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Schlagwortarchiv für: mittelbare Täterschaft

Gastautor

BGH zur (versuchten) Anstiftung eines strafunmündigen Kindes

Aktuelles, Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht AT

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Maximilian Drews veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften im sechsten Semester an der Universität Bonn

Der BGH hat in einer jüngeren Entscheidung eine seit jeher diskutierte und umstrittene Frage entschieden und damit neuen Stoff für zukünftige Examensklausuren geschaffen: Ist derjenige, der ein strafunmündiges Kind zur Begehung einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Tat veranlasst, mittelbarer Täter oder Anstifter? Jene Abgrenzung gehört schon lange zu den absoluten Examensklassikern. Im Beschluss vom 13.9.2023 (Az. 5 StR 200/23) entschied der 5. Strafsenat nunmehr, dass entgegen vieler Stimmen in derartigen Konstellationen eine Anstiftung anzunehmen ist.

I. Der Sachverhalt (leicht gekürzt)

Der dem Senat vorliegende Sachverhalt ist schnell erzählt: Die Schwägerin (S) des Angeklagten (A) floh aus Angst vor sexuellen Übergriffen durch selbigen gemeinsam mit ihren Kindern in ein Frauenhaus. Wenig später verließ der 11-jährige Sohn der S (M) das Frauenhaus mit dem Ziel, seinen Vater, der zugleich der Bruder des Angeklagten ist, für mehrere Wochen zu besuchen. Dort traf er auf A, der ihn (M) im Rahmen eines Vier-Augen-Gesprächs aufforderte seine Mutter (S) zu töten, weil sie „schlechte Sachen“ gemacht habe. Dabei solle er warten, bis sie schlafe und sie sodann unter Zuhilfenahme eines scharfen Küchenmessers erstechen. Zudem zeigt der A dem M ein Video, in dem ein Mann eine andere Person ersticht. Weitere Instruktionen zur Tat gab der A dem M nicht; letzterer sollte die Tat vielmehr „eigenmächtig zu einer von ihm selbst bestimmten Zeit begehen.“ Hierbei äußerte er (A), dass M aufgrund seines Alters ohnehin nicht bestraft werden könnte, während er selbst bei eigenhändiger Begehung der Tat in das Gefängnis müsste. Als Gegenleistung versprach der A dem M Süßigkeiten, die Rückgabe weggenommener Sachen und ein Motorrad. Daraufhin ging der M zum Schein auf den „Vorschlag“ des M ein, weil er fürchtete, seine Mutter ansonsten nicht mehr wiederzusehen. M kehrte erst ca. zwei Monate später zu seiner Mutter zurück und erzählte ihr sogleich das Vorhaben des A. S erstattete daraufhin sofort Strafanzeige gegen den A.

II. Die Entscheidung (leicht gekürzt)

Der BGH hatte sich mit der dogmatischen Frage auseinanderzusetzen, ob das Verhaltene des A ein versuchter Mord in mittelbare Täterschaft (§§ 212 I, 211, 22, 23 I, 25 I 2.Alt. StGB) sei oder ob „lediglich“ eine versuchte Anstiftung (§ 30 I 1 Alt. 1 i.V.m. §§ 212 I, 211) vorläge. Zwar hat das Reichsgericht die Anstiftung eines strafunmündigen grundsätzlich für möglich gehalten (RGSt 61, 265, 267), eine tragende Entscheidung zu dieser Konstellation hat der BGH nach eigener Aussage aber noch nicht entschieden – bis jetzt!

1) Ein Blick auf die Ansichten in der Literatur

Neben der bisher fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der konkreten Frage mangelt es – wie so oft – auch an einer einheitlichen Literaturansicht.

Nach der wohl herrschenden Literaturansicht wäre A in einem solchen Fall immer als mittelbarer Täter zu bestrafen. Dabei wird die Tatherrschaft normativ (rechtlich) und nicht – so die Gegenansicht – faktisch (tatsächlich) bestimmt (MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 25 Rn. 106 ff.).

Andere wiederum sehen bei Strafunmündigen gem. § 19 StGB keinen Fall einer Generalisierung, sondern folgen mitunter der schon vom Reichsgericht verfolgten Auslegung, dass auf das „hinreichende Verständnis“ des Kindes und damit die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Kindes abgestellt werden muss (BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – Az. 5 StR 200/23, Rn. 12; Matt/Renzikowski/Haas StGB § 25 Rn. 34). Dies muss anhand einer genauen Prüfung des Einzelfalls festgestellt werden.

Für die wohl herrschende Meinung in der Literatur existieren unterschiedliche Begründungsansätze. Zum Teil wird an eine rein normative Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme angeknüpft. Dem Hintermann wird gegenüber dem Strafunmündigen eine sog. „Verantwortungsherrschaft“ oder rechtlicher Überlegenheit attestiert, sodass es nicht darauf ankommt, ob der Schuldunfähige das Unrecht tatsächlich erkennen und sich normgemäß verhalten könne. (BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – Az. 5 StR 200/23, Rn. 10; MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 25 Rn. 106). Andere stützen sich auf eine dem § 19 StGB entnommene Wertung durch den Gesetzgeber, der durch diese Norm klarstellt, dass die Verantwortung für das Tun von Kindern bei dem tatveranlassenden Hintermann liegen muss. Begründet wird dies damit, dass eine generelle Grenzziehung unabhängig von den individuellen Fähigkeiten eines Kindes nötig wäre, um Ergebnissicherheit und damit auch Rechtssicherheit gewährleisten zu können. In den Worten von Joecks/Scheinfeld beinhaltet der § 19 StGB „eine gesetzgeberische Grundentscheidung, die es der Strafjustiz untersagt, danach zu fragen, ob der kindliche Täter im konkreten Fall in der Lage war, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“. Konsequenterweise sollen dann alle schuldunfähigen Vordermänner als Tatmittler angesehen werden (MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 25 Rn. 109).

2) Die Argumentation des BGH in concreto

Der wohl herrschenden Ansicht tritt der BGH nunmehr explizit entgegen. Vielmehr folgt er der eingangs geschilderten Gegenansicht, die eine Anstiftung bei schuldunfähigen Kindern für möglich hält. Demnach könne man nur von einer mittelbaren Täterschaft ausgehen, wenn der Täter die vom Täterwillen getragene objektive Tatherrschaft inne hat, er das Geschehen mithin auch in tatsächlicher Hinsicht steuernd in den Händen hält. Dies sei einzelfallabhängig. Dafür müsse beim Strafunmündigen insbesondere die Reife, das Unrecht zu erkennen, anhand seiner sittlichen und geistigen Entwicklung berücksichtigt werden. Fehle es daran, könne man regelmäßig von der Steuerungsmacht – Tatherrschaft – des Hintermannes sprechen. Eine rein normative Abgrenzung der Täterschaft von der Teilnahme würde stets zur Täterschaft führen und keinen Raum für eine Anwendung der Teilnahme geben.

Für ein Verständnis in diesem Sinne sprechen vor allem auch der Wortlaut und die Systematik des § 26 StGB. Die Teilnahme im Strafrecht ist gekennzeichnet durch die „limitierte Akzessorietät“. Es bedarf demnach lediglich einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat, wohl aber keiner schuldhaft begangenen Tat. Zudem wird gem. § 29 StGB jeder Beteiligte zwingend nach seiner Schuld bestraft. Würde man demgegenüber der wohl herrschenden Ansicht in der Literatur folgen, so würde der Schuld des die Tat tatsächlich Umsetzenden eine maßgebliche Bedeutung zugemessen werden. Denn schließlich ist die Strafunmündigkeit gem. § 19 StGB ein (nur) die Schuld ausschließender Aspekt, aber eben keiner, der zum Wegfall einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat führt.

Auch historische Argumente führt der BGH ins Feld. Zur Zeit des Reichsstrafgesetzbuchswurde die Teilnahme noch durch eine strenge Akzessorietät ausgezeichnet (§ 48 RStGB). Aufgrund der Sorge vor erhöhter Straflosigkeit bei der Unterstützung von Schuldunfähigen (die Gesetzesbegründung verwies insbesondere auf „Geisteskranke“), wurde 1943 aber die „limitierte Akzessorietät“ eingeführt. Diesen Schritt hätte es allerdings nicht benötigt, wenn man generell von einer mittelbaren Täterschaft bei einem schuldlosen Vordermann ausgegangen wäre. Das Nebeneinander von mittelbarer Täterschaft – die früher noch nicht fest normiert, aber bereits fest etabliert war – und Anstiftung wurde auch später vom Gesetzgeber bei der gesetzlichen Einführung der Tatbegehung „durch einen anderen“ fortgeführt und verwies zur Abgrenzung auf das Kriterium der „Tatherrschaft“. Ebenso wenig kann man aus § 19 StGB eine gesetzgeberische Wertung ziehen. Der § 19 StGB betrifft die Ebene der Schuld. Schuldhaftes Handeln des die Tat tatsächlich Ausübenden ist – wie bereits mehrfach angesprochen – aufgrund der nur „limitierten Akzessorietät“ nicht konstitutiv für eine Bestrafung als Anstifter. Zudem handelt es sich beim § 19 StGB um eine gesetzliche unwiderlegliche Vermutung, die keine Aussage über tatsächliche Verhältnisse trifft, sondern die Schuldunfähigkeit aufgrund des Alters bestimmt. Da es sich bei der Tatherrschaft aber um ein Kriterium handelt, das aufgrund tatsächlicher Verhältnisse festgestellt wird, kann § 19 StGB hierbei keine Bedeutung zukommen.

Schließlich kann noch eine Parallele zu der Unterscheidung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung in anderen Fallkonstellationen gezogen werden, bei der die Tatherrschaft nicht abstrakt auf die Verantwortlichkeit des Handelnden bezogen wird. Beispielhaft zu nennen sind die Fälle des „Täters hinter dem Täter“, bei denen ein strafrechtlich voll Verantwortlicher auch das Werkzeug eines Hintermannes sein kann.

3) Ergebnis des BGH

Auf Grundlage dieser Argumentation kam der BGH zu folgendem Schluss: Der A bestimmte weder die Wahl des Tatzeitpunktes noch weitere Einzelheiten der Tat, sondern überließ diese Entscheidungen dem M, der die Tat an einem für den A unbekannten Ort, dem Frauenhaus, durchführen sollte. Zudem legte er dem M das Unrecht der Tat offen, indem er ihm erklärte, dass er bei eigener Ausführung ins Gefängnis käme, und machte sich auch kein Reifedefizit des M zum Vorteil. Vielmehr überließ er die Tat dem M. Dem A kam somit kein steuernder Einfluss auf die Tatbegehung zu, sodass er ohne Tatherrschaft handelte und lediglich ihm so nur eine versuchte Anstiftung zur Last gelegt werden.

III. Einordnung der Entscheidung

Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme bzw. zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung war schon vor dieser Entscheidung ein ständiger Begleiter eines jeden Studierenden und wird es auch in Zukunft – trotz oder gerade wegen dieser Entscheidung – bleiben. Die Entscheidung des BGH zeigt allerdings auch, dass auch strafrechtliche Probleme mit grundlegendem „juristischen Handwerkszeug“ und insbesondere durch eine saubere Anwendung der Auslegungskanones gelöst werden können.

