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Schlagwortarchiv für: Medien

Dr. Christoph Werkmeister

„NSU-Verfahren“: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise erfolgreich

Aktuelles, Verfassungsrecht

Das BVerfG hat soeben über den Antrag einer türkischen Zeitung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entschieden (Beschluss vom 12.4.2013 – 1 BvR 990/13). In der Sache geht es um das Verfahren der Sitzvergabe durch das OLG München im sog. NSU-Prozess (siehe hierzu bereits unsere umfassende Berichterstattung hier sowie hier).
Anstatt die hoch umstrittene und politisch brisante Frage, ob durch die Nichtberücksichtigung türkischer Medien ein Verstoß gegen Grundrechte vorliegt, zu entscheiden, kam es indes zu einer Folgenabwägung. Im Ergebnis stellt dieses Ergebnis zum jetzigen Zeitpunkt einen großen Teilsieg für die türkischen Medien dar, da das BVerfG eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache tenorierte.
Das Gericht führt dazu Folgendes aus:

1. Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweise sich von vornherein als insgesamt unzulässig oder offensichtlich unbegründet.
2. Die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde ist vorliegend weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Insbesondere erscheint es nicht ausgeschlossen, dass das sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ableitende subjektive Recht der Beschwerdeführer auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb, also auf gleichberechtigte Teilhabe an den Berichterstattungsmöglichkeiten zu gerichtlichen Verfahren, verletzt sein könnte. Allerdings ist die Entscheidung über die Zugänglichkeit zu Gerichtsverhandlungen, die Reservierung einer bestimmten Anzahl von Plätzen für Medienberichterstatter und auch die Verteilung knapper Sitzplätze an dieselben grundsätzlich eine Frage, die sich unter dem verfassungsrechtlichen Schutz der Unabhängigkeit der Gerichte zunächst nach einfachem Recht entscheidet und die der Prozessleitung des Vorsitzenden in dem jeweiligen Gerichtsverfahren obliegt. Dabei hat dieser einen weiten Entscheidungsspielraum. Das Bundesverfassungsgericht überprüft dessen Anordnungen nur dahingehend, ob sie Verfassungsrecht verletzen und insbesondere, ob sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen. Ob die Beschwerdeführer danach durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Grundrechten verletzt sind, bedarf einer näheren Prüfung, die schwierige Rechtsfragen aufwirft und daher im Eilrechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden kann. Deshalb kann die Eilentscheidung nur auf eine Folgenabwägung gestützt werden.
3. Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde weder als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre.
a) Erginge vorliegend keine einstweilige Anordnung, hätte die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber Erfolg, so bestünde die Gefahr, dass die Beschwerdeführer, ohne dass ihnen die gleichen Chancen wie anderen Medienvertretern eingeräumt gewesen wären, wie auch andere ausländische Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten von der Möglichkeit einer eigenen, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Berichterstattung im sogenannten NSU-Prozess ausgeschlossen blieben. Dies wiegt vorliegend umso schwerer, als gerade türkische Medienvertreter ein besonderes Interesse an einer vollumfänglich eigenständigen Berichterstattung über diesen Prozess geltend machen können, da zahlreiche Opfer der angeklagten Taten türkischer Herkunft sind.
b) Diese Nachteile überwiegen gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im tenorierten Umfange stattgegeben würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg letztlich versagt wäre. Denn in diesem Falle würden zwar den ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten Sitzplätze in der Verhandlung eingeräumt, auf die sie nach der bisherigen Sitzplatzvergabe keinen Anspruch mehr gehabt hätten. Eine etwaige Ungleichbehandlung sonstiger Medien, denen ein bereits zugeteilter Sitzplatz genommen oder bei Bildung eines Zusatzkontingents kein Sitzplatz zugeteilt wird, wöge jedoch vor dem Hintergrund des besonderen Interesses dieser Medien weniger schwer. Rechte der Medien bestehen ohnedies nur im Rahmen einer gleichheitsgerechten Auswahlentscheidung. Auch ist der Nachteil für die allgemeine Öffentlichkeit, der dadurch entsteht, wenn mit einem Zusatzkontingent einige wenige Plätze der Saalöffentlichkeit bestimmten Medienvertretern zur Verfügung gestellt würden, verhältnismäßig geringer, da die allgemein zu vergebenden Sitzplätze noch nicht konkretisiert sind und entsprechend den hierfür geltenden Maßstäben nach wie vor ein angemessener Teil der im Sitzungssaal verfügbaren Plätze dem allgemeinen Publikum vorbehalten bleibt.
4. Im Eilrechtsschutzverfahren kann das Bundesverfassungsgericht Maßnahmen treffen, die nicht als die Durchsetzung eines endgültig verfassungsrechtlich gebotenen Ergebnisses zu verstehen sind, sondern als vorläufige Anordnung zur Abwendung oder Milderung von drohenden Nachteilen. Dies gilt insbesondere in einer Situation wie der vorliegenden, in der von vornherein kein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Zugang zur Gerichtsverhandlung, sondern nur die mögliche Verletzung einer Chance auf gleichberechtigte Teilhabe in Frage steht, die Nachteile sich aber aus den Folgen einer möglichen Verletzung der Chancengleichheit ergeben. Die Maßnahme kann sich hier auf die Abmilderung dieser Folgen beziehen. Dies kommt vorliegend zwar einer teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache gleich; in Ausnahmefällen ist dies jedoch zulässig, wenn die Entscheidung in der Hauptsache zu spät ergehen würde und in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte. Daher wird dem Vorsitzenden des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts aufgegeben, nach einem von ihm im Rahmen seiner Prozessleitungsbefugnis festzulegenden Verfahren eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten zu vergeben. Möglich wäre ein Zusatzkontingent von nicht weniger als drei Plätzen zu eröffnen, in dem nach dem Prioritätsprinzip oder etwa nach dem Losverfahren Plätze vergeben werden. Es bleibt dem Vorsitzenden aber auch unbenommen, anstelle dessen die Sitzplatzvergabe oder die Akkreditierung insgesamt nach anderen Regeln zu gestalten.
5. Der weitergehende Antrag der Beschwerdeführer auf vollständige Aussetzung der Vollziehung der Platzvergabe und der Sicherheitsverfügungen war hingegen abzulehnen, da sie einen Antragsgrund für eine derart weitgehende Verfügung nicht hinreichend dargelegt haben (der vollständige Beschluss des BVerfG kann hier eingesehen werden).

