie die – abstrakt geprüfte – Verhängung des Hausverbots.
IV. Examensrelevanz
Zur Examensrelevanz braucht wohl nicht viel gesagt zu werden – offensichtlich kann der Fall in einer Klausur sehr gut geprüft werden. Insbesondere zeigt die Darstellung im dritten Teil aber auch, dass es oftmals nicht genügt die groben Züge der Rechtsprechung zu beherrschen, da auch andere Ansatzpunkte möglich sind. aus diesem Grund sollte das hier Dargestellte sowohl für schriftliche als auch für mündliche Prüfung behersscht werden.
Klar sollte auch sein, dass das hier Dargestellte nicht allein für ein hausverbot aus politischen Gründen gilt, sondern auch auf andere Gründe – die nicht vom AGG erfasst sind – übertragen werden kann.

10.03.2012/8 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-03-10 15:16:372012-03-10 15:16:37BGH: Zulässige Ausübung des Hausrechts – Ausschluss von Udo Voigt
Dr. Christoph Werkmeister

OVG Koblenz zu NPD-Gedenkmarsch in Trier

Öffentliches Recht, Rechtsprechung

Beck-aktuell berichtet über einen brisanten Beschluss des OVG Koblenz (Beschl. v. 27.01.2012, Az. 7 B 10102/12.OVG):

Von einer Demonstration, die eine unzweifelhaft dem rechtsextremen Spektrum angehörende Partei am 27.01.2012 durchführen wolle, gehe eine erhebliche Provokationswirkung aus. Sie beeinträchtige das sittliche Empfinden der Bürger und gefährde deshalb die öffentliche Ordnung. Diese Gefahr ergebe sich aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung, nämlich einer Demonstration von Rechtsextremisten am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und am internationalen Holocaust-Gedenktag.

Das Urteil als solches ist weniger examensrelevant. Es ruft allerdings erneut all diejenigen examensrelevanten Problemkreise in unser Gedächtnis, die im Zusammenhang mit extremistischen Parteien stehen. Gerade mündliche Prüfungsgespräche werden oftmals im Lichte solcher Entscheidungen und den zugehörigen Assoziationen gestaltet. Hingewiesen sei aus diesem Grund auf die folgenden examensrelevanten Problemkreise.

30.01.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-01-30 20:26:562012-01-30 20:26:56OVG Koblenz zu NPD-Gedenkmarsch in Trier
Dr. Christoph Werkmeister

Hans-Jürgen Papier zum Parteiverbot der NPD

Aktuelles, Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Verfassungsrecht

Die Welt-Online berichtet über ein Interview mit dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Der Bericht fasst die Historie rund um die Problematik eines Verbots der NPD anschaulich zusammen. Examensrelevant ist in diesem Kontext insbesondere die folgende Aussage von Papier:

Die NPD – und nicht nur einer ihrer Funktionäre – müsste in diese mörderischen Anschläge in irgendeiner Form verwickelt sein.“ Dieser Nachweis werde nicht einfach zu erbringen sein, so Papier. „Da müssten die Ermittlungen noch mehr ergeben.“

