Der u.a. mit dem Kaufrecht befasste VIII. Senat des BGH hat sich in einer brandheißen Entscheidung (Urt. v. 22.11.2017 – VIII ZR 83/16, NJW 2018, 537) mit der seitens des Internet-Zahldienstes PayPal angebotenen „Käuferschutz-Option“ beschäftigt. Ähnlich wie auch bei Fallkonstellationen rund um die Internetplattform ebay ist auch bei PayPal mit einer erhöhten Examensrelevanz zu rechnen, lassen sich hier doch klassische Problemfelder mit weitgehend unbekannten Fragestellungen kombinieren und in neuartige Fallkonstellationen einkleiden – insbesondere, wenn – wie im vorliegenden Fall – Fragen rund um ebay und PayPal kombiniert werden können.
I. Einführung in die Rechtsfragen
Im Kern der Entscheidung ging es um die Auswirkungen der Rückerstattung eines durch einen Käufer bereits via PayPal gezahlten und per „Käuferschutz-Option“ zurückverlangten Betrages.
Nach den PayPal-Käuferschutz-RL werden Internetgeschäfte via PayPal wie folgt abgewickelt: Bezahlvorgänge können über virtuelle Konten mit E-Geld getätigt werden. Weicht der Kaufgegenstand erheblich von der Beschreibung desselben ab oder erhält der Käufer die Ware gar nicht erst, so kann der Käufer einen Antrag auf Rückerstattung des Kaufpreises stellen, der sich nach bestimmten Voraussetzungen richtet („Käuferschutz-Option“). Sind diese erfüllt, schreibt PayPal den Betrag wieder vollständig dem virtuellen PayPal-Konto des Käufers gut.
Rechtlich stellt sich nun die interessante Frage, ob der Verkäufer nach erfolgter Rückerstattung des Kaufpreises via PayPal erneut Zahlung vom Käufer verlangen kann.
II. Sachverhaltsdarstellung (vereinfacht)
Käuferin K erwarb auf der Internetplattform ebay von Verkäufer V ein Handy zum Preis von 600 €; die Zahlung wurde via PayPal abgewickelt. Nach Eingang des E-Geldes auf dem virtuellen PayPal-Konto des Verkäufers versandte dieser das Handy. Das wie vereinbart nicht versicherte Paket erreichte K nach deren Angaben allerdings nicht, weshalb sich diese an den Paketzusteller wandte. Dessen Nachforschungen blieben allerdings erfolgslos. Daraufhin machte die K gegenüber PayPal ihre „Käuferschutz-Option“ geltend. Den PayPal-Käuferschutz-RL entsprechend wurde der Kaufpreis dem PayPal-Konto der K wieder gutgeschrieben. V macht nun die (erneute) Zahlung des Kaufpreises iHv 600 € gerichtlich geltend.
III. Entscheidung des BGH
Der Anspruch auf (erneute) Kaufpreiszahlung iHv 600 € könnte sich aus § 433 II BGB ergeben.
1. Zunächst ist fraglos ein wirksamer Kaufvertrag zu Stande gekommen (hier ist in einer Klausur an die divergierenden Ansichten zum Zustandekommen des Vertrages sowie Einbeziehungs- und Auslegungslösung bzgl. der ebay-AGB zu erinnern).
2. Zu klären ist indes, ob der Anspruch nicht durch erstmalige Gutschrift der 600 € auf das virtuelle PayPal-Konto des V gemäß § 362 I BGB erloschen ist. Dazu der BGH:
„Wird der Kaufpreis vereinbarungsgemäß unter Verwendung des Online-Zahlungsdienstes PayPal entrichtet, ist die geschuldete Leistung bewirkt, wenn der vom Käufer geschuldete Betrag dem PayPal-Konto des Verkäufers vorbehaltlos gutgeschrieben wird, so dass dieser den Zahlbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält.“
Dies ist der Fall, wenn der Betrag auf dem virtuellen PayPal-Konto des Verkäufers eintrifft. Dass der Betrag dagegen noch nicht auf das Bankkonto des V weitergeleitet wurde, ist dagegen unerheblich, liegt dies doch letztlich auch in der Hand des Verkäufers selbst. Damit ist der Anspruch zunächst einmal durch Erfüllung erloschen.
3. Gleichwohl könnte eben diese Erfüllung auf Grund der Rückerstattung des Betrages auf das virtuelle PayPal-Konto des K rückwirkend wieder entfallen sein, §§ 158 II, 159 BGB. Begründen ließe sich dies durch einen systematischen Vergleich mit einer Zahlung via Lastschriftverfahren, insbesondere § 675x BGB. Insoweit sieht der BGH allerdings strukturelle Unterschiede zwischen beiden Zahlungsweisen und lehnt, auch da sich eine derartige Sichtweise nur schwerlich mit der Theorie der realen Leistungsbewirkung vereinbaren ließe, eine derartige Bedingung ab.
„Die Erfüllungswirkung, die durch die vorbehaltlose Gutschrift der Kaufpreisforderung auf dem PayPal-Konto des Käufers eingetreten ist, entfällt nicht rückwirkend, wenn PayPal den Kaufpreis aufgrund eines erfolgreichen Antrags auf Käuferschutz zurückbucht und dem PayPal-Konto des Käufers wieder gutschreibt. […] Ein vereinbarter Vorbehalt der Rückforderung – hier in Gestalt erfolgreicher Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes – stünde der Erfüllungswirkung schon von Anfang an entgegen, weil diese nicht nur vorläufig eintreten kann […], sondern regelmäßig als objektive Folge der Leistungsbewirkung (Theorie der realen Leistungsbewirkung), ohne dass es weiterer Umstände bedarf […].“
4. Allerdings könnte man an eine Wiederbegründung der Kaufpreisforderung durch konkludente Einigung im Sinne des § 311 I BGB denken. Insoweit könnte bei Verwendung des Bezahldienstes PayPal stillschweigend eine weitere Vereinbarung der Neubegründung der Kaufpreisforderung für den Fall der erfolgreichen Geltendmachung der „Käuferschutz-Option“ hinzutreten.