Eine Klärung der hochbrisanten Rechtsfrage bleibt insofern dem Hauptsacheverfahren in Form einer Verfassungsbeschwerde vorbehalten. Bis eine Entscheidung gefällt ist, wird das politische Interesse an der Sache wieder verflogen sein… Für Examenskandidaten, die in den nächsten Wochen oder Monaten die mündliche Prüfung bestreiten, stellt dieses Verfahren jedoch auch nach der vorläufigen Klärung absoluten Pflichtfachstoff dar!

12.04.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-04-12 18:29:532013-04-12 18:29:53„NSU-Verfahren“: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise erfolgreich
Dr. Maximilian Schmidt

Erfolgsaussichten und Prüfungsrelevanz der Verfassungsbeschwerde im NSU-Verfahren

Aktuelles, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

 
Die türkische Zeitung „Sabah“ hat am 5.4.2013 Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben, um eine Verletzung ihrer Grundrechte geltend zu machen (s. nur hier). Das Vorgehen des OLG München im NSU-Prozess hinsichtlich der Vergabe von Presseplätzen ist wegen der fehlenden Berücksichtigung türkischer Medien in der letzten Woche stark in die Kritik geraten. Aufgrund der Thematik und ihrer Aktualität bietet sich das Verfahren als Aufhänger einer Grundrechtsprüfung an und war bereits letzte Woche im Hinblick auf §§ 169, 176 GVG Prüfungsgegenstand einer mündlichen Prüfung am OLG Köln. Insoweit sollte man sich vor einer anstehenden mündlichen Prüfung auf dieses Thema einstellen. Dieser Beitrag soll hierbei helfen, indem er Schwer- und Problempunkte der Prüfung einer Verfassungsbeschwerde aufzeigt, ohne diese schulbuchmäßig durchzuprüfen (was in einer mündlichen Prüfung idR auch nicht der Fall sein wird).
 