Es besteht zwar ein Großteil der Begründung aus der „Historie“, die in Klausuren eine wohl eher untergeordnete Rolle spielen dürfte. Gleichwohl ist offenkundig, dass auch historische Argumente zu tragfähigen Ergebnissen führen können. Man ist vor diesem Hintergrund gut beraten, sich mit grundlegenden historischen Wertungen auseinanderzusetzen.

Des Weiteren folgt der Senat bei der Abgrenzung zwischen mittelbarer Täterschaft und Teilnahme auch in diesem Fall der „gemäßigten subjektiven Theorie“ und stellt auf den Täterwillen (animus auctoris) ab, wobei dieser durch verschiedene Kriterien und vor allem einer objektiven Tatherrschaft bestimmt wird. Auffällig ist zugleich, dass die Formulierung „mit steuerndem Willen in den Händen hält“ dann doch stark an die von der h.M. in der Literatur vertretene Tatherrschaftslehre erinnert. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Grenzen dieser beiden Theorien bei der Anwendung durch die Rechtsprechung verschwimmen und eine Annäherung zur Tatherrschaftslehre stattfindet – besser: stattgefunden hat. Es offenbart sich aber wie so oft: Es kommt auf eine strukturierte und in sich stimmige, logische Argumentation an. Dennoch bedarf es wohl (sehr) guter Argumente, um sich gegen diese lesenswerte und dogmatisch nachvollziehbare Entscheidung des BGH zu stemmen.

05.01.2024/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2024-01-05 08:20:342024-01-05 08:55:07BGH zur (versuchten) Anstiftung eines strafunmündigen Kindes
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft

Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens i.S.v. § 22 StGB findet die Abgrenzung zwischen – grundsätzlich straflosen – Vorbereitungshandlungen und dem Eintritt ins Versuchsstadium statt, die insbesondere im Fall der mittelbaren Täterschaft, in dem der Täter den Geschehensablauf zwar aktiv anstößt, aber die unmittelbare Ausführung einem nicht volldeliktisch handelnden Werkzeug überlässt, auf besondere Schwierigkeiten stößt. Mit Urteil vom 23.10.2019 (Az.: 2 StR 139/19) hat sich der BGH unter anderem nun wieder einmal mit dem Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft auseinandergesetzt und auf die Feinheiten seiner Rechtsprechung hingewiesen. Eine sichere Beherrschung der Versuchsvoraussetzungen ist nicht nur für Strafrecht AT-Klausuren unentbehrlich, wobei neben dem Vorliegen des Tatentschlusses oder einer Rücktrittsproblematik auch immer wieder das unmittelbare Ansetzen als beliebter Schwerpunkt einer Versuchsprüfung Einzug findet. Zur Erhöhung des Schwierigkeitsgrades eignet sich die Kombination mit der mittelbaren Täterschaft hervorragend. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, um sich mit der Problematik und den zum Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft vertretenen verschiedenen Auffassungen eingehender auseinanderzusetzen und die Thematik gutachterlich aufzuschlüsseln.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der T erwarb den gestohlenen Pkw des Halters H. Das Fahrzeug wurde auf den T zugelassen. Dabei hatte er schon von Beginn an den Eindruck, dass mit dem Kilometerstand des Fahrzeugs und – nach den landgerichtlichen Feststellungen und Wertungen – „auch darüber hinaus“ etwas „nicht stimmte“. Dennoch entschloss sich der T dazu, das Fahrzeug zeitnah zu veräußern. Nach einem erfolglosen Verkaufsangebot im Internet nahm er Kontakt zu dem gutgläubigen W auf, der einen Autohandel betrieb. T beauftragte W damit, das Fahrzeug „im Kundenauftrag“ für etwa 75.000 Euro zu verkaufen und versprach ihm dafür eine Provision von 2000 Euro. Der T legte dem Zeugen S eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vor. Dabei war ihm bewusst, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte, deren Fahrzeugidentifikationsnummer auch bei einem Fahrzeug vorhanden war, das in den USA existierte. Der W bot das Fahrzeug über eine Internet-Plattform an und nannte – unbewusst wahrheitswidrig – eine Erstzulassung im Jahre 2008 sowie einen Kilometerstand von 17.000 km. Daraufhin meldete sich der Interessent I, der aber letztlich keinen Kaufvertrag abschloss.
Strafbarkeit des T nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB?  
 
B) Rechtsausführungen
Die Vorinstanz, das LG Wiesbaden, hat eine Strafbarkeit des T unter anderem wegen versuchten Eingehungsbetrugs in mittelbarer Täterschaft nach §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W angenommen. Der BGH kritisierte  die Feststellungen zu der auch als versuchter Betrug gewerteten Tat als lückenhaft; diese könnten den Schuldspruch nicht tragen. Denn den Urteilsgründen sei nicht zu entnehmen, dass der Betrug bereits das Versuchsstadium i.S.v. § 22 StGB erreicht hatte. Im Folgenden ist daher die Versuchsprüfung en détail nachzuzeichnen.
 
I. Vorprüfung
Unstreitig lag mangels Erfolgseintritts keine vollendete Tat vor. Die Strafbarkeit des Betrugs ergibt sich aus § 263 Abs. 2 StGB.
 
II. Tatentschluss
Dass der T Tatentschluss, mithin Vorsatz hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes des § 263 Abs. 1 StGB sowie Bereicherungsabsicht als subjektives Merkmal, aufwies, war ebenfalls nicht zu bezweifeln. Die Tat sollte auch im Wege mittelbarer Täterschaft i.S.v. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch Einschaltung des W ausgeführt werden. Von mittelbarer Täterschaft wird gesprochen, wenn der Täter „die Straftat (…) durch einen anderen begeht“. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Tatmittler ein Strafbarkeitsdefizit aufweist, aufgrund dessen er nicht volldeliktisch handelt, und das der Täter planvoll lenkend für seine Zwecke ausnutzt, sodass der tatbestandliche Erfolg letztlich als sein Werk anzusehen ist (BeckOK StGB/Kudlich, 45. Ed. 2020, § 25 Rn. 20). Vorliegend sollte der W, der unbewusst wahrheitswidrige Informationen über den Pkw auf der Internetplattform veröffentlichen sollte, nach der Vorstellung des T als vorsatzlos handelnder Tatmittler agieren. Dies wollte der T für seine Zwecke ausnutzen, sodass auch Vorsatz bezüglich der Tatbegehung im Wege mittelbarer Täterschaft bestand.
 
III. Unmittelbares Ansetzen
Hinsichtlich der Strafbarkeit des T wegen versuchten Betrugs in mittelbarer Täterschaft gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist also allein problematisch, ob er bereits ins Versuchsstadium eingetreten ist. Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist zwar jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter bereits mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung dergestalt begonnen hat, dass bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht wurde. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch eine „frühere, vorgelagerte Handlung […] die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Das ist der Fall, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet“ (BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 203). Dies bedeutet, dass der Täter nach der Formel der herrschenden gemischt subjektiv-objektiven Theorie „subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzen [muss], sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht“ (vgl. bereits BGH, Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75, BGHSt 26, 201, 202 f.).
 
Anmerkung: Die Bestimmung des Versuchsbeginns ist auch bezogen auf den Alleintäter mitunter noch umstritten. Eine ausführliche Darstellung verschiedener Ansätze findet sich in LK-StGB/Hillenkamp, § 22 Rn. 63 ff.
 
Fällt die Subsumtion unter diese abstrakte Formel schwer, so hat der BGH mitunter Konkretisierungen vorgenommen, indem er Kriterien, die zur Beurteilung des Versuchsbeginns herangezogen werden können, in verschiedenen Entscheidungen ausdrücklich benannt hat. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium sollen unter anderem „die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird“ (BGH, Beschl. v. 29.5.2018 – 1 StR 28/18, BeckRS 2018, 16394, Rn. 9), sein. Gelten diese Grundsätze für den Alleintäter, so kommen besondere Schwierigkeiten hinzu, wenn ein Fall mittelbarer Täterschaft vorliegt, in dem sich der Täter wie in der vorliegenden Konstellation zur Tatausführung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs bedient. Wann der mittelbare Täter ins Versuchsstadium eintritt, ist wiederum umstritten.
 
1. Einwirkungstheorie
Eine Mindermeinung in der Literatur (s. etwa Bockelmann, JZ 1954, 468, 473; Meyer, ZStW 87 (1975), 598, 609; Puppe, GA 2013, 514, 530) nimmt den Versuchsbeginn für den mittelbaren Täter bereits mit der Einwirkung auf das Werkzeug an. Der Ausgangspunkt dieser Ansicht ist eine isolierte Betrachtung von Täter und Tatmittler, die in der Konsequenz ausschließlich auf das maßgebliche eigene Tun des Täters abstellt. Argumentiert wird damit, dass der Tatbeitrag des mittelbaren Täters ja gerade in seinem Einwirken auf den Tatmittler besteht und angesichts dessen die versuchte Tatbegehung schon dann angenommen werden muss, wenn er diese Einwirkung vornimmt oder vorzunehmen versucht.
Nach diesen Maßstäben müsste ein Eintritt ins Versuchsstadium schon in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der T den W mit der Veräußerung des Fahrzeugs beauftragt und ihm hierzu eine Kopie des Fahrzeugbriefs, einen Untersuchungsbericht der Firma Bentley und einen TÜV-Bericht über das Fahrzeug vorgelegt hat, obwohl ihm bewusst war, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine „Doublette“ handelte. Folgt man der Einwirkungstheorie, ist mithin ein unmittelbares Ansetzen zu bejahen.
Gegen die Einwirkungstheorie ist indes einzuwenden, dass sie das Versuchsstadium bedenklich weit nach vorn verlagert, sodass die Gefahr besteht, den Grundsatz der grundsätzlichen Straflosigkeit von Vorbereitungshandlungen auszuhöhlen. Dies ist unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen, der sich in dem Erfordernis der Unmittelbarkeit ausdrückt. Diesem liegt der Gedanke zugrunde, dass nur derjenige wegen Versuchs strafbar sein soll, der sich vorstellt, die Tatbestandsverwirklichung stehe als Folge seines Handelns unmittelbar bevor (hierzu MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 135).
 
