In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 06.11.2013 – VIII ZR 353/12) haben sich die Richter mit der Frage auseinandergesetzt, ob solche AGB wirksam sind, die den Gefahrübergang bei der geschuldeten Lieferung und Montage von Möbeln auf den Zeitpunkt der Übergabe an das Transportunternehmen festlegen, wenn der Versender auch die Montage beim Kunden schuldet. Das Urteil liegt derzeit lediglich als Pressemitteilung vor. Der Fall hat eine erhöhte Examensrelevanz, da sich eine klassische AGB-Kontrolle mit den Grundsätzen des allgemeinen Schuldrechts verknüpfen lässt.
Sachverhalt (stark vereinfacht)
Privatperson K bestellt beim Online-Möbelversandhandel V einen Schrank. Im Preis inbegriffen ist auch der Aufbau des Schranks im Schlafzimmer der K. Lieferung und Montage sollen durch ein von V beauftragtes Unternehmen T erfolgen.
In den (wirksam eingeführten) AGB des V heißt es unter anderem:
„Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich.“
Einige Tage nach der Bestellung übergibt der V den bestellten Schrank an T. Beim Transport wird der Schrank aufgrund eines Unfalls zerstört. K verlangt von V die Schadensersatz. V beruft sich auf die AGB-Klausel, wonach bereits bei Übergabe an T die Gefahr des zufälligen Untergangs auf K übergegangen sei. V müsse nicht mehr haften. Ist die Klausel wirksam?
Abweichung von gesetzlicher Regelung ohne sachlichen Grund, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB
Der BGH kommt entgegen der Auffassung der Vorinstanz zu der Überzeugung, dass die vorliegende Klausel den Verbraucher ohne sachlichen Grund unangemessen benachteilige.
Die Klausel, nach der die Beklagte nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Tarnsportunternehmen schulde, benachteilige den Kunden eines solchen Vertrages unangemessen, weil sie ohne sachlichen Grund von der gesetzlichen Regelung über den Leistungsort abweiche und dadurch den Gefahrübergang zum Nachteil des Kunden verändere.
Die gesetzliche Regelung über den Leistungsort findet sich in § 269 I BGB. Hiernach bestimmt sich der Leistungsort in erster Linie nach den Umständen und dem Natur des Schuldverhältnisses, es sei denn, es existieren entsprechende Parteivereinbarungen.
Letzteres kommt hier bereits deswegen nicht in Betracht, da es sich bei AGB regelmäßig nicht um beidseitige verhandelte Vereinbarungen handelt, sondern um einseitig vom Verwender eingeführte Vertragsbedingungen, § 305 I 1 BGB.
Der BGH führt aus, bei einem Kaufvertrag, bei dem der Verkäufer neben der Lieferung des Möbels auch dessen Montage schulde, handele es sich nach der Natur des Schuldverhältnisses um eine Bringschuld. Eine Bringschuld zeichnet sich (im Gegensatz zu einer Holschuld oder einer Schickschuld) dadurch aus, dass der Wohnsitz des Gläubigers sowohl Leistungs- als auch Erfolgsort ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage 2011, § 269 Rz. 1). Hier ist die Montage in den Wohnräumen des Käufers geschuldet. Demnach kann der Käufer nur nach erfolgreicher Anlieferung und Montage überprüfen, ob der Verkäufer vertragsgemäß (mangelfrei) geliefert hat.
Nach Auffassung des BGH steht die zitierte Klausel folglich im Widerspruch zu dem, was laut Kaufvertrag geschuldet wird. Indem V die Gefahr des Untergangs der geschuldeten Sache auf K im Rahmen der Übergabe an die Transportperson bereits frühzeitig übergehen lässt, setzt er den Käufer einem besonderen Risiko aus, das nach Art des Schuldverhältnisses nicht gerechtfertigt ist und den Käufer unangemessen benachteiligt.