A. Zulässigkeit einer VfB nach Art. 93 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90, 92ff. BVerfGG
 
I. Beschwerdefähigkeit, § 90 BVerfGG
Im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist „Jedermann“ beschwerdefähig, also jeder Träger von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten. Die Sabah ist eine juristische Person des Privatrechts, so dass die Voraussetzungen von Art. 19 III GG zu prüfen sind. Die Sabah ist eine türkische Zeitschrift, so dass das Merkmal „inländisch“ fraglich sein könnte. Allerdings hat sie eine deutsche Dependence, die nach deutschem Recht eingerichtet ist (GmbH), so dass diese eine inländische juristische Person ist. Insoweit könnte sich die Frage nach der Weite des Begriffs „juristische Person“ anschließen, der, anders als im einfachen Recht, auch Personengesellschaften (GbR, OHG, KG) umfasst und daher weiter ist. Auch könnte hier eine europarechtliche Frage folgen, wenn man die Zeitung bspw. nach Frankreich verlegte ohne Tochtergesellschaft in Deutschland (eingehend unser Beitrag hierzu).
Somit ist die Sabah beschwerdefähig nach § 90 BVerfGG.
 
II. Beschwerdegegenstand, § 90 BVerfGG
Die Ablehnung durch das Gericht ist ein Akt öffentlicher Gewalt, hier der Exekutive (nicht der Judikative! Hier wird Verwaltungstätigkeit wahrgenommen!).
 
III. Beschwerdebefugnis, § 90 BVerfGG
1. Möglichkeit der Grundrechtsverletzung
Als möglicherweise verletzte Grundrechte kommen Art. 5 I 2 Var. 1 GG (Pressefreiheit) in Betracht sowie Art. 3 I, III GG und Art. 12 GG. Diese müssten wesensmäßig auf jur. Personen anwendbar sein, Art. 19 III GG sein.
Hinsichtlich der Pressefreiheit ist auch schon die Informationsbeschaffung geschützt, das heißt hier der Zutritt zum Gericht. An dieser Stelle könnte man schon die Frage aufwerfen, ob Art. 5 I 2 Var. 1 GG überhaupt davor schützt, nicht zu einem bestimmten Ort (hier Gerichtssaal) zu gelangen. Im Rahmen der Beschwerdebefugnis, an dem nur die Möglichkeit der Grundrechtsverletzung geprüft wird, sollte ein Hinweis darauf genügen, dass die fehlende Zulassung die Pressearbeit zumindest erschwert, weswegen eine Verletzung zumindest in Betracht kommt bzw. nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Auch ein Hinweis auf den status positivus kann hier erfolgen.
Auch kommt eine Verletzung von Art. 12 GG in Betracht.
Bei Art. 3 I, III GG stellt sich die spannende Frage, wer sich eigentlich auf dieses Grundrecht beruft: Stellt man auf die juristische Person selbst ab, die ja, wie dargestellt, inländisch ist, kann schon keine Ungleichbehandlung zu anderen inländischen juristischen Personen wegen der Herkunft vorliegen. Wählt man den Ansatz des Schutzes der natürlichen Personen hinter der juristischen Person, kommt vorliegend ein Verstoß gegen Art. 3 I, III GG insofern in Betracht, als dass die vorwiegend bzw. ausschließlich türkischstämmigen Mitglieder benachteiligt werden könnten. Hier ist der häufig im Ergebnis irrelevante Streit, was Art. 19 III GG schützt (Stichwort: grundrechtstypische Gefährdungslage vs. Schutz der dahinter stehenden natürlichen Personen), somit ausnahmsweise relevant.
 
2. Selbst, gegenwärtig und unmittelbar
 
IV. Rechtswegerschöpfung, § 90 II BVerfGG
Vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde ist der Rechtsweg zu erschöpfen, § 90 II BVerfGG. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es  gegen Sitzungsverfügungen eines Gerichts nach h.M. keinen Rechtsweg gibt.
Würde man einen solchen dennoch annehmen, stellte sich die Frage, ob ausnahmsweise auch ohne Erschöpfung eines vorhandenen Rechtsweges die Verfassungsbeschwerde zulässig ist. Hier müsste auf § 90 II 2 BVerfGG rekurriert werden, der zwei Varianten hat.
Die allgemeine Bedeutung könnte man argumentativ damit herleiten, dass Sitzungsverfügungen wegen Platzmangels häufiger auftreten und hierzu keine Rechtsprechung vorhanden ist. Hinzu tritt die starke öffentliche Aufmerksamkeit für den NSU-Prozess, der sich in der umfangreichen Berichterstattung widerspiegelt.
Auch schwere, unabwendbare Nachteile könnten im Hinblick auf den bevorstehenden Beginn des Prozesses angenommen werden (vgl. auch § 32 BVerfGG), da dann die Pressefreiheit schon beschränkt wäre.
 
