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Gastautor

Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Tagesgeschehen, Uncategorized

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Theo Peter Rust veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften im siebten Semester an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Mit dem vorliegenden Aufsatz gewann er eine von ELSA München und ELSA Heidelberg ausgerichtete Essay Competition.

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die Regelungen des am 01.01.2023 inkrafttretenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und der derzeit in der Verhandlung befindlichen EU Richtlinie zu einem europaweiten Lieferkettengesetz und setzt sich kritisch mit deren Effektivität bei der Bekämpfung von Moderner Sklaverei auseinander. Der Verfasser begrüßt zwar ausdrücklich die Intention der Vorhaben, jedoch bewertet er insbesondere die Einschränkungen kritisch, die den beiden Vorhaben innewohnen, die eine Prüfung der eigenen Lieferketten nur in Bezug auf unmittelbare Zulieferer bzw. etablierte Geschäftsbeziehungen beschränken. Durch diese Einschränkungen drohen die Regelungen ausgehöhlt zu werden und die Maßnahmen könnten nicht an den Anfang der Lieferketten reichen. Es obliegt nun dem europäischen Gesetzgeber diese Maßnahmen ausreichend zu schärfen.

I. Einführung

Im vergangenen Jahr wurde von der alten Bundesregierung, entsprechend des vereinbarten Koalitionsvertrags, das Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) verabschiedet, welches am 22.07.2021 verkündet wurde und am 01.01.2023 in Kraft treten soll. Dieses Gesetz zielt darauf ab, „auf eine Verbesserung der weltweiten Menschenrechtslage entlang von Lieferketten hinzuwirken und die Globalisierung mit Blick auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sozial zu gestalten“[1]. Um eine einheitliche Regelung dieser Überprüfung der Lieferketten auf europäischer Eben zu gewährleisten, hat die EU-Kommission einen eigenen Entwurf eines Lieferkettengesetzes erarbeitet, der am 23.02.2022 veröffentlich wurde.

Im Folgenden soll zum einen darauf eingegangen werden, welche Maßnahmen das deutsche und das europäische Lieferkettengesetz zur Abschaffung moderner Sklaverei vorsehen, wie effektiv diese Regelungen bei der Bekämpfung der modernen Sklaverei sind und anschließend welche konkreten Regelungen notwendig wären für eine effektive Bekämpfung der modernen Sklaverei in den internationalen Lieferketten.

II. Das Deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Das zentrale Vorhaben des deutschen LkSG soll es sein deutsche Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 1 LkSG zur Analyse und zum Management auftretender, menschenrechtlicher Risiken in ihren Lieferketten zu verpflichten. Ein menschenrechtliches Risiko soll nach § 2 Abs. 2 vorliegen bei einem Zustand, bei dem auf Grund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen die in Abs. 2 genannten Rechtspositionen droht. Für die Bekämpfung der modernen Sklaverei relevant nennt §2 Abs. 2 verschiedene Formen der Sklaverei wie bspw. in Nr. 1 die Beschäftigung eines Kindes unter dem zulässigen Mindestalter, die Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit in Nr. 3 oder Leibeigenschaft sowie andere Formen von Herrschaftsausübung oder Unterdrückung in Nr. 4. Die Überwachung dieser menschenrechtlichen Risiken soll die Unternehmen für die gesamte Lieferkette betreffen, wobei der Begriff der Lieferkette weiter zu verstehen ist als ihre wirtschaftswissenschaftliche Definition und sich nach § 2 Abs. 5 auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens bezieht und dabei alle Schritte im In-und Ausland umfasst, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich ist, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu Lieferung an den Endkunden.                                                                                                                              Eine so weitreichende Definition des menschenrechtlichen Risikos und des Begriffs der Lieferkette ist zunächst vielversprechend für eine umfassende Verpflichtung der Unternehmen zur Überprüfung ihrer ganzen Lieferketten und eine Bekämpfung von moderner Sklaverei innerhalb dieser. Diese weitreichende Definition der Lieferkette wirft aber das Problem der Praktikabilität auf, da zwar davon ausgegangen werden kann und von den Unternehmen erwartbar ist, dass eine hinreichende Überprüfung der Gegenstände und Dienstleistungen vorgenommen werden kann, die zentral und elementar für den Geschäftsbereich des Unternehmens sind, aber nicht für alle möglichen handelsüblichen Maschinen und Anlagen.[2]Ein großer deutscher Konzern hat nach dieser Definition bis zu 100.000 unmittelbare Zulieferer, bei denen eine umfassende Überprüfung praktisch nicht möglich ist.[3] Daher wäre eine Fokussierung und Konkretisierung auf die elementaren und die besonders risikoreichen Bereiche eines Unternehmens sinnvoller sowie eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Gesetzes, wodurch eine größere Anzahl an Gegenständen und Dienstleistungen überprüft werden und nicht eine so geringe Zahl an Unternehmen alle Bereiche abdecken müssen. 

