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Dr. Melanie Jänsch

EuGH: Neues zum Ausschluss des Verbraucherwiderrufsrechts bei individuell angefertigter Ware

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Mit aktuellem Urteil vom 21.10.2020 (Az.: C-529/19) hat der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV entschieden, dass ein Widerrufsrecht bei individuell anzufertigender Ware auch dann ausgeschlossen ist, wenn mit der Produktion noch gar nicht begonnen wurde. Die Normen zum Verbraucherwiderruf bei einem außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag gehen auf europäisches Sekundärrecht zurück; aufgrund des Gebots richtlinienkonformer Auslegung ist die Entscheidung daher für das Verständnis der nationalen Verbraucherwiderrufsvorschriften – konkret: des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB – maßgeblich und kann angesichts dessen auch in ihrer Bedeutung für Zivilrechtsklausuren als gewichtig eingeschätzt werden. In einer entsprechenden Klausur könnte die – trotz ihrer Examensrelevanz von den meisten Studierenden eher stiefmütterlich behandelte – Thematik problemlos in eine Anspruchsprüfung eingebettet werden, weshalb sich den Grundsätzen der Entscheidung im Rahmen des nachfolgenden Beitrags klausurtypisch in Form einer Anspruchsprüfung genähert werden soll.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Die K, eine Verbraucherin, kaufte auf einer gewerblichen Messe bei der V GmbH eine speziell auf ihre Bedürfnisse angepasste Einbauküche. Teile dieser Küche hätten bei einer Drittfirma angefertigt werden müssen und wären nach Anpassung in der Käuferwohnung nicht mehr weiter verwendbar gewesen. Ein paar Tage nach Abschluss des Vertrags überlegte es sich die K jedoch anders; sie kontaktierte die V GmbH und widerrief den Kauf. V berief sich auf den Ausschluss des Widerrufs bei individuell herzustellender Ware nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die K wandte daraufhin ein, dass dem Unternehmen zum Zeitpunkt des Widerrufs noch keinerlei Schaden entstanden sei, weil die Anfertigung der Passstücke noch gar nicht begonnen worden war. Und selbst bei Vertragserfüllung wäre der tatsächliche Schaden sehr gering gewesen. V bestand weiterhin auf Zahlung und Abnahme der Küche. Angesichts der europarechtlichen Grundlagen des Verbraucherwiderrufsrechts legte das AG Potsdam dem EuGH unter anderem die Frage vor, ob der Widerrufsausschluss der Verbraucherrechterichtlinie (Art. 16 Buchstabe c der Richtlinie) auch gilt, wenn der Verkäufer beziehungsweise die Drittfirma zum Zeitpunkt des Widerrufs noch gar nicht mit der individuellen Fertigung begonnen hat.
 
B) Rechtsausführungen
In einer entsprechenden Klausur könnte nach einem Anspruch der V auf Kaufpreiszahlung und Abnahme der Küche gemäß § 433 Abs. 2 BGB gefragt sein, der im Folgenden geprüft werden soll.
I. Zweifelsohne wurde ein hierfür erforderlicher wirksamer Kaufvertrag i.S.v. § 433 BGB über die Einbauküche abgeschlossen.
II. Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung und Abnahme der Sache gemäß § 433 Abs. 2 BGB könnte indes erloschen sein, wenn die K ihre Willenserklärung nach den Grundsätzen des Verbraucherwiderrufsrechts gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam widerrufen hat. Dies setzt das Bestehen eines Widerrufsrechts voraus, welches innerhalb der Widerrufsfrist ausgeübt wurde.
 
Anmerkung: Ein Widerruf wirkt nach h.M. – wie der Rücktritt nach den §§ 346 ff. BGB und im Gegensatz zur Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB – ex nunc.
 