2. Gesamtlösung
Das andere Extrem, die Gesamtlösung, betrachtet dagegen mittelbaren Täter und Tatmittler als Einheit, die nur ganzheitlich unmittelbar ansetzen kann. Ein Versuchsbeginn ist nach dieser Ansicht auch für den mittelbaren Täter erst dann gegeben, wenn unmittelbar (durch das Werkzeug) zur eigentlichen Tatausführung angesetzt wird (hierzu Erb, NStZ 1995, 424, 426; Krack, ZStW 110 (1998), 611, 625 ff.; Kühl, JuS 1983, 180, 181 f.; Küper, JZ 1983, 361, 369). Es muss also im konkreten Fall die Frage beantwortet werden, ob der W seinerseits durch das Einstellen des Fahrzeugs auf der Verkaufsplattform  sowie die Interessenbekundung des I unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung insofern angesetzt hat, als keine wesentlichen Zwischenschritte mehr erforderlich gewesen wären. Dies ist wohl dann zu verneinen, wenn der I letztlich nur sein Interesse bekundet, der W ihm aber noch kein konkretes Angebot unterbreitet hat. Da die Feststellungen keine klare Einschätzung zulassen, ist ein unmittelbares Ansetzen durch den W und damit bei Zugrundelegung der Gesamtlösung auch ein unmittelbares Ansetzen des T zu verneinen.
Auch die Gesamtlösung stößt aber auf berechtigte Kritik: Eine einheitliche Betrachtung von mittelbarem Täter und Tatmittler erscheint insofern sachwidrig, als der mittelbare Täter oftmals bereits vorher alles seinerseits zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Damit wird der Versuchsbeginn von Zufälligkeiten abhängig gemacht und das Versuchsstadium zu weit nach hinten verschoben.
 
3. Entlassungstheorie (h.M.)
Sachgerecht erscheint vor diesem Hintergrund die sog. Entlassungstheorie: Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre geht zu Recht davon aus, dass der mittelbare Täter dann unmittelbar ansetzt, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, sodass dieser dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist (s. etwa BeckOK StGB/Cornelius, 45. Ed. 2020, § 22 Rn. 65; MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 3. Aufl. 2017, § 22 Rn. 129 m.w.N.). „Denn wer die Tat durch einen anderen begehen will (§ 25 I StGB), setzt zur Verwirklichung des Tatbestandes der geplanten Straftat unmittelbar an (§ 22 StGB), wenn er den Tatmittler zur Tatausführung bestimmt hat und ihn aus seinem Einwirkungsbereich in der Vorstellung entläßt, daß er die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr vornehmen werde.“ (BGH, Urt. v. 26.01.1982 – 4 StR 631/81, NJW 1982, 1164). Diese Maßstäbe legt der BGH auch in der hier zu besprechenden Entscheidung an, betont aber die Wichtigkeit der zeitlichen Nähe zwischen Entlassung des Tatmittlers und Tatbestandsverwirklichung sowie der hiermit einhergehenden konkreten Gefährdung des Tatobjekts für den Versuchsbeginn:

„Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, so liegt ein Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat (hier: eines Eingehungsbetrugs) im Allgemeinen zwar schon dann vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen durch abgeschlossene Einwirkung auf den Tatmittler, wenn dies erst nach längerer Zeit zur Tatbegehung führen soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann es die gewünschte Folge hat, also wann eine konkrete Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts eintritt; in diesen Fällen der Verzögerung oder Ungewissheit der Tatausführung durch den Tatmittler beginnt der Versuch erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands ansetzt.“ (Rn. 22)

Der Eintritt ins Versuchsstadium erfordert also nach der h.M. als notwendige Bedingung, dass der mittelbare Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, ihn also aus seinem Machtbereich entlassen hat. Als hinreichende Bedingung – und dies wird bei der Darstellung der Entlassungstheorie in der Klausur oft vergessen – muss aber hinzukommen, dass der Tatmittler dem Tatplan nach im unmittelbaren Anschluss (also in zeitlicher Nähe) die Tat ausführen soll und das Tatobjekt zu diesem Zeitpunkt bereits konkret gefährdet ist. Ist dies bei Entlassung des Tatmittlers noch nicht der Fall, beginnt der Versuch auch für den mittelbaren Täter erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt.  An dieser Stelle führte der BGH aus, den Urteilsgründen der Vorinstanz könne nicht entnommen werden, ob nach diesen Maßstäben ein Eintritt ins Versuchsstadium erfolgt sei, sodass die Revision insoweit begründet sei:

„Die Voraussetzungen des Versuchsbeginns hat das LG nicht geprüft. Es hat zum Vorstellungsbild des Angekl. vom weiteren Geschehensablauf keine Feststellungen getroffen. Auch bleibt unklar, ob mit der Bekundung des Kaufinteressenten […] als eigentliches Tatgeschehen eine konkrete Rechtsgutsgefährdung vorlag. Das Urteil teilt nicht mit, ob nur eine Sondierung der Lage durch den Kaufinteressenten stattgefunden oder ob der [W] ihm bereits ein konkretes Kaufangebot unterbreitet hatte und wie danach aus der Sicht des Angekl. ein Vertragsschluss […] hätte zustande kommen sollen.“ (Rn. 21)

 
Anmerkung: Scheitert eine Versuchsstrafbarkeit am unmittelbaren Ansetzen, ist bei Verbrechen auch stets an § 30 Abs. 2 StGB zu denken – dieser wird oft übersehen.
 
C) Fazit
Mit seiner Entscheidung folgt der BGH konsequent seiner bisherigen Rechtsprechungslinie, hebt aber die Erforderlichkeit einer präzisen Prüfung der einzelnen Voraussetzungen besonders hervor: Der Eintritt ins Versuchsstadium bei der Einschaltung eines nicht volldeliktisch handelnden Werkzeugs erfolgt, wenn der Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Dies gilt aber nur dann, wenn der Tatmittler der Vorstellung des Täters entsprechend auch im unmittelbaren Anschluss die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut bereits in diesem Zeitpunkt konkret gefährdet ist. Fehlt es hieran, beginnt auch für den mittelbaren Täter der Versuch erst in dem Zeitpunkt, in dem das Werkzeug seinerseits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. In einer Klausur bedarf es also einer genauen Betrachtung der konkreten Umstände; vorschnell den Versuchsbeginn nach abgeschlossener Einwirkung auf den Tatmittler anzunehmen, wäre verfehlt.

09.03.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-03-09 09:00:452020-03-09 09:00:45BGH: Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft
Redaktion

Schema: Die mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB)

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes

Mittelbare Täterschaft – § 25 I Alt. 2 StGB

A. Strafbarkeit des Tatnächsten (Vordermann) als Täter:
Es muss eine vollständige Prüfung erfolgen. Ergebnis der Prüfung ist:

  • Feststellung eines „deliktischen Minus“, d.h., in der Person des Vordermanns muss ein Strafbarkeitsmangel vorliegen.
  • Das „deliktische Minus“ kann vorliegen, weil der Vordermann:

– Objektiv nicht tatbestandsmäßig handelt
z.B. wenn die Tat für den Vordermann straflos ist.

– Subjektiv nicht tatbestandsmäßig handelt
z.B. wenn der Vordermann sich in einem Tatbestandsirrtum befindet.

– Gerechtfertigt handelt

– Schuldlos handelt

  • Ausnahmsweise handelt der Vordermann voll deliktisch, wenn die Fallgruppe des  „Täters hinter dem Täter“ einschlägig ist.

B. Strafbarkeit des Hintermanns als mittelbarer Täter (§ 25 I Alt. 2 StGB)
Beachte: Bei eigenhändigen Delikten scheidet mittelbare Täterschaft von vornherein aus. Hier ist gar nicht erst in die Prüfung einzusteigen.

I. Tatbestandsmäßigkeit 

1. Objektiver Tatbestand

a) Erbringen zumindest eines objektiven Verursachungsbeitrags durch den Hintermann

b) Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung durch den Vordermann

– idR (+), wenn der Hintermann gerade das „deliktische Minus“ des Vordermanns ausnutzt.

– i.Ü. str.:

– Materiell-objektive Theorie: Der Hintermann muss Tatherrschaft inne haben. Diese liegt vor, wenn er den Strafbarkeitsmangel des Vordermanns dergestalt ausnutzt, dass er das Geschehen durch seine eigene Überlegenheit steuert, der Hintermann also letztlich über das „Ob“ und „Wie“ der Tat entscheidet.

– Subjektive Theorie: Der Hintermann muss Täterwillen haben und die Tat als eigene wollen. Der Täterwille wird durch das Vorliegen der Tatherrschaft indiziert.

– Problematische Fallgruppen:

– Der Vordermann handelt zwar vorsätzlich, aber ihm fehlt eine besondere deliktsspezifische Absicht (sog. absichtslos-doloses Werkzeug). Hier genügt für die Begehung als mittelbarer Täter, dass der Hintermann dem Vordermann insofern überlegen ist, als nur er die erforderliche Absicht besitzt (sog. normative Tatherrschaft, str.).

– Täter hinter dem Täter: Der Vordermann handelt ausnahmsweise voll deliktisch, jedoch liegt die Steuerung der Tat beim Hintermann. Der Einfluss des Hintermannes ist so stark, dass er als mittelbarer Täter anzusehen ist (str.).

– Veranlassung des Vordermanns zur straflosen Selbstschädigung. Unter welchen Voraussetzungen der Hintermann als mittelbarer Täter anzusehen ist, ist umstritten.

c ) Vorliegen weiterer Merkmale des jeweiligen Delikts beim Hintermann (zB Täterqualifikationen)

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz bzgl. aller Merkmale des objektiven Tatbestands
b) Sonstige subjektive Merkmale des jeweiligen Delikts

II. Rechtswidrigkeit 
III. Schuld
 
Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

04.08.2016/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2016-08-04 10:00:562016-08-04 10:00:56Schema: Die mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB)
Redaktion

Minderjährige im StGB

Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Minderjährige im StGB” von Richter Dr. Thomas Exner

beleuchtet ein auf den ersten Blick wenig examensrelevantes Thema. Denn, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre als ist, handelt nicht schuldfähig (§ 19 StGB). Im Übrigen gilt regelmäßig Jugendstrafrecht. Gleichwohl können sich etwa gerade aus einer fehlenden Schuldfähigkeit Klausurkonstellationen ergeben. Zu denken ist hier vor allem an die mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB). Der vorliegende Beitrag gibt einen kompakten Überblick zu Fragen, die sich stellen können, wenn in einer Klausur ein Minderjähriger auftaucht.
Ihr findet ihn wie immer hier.

16.02.2014/2 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-02-16 10:00:112014-02-16 10:00:11Minderjährige im StGB
Christian Muders

Strafrechts-Klassiker: Der Bärwurz-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

BGH, Urteil v. 12.08.1997 – 1 StR 234/97 (= BGHSt 43, 177 ff. = NJW 1997, 3453 f.)

Ist nach der Vorstellung des Täters, der seinen Teil zur Tatbestandsverwirklichung bewirkt hat, die Mitwirkung des Opfers zwingend erforderlich aber noch ungewiß, so beginnt der Versuch, wenn sich das Opfer so in den Wirkungskreis des Tatmittels begibt, daß sein Verhalten nach dem Tatplan bei ungestörtem Fortgang unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung münden kann.