Auf der anderen Seite unternahm der Gesetzgeber aber eine sehr starke Einschränkung des Anwendungsbereichs, durch zum einen eine Beschränkung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 auf Unternehmen mit 3.000 bzw. ab 2024 mit 1.000 Arbeitnehmern, was lediglich 600 bzw. 2.900 Unternehmen einbeziehen würde, [4] die wiederum ihren Sitz in Deutschland haben müssen. Eine solche Beschränkung auf diese Zahlen wirkt willkürlich und widerspricht den etablierten Größendefinition aus § 267 HGB und führt durch eine Beschränkung auf inländische Unternehmen zu einer leichten Umgehung des Gesetzes, einer eingeschränkten Effektivität sowie der Gefahr eines Abzugs inländischer Unternehmen ins Ausland.[5]                                       Zum anderen werden Präventionsmaßnahmen i.S.d § 6 nach § 6 Abs. 3 nur im eigenen Geschäftsbereich und nach Abs. 4 nur bei unmittelbaren Zulieferer verlangt, wodurch eben nicht, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, die ganze Lieferkette in allen ihren Schritten zu überwachen ist, sondern beispielsweise mittelbare Zulieferer lediglich kontrolliert werden müssen, wenn das Unternehmen nach § 9 Abs. 2 substantiierte Kenntnis über eine mögliche Verletzung einer geschützten Rechtsposition erlangt. Durch dieses Erfordernis bereits eingetretener Menschenrechtsverstöße widerspricht sich das Gesetz in seiner eigentlichen Intention und ist mit dem Präventionsgedanken aus den Nr. 17ff. der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte unvereinbar, auf die sich das Gesetz explizit bezieht.[6]

Der Kritik an diesen Einschränkungen könnte man aber entgegenhalten, dass die großen betroffenen Unternehmen die kleinen Unternehmen in ihrer ganzen Lieferkette vertraglich dazu bringen, diese Compliance Vorschriften einzuhalten, um so eine Haftung zu umgehen, mit der Folge, dass eine Gewährleistung für die ganze Lieferkette gegeben wäre, wodurch aber eine unverhältnismäßige Belastung kleinerer Unternehmen drohen würde.[7] Dagegen spricht aber, dass, durch die enge Definition des Erlangens von substantiierter Kenntnis, die Unternehmen kein Interesse daran haben werden, Nachforschungen in ihrer Lieferkette zu betreiben. Der Gesetzesentwurf incentiviert die Unternehmen vielmehr, dass sie sich vor solchen Informationen verschließen, um so keine Kenntnis zu erlangen und damit in keine Haftung zu geraten.[8] Damit sind die geäußerten Bedenken wenig hinreichend und das Gesetz würde bei einem aktiven Verschließen vor Menschenrechtsverstößen bei Zulieferern leer laufen.

Außerdem ist bisher noch umstritten, inwieweit die Definition des „eigenen Geschäftsbereichs“ aus § 2 Abs. 6 auf Tochterunternehmen anwendbar ist. Dies könnte man bei einer engen Auslegung der Definition verneinen, womit ein erhebliches Umgehungsrisiko drohen würde bei der Abwicklung von Lieferungen über Tochterunternehmen, die in dem Fall nur als (unmittelbare) Zulieferer einzuordnen wären.[9]