1. Zunächst ist also zu prüfen, ob der K ein Widerrufsrecht zusteht. Ein solches kann sich mangels vertraglicher Vereinbarungen im vorliegenden Fall allein gesetzlich, konkret aus § 312g Abs. 1 BGB ergeben, der Verbrauchern bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (AGV) und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht einräumt.
a) Unproblematisch liegt hier ein für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs notwendiger Verbrauchervertrag i.S.v. §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB vor, der auf eine entgeltliche Leistung gerichtet ist: Als natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abgeschlossen hat, die weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sondern vielmehr privater Natur sind, handelte die K als Verbraucherin gemäß § 13 BGB. Die V GmbH ist eine juristische Person des Privatrechts, welche beim Abschluss des Kaufvertrags in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit, mithin als Unternehmerin gemäß § 14 Abs. 1 BGB handelte. Der Kaufvertrag über die Einbauküche stellt einen auf entgeltliche Leistung des Unternehmers gerichteten Vertrag dar, § 312 Abs. 1 BGB.
b) Ist danach der persönliche Anwendungsbereich eröffnet, müsste der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sein. Nach der Legaldefinition des § 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB fallen hierunter Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Was ein Geschäftsraum ist, benennt § 312b Abs. 2 S. 1 BGB: Hier kommt ein sog. beweglicher Geschäftsraum in Betracht, der Gewerberäume erfasst, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Ein Schwerpunkt der gutachterlichen Prüfung sollte angesichts dessen darauf liegen, ob ein Messestand unter diese Definition subsumiert werden kann. Da das Verbraucherwiderrufsrecht auf europäisches Sekundärrecht (die RL 2011/83/EU) zurückgeht, sind bei der näheren Bestimmung der Reichweite des Begriffs auch europarechtliche Vorgaben zu beachten. Nach Ansicht des EuGH kommt es ausgehend vom Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts darauf an, ob „in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort auf der Messe selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen“ (EuGH, Urt. v. 07.08.2018 – C-485/17, EuZW 2018, 742). Vereinfacht: Maßgeblich ist, ob der Verbraucher wegen des offensichtlichen Verkaufscharakters der Messe davon ausgehen musste, dass Unternehmer dort Verträge abschließen.
 
Anmerkung: Der BGH hat sich mit der auf juraexamen.info bereits ausführlich besprochenen Problematik des Verbraucherwiderrufs bei Messeständen in einer examensrelevanten Entscheidung aus dem letzten Jahr bereits auseinandergesetzt (Urt. v. 10.04.2019 – VIII ZR 82/17, BeckRS 2019, 7655): Nach den Maßstäben dieses Urteils ist bei einer Verkaufsmesse mit unterschiedlichen Ausstellern unter Berücksichtigung der europarechtlichen Grundlagen nicht von einer typischen Überrumpelungssituation auszugehen; im Gegenteil muss ein Verbraucher – außer in Messebereichen, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach lediglich Werbe- und Informationszwecken dienen – mit Verkaufsangeboten rechnen, sodass ein beweglicher Geschäftsraum i.S.d. § 312b Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB vorliegt und damit kein Widerrufsrecht besteht.
 
Handelt es sich also um einen Messebereich, in dem der durchschnittlich informierte Verbraucher damit rechnen muss, dass er vom Unternehmer angesprochen wird, liegt beim Abschluss des Kaufvertrags ein beweglicher Geschäftsraum und damit eben kein Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen vor. Schon aus diesem Grund wäre ein Widerruf dann ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall bedarf es diesbezüglich weitergehender Feststellungen: Der EuGH hat das AG Potsdam ausdrücklich darauf hingewiesen, dass – auf der Basis der vorstehenden Erwägungen – fraglich sei, ob der Kauf überhaupt außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen worden sei. Es bedürfe hier einer Aufklärung, wo denn genau auf der Messe die Küche gekauft worden sei (Rn. 16 f.).
 
2. Dies kann jedoch dahinstehen, weil ein Widerruf bei individuell anzufertigender Ware ohnehin ausgeschlossen ist – und das, wie der EuGH nunmehr eindeutig klarstellt – sogar dann, wenn zum Zeitpunkt des Widerrufs noch gar nicht mit der individuellen Fertigung begonnen wurde. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB, der seinem klaren Wortlaut nach unabhängig vom Stand der Produktion darauf abstellt, ob für die Herstellung der Ware „eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist“, ist insoweit mit Unionsrecht vereinbar. Nach den Ausführungen des EuGH

„weist nichts im Wortlaut von Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 darauf hin, dass die Ausnahme von dem in dieser Bestimmung geregelten Widerrufsrecht von irgendeinem Ereignis abhängt, das nach dem Abschluss eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags über die Lieferung von „Waren …, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“, eintritt.“ (Rn. 24).

