In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des AG München (Urteil vom. 15.10.2013 – Az. 422 C 13968/13), die uns als Pressemitteilung vorliegt, hat sich das Gericht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Mieter einer Mietwohnung seine Räumlichkeiten wegen Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse untervermieten darf, wenn im Mietvertrag eine solche Untervermietung ausdrücklich ausgeschlossen ist. Mietrecht und insbesondere Fragen zur Zulässigkeit der Untervermietung sind regelmäßig Gegenstand des 1. und 2. Examens.
Der Fall soll hier kurz im Gutachtenstil beleuchtet werden.
Sachverhalt (vereinfacht)
M und ihr Ehemann E beziehen im August 2011 ein schicke 3-Zimmer-Wohnung in München. E ist alleiniger Mieter. Der Mietpreis beträgt inklusive aller Nebenkosten 900 Euro. In der Ziff. 5 des Mietvertrags heißt es:
Ziff. 12
Jegliche Gebrauchsüberlassung der Mietsache durch die Mieter an Dritte (Untervermietung) ist ausgeschlossen.
In der Folgezeit kriselt es zwischen den beiden und sie lassen sich scheiden. Ab Januar 2012 übernimmt die M die Wohnung als neue alleinige Mieterin. Bis einschließlich Juni 2013 erhält M Unterhaltszahlungen von E in Höhe von 800 Euro monatlich. M ist zudem berufstätig. Da E ab Juli 2013 keinen Unterhalt mehr zahlt, verbleiben M abzüglich aller Kosten ab diesem Zeitpunkt nur noch 530 Euro zum Leben.
M ist verzweifelt und beschließt, ein Zimmer der Wohnung zu einem Mietpreis von 400 Euro unterzuvermieten. Da die Wohnung sehr großzügig geschnitten ist, ist eine Überbelegung nicht zu befürchten. M findet schnell einen passenden Mieter: den finanzkräftigen, höflichen Jurastudenten J.
Als M bei Ihrem Vermieter V die Erlaubnis zur Untervermietung einholen möchte, winkt dieser ab. Ihm Mietvertrag stehe ausdrücklich, dass eine Untervermietung der Wohnung der M nicht in Frage komme. Außerdem könne M ja einfach eine günstigere Wohnung anmieten und müsse nicht unbedingt „auf großem Fuße“ leben. M hingegen möchte in der Wohnung wohnen bleiben und wie geplant an J untervermieten. Sie geht daher zu einem Rechtsanwalt und schildert die Situation.
Hat M einen Anspruch gegen V auf Erteilung der Erlaubnis?
Rechtliche Würdigung
Die M könnte gegen V einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung gemäß §§ 553 I 1, 540 BGB haben.
1. Anwendbarkeit
Bei dem zwischen V und M geschlossenen Mietvertrag handelt es sich um ein Wohnraummietverhältnis im Sinne von §§ 549 I, 535 BGB, sodass §§ 553 I 1, 540 BGB vorliegend Anwendung finden.
2. Ausschluss der Untervermietung durch Ziff. 12 des Mietvertrags
Problematisch könnte sein, dass ausweislich Ziff. 12 des Mietvertrags eine Untervermietung generell nicht gestattet ist. Die Vorschrift könnte gegen zwingendes Recht verstoßen. Eine Abrede, die jegliche Untervermietung unter Abbedingung des § 540 I BGB verbietet, ist grundsätzlich von der Vertragsfreiheit umfasst und daher erlaubt. Für Wohnraummietverhältnisse gilt jedoch einschränkend § 553 III BGB als speziellere Regelung, wonach von den Vorschriften über die Untervermietung zulasten des Mieters nicht abgewichen werden darf (Palandt/Weidenkaff, 71. Aufl. 2012, § 540, Rz. 1). Ziff. 12 des Mietvertrags sieht eine solche Abweichung vor, indem es eine Untervermietung durch den Mieter insgesamt ausschließt. Die Vorschrift ist damit nicht anwendbar.
Im Übrigen bleibt der Mietvertrag nach dem Zweck des § 553 III BGB erhalten. Die Vorschrift soll den Mieter lediglich vor nachteiligen Vertragsbestimmungen schützen, nicht jedoch den gesamten Mietvertrag unwirksam werden lassen (Palandt/Ellenberger, 71. Aufl. 2012, § 139, Rz. 18; insoweit ist § 553 III BGB lex specialis zu § 139 BGB).
Anm.: Es wäre auch denkbar, in dem Fall, dass es sich bei der Klausel um AGB handelt – was bei Mietverträgen über Wohnraum häufig der Fall sein wird – einen Verstoß gegen Grundgedanken gesetzlichen Regelungen (Mieterschutz, § 553 III BGB) im Sinne von § 307 II Nr. 1 BGB anzunehmen. Allerdings ist ein Umweg über die AGB-Kontrolle m.E. nicht notwendig, da insoweit § 553 III BGB eine konkrete Regelung trifft.
3. Wohnraum
Ferner wird vorausgesetzt, dass der Mieter nicht die gesamte Wohnung, sondern lediglich einen Teil an einen Dritten vermieten will. Soll die gesamte Wohnung vermietet werden, steht dem Mieter gegen die Versagung der Erlaubnis grundsätzlich ein Kündigungsrecht nach § 540 I 2 BGB zu. Hier begehrt M, ein Zimmer ihrer 3-Zimmer-Wohnung an J zu vermieten. Die übrigen Räumlichkeiten bewohnt die M weiterhin selbst. Die Untervermietung bezieht sich demnach lediglich auf einen Teil der Mietsache.
