Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Sebastian Knop veröffentlichen zu können. Der Autor hat in Saarbrücken und Köln studiert. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei und der Rechtsabteilung eines internationalen Prüfdienstleistungskonzerns.
Die mündliche Examensprüfung bietet dem Studenten bzw. Referendar die Möglichkeit, mit praxisrelevantem Zusatzwissen abseits des Pflichtstoffs Pluspunkte zu sammeln. Das Prüfungsgespräch läuft nämlich nicht nach einem starren Schema ab. Vielmehr liefern die Prüflinge in der Diskussion über eine abstrakte Rechtsfrage oder in der mündlichen Falllösung inhaltliche Impulse und können so das Rechtsgespräch in eine individuelle Richtung lenken. Positiv fallen hierbei auch treffende Hinweise zu alternativen Formen der Konfliktbeilegung auf, die wegen ihrer praktischen Notwendigkeit und dem Willen des Gesetzgebers einen bedeutenden Stellenwert einnehmen.
Zunächst wird das Verfahren vor den staatlichen Gerichten beleuchtet, um sich dadurch die Grundprinzipien der Konfliktlösung des Litigation-Verfahrens zu vergegenwärtigen. Anschließend wird beispielhaft auf das Schiedsverfahren und die Mediation als alternative Modelle der Konfliktbeilegung eingegangen, um deren konzeptionelle Unterschiede aufzuzeigen.
1. Das Verfahren vor den staatlichen Gerichten (Litigation)
Der Pflichtstoff der staatlichen Examensprüfungen konzentriert sich im Wesentlichen auf das Verfahren vor den staatlichen Gerichten. Der Prüfling ist aufgefordert, die jeweiligen Sachverhaltsdarstellungen mit den materiellen Rechtsnormen abzugleichen und im Einklang mit den jeweiligen Verfahrensordnungen (ZPO, VwGO, FamFG etc.) zu einem rechtlich vertretbaren Ergebnis zu gelangen.
Wird von „alternativer“ Konfliktbeilegung gesprochen, so muss es denknotwendig auch eine „konventionelle“ Form der Konfliktbeilegung geben. Das staatliche Gerichtsverfahren ist hierzu die wohl bekannteste Methode.
Gelingt es den Parteien nicht, ihre entgegenstehenden Interessen und Positionen im Konsens zu lösen, benötigen sie die Unterstützung eines Dritten. Jedem parteifähigen Rechtssubjekt steht daher der aus dem Grundgesetz abgeleitete Justizgewährleistungsanspruch zu, Art. 19 IV GG. Er gewährt Zugang zu den staatlichen Gerichten, um in angemessener Zeit effektiven Rechtsschutz zu erhalten. Der staatliche Richter übernimmt die Rolle des neutralen Dritten, um auf Grundlage der für das jeweilige Rechtsgebiet geltenden prozessualen und materiell-rechtlichen Normen eine Entscheidung des Konfliktes zu treffen.
Nach der Bewertung der zumeist gegenläufigen Parteivorträge wird durch Urteil der „richtigen“ Position der Vorrang eingeräumt. Das Verfahren vor den staatlichen Gerichten orientiert sich damit vordergründig also nicht an den Interessen, sondern an den Positionen der Parteien.
Die Rechtskraftwirkung bindet die Beteiligten an die Entscheidung des Gerichts. Die obsiegende Partei kann unter Zuhilfenahme des staatlichen Gewaltmonopols (Gerichtsvollzieher bzw. Vollstreckungsrichter) die im Vollstreckungstitel erstrittenen Ansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen und so ihre Position sichern.
2. Das Bedürfnis nach konsensorientierter Konfliktbeilegung
Das Litigation-Verfahren endet in der Regel nicht mit einer Konfliktlösung „im Konsens“, d. h. getragen von dem freien Willen der Streitparteien durch gegenseitiges Entgegenkommen. Die unterlegene Partei muss sich vielmehr der entgegenstehenden Rechtsposition beugen. Zudem ist das Erstreiten eines Anspruchs im Rahmen eines ordentlichen Gerichtsprozesses kostspielig und unter Umständen langwierig, da die Gerichte einer wachsenden Arbeitsbelastung ausgesetzt sind.