Im Gegenteil müsse ein Verbraucher vor bzw. bei Abschluss eines Vertrags sicher wissen, ob ihm ein Widerrufsrecht zustehe:

„Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 sichergestellt werden soll, dass dem Verbraucher vor Abschluss eines Vertrags sowohl die Informationen über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses übermittelt werden, die dem Verbraucher die Entscheidung ermöglichen, ob er sich vertraglich an einen Unternehmer binden möchte, als auch die Informationen, die zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung und vor allem zur Ausübung seiner Rechte, insbesondere seines Widerrufsrechts, erforderlich sind (Urteil vom 10. Juli 2019, Amazon EU, C‑649/17, EU:C:2019:576, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Bestehen des Widerrufsrechts des Verbrauchers an ein zukünftiges Ereignis zu knüpfen, dessen Eintritt von der Entscheidung des Unternehmers abhängt, wäre jedoch mit dieser Pflicht zur vorvertraglichen Unterrichtung unvereinbar.“ (Rn. 26 f.)“

Dies gelte umso deutlicher, als der Verbraucher regelmäßig auf den Fortschritt der Produktion weder Einfluss habe noch darüber informiert werde. Letztlich ist daher der konkrete Vertragsschluss der maßgebliche Zeitpunkt, nach dem sich bestimmt, ob ein Widerrufsrecht besteht. Übertragen ins nationale Recht heißt das, dass ein Widerruf – unabhängig davon, ob überhaupt ein außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag besteht – jedenfalls nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist.
III. K ist damit weiterhin zur Kaufpreiszahlung und Abnahme der Küche nach § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet.
 
C) Fazit
Selbst nach Ansicht des EuGH, der regelmäßig zur weiten Auslegung verbraucherschützender Vorschriften neigt, gilt: Verbraucherschutz nicht um jeden Preis. Wer einen Gegenstand kauft, bei dem einzelne Stücke speziell angepasst oder individuell hergestellt werden müssen, hat kein Widerrufsrecht – und das unabhängig davon, ob mit der Fertigung überhaupt schon begonnen wurde und dem Verkäufer damit ein Schaden entstünde oder nicht. Der Entscheidung gebührt uneingeschränkte Zustimmung: Aus Gründen der Rechtssicherheit muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststehen, ob dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht oder nicht – und dann kann es nicht auf den Stand der Produktion ankommen.
 

02.11.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-11-02 08:39:212020-11-02 08:39:21EuGH: Neues zum Ausschluss des Verbraucherwiderrufsrechts bei individuell angefertigter Ware
Dr. Sebastian Rombey