V. Subsidiarität
Hier kann auf den Rechtsgedanken von § 90 II 2 BVerfGG abgestellt werden.
 
B. Begründetheit
 
I. Art. 5 I 2 Var. 1 GG

Zunächst könnte man fragen, ob es sich hier tatsächlich um ein grundrechtliches Abwehrrecht geht oder nicht vielmehr um den status positivus; an dieser Stelle könnte dann die Frage nach der Statuslehre nach Jellinek folgen (weitergehend auch dessen 3-Elementenlehre).
Hier möchte die Sabah zugelassen werden, so dass eine Orientierung am Leistungskern des Grundrechtes nahe liegt. Hier kann eine Entscheidung offenbleiben:
–  Knüpft man an den status positivus an, muss der Staat dem Presseorgan die Teilhabe an der Berichterstattung ermöglichen, wobei ihm ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Hier müsste dann eine Überprüfung des Auswahlverfahrens anhand einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der staatlichen Einschätzungsprärogative erfolgen (dazu sogleich).
– Knüpft man an den status negativus an, darf der Staat dem Presseorgan den Zutritt zum Gericht nur aus sachlichen, verfassungskonformen Gründen verwehren. Dies könnte hier die Sitzplatzerschöpfung sein, welche aber nur dann als Rechtfertigung dienen kann, wenn sie unter Berücksichtigung aller grundrechtlich zu schützenden Belange erreicht worden ist. Hier hat dann die gleiche Überprüfung der Ermessensentscheidung des Gerichts und dessen Vergabepraxis zu erfolgen.
 
Die Vergabepraxis erfolgte ausschließlich nach dem Prioritätsprinzip, auch Windhundprinzip genannt. Fraglich ist, ob dieses den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein faires Vergabeverfahren genügt.
An dieser Stelle kann zunächst allgemein die Verfassungsmäßigkeit des reinen Prioritätsprinzips geprüft werden. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass bei ausreichender Hinweisfrist durch das Gericht eine Vergabe nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ verfassungskonform ist. Weder werden bestimmte Personenkreise von vornherein ausgeschlossen, noch stellt die Unterscheidung nach zeitlichem Eingang ein besonderes Hindernis dar; es ergibt sich schlichtweg aus der beschränkten Kapazität. Nun könnte man andere Verfahren wie ein Losverfahren andenken; allerdings verwirklicht dieses die Pressefreiheit nicht besser. Im Gegenteil könnten Medien zugelassen werden, die sich erst sehr spät um eine Akkreditierung bemüht haben.
Im NSU-Verfahren war jedoch mit einem erhöhten Interesse ausländischer Medien zu rechnen, sodass sich als weiteres Auswahlkriterium eine Zwei-Pool-Lösung angeboten hätte: Bspw. 20% der Sitze hätten sicher an ausländische oder gar türkische Medien vergeben werden können (hierzu schon eingehend unser Beitrag der letzten Woche). Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Prioritätsprinzip daher grundsätzlich auch als alleiniges Auswahlkriterium wohl verfassungskonform ist.
 