Zuletzt ist noch anzumerken, dass sich aus den öffentlichen Äußerungen der letzten Bundesregierung ergibt, dass bei Menschenrechtsverstößen keine zivilrechtliche Haftung für schädigende Unternehmen vorgesehen ist, um diese vor Schadensersatzklagen zu schützen, die für eine effektive Bekämpfung von moderner Sklaverei notwendig wäre und echte Anreize zu eine menschenrechtsschützenden Überprüfung schaffen würde.[10] So würden Unternehmen bei Menschenrechtsverstößen sogar privilegiert werden können, indem ihnen im Falle einer deliktsrechtlichen Klage eine Verteidigungsmöglichkeit verschafft wird, durch Verweis auf die einfache Überprüfung der unmittelbaren Zulieferer, die kleineren Unternehmen nicht zukommt.[11]
Damit ist festzustellen, dass das Vorhaben des Lieferkettengesetzes zwar begrüßenswert war und zu einer wirklichen Verbesserung für viele Menschen in Zwangsarbeit hätte führen können, jedoch wurde der Anwendungsbereich so weit ausgehöhlt, durch die Beschränkung auf so wenige Unternehmen, die nur den eigenen Geschäftsbereich überwachen müssen sowie die Beschränkung auf unmittelbare Zulieferer, die meist selber keine Due Dilligence Pflichten treffen und dazu noch durch das Ermöglichen eines bewussten Verschließen vor Risiken, dass schlussendlich am Anfang einer Lieferkette, wo die Risiken mit am Höchsten sind, wohl kaum eine Wirkung des Gesetzes zu spüren sein wird. Es wurde zwar berechtigterweise auf die Praktikabilität der Umsetzung bei kleineren Unternehmen und die Verhältnismäßigkeit verwiesen, jedoch ist eine Interessen- und Güterabwägung, bei der sich erhöhte Betriebskosten und Praktikabilität für Unternehmen auf der einen Seite und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf der anderen Seite entgegenstehen, sehr einseitig gewogen. Damit ist die Haltung des damaligen Gesetzgebers, wie sie auch Teile der neuen Bundesregierung vertreten,[12] zu Gunsten der Unternehmen bei dieser Abwägung schwer nachzuvollziehen und letztendlich auch, in Bezug auf den Schutz von Menschenrechten, abzulehnen. 

Das deutsche LkSG kann zwar als Übergangsregelung für ein EU-Lieferkettengesetz gesehen werden, welches die Unternehmen auf starke Regulierungen vorbereiten soll,[13] aber auch dafür geht das Gesetz zu kurz, es bleibt weit hinter den Vorhaben der EU-Kommission zurück und führt so zu keiner richtigen Vorbereitung, sondern kostet eher Zeit bei den Bemühungen gegen moderne Sklaverei. 

III. Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission

Am 23.02.2022 hat die EU-Kommission nun ihren Vorschlag für eine europäische Richtlinie veröffentlicht zur Implementierung von europaweit einheitlichen Sorgfaltspflichten in den Lieferketten der Unternehmen. Dieser Vorschlag der Kommission geht nun zunächst im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsverfahrens an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat über und wird voraussichtlich 2025 in Kraft treten und anschließend durch eine Überarbeitung des LkSG in deutsches Recht übergehen. 

Der Entwurf der Kommission schlägt als Anwendungsbereich eine Orientierung an der Mitarbeiterzahl und an dem Umsatz der Unternehmen vor. Demnach sind Unternehmen betroffen, wenn sie gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. (a) mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen und einen Umsatz von mehr als EUR 150 Mio. machen oder wenn sie nach lit. (b) mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und einen Umsatz von EUR 40 Mio. machen und 50% von diesem Umsatz in einem risikoreichen Sektor, namentlich Textil, Landwirtschaft und Bergbau, erwirtschaftet wird. Außereuropäische Unternehmen sind dabei nach Abs. 2 genauso betroffen, wenn sie die genannten Umsatzschwellen in der Union erwirtschaften. Des Weiteren geht auch der Begriff der „Value Chain“ im Richtlinienentwurf weiter als jener im LkSG, wobei neben der gesamten Wertschöpfungskette auch die Entsorgung der Produkte gemäß Art. 3 Lit. (g) unter diese Definition fällt. Außerdem regelt der Entwurf explizit die Haftung für das Handeln von Tochtergesellschaften[14]sowie die konkrete zivilrechtliche Haftung der Unternehmen bei mangelhafter Umsetzung der Due Dilligence Prozesse[15]. 