BGH zum Verbraucherwiderruf bei Messeständen

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Verbraucher können Außergeschäftsraumverträge (kurz AGV) binnen einer Frist von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Doch handelt es sich auch bei einem auf einer Messe abgeschlossenen Kaufvertrag um einen solchen AGV, mit der Folge, dass ein Verbraucherwiderrufsrecht besteht? Genau mit dieser Frage hatte sich der VIII. Zivilsenat des BGH in seiner jüngsten Entscheidung zu befassen. Da hierbei – wie so oft, wenn es um Widerrufsrechte geht – nicht nur nationale Normen, sondern auch europäisches Sekundärrecht (genauer die RL 2011/83/EU) zu Grunde lagen und überdies eine neuere EuGH-Entscheidung zu beachten war, dürfte dem Urteil – auch wegen seiner grundsätzlichen Relevanz – eine erhöhte Klausurrelevanz zukommen. Doch der Reihe nach.
I. Sachverhalt (vereinfacht)
Worum es geht, ist schnell erzählt: Der gewerbliche Verkäufer V vertreibt Einbauküchen und bot diese u.a. auf der alle zwei Jahre stattfindenden „Messe Rosenheim“ zum Kauf an. Mit dem Käufer K, einem Verbraucher, schloss er an seinem Stand einen schriftlichen Kaufvertrag über eine Einbauküche des Modells „P“ zu einem Preis von rund 10.000 €. Der Kaufvertrag enthielt keine Widerrufsbelehrung. Unbeirrt davon widerrief K noch am selben Tag seine Willenserklärung, was V aber nicht gelten lassen wollte, weshalb die Sache vor Gericht ging.
II. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 10.04.2019 – VIII ZR 82/17, BeckRS 2019, 7655)
Es stellt sich damit die Rechtsfrage, ob der wirksam geschlossene Kaufvertrag ex nunc erloschen ist, was wiederum der Fall ist, wenn K seine Willenserklärung wirksam widerrufen hat. Dazu bedarf es zunächst eines Widerrufsrechts.
Mangels vertraglich vereinbarten Widerrufsrechts kommt vorliegend nur ein gesetzliches Widerrufsrecht im Sinne der §§ 312g Abs. 1, 312b, 355 Abs. 1 S. 1, 357 BGB in Betracht. An dem dafür notwendigen Vorliegen eines Verbrauchervertrags (K ist Verbraucher, § 13 BGB, V ist Unternehmer, § 14 BGB, und es geht um eine entgeltliche Leistung, namentlich den Küchenkauf) bestehen keine Bedenken, §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB.
Gleichwohl müsste es sich auch um einen AGV handeln. Darunter fallen nach der Legaldefinition des § 312b Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Ein beweglicher Geschäftsraum ist wiederum ein solcher Raum, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Es gilt damit zu klären, ob auch ein Messestand und diese beiden Definitionen fällt. Da die genannten Vorschriften indes europarechtlich determiniert sind, muss zunächst ein Blick auf die entsprechende Richtlinie geworfen werden.
Zum Hintergrund: In einem ähnlich gelagerten Fall (dort ging es um einen von einem Unternehmer auf der Berliner Messe „Grüne Woche 2015“ betriebenen Stand) hatte der I. Zivilsenat des BGH dem EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV die Frage vorgelegt, ob es sich hierbei um einen „beweglichen Gewerberaum“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 lit. b) RL 2011/83/EU handelt (BGH, Beschl. v. 13.07.2017 – I ZR 135/16, EuZW 2017, 809). Der EuGH entschied daraufhin, dass es zur Beurteilung dieser Frage darauf ankomme, ob „ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen […]“ (EuGH, Urt. v. 07.08.2018 – C-485/17, EuZW 2018, 742). Zur Begründung berief er sich insbesondere auf Sinn und Zweck der Widerrufsvorschriften sowie auf Erwägungsgrund 21 zur RL 2011/83/EU. Es gehe darum, den Verbraucher vor psychischen Drucksituationen sowie Überraschungs- und Überrumpelungsmomenten zu schützen. Überdies könne Erwägungsgrund 22 zur RL 2011/83/EU entnommen werden, dass auch Messestände als Geschäftsräume zu behandeln seien, soweit eben diese gerade genannten Voraussetzungen vorlägen. Auf Grund des Gebots richtlinienkonformer Auslegung ist die Entscheidung für § 312b Abs. 2 S. 1 BGB von elementarer Bedeutung respektive sind die nationalen Gerichte daran gebunden.
Überträgt man eben diese Auslegungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall, ergibt sich ein eindeutiges rechtliches Bild:
