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Gastautor

Rechtsprechungsüberblick Strafrecht und Strafprozessrecht 2019

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT

Wir freuen uns, heute einen Beitrag von Charlotte Schippers veröffentlichen zu können. Die Autorin hat an der Universität Bonn Jura studiert und ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Bonn (Lehrstuhl Thüsing).
 
Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung unbedingt erforderlich. Neue Urteile und Beschlüsse werden immer wieder als ein Teil der Prüfung herangezogen oder bei besonders wichtigen Entscheidungen ausdrücklich abgefragt. Der folgende Überblick soll für die examensrelevanten Entscheidungen in Strafsachen des Jahres 2019 als Stütze dienen und Ausgangspunkt für eine tiefere Auseinandersetzung sein.
 
Strafrecht
 
BGH, Beschl. v. 8.1.2019 – 1 StR 356/18: Bestätigung der Verurteilung gegen Waffenverkäufer im Fall des Amoklaufs in Münchener Olympia-Einkaufszentrum
Der BGH hat Anfang des Jahres das Urteil des LG München (19.1.2018 – 12 KLs 111 Js 239798/16) gegen den Verkäufer der Waffe, die der Amokläufer im Münchener Olympia-Einkaufszentrum verwendete, bestätigt, indem er die Rechtsmittel von Verteidigung und Nebenklage zurückwies: Der Verkäufer wurde durch das LG München wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen und wegen fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen verurteilt. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord, wie sie auch die Nebenkläger forderten, lehnte das LG München ab, denn der notwendige doppelte Beihilfevorsatz fehle. Es liege aber eine Sorgfaltspflichtverletzung durch den illegalen Verkauf von Schusswaffen und Munition, der sogar selbst den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG verwirklicht, vor. Darüber hinaus sei der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs erkennbar und vorhersehbar. Das Dazwischentreten eines Dritten, also des Täters, stehe der Strafbarkeit nicht entgegen:

„[E]ine Mitverantwortung Dritter [führt] nur dann zum Wegfall des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Täters und dem eingetretenen Erfolg, wenn das für den Erfolg ebenfalls kausale Verhalten des Dritten außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Erforderlich ist demnach, dass die vom Täter ursprünglich gesetzte Ursache trotz des in den Kausalverlauf eingreifenden Verhaltens des Dritten wesentlich fortwirkt, der Dritte also hieran anknüpft. Hiervon ist jedenfalls in solchen Fallgestaltungen auszugehen, in denen sich in dem pflichtwidrigen Handeln des Dritten gerade das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Täters selbst verwirklicht.“

Vgl. hier unsere ausführliche Besprechung.
 
Raserfälle: Relevant waren dieses Jahr auch die Verurteilungen von Rasern. Dies ist gerade mit Blick auf die Neueinführung des § 315d StGB ein hoch examensrelevantes Themengebiet, aber auch das mediale Interesse um die Verurteilungen wegen Mordes rückt entsprechende Urteile auch in den Fokus der Examensprüfer.
BGH, Beschl. v. 16.1.2019 – 4 StR 345/18: Bestätigung des Mordurteils gegen einen Raser
Anfang des Jahres hat der BGH ein Mordurteil gegen einen Raser bestätigt. Vorangegangen war die Entscheidung des LG Hamburg (Az.: 621 Ks 12/17) zu folgendem Sachverhalt: Bei einer Verfolgungsfahrt mit der Polizei in einem gestohlenen Taxi und fuhr der alkoholisierte A in der Innenstadt bewusst auf die Gegenfahrbahn. Diese war leicht kurvig und baulich von der übrigen Fahrbahn abgetrennt. A fuhr mit einer Geschwindigkeit von bis zu 155 km/h, bis er wegen Kollisionen mit dem Kantstein der Fahrbahn und einer Verkehrsinsel die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und nach Überqueren einer Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h frontal mit einem ihm mit nur ca. 20 km/h entgegenkommenden Taxi zusammenstieß. Einer der Insassen verstarb, zwei weitere wurden schwer verletzt.
Das LG ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass A mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe, was auch der BGH bestätigte:

„[A war] bewusst, ,dass es mit hoher, letztlich unkalkulierbarer und nur vom Zufall abhängender Wahrscheinlichkeit zu einem frontalen Zusammenstoß mit entgegenkommenden Fahrzeugen kommen würde.‘ Ihm war auch ,bewusst, dass ein Frontalunfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod eines oder mehrerer direkter Unfallbeteiligter sowie eventuell zur Schädigung weiterer Personen führen würde.‘ All dies, auch der eigene Tod, wurde vom Angekl. gebilligt, weil er ,kompromisslos das Ziel, der Polizei zu entkommen‘, verfolgte.“

Das Vorliegen eines Mordmerkmals mag mit Blick auf die Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels einschlägig sein, das ließ der BGH aber offen. Erfüllt sei vorliegend jedenfalls die Verdeckungsabsicht, da es A maßgeblich darauf ankam, zu entkommen.
Zu mehr Einzelheiten vgl. auch unsere Besprechung.
 