Diese weiten Regelungen finden aber auch bei diesem Entwurf lediglich Anwendung auf um die 1% aller europäischen Unternehmen[16] und auch wenn die Schwellen für Unternehmen, die in besonders risikoreichen Sektoren aktiv sind, gesenkt wurden, was insbesondere mit Blick auf das deutsche Gesetz begrüßenswert ist, fehlen bei dieser Aufzählung der Risikobereiche die besonders gefährdeten Sektoren Transport, Bauwesen, Energie und Finanzen.[17] Die Europäische Kommission behält sich aber vor, die geregelten Risikobereiche um weitere zu ergänzen.[18]                                                                                                                                    Eine sehr drastische Einschränkung erfährt dieser Entwurf aber durch das Erfordernis einer etablierten Geschäftsbeziehung, bei der erst eine Pflicht zur Due Dilligence in der Wertschöpfungskette entsteht, wenn zu den unmittelbaren oder mittelbaren Zulieferern eine Dauerhaftigkeit in der Geschäftsbeziehung besteht.[19] Dies schränkt zum einen den Anwendungsbereich erheblich ein und sorgt dazu auch noch für eine schlechtere Praktikabilität, indem jedes Unternehmen anhand dieser wagen Definition ihre Geschäftsbeziehungen kategorisieren muss und es birgt das Risiko, dass sich Unternehmen durch dauerndes Wechseln der Geschäftsbeziehungen von dieser Verpflichtung befreien könnten. Außerdem soll den Unternehmen bei der zivilrechtlichen Haftung für indirekte Geschäftsbeziehungen ein Exkulpationstatbestand zugutekommen, wenn sie die verminderten Due Dilligence Anforderungen einhalten, wobei diese Exkulpation eine begrüßenswerte Einschränkung findet, wenn es ungerechtfertigt war zu glauben, dass die Maßnahmen zu einer Verbesserung führen würde.[20]Weiterhin ergibt sich das Problem, dass Unternehmen nicht dazu angehalten sind Formen der modernen Sklaverei innerhalb ihrer Wertschöpfungskette zu eliminieren und Geschäftsbeziehungen mit Zulieferern, die durch moderne Sklaverei profitieren, zu beenden sondern lediglich sich verhältnismäßig dafür einzusetzen diese zu minimieren.[21]Dies widerspricht einem Zero-Tolerance-Approach, dem sich die Union verpflichtet hat.[22]

IV. Effektive Handlungsmöglichkeiten

Dieser Richtlinienentwurf wird nun zur Verhandlungen an das europäische Parlament und den Ministerrat weitergeleitet. Somit obliegt es unter anderem der deutschen Bundesregierung, die sich in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet hat ein europäisches Lieferkettengesetz sowie ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit zu unterstützen,[23] die Entscheidung über die Konsequenz und den Umfang eines solchen europäischen Lieferkettengesetzes festzulegen.

Zwingend notwendig für eine effektive Umsetzung wäre dabei eine Änderung der Voraussetzungen von etablierten Geschäftsbeziehungen, um ein Umgehungsrisiko zu verhindern und die Prüfungspflichten auf weitere Teile der Wertschöpfungsketten auszuweiten. Es sollte des Weiteren die Zero-Tolerance Haltung gegenüber moderner Sklaverei mehr in den Entwurf eingearbeitet werden, durch konsequenteres Handeln der Unternehmen in Bezug auf ihre Zulieferer sowie das schnellere Erfordernis des Geschäftsabbruchs bei Kenntnisnahme oder Kennenmüssen von Menschenrechtsverstößen. Außerdem ist ein zentraler Aspekt der konsequenten Durchsetzung der Regelungen die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen bei Schädigungen, wobei das Beweisen eines Vertretenmüssens von Seiten der Geschädigten, mangels Kenntnis der internen Geschäftsabläufe der Unternehmen, unmöglich sein wird.[24] Damit wäre es erforderlich eine Beweislastumkehr zu Lasten der Unternehmen einzuführen, womit die Unternehmen von ihrer Seite aus das Einhalten der Due Dilligence Pflichten nachweisen müssten, was anderen Beteiligten nicht möglich wäre. Die Geschädigten müssen dabei weiterhin die Haftungsbegründenden Tatsachen vorlegen und werden nur insoweit entlastet, dass sie nicht selber die interne Ausübung der Sorgfaltspflichten nachweisen müssen. 

Diese Regelungen müssen selbstverständlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit beschlossen werden, jedoch fällt diese Prüfung, wie bereits dargestellt, sehr einseitig aus. Im Jahr 2020 waren 160 Mio. Kinder Opfer von Kinderarbeit, was jedem zehnten Kind auf der Welt entspricht.[25] Außerdem befinden sich ca. 25 Mio. Menschen auf der Welt in Zwangsarbeit und Deutschland hat dabei den dritthöchsten Konsum von Gütern, bei denen ein hohes Risiko besteht, dass diese in Zwangsarbeit produziert wurden.[26]

Damit steht die deutsche Bundesregierung in der Verpflichtung umfassende und konsequente Regelungen in den Gesetzesentwurf der Kommission zu implementieren, um moderne Sklaverei effektiv zu bekämpfen. 