Im Einklang mit dem Berufungsgericht geht der VIII. Zivilsenat des BGH (Rn. 25) deshalb davon aus, dass „es sich bei der ‚Messe Rosenheim‘ im Jahr 2015 um eine klassische Verkaufsmesse handelte, bei der das interessierte Publikum in 14 Ausstellungshallen mit 19 unterschiedlichen Branchen und deren Kaufangeboten in Kontakt treten konnte. Angesichts des offensichtlichen Verkaufscharakters der Messe und der breit gefächerten, teils auch hochwertige Gegenstände umfassenden Produktpalette, die in einem ‚bunten Mix‘ verschiedener Branchen – über sämtliche Hallen verteilt – präsentiert worden sei, habe das Angebot der Beklagten [hier des Verkäufers] zum Kauf der hier in Rede stehenden Einbauküche für den Kläger [hier den Käufer] nicht überraschend sein können, so dass von einer Überrumpelung nicht gesprochen werden könne.“
An diesem Ergebnis könnte sich nur dann etwas ändern, wenn man berücksichtigt, dass auf der Messe auch Händler vertreten waren, die ihre Stände zu Werbe- oder Informationszwecken betrieben. Das jedoch – so der BGH (Rn. 26) – könne an dem Auslegungsergebnis nichts ändern:
„Anders könnte es sich in Bezug auf den Messestand der Beklagten [hier des Verkäufers] nur darstellen, wenn dieser – wie etwa die von der Berufungsbegründung des Klägers [hier des Käufers] hierfür (neben anderen) exemplarisch benannten Stände der Agentur für Arbeit, der AOK, des Arbeiter-Samariter-Bunds oder von Handwerkern, die ihr Berufsbild vorstellen wollten – nach außen das Erscheinungsbild eines reinen Informations- oder Werbestands vermittelt hätte, an dem, entgegen dem einen anderen Eindruck vermittelnden generellen Verkaufscharakter der Messe, Verkäufe nicht getätigt würden.“ Da dafür im vorliegenden Fall aber nichts ersichtlich war, kam es darauf nicht weiter an.
Ein weiterer, mündlich vorgetragener Einwand des Käufers verfing ebenso wenig. Dieser hatte argumentiert, es habe es sich bei der Einbauküche um einen Kaufgegenstand gehandelt, dessen Maße erst noch durch Aufmaß hätten ermittelt werden müssen, sodass er nicht damit habe rechnen können, an dem Messestand sogleich mit einem Kaufangebot konfrontiert zu werden. Darauf ließ sich der BGH indes nicht ein und stellte unter Rekurs auf die oben zitierte EuGH-Auslegungshinweise klar (Rn. 27):
„Diese Frage [gemeint ist die Beurteilung eines Überrumpelungseffekts aus Sicht eines verständigen Verbrauchers] ist unabhängig davon zu beurteilen, ob im Hinblick auf den im Einzelfall in Rede stehenden Kaufgegenstand weitere Maßnahmen erforderlich sind, wie etwa ein Aufmaß nach den örtlichen Gegebenheiten beim Verbraucher zu nehmen, um die vertragsgemäße Leistung ordnungsgemäß erbringen zu können.“
Im Ergebnis verbleibt es also dabei, dass es sich um einen beweglichen Geschäftsraum und daher nicht um einen AGV handelt, sodass kein gesetzliches Widerrufsrecht besteht und der Kaufvertrag weiterhin wirksam ist.
III. Fazit: Verbraucherwiderruf nicht um jeden Preis
Auch wenn der EuGH zu einer weiten Auslegung der Widerrufsvorschriften tendiert, ist er doch bei Messeständen, bei denen sich der Verkaufscharakter in der Vielzahl der Fälle aufdrängen dürfte, etwas vorsichtiger in seinen Wertungen und hat zur Beurteilung eines AGVs darauf abgestellt, dass „ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen […].“ Das ist freilich ein nur wenig konkreter Maßstab.
Was der BGH wiederum daraus gemacht hat, verdient volle Zustimmung; sein Urteil sollte man sich merken: Danach wird man bei einer Verkaufsmesse mit unterschiedlichen Ausstellern nicht davon ausgehen können, dass ein Verbraucher an einem Stand überrumpelt wird. Er wird vielmehr genau damit rechnen müssen, dass man mit Kaufangeboten auf ihn zukommt – ein typischer Geschäftsraumvertrag also. Eine Ausnahme gilt dann, wenn es sich um einen Messebereich handelt, der seinem äußeren Erscheinungsbild nach Werbe- und Informationszwecken dient. Ob es sich dagegen – wie konkret bei einer Einbauküche – um einen Kaufgegenstand handelt, dessen Maße beim Verbraucher erst noch durch Aufmaß ermittelt werden müssen oder – abstrakt formuliert – noch weitere Schritte nötig sind, um die vertragsgemäße Leistung später erbringen zu können, kann keine Rolle spielen.

15.05.2019/3 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2019-05-15 09:01:102019-05-15 09:01:10BGH zum Verbraucherwiderruf bei Messeständen

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