Das AG München hatte in einem Urteil vom 11.06.2010 (412 C 11503/09) über das Recht des Mieters zur 100%igen Mietminderung bei Schimmel in der Wohnung zu entscheiden. Es entschied, dass es den an eine normale Wohnnutzung zu stellenden Anforderungen widerspreche, wenn in einer Wohnung Schimmelbildung nur durch durchgehendes Lüften vermieden werden könne. Eine Minderung sei gerechtfertigt, im vorliegenden Fall sogar bis zu 100 Prozent. Insbesondere für den bevorstehenden kalten Winter ein interessantes Urteil.
Sachverhalt
Eine Frau mietete für sich, ihren Ehemann und ihre drei Kinder eine Wohnung in München. Nach Einzug in die Wohnung begann sich in allen Räumen Schimmel zu bilden. Als sich schließlich der Schimmel in allen Schlafzimmern, der Küche und dem Wohnzimmer teilweise vom Fußboden gemessen bis zu einer Höhe von 80 cm und mehr ausgebreitet hatte, forderte die Mieterin die Vermieterin auf, den Schimmelbefall begutachten zu lassen. Diese maß aber lediglich die Feuchtigkeit und händigte der Mieterin die Broschüre „Richtiges Heizen und Lüften“ aus. Das Anwesen sei schließlich nach den anerkannten Regeln der Technik errichtet. Die Schimmelbildung könne daher nur an der mangelhaften Lüftung durch die Mieterin liegen. Darauf hin erhob die Mieterin Klage beim Amtsgericht München. Sie forderte die Schimmelbeseitigung. Darüber hinaus wollte sie festgestellt wissen, dass sie ihre Miete um 100 Prozent mindern könne. Schließlich bestehe eine erhebliche Gesundheitsgefährdung. Ihr Ehemann, ihre 16, 13 und 7 Jahre alten Kinder und auch sie selbst würden bereits unter Erkrankungen des Bronchialsystems leiden.
Entscheidung des AG München
Das Amtsgericht München gab der Mieterin in allen Punkten recht. Der vom Gericht herangezogene Sachverständige stellte fest, dass selbst durch das während der Begutachtung erfolgte intensive Lüften mit langen Lüftungsintervallen dieses nicht geeignet war, die in den Räumen vorhandene Feuchtigkeit dauerhaft zu beseitigen. Die ermittelten Werte lagen auch nur während des Lüftens in einem Bereich, in dem es nicht zu einer Schimmelbildung kommen kann. Dies bedeute praktisch, dass nur bei immerwährendem Lüften kein Schimmel entstehen würde.
Dauerhaftes Lüften unzumutbar: Erforderliches Lüftungsverhalten darf Lebensverhalten der Mieterin nicht einschränken
Ständiges, durchgehendes Lüften sei der Mieterin – so der Richter – jedoch nicht zumutbar. Es widerspräche eklatant den an eine normale Wohnnutzung zu stellenden Anforderungen. Das für eine Wohnnutzung erforderliche Lüftungsverhalten dürfe nicht so weit gehen, dass dadurch die Nutzung der Wohnung und das Lebensverhalten der Mieterin eingeschränkt werden. Insbesondere müsse es der Mieterin auch möglich sein, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, bei der sie tagsüber nicht in der Wohnung sei und folglich nicht lüften könne. Das erforderliche Lüften müsse daher auch in den Morgen- und Abendstunden durchführbar sein. Darüber hinaus könne es auch nicht angehen, dass ein Mieter gezwungen werde, bei geöffnetem Fenster zu schlafen. Als wesentlichen Bereich des persönlichen Lebens und der Ruhe müsse es der freien Entscheidung der Mieterin offen stehen, ob sie bei offenem oder geschlossenen Fenster schlafe. Dies gelte insbesondere auch bei niedrigen Außentemperaturen.
Basics: Mietminderung gem. § 536 BGB
Für die Zeit der Gebrauchsbeeinträchtigung tritt gem. § 536 I S. 1 BGB automatisch (ipso iure) eine Minderung der Miete, bei massiven Mängeln sogar eine komplette Befreiung von der Pflicht zur Mietzahlung ein. Anders als im Kaufrecht ist beim Mietverhältnis keine ausdrückliche Minderungserklärung nach § 441 BGB erforderlich. Allerdings besteht eine Anzeigepflicht des Mieters gegenüber dem Vermieter nach § 536c Abs. 1 BGB). Die Miete kann dann für die Dauer des Mangels automatisch gemindert werden. Nach h. M. ist dabei für die Berechnung der Minderung die Bruttomiete, d. h. inklusive Nebenkosten, zugrunde zu legen.
Mietminderung aufgrund der konkreten Gesundheitsgefährdung zulässig
Das AG München entschied, dass auch die Mietminderung nach § 536 BGB begründet sei. Es bestünde eine konkrete Gesundheitsgefährdung auf Grund des großflächigen, massiven Schimmelbefalls. Die intensive Pilzbesiedlung und das extrem hohe Aufkommen von Milben mache eine Nutzung der Wohnung unmöglich.
AG München, Urteil vom 11.06.2010 (412 C 11503/09)
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