Nun muss es aber auch im Einzelfall korrekt angewendet worden sein. Hierzu muss eine umfassende Würdigung des Sachverhaltes erfolgen. Soweit er hier vorliegt (s. die sehr ausführliche und aufschlussreiche Sachverhaltsdarstellung im Tagesspiegel), lässt sich Folgendes sagen:
Die Sabah ist eine inländische juristische Person und muss sich daher grundsätzlich am gleichen Maßstab messen lassen wie andere inländische Presseorgane. Zunächst konnte man davon ausgehen, dass die Sabah schlichtweg den Akkreditierungsstart versäumt hatte. Dieser Obliegenheitsverstoß schien daher eine verfassungswidrige Anwendung im Einzelfall auszuschließen. Das Prioritätsprinzip soll doch gerade verhindern, dass nach und nach Anmeldungen erfolgen, die dann eine Zuweisung erschweren. Auch ist es zunächst am Grundrechtsträger selbst seinen Obliegenheiten nachzukommen, um von seinen Grundrechten Gebrauch machen zu können. Zudem könnte auf die Gefahr einer Revision wegen einer erneuten Sitzplatzvergabe wegen Befangenheit der Richter hingewiesen werden.
Hiergegen könnte man zunächst anführen, dass alleine die Einfachheit der Vergabe kein Argument sein kann; der Staat muss auch Schwierigkeiten auf sich nehmen, um den grundrechtlichen Teilhaberechten zu genügen. Zudem können nicht mit Hinweis auf einen späteren Revisionsgrund Fakten geschaffen werden. Hinzu kommt, dass aufgrund des für die türkischen Medien brisanten Themas der Verhandlung auf jeden Fall für diese Medien Sitzplätze vorhanden sein müssten. Die Pressefreiheit muss sich immer auch an tatsächlichen Gegebenheiten messen lassen. Werden durch die konkrete Anwendung eines Auswahlprinzips de facto bestimmte Medien ausgeschlossen, ist dieses im Einzelfall nicht mehr verfassungskonform.
Nun häufen sich nämlich die Hinweise, dass das tatsächliche Vergabeverfahren fehlerhaft war (s. hierzu den tagesspiegel; von einem anderen Sachverhalt ging insofern noch unser vorheriger Beitrag aus). Anscheinend wurde durch fehlende oder fehlerhafte Information die Sabah verhindert, dass diese rechtzeitig einen Akkreditierungsantrag stellt, während deutsche Medien umfassender und frühzeitiger informiert waren. Insoweit läge ein Verstoß gegen die Hinweispflicht bzgl. des Anmeldestarts vor (technische Fehler; falsche Auskünfte usw.)
Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, genügt das Vergabeverfahren im Einzelfall nicht mehr dem Gebot der Sachlichkeit und ist verfassungswidrig.
Damit ist die Sabah unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes in ihrem Grundrecht aus Art. 5 I 2 Var. 1 GG verletzt.
 
II. Art. 3 I, III GG
Zunächst muss hier der Streit aus der Beschwerdebefugnis aufgegriffen werden (s.o.). Sieht man hier Art. 3 I, III GG hinsichtlich des Merkmals Herkunft wegen der hinter der Sabah stehenden natürlichen Personen als anwendbar an, stellt sich die Frage, ob hier wesentlich Gleiches ungleich bzw. wesentlich Ungleiches gleich behandelt worden ist. Hier wurden zwar alle Presseorgane hinsichtlich der Akkreditierung nach dem Prioritätsprinzip gleich behandelt; im Vorfeld wurde aber unterschiedlich und zum Teil widersprüchlich informiert. Somit liegt eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vor. Knüpft diese an die Herkunft an (was hier freilich noch nicht geklärt erscheint), ist diese Anknüpfung an ein verpöntes Merkmale des Art. 3 III unabhängig von einer Verhältnismäßigkeits- oder Willkürkontrolle grundsätzlich unzulässig. Ausnahmsweise kann jedoch wegen der Ähnlichkeit zu personenbezogenen Merkmalen eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen, sog. Neue Formel. Hier genügt die unterschiedliche Behandlung jedoch schon nicht dem Gebot der Sachlichkeit (Willkürverbot s.o.), sodass das Vorgehen des Gerichts verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen ist.
Somit liegt auch ein Verstoß gegen Art. 3 III GG vor.
 
III. Art. 12 GG
Dieser wird von der spezielleren Pressefreiheit vorliegend verdrängt, Art. 5 I 2 Var. 1 GG.
 
C. § 32 Einstweilige Anordnung
Die Sabah hat zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG gestellt. Bei dieser sind ihm Rahmen einer doppelten Nachteilsabwägung die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg hätte, abzuwägen mit denen, dass die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg hätte, die einstweilige Anordnung aber erginge.
Aufgrund der Komplexität verfassungsrechtlicher Fragen erfolgt hier anders als bei der nur in tatsächlicher Hinsicht summarischen Prüfung im Verwaltungsgerichtsverfahren idR keine tiefgehende inhaltliche rechtliche Prüfung.
 
D. Fazit
Der Fall der Sabah bietet somit jede Menge Anknüpfungspunkte für eine mündliche Prüfung und sollte daher vorher schon einmal durchdacht sein, um dann einfacher auf richtige Ergebnisse und vor allem eine gute Argumentation zu kommen.
Die Verfassungsbeschwerde ist keineswegs so aussichtslos, wie dies im Vorfeld schien. Sollte sich als wahr erweisen, dass die Sabah verspätet über den Akkreditierungsbeginn informiert wurde und aus diesem Grund eine Anmeldung erschwert war, so verstoßen diese Modalitäten gegen die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, 3 GG und 5 Abs. 1 GG.
 