Unzulässiger Ausschluss der Haftung für Verschulden des Erfüllungsgehilfen, § 309 Nr. 7b BGB
Das Gericht sieht ferner auch einen Verstoß gegen § 309 Nr. 7b BGB. Nach dieser Norm ist eine Klausel mit folgendem Inhalt unwirksam:
„ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen;“
Die Klausel lässt hier nicht nur die Gefahr frühzeitig übergehen (s.o.), sondern führt letztlich dazu, dass der Unternehmer für eine Verschulden des Unternehmers insgesamt nicht haftet.
Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB ist, wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Rechts- oder Interessenkreis tätig wird zur Erfüllung einer Verbindlichkeit. Hier wird T mit der vertragliche geschuldeten Lieferung und Montage des Möbels beauftragt und ist demnach im Verhältnis V/K Erfüllungsgehilfe des V.
Indem V die Verantwortlichkeit für von T verursachte Leistungsstörungen ausschließt, handelt es sich um einen nach § 309 Nr. 7b BGB unzulässigen Haftungsausschluss.
Kein Verstoß gegen §§ 474 II 2 i.V.m. § 447 BGB
Zumindest auf dem ersten Blick denkbar, jedoch in der Pressemitteilung nicht angesprochen, weil für die Entscheidung nicht relevant, wäre zudem ein Verstoß gegen §§ 474 II 2 i.V.m. § 447 BGB. Hiernach gilt der Gefahrübergang beim Versendungskauf durch Übergabe an die Transportperson nicht beim Verbrauchsgüterkauf, da der Verbraucher nicht mit dem Risiko der Versendung belastet werden soll.
Ein Verstoß gegen §§ 474 II 2 BGB kommt hier jedoch klar nicht in Betracht. §§ 447, 474 II 2 BGB sind nur dann anwendbar, wenn den Verkäufer eine Schickschuld (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage 2011, § 269 Rz. 1) trifft, Leistungs- (gleichbedeutend: Erfüllungs-) und Erfolgsort also auseinanderfallen. Dies ist der typische Fall im (Online-) Versandhandel: Der Kunde bestellt und der Händler versendet die Ware. Leistungsort ist der Ort der Versendung (z.B. das Warenlager). Erfolgsort der Wohnsitz/Geschäftssitz des Bestellers, an dem der Leistungserfolg eintritt.
Hier handelte es sich jedoch nach der Natur des Schuldverhältnisses um eine Bringschuld (s.o.). Die verbraucherschützenden Vorschrift des § 474 II 2 BGB für den Versendungskauf zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ist mangels Schickschuld nicht anwendbar. Der Gefahrübergang erfolgt erst mit Montage und Übergabe des Möbels am Wohnsitz des K gemäß § 446 BGB.
Ergebnis: Die Klausel ist insgesamt unwirksam.
Fazit
Der Fall ist leicht abgewandelt: In der Entscheidung des BGH hatte der Verbraucherschutzverband allgemein gegen die Verwendung der Klausel durch V geklagt. In einer Klausur wäre erfahrungsgemäß – wie hier – das Verhältnis des V zu einem einzelnen Verbraucher betroffen, in dessen Rahmen die Wirksamkeit der Bestimmung überprüft werden müsste, z.B. verbunden mit der Frage, ob dem Verbraucher Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer zusteht.
Im Gutachten würde man bei einem Verbrauchervertrag klassischerweise aus Gründen der Spezialität mit der Prüfung des § 309 BGB beginnen und sich danach erst mit § 307 BGB beschäftigen (dazwischen die zumindest gedankliche Prüfung des § 308 BGB nicht vergessen!). Der BGH hat den Schwerpunkt der Prüfung offensichtlich bei § 307 BGB gesehen und die weitere Unzulässigkeit nach § 309 Nr. 7b BGB als „zweites Standbein“ herangezogen.
In der Klausur ließe sich noch § 474 II 2 BGB kurz anschneiden, um dem Korrektor zumindest Problembewusstsein zu zeigen. Aufgrund der Qualifizierung des Schuldverhältnisses als Bringschuld kommt ein dahingehender Verstoß aber nicht in Frage.