In einer neueren Entscheidung des BAG vom 28.10.2010 (8 AZR 647/09 – lesenswert!) geht es um die Haftungsmodalitäten bei sog. „betrieblich veranlassten Tätigkeiten“ und den Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nach § 670 BGB analog. Zu letzterem stellt sich die Frage, inwiefern sich der Arbeitnehmer ein Mitverschulden nach § 254 BGB anrechnen lassen muss und wer die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt. Die Grundsätze zur betrieblich veranlassten Tätigkeit gehören zum examensrelevanten Arbeitsrecht und sollten zumindest in Grundzügen beherrscht werden.
Sachverhalt (vereinfacht)
A ist Verkäufer bei der Firma B für Schiffs- und Industriebedarf. Üblicherweise werden Transportfahrten der Waren durch Lagermitarbeiter der B mittels dafür vorgesehener, firmeneigener Transportfahrzeugen durchgeführt. In der Vergangenheit kam es jedoch häufiger vor, dass kleinere Transportfahrten, die auf dem Weg zwischen Arbeitsplatz und Wohnort der Verkäufer lagen, von diesen übernommen und als Arbeitszeit vergütet wurden. Hierbei kam jeweils der private PKW des jeweiligen Verkäufers zum Einsatz.
Dementsprechend soll A am 9. Mai 2007 einige Kleinteile bei einem Kunden abholen. A fährt mit seinem privaten PKW los. An einer Ampel kommt es zu einem Auffahrunfall, bei dem das Fahrzeug des A einen Totalschaden erleidet. Ein Versicherung besteht nicht. Der genaue Unfallhergang kann nicht mehr festgestellt werden. Insbesondere bleibt unklar, wer für den Unfall verantwortlich war. Eine Begutachtung der Unfallstelle durch einen Sachverständigen erfolgte nicht, da A und der Unfallgegner sogleich Namen und Adressen austauschen und schließlich nach Hause fahren. Die Polizei wird nicht eingeschaltet. A gibt lediglich an, er habe „nicht mehr rechtzeitig bremsen können“, als das vorausfahrende Fahrzeug (aufgrund eines Dritten, unbekannt bleibenden Verkehrsteilnehmers) „abrupt“ vor ihm angehalten habe. Er und der Unfallgegner seien „im dichten Feierabendverkehr“ gefahren und hätten Geschwindigkeiten von „40 bis 45 km/h“ jeweils nicht überschritten. Weitere Angaben kann A nicht machen. Das beschädigte Fahrzeug verkauft er an einen Autohändler.
A verlangt nunmehr von B den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts des Fahrzeugs, sowie eine Nutzungsausfallentschädigung. Immerhin habe es sich um eine Dienstfahrt gehandelt, die – was zutrifft – mit seinem Vorgesetzten abgesprochen war. Anhaltspunkte, die auf eine besonders schweres Fehlverhalten des A bezüglich des Unfalls hinwiesen, seien wegen des von ihm geschilderten Unfallherganges nicht naheliegend. B weist lediglich daraufhin, dass schon der Totalschaden für ein erhebliches Fehlverhalten des A spreche. A sei „selbst schuld“, B müsse nichts zahlen. Kann A von B Ersatz verlangen?
Entsprechende Anwendung des § 670 BGB bei Arbeitsverhältnissen
Der BGH geht zunächst auf die Frage ein, wann ein Anspruch nach § 670 BGB analog in Betracht kommt.
Nach § 670 BGB kann der Beauftragte vom Auftraggeber Ersatz von Aufwendungen verlangen, die er zum Zwecke der Ausführung des Auftrages gemacht hat und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Ein Arbeitnehmer hat in entsprechender Anwendung des § 670 BGB Anspruch auf Ersatz von Schäden, die ihm bei Erbringung der Arbeitsleistung ohne Verschulden des Arbeitgebers entstehen. Voraussetzung der Ersatzfähigkeit des Eigenschadens ist, dass dieser nicht dem Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen ist und der Arbeitnehmer ihn nicht selbst tragen muss, weil er dafür eine besondere Vergütung erhält […].
Sachschäden des Arbeitnehmers, mit denen nach Art und Natur des Betriebs oder der Arbeit nicht zu rechnen ist, insbesondere Schäden, die notwendig oder regelmäßig entstehen, sind arbeitsadäquat und im Arbeitsverhältnis keine Aufwendungen iSd. § 670 BGB. Handelt es sich dagegen um außergewöhnliche Sachschäden, mit denen der Arbeitnehmer nach der Art des Betriebs oder der Arbeit nicht ohne weiteres zu rechnen hat, so liegt eine Aufwendung nach § 670 BGB vor. Ein Verkehrsunfall bei der Auslieferung oder Abholung von Waren für den Arbeitgeber beruht zwar auf der dem Fahrer übertragenen und damit betrieblich veranlassten Tätigkeit, gehört aber nicht zu den üblichen Begleiterscheinungen dieser Tätigkeit und ist mithin nicht arbeitsadäquat.