LG Berlin, Urt. v. 26.3.2019 – 532 Ks 9/18: Bedingter Tötungsvorsatz bei Autorennen
Im medialen Fokus stand bereits letztes Jahr das Urteil des LG Berlin, mit dem es zwei Raser, die bei einem illegalen Autorennen einen unbeteiligten Verkehrsteilnehmer getötet hatten, wegen Mordes verurteilte. Dieses erste Urteil hatte der BGH zwar aufgehoben, sodass das LG Berlin erneut entscheiden musste. Es blieb aber dabei, die Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen: Zunächst maßgeblich war der Vorsatz. Die Angeklagten hätten das Risiko des Todes anderer Verkehrsteilnehmer erkannt, hätten aber – aus Gleichgültigkeit – dennoch entsprechend gehandelt. Dieses Bewusstsein habe schon in dem Zeitpunkt vorgelegen, in dem die volle Kontrolle über das Fahrzeug noch vorhanden gewesen sei – zur Erinnerung: Der BGH war davon ausgegangen, dass der Tötungsvorsatz erst nach der Tat gegeben sei und demnach unbeachtlich war.
An Mordmerkmalen bejahte das LG das Auto als gemeingefährliches Mittel, die Heimtücke, da das Opfer die Ampel bei Grün überquert habe und damit arglos gewesen sei, sowie niedrige Beweggründe.
Zu weiteren Details sei auf unsere ausführliche Besprechung verwiesen.
 
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.1.2019 – 2 Ws 341/18: Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel
Das OLG Karlsruhe hatte dieses Jahr darüber zu entscheiden, ob die Ankündigung der Beendigung einer Beziehung als ein empfindliches Übel bei der Strafbarkeit wegen (sexueller) Nötigung verstanden werden kann. Nachdem der Täter T die 17 Jahre alte O über ein soziales Netzwerk kennengelernt und mit dem falschen Profil X eine Internet-Beziehung aufgenommen hatte, traf er sich selbst als T mit O und kündigte an, dass, sollte sie sich weigern, mit ihm in sexuellen Kontakt zu treten, die Internet-Beziehung mit X beendet werde.
Das OLG entschied, dass T hierdurch den Tatbestand der sexuellen Nötigung gem. § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB verwirklicht habe, da bei der Frage, ob eine Drohung mit einem empfindlichen Übel vorliege, ein individuell-objektiver Maßstab zugrunde zu legen sei:

„Danach ist das angedrohte Übel dann empfindlich, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von solcher Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinn des Täterverlangens zu motivieren, und von dem Bedrohten in seiner Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält. Mithin kommt es auf eine den Opferhorizont berücksichtigende Sichtweise und nicht auf einen besonnenen Durchschnittsmenschen an. Auch unter Berücksichtigung des Schutzgutes der Nötigungsdelikte – die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung – kommt deshalb der Individualität des Bedrohten und der Frage, weshalb gerade von ihm in seiner konkreten Situation ein Standhalten gegenüber der Drohung erwartet werden kann, entscheidende Bedeutung. Danach kann auch ein angedrohter Beziehungsabbruch ein empfindliches Übel darstellen, wenn dieser Beziehung für den Bedrohten ein hoher Stellenwert zukommt.“

Das OLG Karlsruhe ging mithin im Ergebnis von der Strafbarkeit des T wegen sexueller Nötigung aus, s. auch unsere Besprechung.
 
OLG Köln, Beschl. v. 4.4.2019 – 2 Ws 122/19: Strafbarkeit eines gedopten Profiboxers nach § 223 StGB
Das OLG Köln beschäftigte sich im April mit der Strafbarkeit eines gedopten Profiboxers wegen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB. Profiboxer T besiegte in einem Boxkampf seinen Kontrahenten; allerdings war die nachfolgende Dopingprobe im Hinblick auf das synthetische anabole Steroid Stanozolol positiv. Nach Bejahung des objektiven Tatbestandes der einfachen Körperverletzung – ein Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs wegen der eingesetzten Boxhandschuhe lehnte des OLG ausdrücklich ab – ist maßgeblich nach der rechtfertigenden Einwilligung zu fragen, die bei einem Sportwettkampf regelmäßig konkludent vorliegt. Hierbei ist ein Irrtum des Einwilligenden denkbar, denn der Gegner geht regelmäßig von einem anderen Leistungsniveau aus, als von dem, welches erst durch das Doping erzielt wird. So führt das OLG Köln aus:

„Die vom Teilnehmer eines Boxkampfes zumindest konkludent erteilte Einwilligung erstreckt sich ausschließlich auf solche Verletzungen, die bei regelkonformem Verhalten des Gegners üblich und zu erwarten sind. Doping als schwere Missachtung der anerkannten Sport- und Wettkampfregeln, die der Gegner nicht zu erwarten braucht, kann der wirksamen Einwilligung entgegenstehen.“

All dies steht unter dem Vorbehalt, dass das Doping dem Täter sicher nachgewiesen wird, was im konkreten Fall noch aussteht. Sollte dies jedenfalls der Fall sein, handelte er ohne Rechtfertigung und hat sich mithin wegen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Vgl. hierzu unsere ausführlichere Besprechung.
 
BGH, Urt. v. 6.4.2019 – 5 StR 593/18: Konkretisierung des Gewahrsamswechsels bei kleinen, leicht transportablen Sachen
Im Frühjahr dieses Jahres hat der BGH eine Konkretisierung des Gewahrsamswechsels beim Diebstahl vorgenommen, wobei es insbesondere um die examensrelevante Frage der Begründung neuen Gewahrsams durch Verbringen der Sache in eine Gewahrsamsenklave ging. Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Es ging um die Mitnahme von sechs Flaschen Alkohol, die der Täter T in einen Einkaufskorb und dann in seine Sporttasche legte, welche er verschloss, um die Flaschen ohne Bezahlung für sich zu behalten. Er wurde aber vor Verlassen des Ladens vom Ladendetektiv aufgehalten.
Zur Bestimmung, ob eine Wegnahme vorliegt, stellt der BGH auf die Gesamtumstände des konkreten Falls unter Berücksichtigung von Größe, Gewicht und Transportmöglichkeit der jeweiligen Sache ab:

„Danach macht es einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen […] lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen. Steckt der Täter einen Gegenstand in Zueignungsabsicht in seine Kleidung, so schließt er allein durch diesen tatsächlichen Vorgang die Sachherrschaft des Bestohlenen aus und begründet eigenen ausschließlichen Gewahrsam.“

Das gilt unabhängig davon, wenn sich die handelnde Person noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten – hier des Supermarktes befindet. Für Fälle wie den Vorliegenden gilt daher:

„Für ohne Weiteres transportable, handliche und leicht bewegliche Sachen kann jedenfalls dann nichts anders gelten, wenn der Täter sie in einem Geschäft – wie hier – in Zueignungsabsicht in eine von ihm mitgeführte Hand-, Einkaufs-, Akten- oder ähnliche Tasche steckt; hierdurch bringt er sie in ebensolcher Weise in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich wie beim Einstecken in seine Kleidung.“

Die Strafbarkeit wegen vollendeten Diebstahls ist im vorliegenden Fall somit gegeben. S. zu diesem Urteil unsere Besprechung.
 
BGH, Beschl. v. 7.5.2019 – 1 StR 150/19: Niedrige Beweggründe bei Tötung des Intimpartners
Zu folgendem Fall (gekürzt) erging im Mai dieses Jahres ein Beschluss des BGH: Zwischen T und seiner Ehefrau F kam es vor allem wegen des täglichen Alkoholkonsums des T zu Streit, wobei sich F von T trennte und ihn aufforderte, aus ihrer Wohnung auszuziehen. Auch am nächsten Morgen beharrte sie auf ihrem Entschluss. Als sie das Haus verließ, um zur Arbeit zu gehen, folgte T ihr mit einem Messer in der Jackentasche und dem Vorhaben, sie zu töten, sollte sie ihm keine weitere Chance geben. F verneinte das Ansinnen des T und wandte sich von ihm ab, sodass T ihr, die sich keines Angriffs versah, von hinten vier Mal in den Rücken stach. F drehte sich überrascht um und ging infolge weiterer gegen die Brust geführter Stiche zu Boden. T setzte sich sodann auf die auf dem Rücken liegende F und stach weiter wuchtig auf ihren Brustbereich ein, wobei ihre Versuche, die Stiche abzuwehren, erfolglos blieben. T ließ erst von ihr ab, als sie regungslos liegenblieb. F starb durch die Blutungen.
Die Überlegungen des LG München, es handle sich um einen Mord, bei welchem die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe vorliegen, stimmte der BGH nur teilweise zu: Während das Merkmal der Heimtücke gegeben sei, sei hinsichtlich der niedrigen Beweggründe, anders als vom LG vorgenommen, weder maßgeblich darauf abzustellen,