4. Berechtigtes Interessen
Anm.: Für Referendare: Die Beweislast hierfür trägt der Mieter
Fraglich ist, ob M ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung hat. Ein berechtigtes Interesse der M an der Gebrauchsüberlassung ist gegeben, wenn vernünftige Gründe für die Untervermietung vorliegen und diese Gründe erst nach Abschluss des Mietvertrags entstanden sind.
Als vernünftige Gründe können Veränderungen der wirtschaftlichen, persönlichen oder familiären Verhältnisse des Mieters in Betracht kommen (Palandt/Weidenkaff, 71. Aufl. 2012, § 553, Rz. 4). Das Amtsgericht hat solche vernünftige Gründe im vorliegenden Fall zum einen darin gesehen, dass sich ihre finanzielle Lage verschlechtert hat:
Nach Auffassung des Amtsgerichts ist das Interesse der Mieterin, durch die Mieteinnahmen aus der Untervermietung des Zimmers die eigenen Wohnkosten zu senken, berechtigt, da die Verschlechterung der finanziellen Lage erst nach dem Mietvertragsschluss entstanden ist.
Auch der Wunsch der M gesehen, in ihrer Wohnung zu verbleiben, sei zu respektieren. M müsse sich nicht auf eine günstigere Wohnung verweisen lassen. In der Pressemitteilung heißt es dazu kurz:
Der Wunsch der Mieterin, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben, sei als Ausdruck ihrer privaten Lebensgestaltung zu respektieren. Daher könne sie auch nicht darauf verwiesen werden, eine billigere Wohnung anzumieten.
Ein vernünftiger Grund ist damit vorhanden. Zudem war die finanzielle Lage nachträglich durch Wegfall der Unterhaltszahlungen ab Juli 2013 nach Abschluss des Mietvertrags eingetreten.
Ein berechtigtes Interesse der M an der Untervermietung ist gegeben.
5. Zumutbarkeit der Erlaubniserteilung
Anm.: Die Beweislast liegt hier wiederum beim Vermieter
Nach § 553 I 2 BGB muss die Erlaubniserteilung für den Vermieter ferner zumutbar. Es dürfen (1) keine Gründe in der Person des Untermieters liegen, die eine Untervermietung ausschließen. Zudem darf die Untervermietung nicht zu einer (2) übermäßigen Belegung der Wohnung führen oder (3) ihren Verwendungszweck völlig verändern.
J verfügt über die nötigen finanziellen Mittel, das Zimmer anzumieten. Sonstige Versagungsgründe, die in seiner Person liegen könnten, bestehen nicht. Die Wohnung bietet überdies ausreichend Platz, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Mietsache unter Überbelegung leidet. Zudem wurde die Wohnung bereits zuvor von M und E gemeinsam bewohnt. Eine Benutzung der Wohnung zu anderen Zwecken als zu reinen Wohnzwecken ist nicht zu befürchten.
Die Erlaubniserteilung ist für V zumutbar.
Ergebnis: M kann von V die Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung des Zimmers an J verlangen.
Fazit
Die Entscheidung macht deutlich, dass die Rechtsprechung hinsichtlich des „berechtigten Interesse“ des (Wohnraum-) Mieters einen sehr weiten Maßstab anlegt: Wer sich die Kommentierung im Palandt dazu anschaut, wird feststellen müssen, dass so gut wie jeder vernünftige Beweggrund ausreicht, um einen entsprechenden Anspruch des Mieters auf Erteilung der Erlaubnis zu begründen. So reicht es schon aus, dass der Mieter mit Dritten eine Wohngemeinschaft bilden möchte (BGH NJW 85, 130).
Dass zu einem „berechtigten Interesse“ auch ein gesunkenes Einkommen zählt, ist nicht neu (Palandt/Weidenkaff, 71. Aufl. 2012, § 553, Rz. 4). Damit ist die vorliegende Entscheidung hinsichtlich des Wegfalls von Unterhaltszahlungen des Ex-Partners konsequent und reiht sich in die vorhandene Rechtsprechung ein.
Nach Ansicht des Gerichts musste sich M auch nicht auf eine „billigere“ Wohnung verweisen lassen, da ihr Wunsch, in ihrer gewohnten Umgebung zu verbleiben, mit Blick auf die private Lebensgestaltung schützenswert sei. Dieser Aspekt ist insoweit interessant, als es nach der Rechtsprechung keine Voraussetzung für den Anspruch nach § 553 I BGB ist, dass der Mieter seinen Lebensmittelpunkt in dieser Wohnung hat (BGH, Urteil vom 23. 11. 2005 – VIII ZR 4/05). Beruft er sich hingegen darauf, dass er in der Wohnung verbleiben möchte, z.B. weil sich dort sein Lebensmittelpunkt befindet (die genaue Begründung der hier besprochenen Entscheidung liegt uns leider nicht vor!), hat dies der Vermieter zu respektieren. Das Gericht hat sich damit klar für eine Stärkung der Mieterrechte ausgesprochen.
Schließlich sei noch auf diesen instruktiven Beitrag zum Thema Untervermietung in der Klausur verwiesen.