[1] RegE LkSG, S. 1.

[2] Stellungnahme des DAV, S. 11ff. 

[3] Ebd. 

[4] Stellungnahme der ILG, S. 4.

[5] Krajewski, Stellungnahme zum RegE, S. 9.

[6] Stellungnahme ILG, S. 3.

[7] Stellungnahme des BGA, S. 4.

[8] Korte, Der Betrieb 2021, Heft 12 S. M5.

[9] So auch Ehmann, ZVertriebsR 2021, S. 147; Vgl. Robert Grabosch Stellungnahme zum RegE vom 12.05.2021 S. 5ff.

[10] Krajewski, Stellungnahme zum RegE, S. 2.

[11] Krajewski, Stellungnahme zum RegE, S. 9. 

[12] Sigmund/Specht, „Justizminister Buschmann: EU-Lieferkettengesetz muss praktikabel sein“.

[13] So Löning, Stellungnahme zum RegE, S. 8.

[14] RichtlinienE, S. 31. 

[15] Ebd. S. 42.

[16] Ebd. S. 14

[17] ILG, Pressemitteilung vom 02.03.2022.

[18] RichtlinienE, S. 45.

[19] Ebd. S. 40. 

[20] Ebd. S. 21 (DE).

[21] Ebd. S. 17.

[22] EU-Strategy on the Rights of the Children, S. 21. 

[23] Koalitionsvertrag 2021-2025, S. 34. 

[24] ILG, Anforderungen an ein wirksames Lieferkettengesetz, S. 7.

[25] COM 2022 66, S. 5.

[26] Global Slavery Index 2018, S. 4ff.

23.12.2022/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2022-12-23 07:42:522022-12-23 08:49:11Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten
Dr. Lena Bleckmann