„ob der Täter tatsachenfundiert auf den Fortbestand der Verbindung zum Opfer vertrauen durfte, noch darauf, wie der Zustand der Beziehung war, ob sich das Tatopfer aus nachvollziehbaren Gründen zur Trennung entschlossen hat, ob der Täter seinerseits maßgeblich verantwortlich für eine etwaige Zerrüttung der Partnerschaft war und ob er – dies ist ohnehin stets der Fall – ,die Trennungsentscheidung‘ des Partners ,hinzunehmen‘ hatte. Derartige Erwägungen sind zwar für die entscheidende Frage, ob die – stets als verwerflich anzusehende – vorsätzliche und rechtswidrige Tötung eines Menschen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehrt, nicht ohne jede Bedeutung; allein der Umstand, dass sich die Trennung des Partners wegen des Vorverhaltens des Täters und des Zustands der Beziehung als „völlig normaler Prozess“ darstellt und (daher) von diesem hinzunehmen ist, ist aber nicht geeignet, die Tötung des Partners, die wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung verwerflich ist, als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen.“

Zu beachten ist bei der Prüfung auch, dass nach Auffassung des BGH der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden darf.
 
BGH, Urt. v. 3.7.2019 – 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18: Grundsatzurteile zur Sterbehilfe
Medial auch im Fokus standen zwei Urteile zur Sterbehilfe, die der BGH diesen Sommer erlassen hat. Es ging um die Strafbarkeit zweier Ärzte: Der im Hamburger Verfahren angeklagte Facharzt erstellte für zwei Frauen, die sich an einen Sterbehilfeverein gewandt hatten, neurologisch-psychiatrische Gutachten zu ihrer Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Hierbei hatte er an der Festigkeit und Wohlerwogenheit ihrer Suizidwünsche keine Zweifel. Auf ihr Verlangen wohnte er auch der Einnahme der tödlich wirkenden Medikamente bei und unterließ Rettungsmaßnahmen. Eine Strafbarkeit nach §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB und nach § 323c StGB wurde bereits in der Vorinstanz aufgrund der Tatherrschaft der Frauen über die Todesherbeiführung verneint. Der andere Arzt, um dessen Strafbarkeit es im Berliner Verfahren ging, war Hausarzt der Suizidwilligen, die an einer nicht lebensbedrohlichen, aber stark krampfartige Schmerzen verursachenden Krankheit litt und bereits mehrere Suizidversuche unternommen hatte. Er besorgte ihr ein tödlich wirkendes Medikament und betreute sie, als sie nach der Einnahme des Medikaments bewusstlos wurde. Auch er nahm keine Rettungsmaßnahmen vor. Auch hier wurde die Strafbarkeit abgelehnt, denn die Beschaffung des Medikaments eine straflose Beihilfe zur eigenverantwortlichen Selbsttötung.
Zwar lagen die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit durch Unterlassen im Grundsatz wohl vor, wenn auch die Frage nach der Garantenstellung weitestgehend offen gelassen wurde. Allerdings verneinte der BGH die Pflicht zur Abwendung des Todeserfolgs:

„Beide Angeklagte waren nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Suizidentinnen auch nicht zur Rettung ihrer Leben verpflichtet. Der Angeklagte des Hamburger Verfahrens hatte schon nicht die ärztliche Behandlung der beiden sterbewilligen Frauen übernommen, was ihn zu lebensrettenden Maßnahmen hätte verpflichten können. Auch die Erstellung des seitens des Sterbehilfevereins für die Erbringung der Suizidhilfe geforderten Gutachtens sowie die vereinbarte Sterbebegleitung begründeten keine Schutzpflicht für deren Leben. Der Angeklagte im Berliner Verfahren war jedenfalls durch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der später Verstorbenen von der aufgrund seiner Stellung als behandelnder Hausarzt grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Rettung des Lebens seiner Patientin entbunden.“ (Pressemitteilung Nr. 90/2019)

Konsequenterweise war daher auch nicht von einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB auszugehen. Im Ergebnis verneinte der BGH daher insgesamt die Strafbarkeit der Ärzte. Da sich im Rahmen der Sterbehilfe jedenfalls komplizierte Fälle stellen lassen, sind diese Entscheidungen besonders (examens-)relevant.
Vgl. hierzu auch unsere umfassende Besprechung.
 