09.04.2013/2 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2013-04-09 13:00:452013-04-09 13:00:45Erfolgsaussichten und Prüfungsrelevanz der Verfassungsbeschwerde im NSU-Verfahren
Tom Stiebert

Diskussion um den NSU-Prozess – Jura vs. Politik

Aktuelles, Schon gelesen?, Startseite, StPO, ZPO

Der Aufruhr ist groß: Politiker jeglicher couleur – vom türkischen Premier Recep Erdogan bis zum CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder – kritisieren die Sitzplatzvergabe beim in Kürze beginnenden NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte in München. Auch die Medien wie bspw. die türkische Hürriyet oder auch die BILD äußern harsche Kritik an den Vergabemodalitäten. Aber auch juristisch versierte Kreise äußern starke Zweifel an der Sitzplatzvergabe durch das sog. Windhundprinzip und fordern zumindest eine Übertragung in Nebenräumen.

Dennoch erscheint die Kritik oftmals eher politisch denn juristisch motiviert zu sein. Der Beitrag möchte aus diesem Grund eine Übersicht über die juristischen Fragen der Sitzplatzvergabe für Zuschauer und Medien in Gerichtsverhandlungen geben.

I. Sachverhalt

Was ist eigentlich genau passiert? In München beginnt am 17. April der NSU-Prozess – teilweise reißerisch als „Jahrhundertprozess“ bezeichnet (so SPD- Innenexperte Dieter Wiefelspütz in der „Berliner Zeitung“; das OLG-München widerspricht dagegen einem solchen Superlativ). Stattfinden wird der Prozess im Schwurgerichtssaal A 101 des OLG, dem bestgesicherten Saal dieses Gerichts. Vergeben werden dabei 50 Journalistenplätze sowie weitere 50 Plätze für Zuschauer. Daneben sind 71 Nebenkläger sowie 49 Anwälte beteiligt. Die Vergabe der Zuschauerplätze erfolgt jeden Verhandlungstag aufs Neue nach dem Windhundprinzip (Prioritätsprinzip) – die ersten Anwesenden werden also eingelassen. Auch Journalisten können hierbei Einlass begehren. Hingegen wurden die Journalistenplätze bereits im Vorfeld vergeben. Auch hier wurde der Zeitpunkt der Anmeldung per Mail oder Fax berücksichtigt. Bereits drei Stunden nach Beginn der Meldefrist waren dabei die 50 festen Plätze vergeben, so dass eine Nachrückerliste eröffnet wurde, auf der sich nun insgesamt 73 Medienvertreter befinden. Dabei fällt auf, dass sich unter den 50 registrierten Medienanstalten keine türkischen Medien befinden.

II. Rechtliche Bewertung

Ausgangspunkt der juristischen Betrachtung muss der § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sein, der eine öffentliche Verhandlung vorschreibt (§ 169 S. 1 GVG), Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung aber untersagt (§ 169 S. 2 GVG). Jede Person muss also die reelle Möglichkeit haben, als Zuhörer am Prozess teilzunehmen (BGH NStZ 1982, 476; BGH NStZ 1989, 1741; BVerfG NJW 2002, 814).

1. Sitzungssaal zu klein

Der Bundesgerichtshof stellt aber gleichwohl klar, dass die vorhandenen Kapazitäten eine natürliche Grenze des Zugangsrecht darstellen (BGH NJW 1977, 157). (Hier zeigt sich eine Parallele zum Zugangsrecht bei öffentlichen Einrichtungen im Kommunalrecht.) Das Gericht ist auch nicht gezwungen zusätzliche Kapazitäten zu schaffen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Insbesondere Sicherheitsmaßnahmen können zu einer Absenkung der Zuschauerplätze führen. Unzulässig ist es lediglich einen so kleinen Verhandlungssaal zu wählen, in welchem eine Teilnahme Dritter ausgeschlossen ist (bspw. das Richterzimmer; BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7).

Gegen diese Vorgaben verstößt das OLG München offensichtlich nicht. Hier wurde ein verhältnismäßig großer Verhandlungssaal gewählt, der insbesondere auch die erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt.