In entsprechender Anwendung des § 670 BGB muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an dessen Fahrzeug entstandene Unfallschäden ersetzen, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich, wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müsste. Das Landesarbeitsgericht hat die Frage, ob eine Veranlassung für die Fahrt am 9. Mai 2007 seitens der Beklagten vorgelegen hat, dahinstehen lassen. Die betriebliche Veranlassung ergibt sich allerdings bereits aus dem unstreitigen Parteivorbringen. Der Kläger hat seinen Pkw im Betätigungsbereich der Beklagten eingesetzt, weil diese ohne diesen Einsatz ein eigenes Fahrzeug benötigt hätte und damit das Unfallrisiko hätte tragen müssen. […] Da die Beklagte den Kläger beauftragt hatte, die Teile mit einem Kraftfahrzeug bei dem Kunden bzw. Auftragnehmer abzuholen und der Kläger hierfür seinen eigenen Pkw benutzt hat, hat er diesen im Betätigungsbereich der Beklagten eingesetzt. Ob dies neben dem Interesse der Beklagten auch seinem eigenen Interesse gedient hat, ist unbeachtlich. Die Benutzung seines eigenen Fahrzeugs erfolgte mit Billigung der Beklagten. Im Betrieb der Beklagten war es – wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat – üblich, dass Mitarbeiter mit ihren Privatfahrzeugen Gegenstände zu Kunden bringen und/oder dort abholen. […]Auch der Umstand, dass die Beklagte Fahrtzeiten für Auslieferungs- oder Abholfahrten mit Privat-Pkws als Arbeitszeiten vergütet hat, lässt auf die grundsätzliche Billigung der Nutzung von Privatwagen schließen. Deshalb hätte die Beklagte eine konkrete gegenteilige Weisung behaupten müssen, wenn sie eine Billigung der vom Kläger durchgeführten Fahrt mit seinem Fahrzeug zu dem Kunden am 9. Mai 2007 in Abrede stellen will.
Mithaftung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlasster Tätigkeit
Die von der Rechtssprechung entwickelte Abstufung der Haftung des Arbeitnehmers im Rahmen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit gilt auch bei der Frage des Mitverschuldens des Arbeitnehmers bei § 670 BGB in analoger Anwendung.
Ein Anspruch des Arbeitnehmers aus dem Rechtsgedanken des § 670 BGB auf Aufwendungsersatz scheidet dann aus, wenn der Arbeitnehmer infolge einer schuldhaften Handlungsweise sein Vorgehen den Umständen nach nicht für erforderlich halten durfte. Bei der Bewertung, wann und ggf. in welchem Umfange Verschulden des Arbeitnehmers den Ersatzanspruch ausschließt oder mindert, kommen die Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich zur Anwendung. In Anwendung des Rechtsgedankens des § 254 BGB bedeutet dies, dass im Falle leichtester Fahrlässigkeit eine Mithaftung des Arbeitnehmers entfällt.Bei normaler Schuld des Arbeitnehmers (mittlere Fahrlässigkeit) ist der Schaden grundsätzlich anteilig unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu verteilen und bei grob fahrlässiger Schadensverursachung ist der Ersatzanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ganz ausgeschlossen.
Darlegungs- und Beweislast für Grad des Verschuldens regelmäßig beim Arbeitnehmer
Der BGH befasst sich mit den Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs und stellt fest, dass dieser nicht verlangt werden kann, wenn der Arbeitnehmer bei der Geschäftsbesorgung grob fahrlässig gehandelt hat. Im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs reicht es folglich aus, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass ggf. lediglich leichte Fahrlässigkeit gegeben war, um einen unbeschränkten Ersatzanspruch geltend machen zu können.
Auch im Schrifttum ist es annähernd einhellige Auffassung, dass der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Umstände trägt, die eine grob fahrlässige Schadensverursachung ausschließen, wenn er die volle Erstattung eines erlittenen Schadens verlangt. Begründet wird dies damit, dass eine erforderliche Aufwendung iSv. § 670 BGB nur unter Ausschluss eines bestimmte Verschuldens vorliegen könne. Da mithin für einen unbeschränkten Aufwendungsersatzanspruch Voraussetzung sei, dass der Arbeitnehmer den Schaden nicht grob fahrlässig herbeigeführt habe, treffe diesen auch die Darlegungslast für Umstände, die eine grob fahrlässige Schadensverursachung ausschließen. Die Darlegungslast folge der Regel, dass derjenige die Umstände darzulegen hat, der sich auf deren Vorliegen oder Nichtvorliegen beruft.
In Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Literatur hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest.Zu [den Tatbestandsvoraussetzungen von § 670 BGB] zählt, wenn der Arbeitnehmer vollen Ersatz seiner Aufwendungen verlangt, unter Berücksichtigung der Haftungsregeln für den innerbetrieblichen Schadensausgleich, dass seine Aufwendungen nur dann als in vollem Umfange erforderlich zu betrachten sind, wenn sich der Arbeitnehmer nicht schuldhaft (vgl. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern allenfalls leicht fahrlässig verhalten hat. Damit muss nach den allgemeinen prozessualen Darlegungs- und Beweislastregeln, die verlangen, dass der Anspruchssteller alle Tatbestandsvoraussetzungen für seinen geltend gemachten Anspruch darlegt und ggf. beweist, der Arbeitnehmer, der vollen Aufwendungsersatz entsprechend § 670 BGB verlangt, zunächst darlegen, dass er den Schaden nicht schuldhaft, dh. vorsätzlich oder normal fahrlässig, sondern allenfalls leicht fahrlässig verursacht hat.
Dies hat A hier vorliegend nicht getan. Die Vorinstanz hatte dazu schon ausgeführt:
Er trägt vor, der Autofahrer könne im innerstädtischen Verkehr die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs nur sporadisch durch einen Blick auf den Tacho überprüfen. Es habe sich um ‚gefühlte Geschwindigkeitʼ gehandelt.Der Kläger hat jedoch keine Tatsachen dazu vorgetragen, wie er an den Wert zwischen 10 und 15 km/h Aufprallgeschwindigkeit gelangt ist. Messungen haben nicht stattgefunden. Der Unfall wurde nicht polizeilich aufgenommen. Die behauptete Ausgangsgeschwindigkeit, die der Kläger pauschal und ohne Beweisantritt mit 40 bis 45 km/h angibt, die Länge des Bremsweges, aus der sich Rückschlüsse auf die Auffahrgeschwindigkeit hätten ziehen lassen, wären aber von erheblicher Bedeutung gewesen, um den Verschuldensgrad bewerten zu können. Da der Kläger den Sicherheitsabstand zu seinem Vordermann nicht einhielt, hätte es entsprechender Darlegung bedurft, wie groß denn der Abstand gewesen sein soll. Dazu hat der Kläger aber keinerlei Umstände vorgetragen.
Kein Wertungswiederspruch zu Fällen, in denen ein Arbeitnehmer einen Firmenwagen beschädigt
Fraglich könnte sein, ob die Beschädigung eines Firmenwagens durch einen Arbeitnehmer hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast für diesen günstiger ist, sodass derjenige, der seinen privaten PKW zum Einsatz bringe, benachteiligt wäre. Dies wird vom BGH hier verneint.
Der Einwand des Klägers, es stelle einen Wertungswiderspruch dar, dem Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht grob fahrlässige Verursachung eines Schadens im Falle der betrieblich veranlassten Beschädigung des eigenen Pkws aufzuerlegen, während der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für den Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers trägt, wenn dieser bei der gleichen Tätigkeit einen Firmenwagen beschädigt, greift zumindest vorliegend nicht durch. Auch im Rahmen eines arbeitgeberseitigen Schadensersatzanspruchs wegen der Beschädigung eines Firmenwagens ist eine abgestufte Darlegungslast hinsichtlich der Umstände, die zur Beschädigung geführt haben, zu beachten. Das heißt, auch dann hätte sich der Kläger zunächst zu den konkreten Umständen des Schadensfalles erklären müssen, da an die Darlegungslast des Arbeitgebers keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, wenn das schädigende Ereignis näher am Arbeitnehmer als am Arbeitgeber gelegen hat. Auch nach diesen Grundsätzen hätte der Kläger darlegen müssen, wie es zu dem Auffahrunfall gekommen ist, damit für die Beklagte die Möglichkeit bestanden hätte, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass Fahrlässigkeit der Kläger den Unfall verschuldet hat.
Fazit
A hat keinen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB analog. Die Entscheidung könnte den Anstoß dazu geben, die Grundsätze zur betrieblich veranlassten Tätigkeit bzw. dem innerbetrieblichen Schadensausgleich abzuprüfen. Die analoge Anwendung des § 670 BGB auf Arbeitsverhältnisse sollte man sich merken.