BGH: Neues zur Anstiftung durch den agent provocateur

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht AT

In seinem Urteil vom 16.12.2021 (Az. 1 StR 197/21) äußerte sich der BGH zur allseits beliebten Fallkonstellation der An- bzw. Aufstiftung durch einen verdeckten Ermittler. Die sog. agent provocateur-Fälle sind ein Klassiker im Allgemeinen Teil des Strafrechts – die neue Entscheidung sollte Anlass geben, die wichtigsten Eckpunkte der Problemstellung zu wiederholen.
I. Was ist passiert? (Sachverhalt gekürzt und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt. Die nicht einschlägig vorbestraften T und M handelten gemeinsam mit Betäubungsmittelprodukten. Hiervon erfuhren offenbar auch die Strafverfolgungsbehörden – Anfang März 2020 nahm daher der verdeckte Ermittler V Kontakt zu T auf, um eine kleinere Menge Marihuana zu erwerben. Zugleich fragte V, ob es auch möglich sei, größere Mengen zu erwerben. Hieran schlossen sich mehrere Betäubungsmittelkäufe des V bei T an, bei denen V immer wieder nach größeren Mengen fragte (3kg Marihuana und 50 bis 100g Kokain). Das entsprach nicht den Mengen, mit denen T und  M üblicherweise handelten, sie konnten aber schließlich über den D die Betäubungsmittel in entsprechendem Umfang besorgen. Bei der vereinbarten Übergabe an V erfolgte die Festnahme von T und M.
II. Die Strafbarkeit des Lockspitzels in der Strafrechtsklausur
Derartige Konstellationen sind der Strafrechtswissenschaft nicht unbekannt. Unter dem Begriff des Lockspitzels oder agent provocateur wird insbesondere die Problematik der Strafbarkeit desjenigen erörtert, der – beispielweise als verdeckter Ermittler – andere zu einer Straftat veranlasst, gerade um deren Festnahme zu veranlassen (vgl. BeckOK StGB/Kudlich, § 26 Rn. 22; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, § 26 Rn. 21). Hier nur eine knappe Rekapitulation der Problematik – sofern hier Lücken bestehen, wird eine entsprechende Wiederholung dringend empfohlen.
Zu erörtern ist das Problem beim Prüfungspunkt des doppelten Anstiftervorsatzes. Dieser muss sich, so viel sollte bekannt sein, sowohl auf die Anstiftung, d.h. auf die Bestimmenshandlung, als auch auf die Vollendung der vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat beziehen (BeckOK StGB/Kudlich, § 26 Rn. 19). Auf dieser Grundlage lässt sich die Strafbarkeit des Lockspitzels, der auf eine Festnahme des Täters schon im Versuchsstadium abzielt, bereits verneinen: Er hat keinen Vorsatz hinsichtlich der Vollendung der Haupttat und verwirklicht damit nicht den subjektiven Tatbestand der Anstiftung (so die hM, siehe (BeckOK StGB/Kudlich, § 26 Rn. 22; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, § 26 Rn. 21). Grund für die Einschränkung dahingehend, dass sich der Vorsatz des Anstifters auch auf die Vollendung der Haupttat richten muss, ist der Strafgrund der Teilnahme: Das Unrecht der Teilnahme besteht darin, dass ein über den Haupttäter vermittelter Angriff auf das geschützte Rechtsgut erfolgt oder nach dem Vorsatz zumindest erfolgen soll, denn nur dann liegt ein strafwürdiges, sozialschädliches Verhalten vor (vgl. Rönnau, JuS 2015, 19).
Schwieriger – und damit umso klausurrelevanter – ist die Frage der Strafbarkeit des agent provocateur, der zwar die formelle Vollendung der Haupttat anstrebt bzw. vorhersieht, nicht aber deren materielle Beendigung. Lehrbuchbeispiel ist der Einbruchdiebstahl, bei dem die Festnahme des angestifteten Haupttäters erst nach Verlassen des Hauses erfolgen soll (Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, § 26 Rn. 23; Rönnau, JuS 2015, 19 (20)). Auch und gerade beim Handel mit Betäubungsmitteln, um den es auch in der genannten Entscheidung des BGH ging, spielt diese Konstellation eine Rolle. Der Handel als solcher ist zum Zeitpunkt der Festnahme meist bereits erfolgt (BeckOK StGB/Kudlich, § 26 Rn. 78). Dasselbe Problem stellt sich auch bei allen anderen Tätigkeitsdelikten (Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, § 26 Rn. 23). Auch hier gelangt die herrschende Meinung jedoch zur Straflosigkeit des Lockspitzels – weil eine tatsächliche Verletzung des geschützten Rechtsguts nicht gewollt ist, soll trotz materieller Vollendung der Tat keine strafrechtlich relevante Anstiftung vorliegen (Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, § 26 Rn. 23 m.w.N.; ausführlich auch Rönnau, JuS 2015, 19 (20 f.); zu Betäubungsmitteldelikten insbesondere OLG Oldenburg, Beschl. v. 4.3.1999 – Ss 40-00, NJW 1999, 2751).
III. Die Verurteilung des zur Tat provozierten Haupttäters
Doch all das soll an dieser Stelle gar nicht im Fokus stehen. Bevor sich der Klausurkandidat mit der Strafbarkeit des agent provocateurs auseinandersetzt, wird er in aller Regel zunächst diejenige des Haupttäters prüfen. Auch wenn die Verwirklichung des jeweiligen Straftatbestands, das Vorliegen aller objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale sowie die Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit des Verhaltens unproblematisch sind, muss das nicht heißen, dass der Betroffene am Ende tatsächlich bestraft werden kann. Zugegebenermaßen handelt es sich bei den Fragen, welche spezifisch die Verurteilung des zur Tat Provozierten betreffen, um solche der Strafzumessung bzw. Strafverfolgung, die für Kandidaten des Ersten Staatsexamens von untergeordneter Bedeutung sind. Insbesondere in einer mündlichen Prüfung kann die Kenntnis der Problematik jedoch auch hier durchaus vorausgesetzt werden – das gilt insbesondere im Lichte der nun ergangenen Entscheidung des BGH.
Problematisch sind hier insbesondere Fälle der Tatveranlassung durch polizeiliche Ermittlungspersonen. Diese kann zu einem Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Rechtsstaatlichkeit führen, wenn bislang unverdächtige oder nicht tatgeneigte Personen angestiftet werden oder eine besonders intensive Einwirkung etwa durch beträchtliche Erhöhung des Unrechtsgehalts (Aufstiftung) erfolgt (vgl. auch Rönnau, JuS 2015, 19 (21)).
Schon früh führte der BGH insoweit aus:

„Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH ist im Rahmen der Ermittlung und Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Straftaten, zu denen auch der Rauschgifthandel gehört, der Einsatz polizeilicher Lockspitzel im Grundsatz geboten und rechtmäßig. Dies gilt aber nicht uneingeschränkt. Es ist anerkannt, daß dem tatprovozierenden Verhalten des Lockspitzels Grenzen gesetzt sind, deren Außerachtlassung als ein dem Staat zuzurechnender Rechtsverstoß in das Strafverfahren gegen den Täter hineinwirken würde. Das dem GG und der StPO immanente Rechtsstaatsprinzip untersagt es den Strafverfolgungsbehörden, auf die Verübung von Straftaten hinzuwirken, wenn die Gründe dafür vor diesem Prinzip nicht bestehen können; wesentlich für die Beurteilung sind dabei Grundlage und Ausmaß des gegen den Täter bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflußnahme des Lockspitzels, Tatbereitschaft und eigene, nicht fremdgesteuerte Aktivitäten dessen, auf den er einwirkt.“ (BGH, Urt. v. 6.2.1981 – 2 StR 370/80, NJW 1981, 1626, Nachweise im Zitat ausgelassen).

a) Grundlegende Entscheidung des BGH im Jahr 1984
Ein Überschreiten dieser durch das Rechtsstaatsprinzip gesetzten Grenzen führte allerdings bislang nach Ansicht des BGH nicht zu einem Verfahrenshindernis. Ein solches soll nur unter strengsten Voraussetzungen in Betracht kommen, die nicht bei jedem Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vorliegen sollen:

„Als Verfahrenshindernisse kommen nur Umstände in Betracht, die nach dem ausdrücklich erklärten oder aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzes für das Strafverfahren so schwer wiegen, daß von ihrem Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des Verfahrens im ganzen abhängig gemacht werden muß. Dies gilt auch für Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Bei der Weite und Unbestimmtheit des Rechtsstaatsprinzips und der in ihm angelegten Gegenläufigkeiten verbieten sich unterschiedslose verfahrensrechtliche Sanktionen für Verletzungen von selbst.“  (BGH, Urt. v. 23.5.1984 – 1 StR 148/84, NJW 1984, 2300 (2301), Nachweise im Zitat ausgelassen).

Stattdessen soll die nachhaltige und erhebliche Einwirkung des Lockspitzels auf den Täter, mag sie auch mit den Grundsätzen des Rechtsstaats nicht mehr vereinbar sein, lediglich zu einem Strafmilderungsgrund führen (BGH, Urt. v. 23.5.1984 – 1 StR 148/84, NJW 1984, 2300 (2302)).
b) Die Rechtsprechung des EGMR
Anders die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser nimmt einen Verstoß gegen das Verbot des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK) an, wenn eine polizeiliche Provokation zur Tat erfolgt, der Täter zuvor nicht tatverdächtig war und die verdeckte Ermittlungstätigkeit der Polizei nicht durch ein Gericht kontrolliert war (EGMR, Urt. v. 9.6.1998 – 44/1997/828/1034, NStZ 1999, 47). Der Gerichtshof führt aus:

„Die Nutzung von verdeckt arbeitenden Ermittlern („undercover agents“) muß begrenzt werden, und Sicherungen sind auch für die Fälle der Bekämpfung des Drogenhandels zu gewährleisten. Wenn auch der Anstieg der organisierten Kriminalität zweifellos das Ergreifen angemessener Maßnahmen erfordert, nimmt das Recht auf eine faire Rechtspflege doch einen derart hervorragenden Platz ein (a. Delcourt gegen Belgien, Urt. v. 17. 1. 1970, Serie A Nr. 11, S. 15, § 25), daß es nicht um der Nützlichkeit willen geopfert werden kann. Die allgemeinen Erfordernisse der Fairneß, wie sie in Art. 6 niedergelegt sind, sind auf Verfahren jeglicher Art von Kriminalität anzuwenden, von der einfachsten bis hin zu der kompliziertesten. Das öffentliche Interesse kann nicht die Verwendung von Beweismaterial rechtfertigen, das aus polizeilicher Anstiftung resultiert. (…) Letztlich stellt der Gerichtshof fest, daß die nationalen Gerichte in ihren Entscheidungen ausführen, daß der Bf. hauptsächlich aufgrund der Aussagen der beiden Polizeibeamten verurteilt worden ist. Im Lichte aller dieser Überlegungen folgert der Gerichtshof, daß die Handlungen der beiden Polizeibeamten über die von verdeckten Ermittlern hinausgingen, weil sie zu der Tat anstifteten und es keinen Hinweis darauf gibt, daß diese Tat ohne ihr Einschreiten begangen worden wäre. Dieses Eingreifen und dessen Verwendung im angefochtenen Strafverfahren bedeutet, daß dem Bf. von Beginn an vollständig ein faires Verfahren entzogen war. Damit lag eine Verletzung von Art. 6 I vor (…)“ (EGMR, Urt. v. 9.6.1998 – 44/1997/828/1034, NStZ 1999, 47 (48)).