1. Der Sachverhalt
Anfang März 1994 waren Unbekannte in das Einfamilienhaus des A eingedrungen, hatten sich in der im Erdgeschoss gelegenen Küche warme Speisen zubereitet und auch dort vorhandene Flaschen mit verschiedenen Getränken ausgetrunken. Weiter waren Geräte der Unterhaltungselektronik in das Dachgeschoss des Hauses verbracht worden. Die vom A am 6. März 1994 verständigte Polizei ging deshalb davon aus, die Täter könnten an den folgenden Tagen noch einmal zurückkehren, um die zum Abtransport bereitgestellte Diebesbeute abzuholen. In der Nacht vom 8. auf den 9. März 1994 hielten sich deshalb vier Polizeibeamte in dem Haus auf, um mögliche Einbrecher ergreifen zu können. Zugleich hatte sich der A, der vom Beruf Apotheker war, schon am Nachmittag des 8. März 1994 aus Verärgerung über den vorangegangenen Einbruch dazu entschlossen, im Flur des Erdgeschosses eine handelsübliche Steingutflasche mit der Aufschrift „Echter Hiekes Bayerwaldbärwurz“ aufzustellen, die er mit einem hochgiftigen Stoff gefüllt und sodann wieder verschossen hatte. Im Wissen darum, dass bereits der Konsum geringster Mengen der genannten Mischung rasch zum Tode führen kann, nahm A es beim Aufstellen der Flasche jedenfalls in Kauf, dass möglicherweise erneut Einbrecher im Haus erscheinen, aus der Flasche trinken und tödliche Vergiftungen erleiden könnten. Später kamen dem A Bedenken, da er die observierenden Polizeibeamten nicht eingeweiht hatte und er nunmehr erkannte, dass auch ihnen von der Giftflasche Gefahr drohte. Er wies die Beamten, die die Flasche nicht angerührt hatten, auf deren giftigen Inhalt hin. Am nächsten Morgen wurde er telefonisch von einem Kriminalbeamten aufgefordert die Giftflasche zu beseitigen. Nach einigem Zureden des Beamten erklärte A sich schließlich damit einverstanden, dass jener die Flasche sicherstellte.
2. Die Kernfrage
Der A war wegen des Geschehens in seinem Haus neben der Inverkehrbringung von schädlichen Stoffen als Lebensmittel (strafbar nach § 51 Abs. 1 Ziff. 1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz LMBG) auch wegen eines – in den Entscheidungsgründen des BGH nicht näher konkretisierten – versuchten Tötungsdelikts zu Lasten der mutmaßlichen Einbrecher angeklagt worden. Nach Auffassung der Eingangsinstanz, des LG Passau, hatte der Angeklagte die Schwelle zu einem solchen Versuch indes trotz Aufstellens der Flasche noch nicht überschritten. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Revision zu Lasten des A eingelegt.
3. Das sagt der BGH
Der BGH hat die Entscheidung des LG Passau bestätigt, also eine Strafbarkeit des A wegen versuchten Tötungsdelikts ebenfalls verworfen.
a) Hierzu hat das Gericht zunächst einmal – geradezu schulmäßig – den Tatbestand des Versuchs, wie er sich nach § 22 StGB darstellt, definiert:

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dazu muß der Täter Handlungen vornehmen, die nach seiner Vorstellung im Falle ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte unmittelbar in die Tatbestandserfüllung münden können. Die Begehung von Handlungen, wie sie im gesetzlichen Tatbestand umschrieben sind, ist allerdings nicht erforderlich. Es genügt, wenn die Handlung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert ist oder in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandserfüllung steht (…).

Kann danach also auch ein Vorverhalten des Täters für den Versuchsbeginn ausreichend sein, betont der BGH im Anschluss hieran allerdings sogleich, dass (umgekehrt) auch dann, wenn der Täter nicht allein eine Vorbereitungshandlung, sondern bereits eine Tathandlung abgeschlossen hat (!), die Schwelle zur Versuchsstrafbarkeit noch nicht notwendigerweise überschritten sein muss:

Diese der Abgrenzung von Versuch und Vorbereitungshandlung dienenden Grundsätze hat die Rechtsprechung zunächst anhand von Fällen entwickelt, in denen der Täter – wie beim unbeendeten Versuch – nach seiner Vorstellung noch nicht alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat; sie gelten aber auch, wenn der Täter – wie beim beendeten Versuch – die nach seinem Tatplan erforderlichen eigenen Handlungen bereits vollständig erbracht hat. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, selbst abgeschlossenes Täterhandeln müsse nicht stets unmittelbar in die Erfüllung eines Straftatbestandes einmünden und reiche damit für sich genommen nicht aus, die Frage nach dem Versuchsbeginn zu beantworten (…).

b) Die letztzitierte Aussage konkretisiert der BGH im Anschluss hieran zunächst einmal für solche Fälle, die (unstrittig) der mittelbaren Täterschaft zuzuordnen sind, bei denen also ein klassisches „Dreiecksverhältnis“ bestehend aus Hintermann, Werkzeug und Deliktsopfer vorliegt:

Das ist für Fälle entschieden, in denen der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan einbezieht. Hier liegt zwar ein Ansetzen des Täters zur Tat schon vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, es ist also nicht erforderlich, daß der Tatmittler seinerseits durch eigene Handlungen zur Tat ansetzt. Ein unmittelbares Ansetzen ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Tatmittler in der Vorstellung entlassen wird, er werde die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr in engem Zusammenhang mit dem Abschluß der Einwirkung vornehmen (…). Demgegenüber fehlt es hieran, wenn die Einwirkung auf den Tatmittler erst nach längerer Zeit wirken soll oder wenn ungewiß bleibt, ob und wann sie einmal Wirkung entfaltet. In diesen Fällen beginnt der Versuch erst dann, wenn der Tatmittler, dessen Verhalten dem Täter über § 25 Abs. 1 StGB zugerechnet wird, seinerseits unmittelbar zur Tat ansetzt. Entscheidend für die Abgrenzung ist daher, ob nach dem Tatplan die Einzelhandlungen des Täters in ihrer Gesamtheit schon einen derartigen Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthalten, daß es bereits gefährdet ist und der Schaden sich unmittelbar anschließen kann (…) oder ob die Begründung einer solchen Gefahr dem noch ungewissen späteren Handeln des Tatmittlers überlassen bleibt.

c) Die vorstehende Betrachtung für Dreieckskonstellationen überträgt der BGH sodann auf Fälle wie den vorliegenden Sachverhalt, bei denen Tatmittler und späteres Opfer identisch sind, das Opfer also als „Tatmittler gegen sich selbst“ eingesetzt wird. Das Gericht sieht solche „Zweierverhältnisse“ freilich nicht direkt als Fälle einer mittelbaren Täterschaft an, sondern erkennt hier nur „eine der mittelbaren Täterschaft verwandte Struktur“ an. Aufgrund dieser verwandten Struktur sei jedoch in solchen Fällen eine identische Abgrenzung bei der Frage des „unmittelbaren Ansetzens“ vorzunehmen:

Zwar setzt der Täter bereits zur Tat an, wenn er seine Falle aufstellt, doch wirkt dieser Angriff auf das geschützte Rechtsgut erst dann unmittelbar, wenn sich das Opfer in den Wirkungskreis des vorbereiteten Tatmittels begibt. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Tatplan. Steht für den Täter fest, das Opfer werde erscheinen und sein für den Taterfolg eingeplantes Verhalten bewirken, so liegt eine unmittelbare Gefährdung (nach dem Tatplan) bereits mit Abschluß der Tathandlung vor (etwa wenn der Täter eine Zeitbombe an einem belebten Platz deponiert; vgl. dazu auch RGSt 66, 141: mit Sicherheit in absehbarer Zeit zu erwartendes Betätigen eines Lichtschalters und dadurch bewirktes Ingangsetzen einer „Brandstiftungsanlage“). Hält der Täter – wie hier – ein Erscheinen des Opfers im Wirkungskreis des Tatmittels hingegen für lediglich möglich, aber noch ungewiß oder gar für wenig wahrscheinlich (etwa beim Wegwerfen einer mit Gift gefüllten Schnapsflasche im Wald), so tritt eine unmittelbare Rechtsgutsgefährdung nach dem Tatplan erst dann ein, wenn das Opfer tatsächlich erscheint, dabei Anstalten trifft, die erwartete selbstschädigende Handlung vorzunehmen und sich deshalb die Gefahr für das Opfer verdichtet (…). Dieses Stadium war im vorliegenden Fall noch nicht erreicht.

Sodann verteidigt der BGH seine Kriterien für diese differenzierte Betrachtung:

Zwar wird gegen diese Lösung der beachtliche Einwand vorgebracht, dabei müsse – entgegen § 22 StGB – nicht mehr der Täter, sondern das Opfer zur Tat ansetzen (Roxin, JuS 1979, 1, 10). Doch ist hier nicht die Frage des Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung, sondern diejenige der Unmittelbarkeit angesprochen. Mit der Aufnahme dieses Merkmals in die gesetzlichen Voraussetzungen des § 22 StGB hat sich der Gesetzgeber dazu bekannt, daß die Strafbarkeit des Versuchs nicht völlig losgelöst von einer Gefährdung des geschützten Rechtsguts einsetzt (…). Wollte man darauf verzichten, wäre die Strafbarkeit des Versuchs weit vorverlagert und müßte – wie Roxin (…) annimmt – auch Fälle erfassen, in denen der Täter seine Tathandlungen in einem frühen Stadium abschließt, ohne das angegriffene Rechtsgut damit zunächst konkret zu gefährden, und das weitere Geschehen danach ungesteuert aus der Hand gibt. Eine so weite Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit erscheint nicht sachgerecht.

Schlussendlich beschließt das Gericht seine Überlegungen mit einem Rekurs zu den (unstreitigen) Fällen der mittelbaren Täterschaft:

Zwar ist – wie die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs zeigt – eine objektive Gefährdung nicht erforderlich, doch muß danach gefragt werden, wann sich die Tathandlung nach dem Tatplan dem gefährdeten Rechtsgut ausreichend nähert, um die Strafbarkeit des Täters zu begründen. Bezieht der Täter ein selbstschädigendes Opferverhalten in seinen Tatplan ein und gibt er damit das Gelingen seines Plans teilweise aus der Hand, so spricht rechtlich nichts dagegen, auf dieses Opferverhalten für die Frage der Unmittelbarkeit des Angriffs abzustellen. Diese Zurechnung des Opferverhaltens hat ihren rechtlichen Grund vielmehr in der bereits dargelegten Nähe solcher Selbstschädigungsfälle zu Fällen mittelbarer Täterschaft und der dabei gebotenen Zurechnung des Tatmittlerverhaltens über § 25 Abs. 1 StGB.

d) Zum Abschluss subsumiert der BGH die von ihm erarbeiteten Erkenntnisse noch unter den konkreten Fall und verneint danach ein unmittelbares Ansetzen durch A:

Bei Anlegung der genannten Maßstäbe war die Schwelle von der Vorbereitungshandlung zum Versuch im vorliegenden Fall noch nicht überschritten. Zwar hatte der Angeklagte aus seiner Sicht alles getan, was er selbst zur Vergiftung eines möglichen Einbrechers tun mußte, doch stand eine Schädigung möglicher Tatopfer nach seiner Vorstellung noch nicht unmittelbar bevor. Tatsächlich sind bis zur Sicherstellung der Giftflasche keine Einbrecher mehr im Haus des Angeklagten erschienen. Wie der Angeklagte wußte, war dies wegen des damit verbundenen Entdeckungsrisikos von vorn herein auch nicht sehr wahrscheinlich. Der Verdacht, es könne dennoch geschehen, gründete sich allein auf die zum Abtransport im Dachgeschoß bereitgelegte Diebesbeute. Daß die Täter, die bei der ersten Tat durch den ersten Stock ins Haus gelangt waren, auch im Wiederholungsfall wieder Lebensmittel im Erdgeschoß verzehren würden, war schon wegen der vier im Hause versteckten Polizeibeamten kaum zu erwarten. Auch dies war dem Angeklagten bewußt. Er konnte allenfalls noch mit einem späteren, nicht mehr polizeilich überwachten Auftauchen der Einbrecher und deren Griff zur Giftflasche rechnen. Damit war auch aus seiner Sicht eine im Sinne der obenstehenden Ausführungen ausreichend konkrete, d.h. unmittelbare, Gefährdung möglicher Tatopfer noch nicht gegeben.