Strafprozessrecht
 
BVerfG, Beschl. v. 5.7.2019 – 2 BvR 167/18: Neues zur Wahlfeststellung
Das BVerfG hat sich im Sommer mit der echten Wahlfeststellung beschäftigt. Zur Erinnerung: Die echte Wahlfeststellung kommt infrage, wenn sicher ist, dass der Täter einen von mehreren möglichen Straftatbeständen erfüllt hat, aber nicht klar ist, welches Delikt er tatsächlich vorliegt. Daher erfolgt nach Auffassung der Rechtsprechung bei rechtsethischer und physiologischer Vergleichbarkeit oder nach der h. L. bei Identität des Unrechtskerns eine wahlweise Bestrafung. Teilweise bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Wahlfeststellung, insbesondere da es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, die aber wegen ihrer strafbarkeitsbegründenden Wirkung erforderlich sei, vgl. Art. 103 Abs. 2 GG. Das BVerfG hat nun jedoch die Verfassungsmäßigkeit bejaht. Zunächst stellte es heraus, dass es sich um eine Entscheidungsregel des Strafverfahrens handle, die nicht den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG berühre. Darüber hinaus sei auch kein Verstoß gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ festzustellen:

„In der Wahlfeststellungssituation hat das Tatgericht aufgrund des jeweils anwendbaren Straftatbestands zu prüfen, auf welche Strafe zu erkennen wäre, wenn eindeutig die eine oder die andere strafbare Handlung nachgewiesen wäre. Von den so ermittelten Strafen ist dann zugunsten des Angeklagten die mildeste zu verhängen. Dass sich hiernach die zu verhängende Strafe durch einen Vergleich (der für jede Sachverhaltsvariante konkret ermittelten Strafen) bestimmt, ändert nichts daran, dass das Tatgericht Art und Maß der Bestrafung einem gesetzlich normierten Straftatbestand entnimmt, genauer dem Gesetz, das für den konkreten Fall die mildeste Bestrafung zulässt.“

Auch der Unschuldsvermutung sei Genüge getan: Zwar könne dem Angeklagten eine konkrete, schuldhaft begangene Straftat nicht nachgewiesen werden, dennoch stünde zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Angeklagte sicher einen von mehreren alternativ in Betracht kommenden Straftatbeständen schuldhaft verwirklicht habe. Demnach ist die echte Wahlfeststellung als verfassungsgemäß zu betrachten.
Diesen Beschluss haben wir ebenfalls ausführlich besprochen.
 
 

11.11.2019/2 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-11-11 09:51:002019-11-11 09:51:00Rechtsprechungsüberblick Strafrecht und Strafprozessrecht 2019
Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zur Erforderlichkeit der Notwehrhandlung

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Mit Beschluss vom 17.04.2019 (Az.: 2 StR 363/18) hat der BGH die Anforderungen an die Erforderlichkeit der Notwehrhandlung i.S.d. § 32 Abs. 2 StGB präzisiert. Konkret widmete er sich der Frage, ob der sofortige Einsatz eines Messers gegenüber dem Angreifer durch Notwehr gerechtfertigt sein kann oder ob die vorherige Androhung des Gebrauchs als milderes Mittel vorrangig zu wählen ist. Anders als die Vorinstanz ging der BGH davon aus, dass im konkreten Fall gemessen an den Besonderheiten der Kampflage der sofortige Messereinsatz ohne vorherige Androhung gegenüber dem unbewaffneten Angreifer erforderlich sein kann. Die Entscheidung soll zum Anlass genommen werden, um sich mit den Voraussetzungen der Notwehr mit besonderer Fokussierung auf das Merkmal der Erforderlichkeit eingehender auseinanderzusetzen. Eine sichere Kenntnis der Notwehrvoraussetzungen ist insbesondere für ein gutes Abschneiden in Strafrecht AT-Klausuren oder der Übung im Strafrecht unentbehrlich. Ein Blick in die Entscheidung lohnt aber nicht nur für die unteren Semester: Auch in Examensklausuren oder mündlichen Prüfungen eignet sich ein Abstecher in die Rechtfertigungsgründe hervorragend, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. 
 
I. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt):
Was war passiert? W war Wirt in einer Gaststätte und hatte dem C dort Hausverbot erteilt, nachdem dieser die Frau F des W respektlos behandelt hatte. Zudem war der Verdacht aufgekommen, C würde in der Gaststätte mit Drogen handeln. Gleichwohl suchte C die Gaststätte erneut auf. Dies bemerkte die verärgerte F und forderte den W auf, das Lokalverbot durchzusetzen. Zudem fiel auf, dass der C mehrfach in kurzen Abständen die Toilette aufsuchte, sodass F und W vermuteten, dass C dort abermals Drogengeschäfte abwickelte. Daraufhin begab sich W zur Toilette und forderte C auf, die Gaststätte umgehend zu verlassen. Nachdem dieser der Aufforderung nicht nachkam und ausfällig wurde, kündigte W an, die Polizei zu verständigen und ergriff das hinter der Theke im Gastraum befindliche Telefon. C folgte ihm und schlug ihm das Telefon aus der Hand. Im folgenden Verlauf kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung und anschließendem Gerangel, zu dessen Beginn C den W mit der Faust – wenngleich nicht mit voller Wucht – schlug. Die F holte einen Billardstock hervor und hielt ihn drohend in die Höhe, ohne aber einzugreifen. Weitere in der Gaststätte befindliche Personen versuchten, den C zu beruhigen, wohingegen W zunehmend über das Verhalten des C in Wut geriet und sich zudem um das körperliche Wohl der F sorgte. Im Zuge der nun „längstens seit wenigen Minuten andauernden Auseinandersetzung“ ergriff W schließlich für den C unbemerkt ein 26 cm langes Bowiemesser mit einer ca. 16 cm langen und ca. 2,7 cm breiten Klinge. Während C den W weiterhin durch Schubsen und einfaches Schlagen bedrängte, war dem W bewusst, dass der C unbewaffnet war und die von ihm vereinzelt verabreichten Schläge mit allenfalls mittlerer Intensität geführt wurden. Es bestand zu diesem Zeitpunkt weder für den W noch für F Lebensgefahr. Der W wusste überdies, dass C das Messer nicht bemerkt hatte, und dass sich dieser aller Voraussicht nach zurückgezogen hätte, wenn ihm seine zwischenzeitliche Bewaffnung zur Kenntnis gelangt wäre. Auch ging er nicht davon aus, dass seine Möglichkeiten zur Beendigung der körperlichen Attacken beeinträchtigt würden, wenn er dem C zuvor das Messer zeigte. W war aber zwischenzeitlich so in Wut geraten, dass er gleichwohl zum unmittelbaren Messereinsatz entschlossen war. Ohne weitere Ankündigung führte er mehrere schnelle, tangentiale Stichbewegungen in Richtung des Oberkörpers des C aus, um weitere Einwirkungen von ihm abzuwenden. C erlitt Stichverletzungen, die allerdings nicht lebensbedrohlich waren und ließ endgültig von W ab.
 
Strafbarkeit des W?
 
II. Rechtserwägungen
Den Kernpunkt der Entscheidung bildet die Frage, ob die tatbestandlich offensichtlich vorliegende gefährliche Körperverletzung im Wege der Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt ist. Gemäß § 32 Abs. 2 StGB handelt es sich bei Notwehr um die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
 
1. Notwehrlage: Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff
Vorliegen muss hierfür zunächst eine Notwehrlage, die als gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut zu definieren ist. Ein Angriff ist „die von einem Menschen drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen“ (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 17). Das Bedrängen des W durch Schubsen und die leichten Schläge drohten ihn in seiner körperlichen Unversehrtheit zu verletzen, sodass ein Angriff seitens des C evident zu bejahen ist. Der Angriff müsste aber auch gegenwärtig gewesen sein. Dies ist der Fall, wenn eine Rechtsgutsverletzung unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert. Unmittelbar bevorstehend ist nach ständiger Rechtsprechung ein Verhalten, „das zwar noch kein Recht verletzt, aber unmittelbar in eine Verletzung umschlagen kann und deshalb ein Hinausschieben der Abwehrhandlung unter den gegebenen Umständen entweder deren Erfolg gefährden oder den Verteidiger zusätzlicher nicht mehr hinnehmbarer Risiken aussetzen würde“ (vgl. beispielhaft BGH, Beschl. v. 1.2.2017 – 4 StR 635/16, BeckRS 2017, 102724, Rn. 7; BGH, Urt. v. 24.11.2016 – 4 StR 235/16, NStZ-RR 2017, 38, 39 m.w.N.). Hat bereits eine Verletzungshandlung durch den Angreifer stattgefunden, so dauert der Angriff so lange fort, wie eine Wiederholung und damit ein erneutes Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Verletzung durch eine erneute Handlung vertieft werden könnte (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 21). Maßgeblich ist dabei die objektive Sachlage, subjektive Befürchtungen des Angegriffenen sind ohne Belang (BGH, Urt. v. 24.11.2016 – 4 StR 235/16, NStZ-RR 2017, 38). Im vorliegenden Fall war dem Geschehen bereits eine verbale und körperliche Auseinandersetzung vorangegangen. Zudem bedrängte der C den W zum maßgeblichen Zeitpunkt immer noch durch Schubsen und leichte Schläge, sodass festzustellen ist, dass der Angriff noch fortdauerte. Mithin handelte es sich auch um einen gegenwärtigen Angriff. Der Angriff stand auch – da der C seinerseits nicht gerechtfertigt handelte – im Widerspruch zur Rechtsordnung, er war mithin rechtswidrig. Eine Notwehrlage lag damit vor.
 
Anmerkung: Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Notwehrlage erfolgt hier aus didaktischen Gründen und sollte selbstverständlich in einem Fall, in dem eine Notwehrlage offensichtlich gegeben ist, aus Gründen der Schwerpunktsetzung kürzer ausfallen.
 