2. Vergabe der Plätze willkürlich

Hauptkritikpunkt ist freilich die Vergabe der Plätze selbst. Hier ist zwischen den Plätzen für die eigentliche Öffentlichkeit (unmittelbare Öffentlichkeit) und Journalistenplätzen (die zu einer mittelbaren Öffentlichkeit führen) zu differenzieren. Bei den Zuschauerplätzen ist eine Vorreservierung generell unzulässig (BGHSt 26, 99). Die Vergabe muss hier also zwingend an Anwesende erfolgen; einziges objektives Kriterium kann dabei der Zeitpunkt der Ankunft am Sitzzungssal sein. Zur Wahrung der Übersichtlichkeit ist es aber zulässig, Einlasskarten zu verteilen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Eine Vorabvergabe der Zuschauerplätze, aber auch die Berücksichtigung einer Quote für türkische Staatsangehörige würde damit gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen. Ebenso wäre es auch unzulässig, türkische Politiker oder Botschafter bevorzugt zu berücksichtigen.

Davon zu unterscheiden ist die Sitzplatzvergabe für Medien. Hier ist eine Reservierung eines bestimmten Pressekontingents zulässig (BGH NJW 2006, 1220; BVerfG NJW 2003, 500). Dies verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit, sofern eine ausreichende Anzahl von Plätzen auch für Nichtpressevertreter freigehalten wird. Ein besonderes Recht auf Bereitstellung von Presseplätzen besteht hingegen nicht (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 51; vgl. auch BVerfGE 50, , ; NJW 2001, ). Daraus ergibt sich auch, dass die Medien denselben Beschränkungen unterworfen sind wie einfache Zuhörer. Dies hat zur Folge, dass die Auswahlkriterien übereinstimmend gewählt werden müssen. Stets ist auch hier das Prioritätsprinzip zu wahren. Lediglich dann, wenn dessen Beachtung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, ist eine zufällige Vergabe (Losverfahren) möglich (BGH NJW 2006, 1220).

Fraglich ist allerdings, ob eine besondere Quote für ausländische Medien nicht geboten oder sogar zwingend wäre. Zwingend kann diese keinesfalls sein; das Gesetz unterscheidet nicht zwischen besonderen Arten der Öffentlichkeit; vielmehr gibt es vor, dass jeder potentielle Prozesszuschauer gleichberechtigte Chancen zum Zugang haben muss. Allerdings wäre eine Quotierung dann geboten, wenn hierdurch Ungleichheiten ausgeglichen würden. Die Anmeldung für Medien sollte hier per Mail oder Fax erfolgen. Im Gegensatz zum Postversand zeigen sich dabei keine Unterscheide zwischen in- und ausländischen Absendern. Eine Antwort binnen kurzer Zeit wäre folglich auch den türkischen Medienvertretern möglich gewesen. Es sind auch keine weiteren Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine solche Reaktionsmöglichkeit sprechen; insbesondere wird nicht behauptet, dass die Medieninformation allein in deutscher Sprache oder sehr kurzfristig erfolgt sei, sodass nichtdeutschen Medien eine Antwort faktisch unmöglich war. Aus diesem Grund scheidet eine besondere Behandlung ausländischer Medien als unzulässig aus. Gerade dies würde dem Grundsatz der Öffentlichkeit aus § 169 GVG widersprechen.

Das Gericht hat hier sachliche Kriterien angewandt, um eine gleichberechtigte Auswahl zwischen allen potentiellen Prozesszuschauern zu treffen. Eine Benachteiligung ausländischer Medien (wie bspw. bei einer Anmeldung per Post oder ausschließlich in deutscher Sprache) ist hier nicht ersichtlich. Insofern scheidet ein Verstoß gegen § 169 GVG aus.

3. Vergabe von Nachrückplätzen

Kritisiert wurde zudem, dass auch Nachrückplätze (beim Fehlen von registrierten Medien) nach dem Prioritätsprinzip vergeben werden und hierbei nicht der Wunsch des Nichterscheinenden beachtet wird. Auch dies ist aber nach dem GVG zwingend. Öffentlichkeit ist ohne Ansehung der Person herzustellen und jeder Beteiligte ist gleich zu behandeln. Wird aber die Vergabe ins Ermessen Dritter gestellt, so führt das dazu, dass gerade keine rein objektiven Kriterien mehr angewandt werden. Das Gericht hat damit keine andere Möglichkeit, als das Prioritätsprinzip strikt durchzuhalten und auch auf Nachrückplätze anzuwenden.