4. Fazit
Der „Bärwurzfall“ ist einer der Klassiker zum unmittelbaren Ansetzen beim Versuch, den jeder Student und Referendar kennen sollte.
a) Einordnung der Selbstverletzung in die Täterschaftsformen
Dabei gilt es zunächst zu erkennen, dass für die Entscheidung der Frage, wann in Fällen der Selbstverletzung des Werkzeugs ein unmittelbares Ansetzen vorliegt, nicht unbedingt relevant ist, ob diese Konstellation als Fall der mittelbaren Täterschaft (so die wohl h.L.; vgl. nur Joecks, Studienkommentar, 7. Aufl. 2007, § 25 Rn. 21; Kindhäuser, LPK, 4. Aufl. 2010, § 25 Rn. 9) oder aber als unmittelbare Täterschaft des Delinquenten konstruiert wird, auch wenn es sicherlich nicht schadet, dieser Frage – zumindest in Hausarbeiten – etwas Raum in der Fallbearbeitung zu gewähren. Denn die Feststellung zur Strafbarkeit des Täters muss eigentlich unabhängig von dieser Einordnung vorgenommen werden, was bereits daran deutlich wird, dass ähnliche Konstellationen auch für solche Fälle denkbar sind, in denen unstrittig nur eine unmittelbare Täterschaft in Betracht kommt. So bilden etwa Herzberg/Hoffmann-Holland (in: MüKo/StGB, 2. Aufl. 2011, § 22 Rn. 127) das Beispiel, dass der Täter mittags einen bissigen Hund auf sein eingezäuntes Grundstück verbringt, damit das Tier gegen 16.00 Uhr die wegeberechtigte Nachbarin am Betreten hindern kann – auch hier ist zu entscheiden, ob der Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1, 2 StGB) bereits mit dem Verbringen des Hundes auf das Grundstück oder aber erst mit dem Versuch der Nachbarin, ihr Wegerecht in Anspruch zu nehmen, beginnt; dies würde etwa in der Konstellation relevant werden, in welcher der Hund weit vor Eintreffen der Nachbarin am geplanten Tatort aufgrund einer Verletzung, die er sich auf dem Grundstück zufällig zugezogenen hat, verendet.
b) Die Lösung des BGH
Im Hinblick auf die Bestimmung des Versuchsbeginns im vorliegenden Fall erscheint die Differenzierung des BGH, der zwischen Konstellationen unterscheidet, bei denen der Täter sicher von der Mitwirkung des Opfers ausgeht und solchen, bei denen er bezüglich dieses Aktes eher unsicher ist, jedenfalls vom „Rechtsgefühl“ her durchaus einsichtig. So würde etwa kaum jemand in Frage stellen, dass der Attentäter, der am Abend eine Bombe im Auto seines Opfers deponiert, welche selbiges am Morgen beim Anfahren auslösen soll, bereits mit dem Verbringen des Sprengstoffes in den Pkw unmittelbar zur Tat ansetzt (so jedenfalls der BGH, vgl. Urteil v. 07.10.1997 – 1 StR 635/96 = NStZ 1998, 294). Demgegenüber erscheint eine Versuchsstrafbarkeit für Fälle wie den vorliegenden, in denen eine Distanz zur Tatbegehung nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf das „ob“ der Verwirklichung besteht, zumindest zweifelhaft. Die Lösung des BGH, hier nicht den (täterbezogenen) Begriff des „Ansetzens“ in Frage zu stellen, sondern das Merkmal der „Unmittelbarkeit“ für die Verneinung einer Versuchsstrafbarkeit fruchtbar zu machen, ist jedenfalls von der Warte aus zu begrüßen, dass so direkt mit einer Tatbestandsvoraussetzung des § 22 StGB operiert werden kann, und nicht (allein) auf theoretische Überlegungen, etwa zum Strafgrund des Versuchs, zurückgegriffen werden muss. Fraglich erscheint dann jedoch, inwiefern dieses Merkmal für die vom BGH vorgenommene Differenzierung, die ja maßgeblich auf die Wahrscheinlichkeitsvorstellungen des Täters abstellt, inhaltlich überhaupt nutzbar gemacht werden kann. Insofern erscheint eine Interpretation des Unmittelbarkeitskriteriums immerhin dergestalt möglich, selbiges nicht nur „naturwissenschaftlich“, d.h. als Maßstab in zeitlicher Hinsicht, zu deuten, sondern es (zusätzlich) auch normativ aufzuladen, indem gefragt wird, ob noch ein „wesentlicher Zwischenschritt“ bis zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist – ein Gedanke, der bei der Bestimmung des Versuchsbeginns in Gestalt der „Zwischenakts-Theorie“ ohnehin allgemein herangezogen wird (vgl. etwa LK-Hillenkamp, 12. Aufl. 2007, § 22 Rn. 77). Ist sich der Täter aber der Mitwirkung des Opfers sicher, könnte man selbige als nicht mehr „wesentlichen“ Zwischenschritt werten, da die Tat dann quasi automatisch nach Abschluss der Handlung des Täters abläuft. Ist hingegen die Mitwirkung des Opfers fraglich bis unwahrscheinlich, ist dessen Tun noch als wesentlicher Akt zwischen Täterhandeln und Erfolgseintritt zu werten, der somit einer „Unmittelbarkeit“ des durch den Delinquenten bereits verwirklichten Beitrags i.F. des Präparierens der Falle entgegensteht.
c) Die Lösung der h.L.
Daneben werden von der Literatur auch konkurrierende Vorschläge gemacht, um das „unmittelbare Ansetzen“ bei geplanter Selbstverletzung des Opfers qua „Fallenstellung“ zu bestimmen. So soll nach h.L. darauf abzustellen sein, ob der Täter nach dem Bereitstellen der Falle (als Schaffung des relevanten Todesrisikos) das Geschehen so aus der Hand gibt, dass er sich einer Einflussmöglichkeit auf den Tatablauf beraubt – ist dies nicht der Fall, weil der Täter etwa „vor Ort“ bleibt, soll der Versuchsbeginn demgegenüber erst dann eintreten, wenn sich das Opfer tatsächlich in den Wirkungsbereich der Falle begibt und somit konkret gefährdet wird (grundlegend dazu Roxin, JuS 1979, 1 ff.; ebenso Schönke/Schröder-Eser, 28. Aufl. 2010, § 22 Rn. 42 a.E.; Wessels/Beulke, AT, 32. Aufl. 2002, Rn. 603, jew. m.w.N.). Dieser Vorschlag ist zunächst mit dem Ausgangspunkt der Rspr. identisch, da auch hier mit der fehlenden „Unmittelbarkeit“ des Ansetzens argumentiert wird, welches inhaltlich mit der ausbleibenden Gefährdung des Opfers (nach Tätervorstellung) gleichgesetzt wird. Allein die Konkretisierung dieser Opfergefährdung (bzw. aus Täterperspektive die Unmittelbarkeit der Tathandlung) wird divergierend zum BGH bestimmt, indem selbige von der subjektiven Ebene, also den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen des Täters, auf eine objektive Ebene „heruntergeholt“ und nach den verbleibenden Einwirkungsmöglichkeiten des Delinquenten gefragt wird. Dieser Ansatz erscheint dabei auf den ersten Blick insofern konsequent, als auch in anderen Fällen, etwa bei einem Attentäter, der im Hinterhalt mit einem Gewehr auf sein Opfer lauert, darauf abgestellt wird, wann sich das Opfer dem geplanten Tatort nähert. Freilich ist in der letztgenannten Konstellation gerade noch keine eigene Tathandlung des Attentäters gegeben, da dieser noch das Gewehr anlegen und schießen muss, was sich in Fällen der beabsichtigten Selbstverletzung des Opfers durchweg anders darstellt – hier ist das Todeswerkzeug ja bereits präpariert und harrt nur noch seiner automatischen Auslösung durch das Zielobjekt. Zudem müsste man bei Anwendung dieser Lehre konsequenterweise auch bei Sprengstofffallen dann, wenn der Täter in der Nähe des Tatortes bleibt, um etwa seinen Erfolg abzuwarten, ebenfalls trotz Anbringens der Bombe davon ausgehen, dass ein Versuch erst zu dem Zeitpunkt beginnt, in dem das Opfer tatsächlich auf der Bildfläche erscheint – was sich in derjenigen Konstellation zu Gunsten des Täters auswirken würde, in welcher der Sprengsatz bereits frühzeitig, etwa von einem vorbeikommenden Passanten, zufällig entdeckt wird, so dass der Bombenattentäter im Ergebnis straflos bliebe. Schließlich kann diesem Ansatzpunkt vorgeworfen werden, dass mit Erwägungen, die auf eine Eingriffsmöglichkeit des Täters nach Abschluss der bereits vorgenommenen Tathandlung abstellen, eigentlich auf Umstände zurückgegriffen wird, die grundsätzlich allein der Frage des Rücktritts zugehörig sind: So könnte man in dem dem vorliegenden Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt, in welchem der A die Polizei vor der Flasche warnt und sich nach deren Zureden bereiterklärt, diese den Beamten zu überlassen, auch von einem Rücktritt des A vom mit dem Aufstellen der Flasche beendeten Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB sprechen.
d) Vorschläge zur Klausurbearbeitung
Insgesamt lassen einen die vorgehend angesprochenen Lösungsmöglichkeiten für die Konstellation einer zeitlich gestreckten Selbstverletzung des Opfers sämtlich etwas unbefriedigt zurück. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass das Spannungsverhältnis, welches zwischen der bereits ausgeführten eigenen Handlung des Täters einerseits und der fehlenden zeitlichen Nähe zur Opfergefährdung andererseits besteht, nicht vollständig ausgeräumt werden kann. Bei der Klausurbearbeitung bietet es sich insofern an, in Fällen, in denen das Opfer ohnehin in den Bereich der Falle tappt, mit einer „jedenfalls“-Argumentation ein unmittelbares Ansetzen unproblematisch zu bejahen, da dieser Zeitpunkt nach allen Lehren den spätestmöglichen Beginn des Versuchs markiert. Ähnliches gilt – freilich in umgekehrter Richtung – auch für Sachverhalte, die dem vorgenannten Urteil nachgebildet sind, da hier sowohl Rspr. als auch h.L. eine „Unmittelbarkeit“ des Ansetzens verneinen würden, auch wenn sie dies mit je unterschiedlichen Erwägungen tun – eine Streitentscheidung ist also auch hier nicht erforderlich. Problematisch bleiben demnach v.a. die Fälle, in denen ein in sicherer Gewissheit des Opferverhaltens handelnder Täter am Tatort verbleibt, die tödliche Falle aber zufällig vor Eintreffen des Opfers von dritter Seite entschärft wird. Hier kann man durchaus mit der Argumentation, dass jedes mögliche Eingreifen des Täters nach Bereitmachen der Falle allenfalls als Rücktritt vom beendeten Versuch zu werten wäre, was dessen vorangehendem Handeln nicht den Charakter einer bloßen Vorbereitungshandlung geben kann, dessen Strafbarkeit gut begründen. Umgekehrt kann dann, wenn der Apotheker im oben genannten Fall sicher von einer Rückkehr der Täter ausgeht, mit der dennoch fehlenden „unmittelbaren Gefährdung“ argumentiert werden, die sich daraus ergibt, dass der Apotheker hier noch jederzeit die Steinflasche mit dem vergifteten Getränk entfernen, also seine bisherige Tathandlung revozieren könnte – was wiederum dem „Rechtsgefühl“ in dieser Konstellation, nämlich einer Straflosigkeit des Täters, am ehesten entsprechen dürfte. Ergänzend kann zur Lösung beider Fälle schließlich noch auf den Sphärengedanken zurückgegriffen werden, der ebenfalls allgemein bei der Frage des unmittelbaren Ansetzens häufig zur Konkretisierung herangezogen wird (vgl. nur Kindhäuser, LPK, 4. Aufl. 2010, § 22 Rn. 22; S/S/W-Kudlich/Schuhr, 1. Aufl. 2009, § 22 Rn. 39): Denn im Fall der Autobombe wirkt der Täter bereits mit Anbringen des Sprengstoffes an dem Pkw jedenfalls insoweit auf die Sphäre des Opfers ein, als das Auto letzterem (als Eigentümer bzw. Gewahrsamsinhaber) unstrittig zugeordnet ist. Anderes gilt demgegenüber für den „Bärwurzfall“, da hier die Falle genau genommen nicht in der Sphäre des Opfers, sondern des Täters deponiert wird, welcher die Steingutflasche ja in seinem eigenen Haus aufstellt.