2. Notwehrhandlung
Ferner müsste es sich bei dem sofortigen Messereinsatz um eine erforderliche und gebotene Notwehrhandlung gehandelt haben.
 
a) Erforderlichkeit
Eine in einer Notwehrlage verübte Tat ist erforderlich, wenn sie nach objektiver ex-ante-Sicht zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs führt und sie das mildeste Abwehrmittel darstellt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung steht (s. hierzu auch BGH, Beschl. v. 22.6.2016 – 5 StR 138/16, NStZ 2016, 593, 594). Die Notwehrhandlung müsste damit zunächst überhaupt zur sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs geeignet gewesen sein. Hierbei ist ausreichend, dass der Angriff durch die Handlung abgeschwächt wird. Im konkreten Fall beseitigte der Messereinsatz den Angriff sogar; der C ließ von W ab.
Fraglich ist indes, ob es sich hierbei auch um das mildeste Mittel handelte, das dem W in der konkreten Situation zur Abwehr des Angriffs zur Verfügung stand. Es handelt sich bei einer spezifischen Verteidigungshandlung dann um das relativ mildeste Mittel, wenn unter mehreren bereitstehenden Mitteln dasjenige eingesetzt wird, das sich für den Angreifer am wenigsten gefährlich darstellt. So ist beispielsweise ein Schuss auf die Beine grundsätzlich einem Schuss in die Brust vorzuziehen, gleiches gilt für einen Schlag mit einer Pistole anstelle eines Schusses (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 30). Auch ein Messereinsatz ist in der Regel – vor allem gegenüber einem unbewaffneten Angreifer – vorher anzudrohen. Dabei gilt indes – insbesondere angesichts des Schutzzwecks der Notwehr, auch die Rechtsordnung zu verteidigen: Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Konkret heißt das, dass der Täter zwar das mildeste Mittel wählen muss, allerdings werden in die Auswahl nur diejenigen Mittel einbezogen, die auch geeignet sind, den Angriff sofort und endgültig abzuwehren. Sofern weniger gefährliche Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen, muss der Angegriffene nur dann darauf zurückgreifen, „wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Die mildere Einsatzform muss im konkreten Fall eine so hohe Erfolgsaussicht haben, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann“ (BGH, Beschl. v. v. 22.6.2016 – 5 StR 138/16, NStZ-RR 2016, 271). Dies hat der BGH in seinem Beschluss noch einmal bezogen auf den sofortigen Messereinsatz ausdrücklich festgestellt:

„Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz eines Messers kann danach durch Notwehr gerechtfertigt sein, ohne dass zunächst aufgrund der konkreten Gefährdungslage der Einsatz eines Messers angedroht werden muss, was bei einem unbewaffneten Angreifer in der Regel jedoch der Fall ist, wenn es hinreichenden Erfolg verspricht.“ (Rn. 10)

Ob also der Einsatz zuvor angedroht werden muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Nach diesen Maßstäben hatte die Vorinstanz die Erforderlichkeit unter anderem mit dem Argument verneint, eine Androhung wäre ebenso gut geeignet gewesen, die Einwirkungen sofort zu beenden, denn C sei unbewaffnet und die Intensität des Angriffs nicht hochgradig gewesen. Überdies habe der C nicht bemerkt, dass W das Messer ergriffen habe, sodass er auf die veränderte Kampflage nicht habe reagieren können. Dem ist der BGH entschieden entgegengetreten:

„Es bleibt an dieser Stelle von der Strafkammer unberücksichtigt, dass sich der Angeklagte einem seit einigen Minuten dauernden Angriff durch den Nebenkläger ausgesetzt sah, der immer wieder von Schlägen begleitet wurde. Dass dieser Angriff nur von einem Gegner geführt wurde, nicht auf das Leben des Angeklagten, sondern „nur“ auf seinen Leib und seine körperliche Unversehrtheit zielte und die Intensität des Angriffs nicht „hochgradig“ war, ändert nichts am Vorliegen einer objektiven Notwehrlage, die den Angeklagten grundsätzlich berechtigte, zur Beendigung dieses Angriffs ein sofort wirksames Mittel einzusetzen.“ (Rn. 13)

Überdies sei die Androhung des Messereinsatzes auch nicht ebenso gut geeignet gewesen, den Angriff sofort und endgültig zu beenden:

„Dass diese Auseinandersetzung sich vor den Augen zahlreicher anderer Gäste zutrug und zudem zwei davon dabei waren, den Nebenkläger zu beschwichtigen und aus dem Thekenbereich zu ziehen, ist – entgegen der Ansicht des Landgerichts – kein Umstand, der in der konkreten Situation dafür sprach, die Androhung des Messereinsatzes wäre genau so erfolgversprechend gewesen. Dies schon deshalb, weil der einige Zeit andauernde Angriff trotz des Eingreifens von zwei Personen, die den Nebenkläger erkennbar erfolglos zu beschwichtigen versuchten, nicht beendet werden konnte. (…) In dieser Situation erweist sich mit Blick auf die Angriffslage und die geringe Kalkulierbarkeit eines Fehlschlagrisikos die Entscheidung des Angeklagten für den Messereinsatz und gegen eine vorherige Androhung als rechtlich unbedenklich. Soweit die Strafkammer insoweit anführt, dem Angeklagten hätten keine Anhaltspunkte für eine Eskalation der Situation vorgelegen, stellt dies kein tragfähiges Argument gegen einen ohne vorherige Androhung erfolgten, unmittelbaren Messereinsatz dar. Denn es geht bei der Entscheidung für ein erforderliches Abwehrmittel im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB nicht darum, ob durch die Androhung des Messereinsatzes eine weitere Eskalation der Situation heraufbeschworen wird; maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob es in der zugespitzten Angriffssituation gewährleistet ist, dass der Angriff endgültig beendet wird.“ (Rn. 14 f.)

Auf dieser Grundlage kann sich also auch der sofortige Messereinsatz gegenüber dem unbewaffneten Angreifer als erforderlich darstellen, wenn in der konkreten Kampfsituation die vorherige Androhung nicht gewährleisten kann, dass der Angriff sofort und endgültig beendet wird. Daher ist im konkreten Fall davon auszugehen, dass die Notwehrhandlung des W erforderlich war.
 
b) Gebotenheit
Des Weiteren müsste die Notwehrhandlung auch geboten gewesen sein. In der Regel wird dies angenommen, wenn sie erforderlich ist. Lediglich in Ausnahmefällen kann die Gebotenheit zu verneinen sein, und zwar dann, wenn unter sozialethischen Gesichtspunkten dem Angegriffenen dennoch ein Notwehrrecht verwehrt werden muss. Von den diesbezüglich anerkannten Fallgruppen (s. hierzu ausführlich Schönke/Schröder/Perron/Einsele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 32 Rn. 43 ff.) ist hier aber keine einschlägig. Mithin war der Messereinsatz auch die gebotene Verteidigung.
 
3. Verteidigungswillen
Schließlich wird – als subjektives Rechtfertigungselement – von der h.M. vorausgesetzt, dass der W mit Verteidigungswillen gehandelt hat. Er muss mithin in Kenntnis der Notwehrlage handeln sowie Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens besitzen, den Angriff abzuwehren oder zumindest abzuschwächen. Dabei ist es unschädlich, wenn andere Motive wie beispielsweise Wut oder Hass vorliegen, solange der Wille zur Verteidigung nicht als ganz nebensächlich zurücktritt (BeckOK StGB/Momsen/Savic, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 32 Rn. 46). Den Angaben im Sachverhalt zufolge war wohl die Wut des W bewusstseinsdominant; gleichwohl ist angesichts der Kampfumstände anzunehmen, dass er den Angriff auch zielgerichtet abwehren wollte – so hat es jedenfalls die Vorinstanz angenommen, was auch durch den BGH nicht beanstandet wurde.
 
Anmerkung: Mangels detaillierter Angaben zum Verteidigungswillen könnte hier in einer Klausur mit guter Begründung sicherlich auch anderes vertreten werden, zumal im Sachverhalt eindeutig die Wut des W in den Vordergrund gestellt wird.
 
4. Ergebnis
Damit war das Handeln des W durch Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt. Eine Strafbarkeit nach §§ 223, 224 StGB scheidet aus.
 
III. Fazit
Bezüglich der Erforderlichkeit der Notwehrhandlung sollte man sich also merken: Der Angegriffene muss zwar das relativ mildeste Mittel wählen, aber in die Auswahl der Verteidigungsmittel werden nur diejenigen einbezogen, die auch geeignet sind, den Angriff sofort und endgültig abzuwehren. Welches Verteidigungsmittel hiervon ausgehend in einer konkreten Situation zu wählen ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Pauschale Aussagen dahingehend, dass der sofortige Messer- oder Waffeneinsatz stets nicht erforderlich ist, soweit eine Androhung noch möglich ist, verbieten sich. Wie der BGH festgestellt hat, kann vielmehr auch ein sofortiger Messereinsatz gegen einen unbewaffneten Angreifer im Wege der Notwehr gerechtfertigt sein, sofern nur ein solcher in der konkreten Situation geeignet ist, den Angriff sofort und endgültig zu beenden.

26.08.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-08-26 09:00:022019-08-26 09:00:02BGH: Neues zur Erforderlichkeit der Notwehrhandlung

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