„Eine – gegebenenfalls stillschweigende – Wiederbegründung einer getilgten Forderung kann bei entsprechendem Willen der Parteien, die frei darin sind, unter bestimmten Voraussetzungen das Wiederaufleben der ursprünglichen Schuld zu vereinbaren, bei einem nicht formgebundenen Vertrag bereits mit Vertragsabschluss und für den Fall getroffen werden, dass zukünftig eine Rückgabe oder Rückbuchung des bereits gezahlten Schuldbetrags erfolgt.“
Das heißt mit anderen Worten:
„Wird der Kaufpreis vereinbarungsgemäß unter Verwendung des Zahlungsdienstes PayPal entrichtet, vereinbaren die Kaufvertragsparteien – bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte – zugleich stillschweigend, dass die getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutz-RL rückbelastet und der Kaufpreis dem PayPal-Konto des Käufers wieder gutgeschrieben wird.“
Diese Nebenabrede zur Tilgung des Kaufpreises für den Fall der erfolgreichen Rückerstattung via PayPal wäre in einer Klausur mittels interessengerechter Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung der PayPal-Käuferschutz-RL herzustellen, §§ 133, 157 BGB. So führt der VIII. Senat aus:
„Der Erklärungsgehalt der mit Abschluss des Kaufvertrags als Nebenabrede getroffenen Vereinbarung, zur Tilgung der Kaufpreisschuld den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, richtet sich neben den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB grundsätzlich nach den Bestimmungen der von PayPal verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, unter anderem der PayPal-Käuferschutz-RL, denen die Kaufvertragsparteien vor der Inanspruchnahme des Zahlungsdienstes zugestimmt haben.“
Dabei gelten diese PayPal-Käuferschutz-RL ähnlich wie auch bei ebay nicht im Verhältnis von Käufer und Verkäufer, sondern jeweils im Verhältnis Käufer zu PayPal und Verkäufer zu PayPal. So verwundert es kaum, dass die PayPal-Käuferschutz-RL in Punkt 6.5 davon sprechen, dass „die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht“ berührt werden und „separat von diesen“ zu betrachten sind.
Deshalb ist es dem Käufer auch selbstredend möglich, sich an die staatlichen Gerichte und nicht an PayPal durch Beantragung der „Käuferschutz-Option“ zu wenden, will er sein Geld zurückerstattet haben. Nichts anderes kann dann aber spiegelbildlich für den Fall gelten, dass der Verkäufer seinen (wie gesehen wiederbegründeten) Anspruch auf Kaufpreiszahlung durch Inanspruchnahme staatlicher Gerichte einklagen will.
5. Insoweit ergibt sich der neubegründete Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus der getroffenen Parteiabrede.
6. Allerdings ist fraglich, wie sich der Umstand auswirkt, dass das Mobiltelefon nach den Angaben der K nie angekommen und dem Paketzusteller zufolge auch nicht mehr auffindbar ist. Auch hier könnte der Kaufpreisanspruch nach § 326 I BGB erloschen sein, wenn seitens des V Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB eingetreten ist, so dass dieser von seiner Pflicht aus § 433 I BGB frei geworden wäre.
Allerdings könnte hier die gegenüber § 326 I BGB speziellere Preisgefahrtragungsregel des § 447 I BGB eingreifen. Danach erfolgt der Gefahrübergang beim Versendungskauf und zufälligem Untergang der Sache bereits wenn der Verkäufer die Sache auf Verlangen des Käufers in Abweichung von § 269 BGB an einen anderen als den Erfüllungsort versendet, in dem er die Sache dem Paketzusteller ausliefert.
Erfüllungsort ist nach § 269 I BGB grds. der Wohnsitz des Schuldners V, so dass eine Holschuld vorliegt. Wie eine systematische Gegenüberstellung mit § 269 III BGB ergibt, kann aus dem Umstand, dass der Verkäufer die Transportkosten übernimmt, noch kein Rückschluss auf den Erfüllungsort gezogen werden. Da keine gegenläufige Vereinbarung zwischen den Parteien ersichtlich ist, stellt der Versand an den Wohnsitz des Käufers eine Abweichung von der gesetzlichen Grundkonzeption des § 269 I BGB dar (Wohnsitz des Verkäufers als Schuldner der Leistung), so dass eine Versendung an einen anderen Ort als den Erfüllungsort anzunehmen ist. Da dies auch auf Verlangen der K erfolgte und eine Übergabe an die Transportperson ebenso vorlag, greift § 447 I BGB ein. Demnach lag die Gefahr des – in Zusammenschau mit § 446 hineinzulesenden, zufälligen – Untergangs der Sache bei K.
Somit ist der Kaufpreisanspruch nicht nach § 326 I BGB erloschen.
7. Mithin kann V Zahlung iHv 600 € von K verlangen.
IV. Abschließender Hinweis
Läge in der Klausur ein Verbrauchsgüterkauf vor, wäre § 447 BGB nach Maßgabe des § 475 II BGB n.F. ausgeschlossen. Das war hier allerdings nicht der Fall. Deshalb bleibt K allein der Weg, sich die Ansprüche des V gegen den Paketzusteller nach § 285 BGB abtreten zu lassen (näher Palandt/Weidenkaff, 77. Aufl. 2018, § 447 BGB Rn. 18).