27.10.2012/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-10-27 10:00:322012-10-27 10:00:32Strafrechts-Klassiker: Der Bärwurz-Fall
Christian Muders

Fälle zur Abgrenzung von Suizid und Fremdtötung

Fallbearbeitung und Methodik, Für die ersten Semester, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT, Verschiedenes

Der nachfolgende Beitrag befasst sich überblicksartig und anhand eines stetig abgewandelten Falles mit der strafrechtlichen Problematik der Abgrenzung von Fremd- zur Selbsttötung (Suizid). Ausgespart bleibt demgegenüber die Frage einer Strafbarkeit der Sterbehilfe (Euthanasie), die häufiger in diesem Problemkomplex mitbehandelt wird und durch die Entscheidung BGH 2 StR 454/09 neue Relevanz bekommen hat (s. dazu aber bereits unsere Artikel hier und hier). Für fortgeschrittene Semester bietet es sich an, insbesondere auch im Hinblick auf eine nahende mündliche Prüfung, nach Erfassung des jeweiligen Falles zunächst eine eigene Lösung zurechtzulegen, bevor der nachfolgende Erläuterungstext gelesen wird.
1. Fälle der unmittelbaren Fremdtötung

  • Fall 1: A tötet den B durch einen Schuss aus einer Pistole, nachdem dieser den A dazu aufgefordert hat.

Dieser Ausgangsfall ist einfach zu erfassen: Der A macht sich einer Tötung auf Verlangen, § 216 StGB, schuldig. Die Einwilligung in die Einbuße des eigenen Rechtsguts, die regelmäßig zu einer Rechtfertigung (nach a.A. sogar zum Tatbestandsausschluss) führt, ist im Hinblick auf das Rechtsgut „Leben“ irrelevant, wie sich aus der vorgenannten Norm selbst ergibt: Danach wird gerade die Konstellation, dass jemand „durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden“ ist, explizit mit Strafe belegt. Die Einwilligung führt also nicht zu einem Ausschluss der Strafbarkeit, sondern berührt lediglich die Auswahl des einschlägigen Tötungstatbestandes und damit auch den in Betracht kommenden Strafrahmen. § 216 StGB stellt nämlich eine Privilegierung zum ebenfalls verwirklichten Delikt des Totschlags dar und sieht in der Rechtsfolge (lediglich) eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor. Der gleichzeitig vorliegende Totschlag, dessen Strafrahmen erst bei fünf Jahren beginnen würde, tritt demgegenüber als lex generalis zurück.

  • Fall 2: B tötet sich selbst mittels eines Schusses aus einer Pistole, nachdem ihn der A dazu aufgefordert hat.

In dieser Abwandlung ist eine Strafbarkeit des A schon schwieriger zu beurteilen: Eine Verwirklichung des § 216 Abs. 1 StGB scheidet deswegen aus, weil dem A keine Tatherrschaft über die Tötung zukommt, die allein von B vorgenommen wird. Da A den B aber zur Tötung aufgefordert hat, wäre an ein Bestimmen zur Tat i.S.d. § 26 StGB, also eine Anstiftung, zu denken. Indes scheidet eine solche Teilnehmerstrafbarkeit hier deswegen aus, da eine Tat, zu der der B als Haupttäter bestimmt worden wäre, nicht vorliegt. Der Tatbestand des § 216 Abs. 1 StGB greift bereits seinem Wortlaut nach nicht ein, da dieser zwingend voraussetzt, dass die sterbewillige Person von einem Anderen zum Tode befördert wird. Aber auch § 212 StGB, der – neutraler – davon spricht, dass der Täter „einen Menschen tötet“, ist nicht einschlägig, da auch dieser Tatbestand nach ganz allgemeiner Meinung die Tötung eines Anderen erfordert, so dass der Suizid nicht hierunter subsumiert werden kann (vgl. MK-Schneider, 1. Aufl. 2003, vor § 211 Rn. 30 m.w.N.). Demgemäß hat sich der A durch seine Aufforderung hier überhaupt nicht strafbar gemacht.

  • Fall 3: B tötet sich mittels der Einnahme eines Giftes, welches ihm der A verschafft hat und zu dem dieser allein Zugang hatte.

Wiederum geht es um eine Strafbarkeit des A nach § 216 Abs. 1 StGB. Eine Tatherrschaft des A ist hier nicht ganz so einfach wie im letzten Fall zu verneinen, da der B sich zwar selbst mit dem Gift getötet hat, welches aber allein der A besorgen konnte. Geht man mit der h.M. in Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass auch Mitwirkungen im Vorbereitungsstadium, jedenfalls bei einem erheblichen Gewicht des Beitrags, durchaus eine Tatherrschaft begründen können (man denke nur an den die Tat planenden „Bandenchef“, dazu etwa Kindhäuser, Lehr- und Praxiskommentar, 4. Aufl. 2010, vor § 25 Rn. 36 ff.) wäre eine Strafbarkeit des B nach § 216 Abs. 1 StGB im Hinblick auf seinen Mitwirkungsakt durchaus zu erwägen. Jedoch verengen Rechtsprechung und Schrifttum im Fall einer Beeinträchtigung eigener Güter den relevanten Zeitraum für die Tatherrschaft zu Recht auf den letzten todbringenden Akt. Danach ist allein entscheidend, wer die letzte Handlung, die dann ohne einen weiteren Zwischenschritt zum Tode führte, beherrscht hat. Diese Beschränkung der Tatherrschaft kann mit dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip begründet werden: Ein vorsätzliches, unmittelbar selbstschädigendes Verhalten sperrt danach die Zuständigkeit eines Anderen für den hieraus resultierenden Erfolg. Die Herrschaft über den letzten Akt, also die Einnahme des Giftes, hatte vorliegend aber (wiederum) allein der B, so dass eine diesbezügliche Tatherrschaft des A ausscheidet. Zu denken wäre allenfalls daran, die Tatherrschaft des B dem A zuzurechnen, und zwar über die Figur der Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – was hier nahe liegt – A und B von Anfang an im Hinblick auf einen gemeinsamen Tatplan zusammengewirkt haben. Indes stehen dieser Konstruktion zwei Einwände entgegen: Zum einen setzt auch die mittäterschaftliche Zurechnung voraus, dass der A einen täterschaftlichen, d.h. nach h.L. einen durch Tatherrschaft getragenen Tatbeitrag erbringt, was vorliegend gerade nicht der Fall ist. Zum anderen verwirklicht sein potentieller Mittäter B mit der Selbsttötung überhaupt keinen Tatbestand, so dass er kein Unrecht begründet, welches dem mitwirkenden B über § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden könnte. Eine Beihilfe des A an der Selbsttötung (§ 27 Abs. 1 StGB) durch Verschaffen des Giftes schließlich scheidet in entsprechender Argumentation zu der bereits im letzten Fall verneinten Anstiftung aus.
2. Fälle der mittelbaren Fremdtötung

  • Fall 4: B tötet sich mittels der Einnahme eines Giftes, welches ihm der A verschafft hat. Der A hat dem B zuvor vorgespiegelt, dass es sich um eine wohlschmeckende Limonade handelt.