Hieran anknüpfend fanden sich in der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur Stimmen, nach denen der Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nur dann hinreichend sanktioniert würde, wenn der rechtsstaatswidrige Einsatz von Lockspitzeln ein Verfahrenshindernis darstellen würde (siehe BeckOK StGB/Kudlich, § 26 Rn. 23.1 m.w.N.). Der BGH jedoch hielt an der Strafzumessungslösung fest (BGH, Urt. v. 18.11.1999 – 1 StR 221/99, NStZ 2000, 269).
In einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 wurde der EGMR noch deutlicher. Dort heißt es:

„Liegt eine konventionswidrige Anstiftung vor, so sind die zuständigen Behörden bzw. Gerichte verpflichtet, entweder das Verfahren wegen Verfahrensmissbrauchs einzustellen oder alle durch die Anstiftung erlangten Beweise auszuschließen bzw. auf andere Weise vergleichbare Ergebnisse herbeizuführen. Eine erhebliche Milderung der Strafe führt nicht zu vergleichbaren Ergebnissen. Eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation kann daher nicht lediglich auf der Ebene der Strafzumessung Berücksichtigung finden; hierdurch wird die durch die Tatprovokation verursachte Verletzung von Art. 6 I EMRK nicht ausreichend kompensiert und der Beschwerdeführer kann weiterhin behaupten, Opfer einer Verletzung von Art. 6 I EMRK zu sein.“ (EGMR, Urt. v. 15.10.2020 – 40495/15, 40913/15, 37273/15, NJW 2021, 3515).

c) Die aktuelle Entscheidung des BGH
Diese nunmehr eindeutige Rechtsprechung des EGMR hat auch der BGH zur Kenntnis genommen. In der Pressemitteilung zum Urteil v. 16.12.2021 heißt es:

„Läge eine nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte rechtsstaatswidrige Tatprovokation vor, dann würde dies ein Verfahrenshindernis begründen. Dafür kommt es entscheidend darauf an, ob der Täter und gegebenenfalls in welchem Umfang („Aufstiftung“ zu deutlich gewichtigeren Straftaten) bereits in Betäubungsmittelgeschäfte verwickelt war und inwieweit der Verdeckte Ermittler physischen oder psychischen Druck aufgebaut hat.“ (PM Nr. 227/2021).

Die Vorinstanz, das LG Freiburg, hatte demgegenüber noch die oben geschilderte Strafzumessungslösung angewandt und dem Betroffenen lediglich eine Strafmilderung gewährt. Eine endgültige Entscheidung konnte der BGH noch nicht treffen, da er ausweislich der Pressemitteilung eine weitere Aufklärung der für die Beurteilung der polizeilichen Tatprovokation notwendigen Tatsachen für notwendig hielt. Die Sache wurde an das LG zurückverwiesen.
III. Was bleibt?
Lockspitzel- bzw. agent-procovateur-Fälle werden den meisten Studierenden und Examenskandidaten ein Begriff sein. Erörtert werden sie insbesondere im ersten Examen gerade aus der Perspektive der Strafbarkeit des Lockspitzels, d.h. unter dem Gesichtspunkt der Anstiftung. Auch die strafrechtliche Behandlung des Haupttäters ist jedoch nicht unproblematisch. Durch die aktuellen Entscheidungen des EGMR und des BGH dürfte Bewegung in die diesbezüglich noch anhaltende Diskussion gekommen sein. Gerade von gut informierten Kandidaten in mündlichen Prüfungen könnte die Kenntnis des Problems daher erwartet werden. Davon unabhängig wird selbstverständlich auch eine Wiederholung der Anstiftungskonstellation wärmstens empfohlen – auch diese taucht in Klausuren in Studium und Examen immer wieder auf.

17.12.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-12-17 10:30:292021-12-17 10:30:29BGH: Neues zur Anstiftung durch den agent provocateur

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