Wortlaut des Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG
Papier verdeutlicht an dieser Stelle, dass ein Parteiverbot i.S.d. Art. 21 Abs. 2 GG nur in besonderen Einzelfällen zulässig ist. Gleichwohl ist die o.g. Äußerung im Lichte des Wortlauts des Art. 21 Abs. 2 GG zunächst nicht ganz korrekt. Ein Parteiverbot kann dem Wortlaut der Norm nach entweder auf die Ziele einer Partei oder aber auf das Verhalten ihrer Anhänger gestützt werden.
Letztere Alternative ist allerdings nur dann einschlägig, wenn das Verhalten der Anhäger der Partei als solcher auch zugerechnet werden kann. So können nach Auffassung des BVerfG Entgleisungen einzelner Mitglieder oder Funktionäre durchaus zu vernachlässigen sein (vgl. BVerfGE 5, 85, 143). Hiermit wäre die oben zitierte Aussage von Papier wieder in ein rechtes Licht gerückt. Die Feststellung, dass sich nur bestimmte Anhänger der NPD „Grundgesetzfeindlich“ verhalten haben, kann somit noch kein Verbot i.S.d. Art. 21 Abs. 2 GG begründen. Letztlich ist aufgrund der restriktiven Auslegung des BVerfG, die sich aus der besonderen Bedeutung politischer Parteien ergibt, somit doch auf die Partei als Gesamtheit abzustellen.
Probleme in der Praxis
Die Problematik, die sich in der Praxis stellt, ist weniger eine Unterscheidung zwischen den zwei diskutierten Tatbestandsalternativen. Eine Bedrohung der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die NPD ließe sich im Prinzip u.U. schon in einem Parteiverbotsverfahren nachweisen.
Das Problem liegt eher auf verfahrensrechtlicher Ebene. Die NPD wird nämlich vom Verfassungsschutz beobachtet (insbesondere durch sog. V-Leute; s. dazu hier). Wenn nun aber Funktionäre der für verfassungswidrig zu erklärenden Partei zugleich als Informanten des Verfassungsschutzes tätig sind, ergibt sich ein Spannungsverhältnis, ähnlich wie es bei Beweisverwertungsverboten nach der StPO der Fall ist (vgl. etwa BVerfGE 104, 370). Aus genau diesem Grund hat das BVerfG bereits das damalige Verbotsverfahren eingestellt (vgl. BVerfGE 107, 339).
Das Problem, das sich stellt, ist somit das Folgende: Einerseits werden die V-Leute benötigt, um interne Äußerungen und Zielsetzungen der NPD nachzuweisen. Andererseits können aber genau diese Beweismittel nicht verwertet werden bzw. die Überwachung führt bereits zu einem unheilbaren Verfahrensverstoß per se. Sofern nur auf öffentlich zugängliche Äußerungen, Publikationen und sonstige frei verfügbare Beweismittel abgestellt wird, fehlt es wohl indes am notwendigen Nachweis der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG.
Fraglich ist, wie in einem neuen Verfahren zu urteilen wäre. Hierfür  kommt es erneut darauf an, wie viele der Beweismittel letztlich durch Kontaktpersonen des Verfassungsschutz eingebracht werden bzw. auch, wie intensiv die Überwachung ist. Die Ansicht von Papier, dass das BVerfG abermals ein erhebliches verfahrensrechtliches Problem aufdecken wird, ist hier nicht von der Hand zu weisen. Es bleibt also abzuwarten, ob tatsächlich ein neues Verbotsverfahren eingeleitet wird.
Im Examen
Wer also im Rahmen einer Klausur oder mündlichen Prüfung mit der Parteiverbotsproblematik konfrontiert wird, sollte nicht voreingenommen an die Sache herangehen und die Möglichkeit eines Verbots auf Tatbestandsebene direkt verneinen. Es sollte vielmehr entsprechend des Wortlauts der Norm genau differenziert und definiert werden.  Anschließend erst folgt die Subsumtion, die freilich anhand des vorliegenden (verwertbaren) Beweismaterials in beide Richtungen gehen kann.
Zugleich gilt es als Prüfling stets zu betonen, dass ein Verbot nur durch das BVerfG erklärt werden kann, vgl. Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG. Insbesondere wenn Behörden sich entgegen der Monopolstellung des BVerfG anmaßen, eine Partei vertrete eine kämpferische Haltung gegenüber der freiheitlich demokratische Grundordnung des GG, wird meist eine rechtsfehlerhafte Entscheidung ergangen sein (s. vertieft zu diesen Problemkreisen hier).

04.12.2011/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-12-04 12:07:062011-12-04 12:07:06Hans-Jürgen Papier zum Parteiverbot der NPD
Dr. Christoph Werkmeister

NPD darf im Internet auf Verschmelzung mit DVU hinweisen

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Beck-aktuell berichtet kursorisch über ein Urteil des AG Berlin-Köpenick (Urt. v. 07.10.2011, Az. 7 C 1005/11), das sich gut in eine mündliche Prüfung einbauen lässt. In der Sache ging es um einen Unterlassungsanspruch der DVU gegen die NPD. Problematisch waren insbesondere die Aktivlegitimation und das Darlegen der Unwahrheit der Aussage (mehr dazu hier).

21.11.2011/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-11-21 09:25:392011-11-21 09:25:39NPD darf im Internet auf Verschmelzung mit DVU hinweisen
Dr. Christoph Werkmeister

Tagesschau.de zu V-Leuten in der NPD

Aktuelles, Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Tagesschau.de berichtet instruktiv über die Problematik der V-Leute innerhalb der NPD.

Die rechtsextreme Partei schützt sich durch ihre Radikalität gegen ein Verbot, Neonazis bezeichnen die V-Leute als „Schutzschirm“ gegen ein Verbot. Denn die Befürworter der V-Mann-Praxis argumentieren, die NPD sei so gefährlich, dass die Spitzel nicht abgezogen werden könnten. Dadurch wird ein Verbotsverfahren aber unmöglich. Eine paradoxe Situation, die die Strategie der NPD, mit der militanten Neonazi-Szene zu kooperieren, noch honoriert.