In diesem Fall liegt die objektive Tatherrschaft wiederum bei B, der den letzten todbringenden Akt selbst ausführt. Allerdings kommt hier abweichend zum vorhergehenden Fall durchaus eine Zurechnung des Beitrags an A in Betracht, und zwar im Wege mittelbarer Täterschaft nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB. Im Gegensatz zur zuvor behandelten Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB verlangt diese Zurechnungsnorm gerade keine Unrechtsverwirklichung durch den Vordermann, sondern lässt auch einen tatbestandslosen Beitrag genügen. Nach welchen Kriterien allerdings in Fällen der Selbsttötung (die konsequenterweise auch auf sonstige Konstellationen der Selbstschädigung zu übertragen sind) nicht mehr von einer eigenverantwortlichen Schädigung des Opfers gesprochen werden kann, welche nach dem zuvor Ausgeführten die Zurechenbarkeit an einen mittelbaren Verursacher sperrt, ist umstritten:
a) Exkulpationstheorie
Nach der sog. Exkulpationslösung wird die Eigenverantwortlichkeit für eine Selbsttötung in Parallele zu der Verantwortlichkeit für eine Fremdtötung gesetzt. Es ist also der hypothetische Fall zu bilden, dass der B das Medikament nicht sich selbst, sondern einem Dritten zugeführt hätte. Sofern nach den vorliegenden Umständen eine Strafbarkeit für diesen hypothetischen Fall nicht gegeben wäre, namentlich weil der Suizident ohne Vorsatz oder Schuld gehandelt hätte, scheidet auch eine Verantwortlichkeit des Opfers für die tatsächlich vorgenommene Selbsttötung aus. Folge wäre, dass das hierauf bezogene Verhalten nicht als eigenverantwortlich eingestuft werden kann, so dass eine Zurechnung an den Hintermann offen stünde, sofern er selbiges veranlasst hat. Nach den vorgenannten Grundsätzen ist für den hier zu behandelnden Fall von einer fehlenden Eigenverantwortlichkeit des B auszugehen: Im Falle der Tötung eines Dritten hätte er nämlich, da er das Medikament für Limonade hielt, in einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB gehandelt, wäre also straflos geblieben. Da dieser Irrtum wiederum in die Zuständigkeit des A fällt, der ihn durch seine unzutreffenden Angaben ausgelöst hat, kann ihm das Verhalten des B über § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB wie ein eigenes Verhalten zugerechnet werden.
b) Einwilligungstheorie
Nach der sog. Einwilligungslösung wird die Eigenverantwortlichkeit für eine Selbsttötung zwar ebenso mit der Verantwortlichkeit für eine Fremdtötung verglichen, allerdings wird der hypothetische Fall in der Weise abweichend gebildet, dass der Suizident Opfer der Tötung bleibt, wobei jedoch nicht er selbst, sondern der Hintermann den unmittelbar todbringenden Akt vollzieht. Sodann wird gefragt, ob in dieser Konstellation – abzüglich der tatsächlichen Sperre des § 216 Abs. 1 StGB – eine wirksame Einwilligung des Opfers bestehen würde. Nach diesen Grundsätzen ist im zuvor formulierten Fall ebenso von einer fehlenden Eigenverantwortlichkeit des B auszugehen: Im Falle der Tötung des B durch die Hand des A wäre eine wirksame Einwilligung in das Verabreichen des todbringenden Medikaments nämlich nicht gegeben gewesen, da B selbiges für Limonade hielt; somit wäre seine Einwilligung mit einem (rechtsgutsbezogenen) Irrtum bemakelt, die ihre Wirksamkeit ausschließt.
Da beide Auffassungen im vorliegenden Fall zu einem identischen Ergebnis kommen, bedarf es folglich keines Streitentscheids.

  • Fall 5: B tötet sich mittels der Einnahme eines Giftes, welches ihm der A verschafft hat. Der A hat dem B zuvor angedroht, dass er andernfalls dessen reiche Frau von den sexuellen Eskapaden des B unterrichten werde, was voraussichtlich zu einer Scheidung geführt hätte, die den B wirtschaftlich und gesellschaftlich ruiniert hätte.

Wiederum ist – ähnlich dem zuvor gegebenem Beispiel – zu fragen, ob die objektiv von B beherrschte Einnahme des Giftes dem A nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zugerechnet werden kann. Die hierzu vertretenen beiden Meinungen kommen indes vorliegend zu unterschiedlichen Ergebnissen:
Stellt man mit der Exkulpationslösung darauf ab, ob das Opfer B im Falle einer Fremdtötung straflos geblieben wäre, ist dies zu verneinen. Um seine Ehe und damit seine gesellschaftliche und finanzielle Situation zu retten, darf B keinen unbeteiligten Menschen töten und ist bei einer solchen Tat folglich weder gerechtfertigt (§ 34 StGB) noch entschuldigt (§ 35 StGB).
Anderes gilt hingegen, wenn man der Einwilligungslösung folgt: Eine Einwilligung, die durch Nötigung – hier die Drohung mit einem empfindlichen Übel – erlangt wird, wäre per se unwirksam, so dass danach auch eine Eigenverantwortlichkeit der Selbsttötung des B abzulehnen ist.
Wie man am vorliegenden Fall sieht, führt die Einwilligungslösung eher zu einer Verschiebung der Verantwortlichkeit für ein selbstschädigendes Verhalten hin zum veranlassenden Hintermann. Demgegenüber wird man mit der Exkulpationslösung häufiger zu einer Straflosigkeit desselben kommen, da die Hürden, die im Falle einer Fremdverletzung entlasten, ungleich höher und damit schwieriger zu überwinden sind als die Voraussetzungen, unter denen die Wirksamkeit einer Einwilligung zu versagen ist. Indes verdient die Einwilligungslösung in den vorgenannten Fallgestaltungen den Vorzug, da Fälle der Selbstschädigung des Opfers eher mit dem hypothetischen Fall einer Einwilligung desselben in die nämliche Verletzung als mit der Fremdverletzung einer anderen Person vergleichbar sind. Da es letztendlich um eine Schädigung des Opfers geht, erscheinen die hierfür entwickelten Kriterien i.F. der Einwilligungsvoraussetzungen passender als solche, die für die Verletzung eines Dritten herangezogen werden, was in dieser Konstellation gerade nicht zur Debatte steht (so auch die wohl h.L., vgl. Kindhäuser, BT I, 5. Aufl. 2012, § 4/15; Rengier, BT II, 11. Aufl. 2010, § 8/4 f.; a.A. etwa MK-Schneider, 1. Aufl. 2003, Vor § 211 Rn. 54 ff.).
3. Fälle der Unterlassungstäterschaft

  • Fall 6: B tötet sich mittels der Einnahme eines Giftes, welches ihr Ehegatte A verschafft hat. Nach der Einnahme fällt B zunächst in Ohnmacht und lebt noch ca. eine Stunde weiter, bevor sie stirbt. A wacht an ihrem Bett, unternimmt aber nichts, da er den Todeswunsch seiner Frau respektiert.

Im vorliegenden Fall kommt neben einer Begehungsverantwortung durch Verschaffen des Giftes, die bereits oben abgelehnt wurde, zusätzlich noch eine Strafbarkeit wegen Unterlassens in Betracht: Dadurch, dass die B erst nach einer längeren Weile stirbt, hätte der A noch die konkrete („physisch-reale“) Möglichkeit gehabt, durch alarmieren eines Arztes seine Frau zu retten. Wie dieser Fall zu behandeln ist, ist wiederum umstritten.
a) Zumutbarkeitslösung der Rspr.
Die Rspr. nimmt an, dass eine Strafbarkeit des Garanten in diesen Fallgestaltungen durchaus in Betracht komme. Sie knüpft dabei an ihre Argumentation zur Tatherrschaft des Opfers beim Begehungsdelikt an, die grundsätzlich eine Strafbarkeit des Helfers sperrt (s. dazu oben). Für die vorliegenden Fallgestaltung nimmt sie aber an, dass im Falle der Bewusstlosigkeit ein „Tatherrschaftswechsel“ eintrete: Da es dann der Suizident nicht mehr in der Hand habe, den eigenen Todeseintritt zu verhindern, wandere diese Möglichkeit zu dem anwesenden Garanten, den aufgrund seiner Sonderstellung auch eine diesbezügliche Pflicht treffe. Allerdings soll im Rahmen des Prüfungspunktes der Schuld im Einzelfall eine Zumutbarkeit des Garanten fehlen beim eigenverantwortlichen Suizid des Opfers einzugreifen, so dass eine Strafbarkeit mangels Verschuldens entfiele.
b) Ausschluss der Garantenstellung nach h.L.
Die h.L. lehnt diese Konstruktion demgegenüber ab und sieht in der grundsätzlichen Strafbarkeit des Garanten einen Wertungswiderspruch begründet, da dieser zwar einerseits aktiv (durch Verschaffen des Todeswerkzeugs) an dem Suizid der Schutzperson mitwirken dürfe, aber anschließend, nämlich im Falle eines Tatherrschaftswechsels, plötzlich andererseits doch alles dafür tun müsse, den Tod zu verhindern (vgl. z.B. Joecks, Studienkommentar StGB, 7. Aufl. 2007, § 216 Rn. 15; Kindhäuser, BT I, 5. Aufl. 2012, § 4/22). Die Literatur nimmt daher überwiegend an, dass den Garanten im Falle der freiwilligen Selbsttötung bereits keine objektive Pflicht zum Eingreifen (mehr) treffe; begründet wird dies etwa damit, dass das Opfer den ursprünglich Pflichtigen spätestens mit Ansetzen zum Suizid aus dessen Garantenstellung entlasse, so dass zum Zeitpunkt des Tatherrschaftswechsels ein Gebot zur Hilfe nicht mehr existiere (so MK-Schneider, 1. Aufl. 2003, Vor § 211 Rn. 77). Diese Konstruktion steht freilich in einem gewissen Spannungsverhältnis zu § 216 StGB, da die Entlassung aus der Garantenstellung faktisch mit der Einwilligung in eine Fremdtötung durch Unterlassen gleichgesetzt werden kann. Allerdings wird überwiegend angenommen, dass bzgl. dieser Norm, die im Hinblick auf die Einschränkung für eine Lebensbeendigung ohnehin verfassungsrechtlich problematisch erscheint, eine teleologische Reduktion angezeigt ist. Danach kann § 216 Abs. 1 StGB allein auf die aktive Herbeiführung des Todes eines Menschen angewendet werden, während Fälle eines garantenwidrigen Unterlassens ausgeklammert bleiben. Eine solche teleologische Reduktion (als methodologisches Gegenstück zum Analogieschluss) ist hier ohne Weiteres zulässig, da sie die Strafbarkeit des Täters einschränkt, nicht begründet. Sie kann auch mit der Wertung unterfüttert werden, dass ein Heileingriff, der zur Abwendung des Todes nach Abschluss der aktiven Einwirkung regelmäßig vonnöten wäre, von der Rspr. grundsätzlich als strafbare Körperverletzung (§ 223 ff. StGB) eingestuft wird, wenn das Opfer nicht (mutmaßlich) einwilligt – eine solche Einwilligung ist aber in Fällen des freiwilligen Suizids, bei dem der Todeswillige gerade nicht mehr weiterleben will, regelmäßig nicht anzunehmen. Insoweit kann den Garanten aber kein Gebot treffen, mit dessen Erfüllung er gleichzeitig gegen ein Verbot (die Beteiligung an der Körperverletzung) verstoßen würde.

c) Strafbarkeit nach § 323c StGB?
I.Ü. käme im vorgenannten Fall (sowie auch dann, wenn den Anwesenden von vornherein keine Garantenstellung trifft) daneben eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung, § 323c StGB, als „Auffangtatbestand“ in Betracht. Vom Standpunkt der Rspr. wäre auch insoweit allein an eine Einschränkung der Strafbarkeit wegen fehlender Zumutbarkeit des Eingriffs zu denken, wobei dieses Merkmal freilich hier nach überwiegender Auffassung ein echtes Tatbestandsmerkmal (und kein Element der Schuld) bildet. Die h.L. nimmt hingegen an, dass ein freiverantwortlicher Suizid bereits keinen Unglücksfall i.S.d. § 323c StGB darstellt (vgl. nur NK-Wohlers, 3. Aufl. 2010, § 323c Rn. 5 m.w.N.), und kommt so wiederum (ebenso) zur Straflosigkeit des Unterlassenden.