4. Übertragung in zusätzlichen Saal

Auf Grund der erwarteten zu geringen Kapazitäten des Sitzungssaals wird zudem gefordert, eine Übertragung für Zuschauer und Medienvertreter in einen weiteren Sitzungssaal zu ermöglichen. Klar ist nach dem oben Gesagten, dass eine solche Übertragung von § 169 S. 1 GVG keinesfalls gefordert wird (auch nicht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG BVerfG – NJW 1993, ). Vielmehr genügt es, wenn ein durch faktische Grenzen beschränkter Personenkreis die Möglichkeit zur Teilnahme hat.

Fraglich ist aber, ob ein solches Vorgehen zumindest rechtlich möglich wäre. Ein klares Meinungsbild zu dieser Frage existiert nicht. Fest steht nur, dass eine Prüfung anhand des § 169 S. 2 GVG geboten ist. Diese Vorschrift verstößt auch nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 622/99, NJW 2001, 1633). Eine Übertragung scheidet jedenfalls dann aus, wenn die Wahrheitsfindung durch eine solche Übertragung leiden würde (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33). Roxin hingegen hält eine solche Übertragung für zulässig und vergleicht sie mit der Öffnung einer Zwischentür im Sitzungssaal (Roxin, Strafverfahrensrecht § 45 A). Bedenken bezüglich einer solchen Erweiterung ergeben sich insbesondere daraus, dass das Gericht damit die Einhaltung des Veröffentlichungsverbots aus § 169 S. 2 GVG nur noch schwer überwachen kann (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33; so auch BGH DRiZ 1971, 207). Jedenfalls sind deshalb Maßnahmen vorzunehmen, um auch in dem zusätzlichen Sitzungssaal die Ordnung zu wahren, da hier das Gericht keinen unmittelbaren Einfluss mehr hat. Die Übertragung darf keinesfalls zu einer Art Kinovorführung verkommen, führte dies sonst dazu, dass der Prozess den Charakter eines Schauprozesses erhalten würde. Jedenfalls muss also gewährleistet sein, dass die Übertragung den gleichen Charakter wie der eigentliche Prozess hat – nur dann ist das Bild der sich öffnenden Schiebetür zutreffend. Dies erscheint problematisch, sodass eine solche Übertragung zumindest starken rechtlichen Bedenken unterliegt.

III. Rechtsfolgen

Sollte der Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt sein – was nach der hier vertretenen Ansicht gerade nur durch eine gesonderte Berücksichtigung nichtdeutscher Medien und möglicherweise durch eine Übertragung in andere Gerichtssäle eintreten würde – liegt ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 5 ZPO (Anm. bzw. hier § 338 Nr. 6 StPO) vor. Das Gericht ist also gut beraten, hier trotz der politischen Brisanz allein eine juristische und nüchterne Betrachtung vorzunehmen und nicht dem Druck diverser Medien nachzugeben.

IV. Fazit

Für eine mündliche Prüfung ist die gezeigte Diskussion absoluter Pflichtstoff. Aber auch darüber hinaus gehört es wohl zur juristischen Allgemeinbildung, diese Diskussion zu verfolgen. Gerade eine rein juristische Vorgehensweise könnte hier sehr nützlich sein, um etwas Feuer aus der Diskussion zu nehmen. Dies würde im Ergebnis auch dem Prozess selbst dienen, der in einer aufgeheizten Atmosphäre nur sehr schwer geführt werden und nicht zur erwünschten Aufklärung führen kann.

Statt populistische Forderungen zu stellen, wäre die Politik gut beraten, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, sondern sowohl national als auch international zu erklären, warum die Sitzplatzvergabe durch das OLG München juristisch absolut korrekt und zwingend war. Einige Politiker gehen hier bereits mit gutem Beispiel voran. Letztlich liegt der Sitzplatzvergabe durch das OLG München der Gedanke zugrunde, dass alle Personen und Medien gleich sind und damit gleich zu behandeln sind – unabhängig aus welchem Land sie stammen. Dem wird wohl niemand ernsthaft widersprechen können.

04.04.2013/53 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-04-04 15:00:452013-04-04 15:00:45Diskussion um den NSU-Prozess – Jura vs. Politik

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