Für die mündliche Prüfung bedeutet das, dass die engen Voraussetzungen für das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG nochmals genauer betrachtet werden sollten. Zudem kann es nicht schaden, sich nochmals mit Standardkonstellationen zu beschäftigen, bei denen rechte Parteien eine Rolle spielen (beispielsweise die Klassiker zu Ansprüchen auf Nutzung gemeindlicher Einrichtungen).

17.11.2011/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-11-17 09:41:342011-11-17 09:41:34Tagesschau.de zu V-Leuten in der NPD
Dr. Stephan Pötters

Neonazis vor Gericht – eine unendliche Geschichte

Strafrecht

NPD, Mahler & Co. – leider juristische Dauerbrenner
Ein aktuelles BGH-Urteil soll hier Anlass sein, den Themenkomplex „Neonazis und examensrelevante Probleme“ einmal näher zu beleuchten. Da viele der Prozesse rund um NPD, Mahler, Antifa-Symbole, Demjanjuk & Co. die Medien interessieren und öffentliche Diskussionen anstoßen, lohnt es sich gerade auch im Hinblick auf die mündliche Prüfung, sich mit den prominentesten Fällen auseinander zu setzen. Besonders berühmt sind wohl die Fälle zum (gescheiterten) NPD-Verbotsverfahren (damals spielten der BND und Minister Otto Schily eine unrühmliche Rolle) sowie der spektakuläre Streit zwischen dem OVG Münster und dem BVerfG um die rechtlichen Anforderungen für Demonstrationsverbote und Auflagen (hier war das OVG Münster lange Zeit großzügiger als das BVerfG, welches für ein Verbt idR einen Verstoß gegen Straftatbestände fordert). In der mündlichen Prüfung bietet sich auch ein Ausflug zu den Nürnberger Prozessen an. Aktuell sind die Verurteilung Horst Mahlers wegen Volksverhetzung (s. hierzu der Spiegel-Artikel) und das juristische Gezerre um die Auslieferung John Demjanjuks in den Medien gewesen.
Neuer Fall: Verwendung von Nazi-Parolen in fremder Sprache („Blood and Honour“) grdsl. nicht strafbar
Bei vielen der braunen Geschichten geht es juristisch und gesellschaftspolitisch häufig um dasselbe Problem: Was kann unsere Demokratie, unser Rechtsstaat noch tolerieren und wann muss er intervenieren? Wo endet die Meinungsfreiheit? Wie weit darf die Versammlungsfreiheit gehen? Wie wehrhaft soll die BRD gegenüber Verfassungsfeinden auftreten, ohne die Grundrechte zu beschneiden?
In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch der vom BGH entschiedene Fall vom 13.08.2009 (3 StR 228/09). Der Angeklagte hatte in diesem Fall 100 T-Shirts besessen, die auf der Vorderseite mit dem Schriftzug „Blood & Honour/C18“ und „support your local section“ bedruckt waren. Auf der Rückseite konnte man den Spruch „Blood & Honour is our voice Combat 18 is our choice“ lesen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass „Blood & Honour“ eine international aktive, rechtsextremistische Vereinigung ist, deren deutsche Unterorganisation verboten ist. „Blut und Ehre“ war der – wenig kindgerechte – Leitspruch der Hitlerjugend.
Der BGH hat nun entschieden, dass der fremdsprachige Gebrauch einer NS-Parole nicht unter den Straftatbestand des § 86a StGB fällt. § 86a StGB sanktioniert das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Nach § 86a II StGB sind Kennzeichen namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Gleichermaßen strafbar sei, so der BGH, auch der Gebrauch von Kennzeichen, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich seien. Der Leitspruch der HJ werde hier aber durch die englische Übersetzung stark verfremdet, so dass eine Strafbarkeit insofern entfallen müsse (anders noch die Vorinstanz!). Die Parole sei nicht nur durch ihren Sinngehalt, sondern gerade auch durch die deutsche Sprache charakteristisch geprägt.
Dennoch Strafbarkeit nach § 86a StGB hier möglich
Allerdings kann hier i.E. dennoch eine Strafbarkeit nach § 86a StGB gegeben sein, denn auch die Organisation „Blood & Honour“ ist in Deutschland verboten. Dies hatte die Vorinstanz übersehen. Außerdem monierte der BGH, dass eine Prüfung der §§ 85 und 86 StGB in Bezug auf die 100 T-Shirts hätte erfolgen müssen.

14.08.2009/0 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-08-14 10:44:252009-08-14 10:44:25Neonazis vor Gericht – eine unendliche Geschichte

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