16.08.2012/3 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-08-16 10:00:562012-08-16 10:00:56Fälle zur Abgrenzung von Suizid und Fremdtötung
Dr. Stephan Pötters

Strafrecht Classics – Der Katzenkönig (BGHSt 35, 347)

Klassiker des BGHSt und RGSt, Schon gelesen?, Strafrecht

In diesem skurrilen Klassiker entschied der BGH, dass eine mittelbare Täterschaft auch dann in Frage kommen kann, wenn der Tatmittler als „menschliches Werkzeug“ volldeliktisch handelt, sich also auch strafbar gemacht hat. Konkret ging es darum, dass der Hintermann einen vermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) beim Tatmittler hervorgerufen und für seine Zwecke ausgenutzt hatte.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach den Feststellungen lebten die drei Angeklagten in einem von „Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben“ geprägten „neurotischen Beziehungsgeflecht“ zusammen. Der Angeklagten H. gelang es zusammen mit P., dem leicht beeinflußbaren Angeklagten R. zunächst die Bedrohung ihrer Person durch Zuhälter und Gangster mit Erfolg vorzugaukeln und ihn in eine Beschützerrolle zu drängen. Später brachten beide ihn durch schauspielerische Tricks, Vorspiegeln hypnotischer und hellseherischer Fähigkeiten und die Vornahme mystischer Kulthandlungen dazu, an die Existenz des „Katzenkönigs“, der seit Jahrtausenden das Böse verkörpere und die Welt bedrohe, zu glauben; R. – in seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt, aber auch aus Liebe zu H. darum bemüht, ihr zu glauben – wähnte sich schließlich auserkoren, gemeinsam mit den beiden anderen den Kampf gegen den „Katzenkönig“ aufzunehmen. Auf Geheiß mußte er Mutproben bestehen, sich katholisch taufen lassen, ,H. ewige Treue schwören; so wurde er von ihr und P. zunächst als Werkzeug für den eigenen Spaß benutzt. Als die Angeklagte H. Mitte des Jahres 1986 von der Heirat ihres früheren Freundes erfuhr, entschloß sie sich aus Haß und Eifersucht, dessen Frau O. von R. – unter Ausnutzung seines Aberglaubens – töten zu lassen. In stillschweigendem Einverständnis mit P., der – wie sie wußte – seinen Nebenbuhler loswerden wollte, spiegelte die H. dem R. vor, wegen der vielen von ihm begangenen Fehler verlange der „Katzenkönig“ ein Menschenopfer in der Gestalt der O; falls er die Tat nicht binnen einer kurzen Frist vollende, müsse er sie verlassen, und die Menschheit oder Millionen von Menschen würden vom „Katzenkönig“ vernichtet. R., der erkannte, daß das Mord sei, suchte auch unter Berufung auf das fünfte Gebot vergeblich nach einem Ausweg. H. und P. wiesen stets darauf hin, daß das Tötungsverbot für sie nicht gelte, „da es ein göttlicher Auftrag sei und sie die Menschheit zu retten hätten“. Nachdem er H. „unter Berufung auf Jesus“ hatte schwören müssen, einen Menschen zu töten, und sie ihn darauf hingewiesen hatte, daß bei Bruch des Schwurs seine „unsterbliche Seele auf Ewigkeit verflucht“ sei, war er schließlich zur Tat entschlossen. Ihn plagten Gewissensbisse, er wog jedoch die „Gefahr für Millionen Menschen ab“, die er „durch das Opfern von O.“ retten könne. Am späten Abend des 30. Juli 1986 suchte R. die O in ihrem Blumenladen unter dem Vorwand auf, Rosen kaufen zu wollen. Entsprechend dem ihm von P. – im Einverständnis mit H. – gegebenen Rat stach R. mit einem ihm zu diesem Zweck von P. überlassenen Fahrtenmesser hinterrücks der ahnungs- und wehrlosen O. in den Hals, das Gesicht und den Körper, um sie zu töten. Als dritte Personen der sich nun verzweifelt wehrenden Frau zu Hilfe eilten, ließ R. von weiterer Tatausführung ab, um entsprechend seinem „Auftrag“ unerkannt fliehen zu können; dabei rechnete er mit dem Tod seines Opfers, der jedoch ausblieb.
Lösung des BGH:
Zur Strafbarkeit des R: Diese hatten alle Instanzen bejaht. Zwar war R wohl wirklich nicht gerade der hellste Mensch auf Erden, jedoch war er noch schuldfähig; § 20 StGB schied also aus. § 21 StGB wurde zwar bejaht, dadurch wird aber die Strafbarkeit dem Grunde nach nicht berührt.  Zwar lag ein (indirekter) Verbotsirrtum vor (R glaubte sich „gerechtfertigt“, da er das Menschenopfer zur Rettung der Menschheit vor dem Zorn des Katzenkönigs für notwenig hielt; er zog damit die Grenzen des § 34 StGB zu weit), jedoch war dieser Irrtum relativ eindeutig vermeidbar:

„Daß der Angeklagte diesen Interessenkonflikt fehlerhaft abgewogen hat, führt als Bewertungsirrtum auch nicht zum Vorsatzausschluß, sondern zu einem – nach den Feststellungen vermeidbaren – Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 34 Rn. 51; Dreher/Tröndle a.a.O. § 34 Rn. 18). Danach hätte er als Polizeibeamter unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und auch seiner Wahnideen bei gebührender Gewissensanspannung und der ihm zumutbaren Befragung einer Vertrauensperson, zum Beispiel eines Geistlichen, die rechtliche Unzulässigkeit einer quantitativen Abschätzung menschlichen Lebens als des absoluten Höchstwertes erkennen können.“

Somit war R strafbar wegen versuchten Heimtückemordes, §§ 212 I, 211, 22, 23 I StGB. Ein Rücktritt lag nicht vor, denn der Versuch war fehlgeschlagen und R ergriff die Flucht.
Problematisch war die Strafbarkeit von H. und P.:

„Zu Recht hat das Landgericht auch den Angeklagten P. als Täter verurteilt. Dieser hat gemeinschaftlich mit der Angeklagten H., die den Schuldspruch nicht angegriffen hat, die Tat „durch einen anderen“ im Sinne des § 25 Abs. 1 StGB begangen. Sie handelten aus niedrigen Beweggründen. Beide sind nicht etwa deswegen nur Anstifter, weil auch der Mitangeklagte R. als Täter einzustufen war.[…] Der Bundesgerichtshof hat zwar in BGHSt 2, 169 [170]; 30, 363 [364] ausgeführt, daß der mittelbare Täter die Tat durch einen anderen ausführe, der nicht selbst Täter sei. Diese Definition, die für den Regelfall der mittelbaren Täterschaft zutrifft, ist in den genannten Entscheidungen aber nicht tragend. Im vorliegenden Fall kommt es auf die Beantwortung der Frage an, weil den Angeklagten H. und P. – jedenfalls nach Überzeugung des Landgerichts – die für eine Verurteilung wegen Anstiftung zum versuchten Mord erforderliche Kenntnis des tatbezogenen Merkmals der Heimtücke nicht nachzuweisen war. […] Daß mit Hilfe des Verantwortungsprinzips allein nicht stets eine scharfe Grenzziehung möglich ist, wird von Vertretern dieser Lehre selbst eingeräumt, indem sie für die Fälle des durch einen Machtapparat organisierten Verbrechens ohne Rücksicht auf die volle rechtliche Verantwortbarkeit des Handelnden eine „Täterschaft hinter dem Täter“ anerkennen. Ein wertender Vergleich der Fälle des unvermeidbaren Verbotsirrtums – hier ist unbestritten mittelbare Täterschaft möglich – mit denen des vermeidbaren Verbotsirrtums zeigt, daß allein die Vermeidbarkeit des Irrtums kein taugliches Abgrenzungskriterium ist. Auch dem in einem solchen Irrtum handelnden Täter fehlt zur Tatzeit die Unrechtseinsicht. Daß er Kenntnisse hätte haben können, die er im konkreten Fall nicht hatte, braucht an der Tatherrschaft des die Erlaubtheit vorspiegelnden Hintermannes nichts zu ändern; ebensowenig wird dadurch notwendigerweise dem Vordermann die Eigenschaft eines Werkzeuges genommen. In Fällen des vermeidbaren Verbotsirrtums des Vordermannes als dem unmittelbar Handelnden ist deshalb bei der Prüfung, ob der Hintermann mittelbarer Täter ist, auf das Kriterium der vom Täterwillen getragenen objektiven Tatherrschaft abzustellen. Ob sie vor liegt, richtet sich nicht nach starren Regeln, sondern kann nur je nach der konkreten Fallgestaltung im Einzelfall wertend ermittelt werden. Eine solche Abgrenzung entspricht den Grundsätzen, die auch für die Beurteilung zwischen unmittelbarer Täterschaft und Teilnahme maßgeblich sind. Die Abgrenzung hängt im Einzelfall von Art und Tragweite des Irrtums und der Intensität der Einwirkung des Hintermannes ab. Mittelbarer Täter eines Tötungs- oder versuchten Tötungsdelikts ist jedenfalls derjenige, der mit Hilfe des von ihm bewußt hervorgerufenen Irrtums das Geschehen gewollt auslöst und steuert, so daß der Irrende bei wertender Betrachtung als ein – wenn auch (noch) schuldhaft handelndes – Werkzeug anzusehen ist. So liegt es nach den Feststellungen hier. Einerseits haben die Angeklagten H. und P. beim Angeklagten R. die Wahnideen hervorgerufen und diese später bewußt ausgenutzt, um seine rechtlichen Bedenken wie seine Gewissensbisse auszuschalten und ihn zu veranlassen, die von ihnen beabsichtigte Tat ihren Plänen und Vorstellungen entsprechend auszuführen. Auf diese psychologische Weise steuerten sie die Tatplanung. Darüber hinaus bestimmten sie wesentliche Teile der Tatausführung.“

Damit bejahte der BGH für beide „Hintermänner“ eine Strafbarkeit wegen versuchten Mordes.
Kritik: Nach einer in der Literatur verbreiteten Lösung muss im Katzenkönig-Fall eine mittelbare Täterschaft ausscheiden, denn diese sei generell nicht denkbar, wenn der Tatmittler strafrechtlich voll verantwortlich ist für seine Tat (sog. Lehre vom Verantwortungsprinzip). Diese Ansicht lehnt konsequenterweise auch andere Fallgruppen der mittelbaren Täterschaft ab, bei denen der Tatmittler keinen „Defekt“ aufweist, insbesondere also die auf Roxin zurückgehende Fallgruppe der mittelbaren Täterschaft kraft organisierter Machtapparate (z.B. DDR-Mauerschützen-Fälle). In Betracht kommt nach dieser Ansicht dann „nur“ eine Anstiftung. Mit dieser schon vor dem Katzenkönig-Fall bestehenden Ansicht hatte sich der BGH auseinandergesetzt (s. o.) und sie meines Erachtens mit überzeugenden Argumenten abgelehnt.

01.05.2009/2 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-05-01 12:55:212009-05-01 12:55:21Strafrecht Classics – Der Katzenkönig (BGHSt 35, 347)

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