Ob dieser Defizite des staatlichen Apparats der Konfliktlösung, sind nicht nur die Parteien, sondern auch der Gesetzgeber an einer außergerichtlichen Lösung der Streitigkeiten interessiert. In der Praxis haben sich dementsprechend durch Schaffung der legislativen Rahmenbedingungen unterschiedliche Methoden „alternativer“ Konfliktbeilegung herausgebildet, wobei das Schiedsverfahren und die Mediation genauer betrachtet werden sollen.
a) Das Schiedsverfahren (Arbitration)
Schiedsgerichte, die als „Privatgerichte“ angesehen werden können, setzen sich aus einem oder mehreren Schiedsrichtern zusammen. Diese privaten Dritten können auf der Grundlage einer privatrechtlichen Vereinbarung der Streitparteien, der sogenannten Schiedsvereinbarung, die Entscheidung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten i. S. d. § 13 GVG übernehmen. Diese Entscheidung kann vor den staatlichen Gerichten nur in eigeschränktem Umfang überprüft werden, da § 1055 ZPO festlegt, dass der Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen Gerichtsurteils hat.
Vergleichbar mit der Litigation handelt es sich hierbei zwar auch um ein konfrontatives Verfahren. Allerdings besteht auf Grundlage der Privatautonomie die Möglichkeit, die Art und Weise der Streitbeilegung frei zu wählen. Im Rahmen des Schiedsverfahrens wird dementsprechend auf einen staatlichen Richter gänzlich verzichtet. Die Parteien sind selbst dazu aufgerufen, die entscheidungsbefugten Schiedsrichter frei zu bestimmen. Dieser Vorrang der Gestaltungsfreiheit kommt darin zum Ausdruck, dass die Vorschriften der §§ 1034 – 1039 ZPO zur Bildung des Schiedsgerichtes subsidiär gegenüber der Parteivereinbarung sind.
Das Verfahren bietet sich insbesondere in solchen Bereichen an, die von sehr technischer Natur sind. Dadurch können etwa im Betriebssicherheitsrecht, dem privaten Baurecht und im Prüfungsrecht überwachungsbedürftiger Anlagen Sachverständige als Schiedsrichter bestimmt werden, die die notwendigen Fachkenntnisse mitbringen, um Tatsachenfragen in kurzer Zeit zu klären. Diese sind ferner nach Maßgabe des § 1041 IV ZPO mit der Kompetenz ausgestattet, die Verfahrensregeln nach freiem Ermessen zu bestimmen, soweit keine zwingenden gesetzlichen Regelungen oder Parteivereinbarungen bestehen.
b) Das Mediationsverfahren
Am 21.07.2012 hat der Bundestag das „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren außergerichtlicher Konfliktbeilegung“ (MedG) verabschiedet, das am 26. Juli 2012 in Kraft getreten ist. Hierin wird der Begriff der Mediation legaldefiniert, § 1 I MedG. Außerdem werden die Pflichten und Aufgaben des Mediators normiert und das Grundprinzip des Schutzes der Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens gesetzlich verankert. Außerhalb des MedG hat der Gesetzgeber mit § 278 V ZPO Anreize zur einverständlichen Streitbelegung geschaffen, um die Streitkultur zu verbessern, die Konfliktlösung zu beschleunigen und staatliche Gerichte zu entlasten.
Im Gegensatz zu den bereits dargestellten Methoden, handelt es sich bei der Mediation nicht um ein konfrontatives Verfahren. Stattdessen sollen Konflikte auf freiwilliger Basis nachhaltig befriedet werden. Das gegenseitige Nachgeben steht dabei im Vordergrund. Ziel des Verfahrens ist das Finden einer Regelung, die die beiderseitigen Interessen gleichermaßen berücksichtigt und so eine win-win-Situation für alle Beteiligten schafft. Im Lichte dessen wird ein entscheidender Unterschied zur Litigation und Arbitration deutlich: Das Mediationsverfahren ist in seiner Zielsetzung zukunftsorientiert und auf eine nachhaltige Verbesserung der Situation zugeschnitten.
Die Rahmenbedingungen für die Begegnung der Streitparteien schafft der Mediator. Im Gegensatz zum staatlichen Richter oder privaten Schiedsrichter, handelt es sich hierbei um einen neutralen Dritten, der keinerlei Entscheidungsbefugnisse innehat. Er arbeitet mit den Parteien zusammen, um die rechtlichen, finanziellen und privaten Gesichtspunkte des Konfliktes zu ermitteln. Ihm obliegt die Kontrolle des Verfahrens und er eröffnet einen Dialog, innerhalb dessen die Parteien selbst eine Konfliktlösung entwickeln können.
Im Erfolgsfall endet das Mediationsverfahren mit einer rechtlich verbindlichen Einigung der Parteien. Insbesondere die Trennungs- und Scheidungsmediation hat sich seit den 70er Jahren in der Praxis bewährt und erfreut sich noch heute großer Beliebtheit.
3. Fazit
Obgleich sich die juristischen Staatsexamina nahezu ausschließlich auf den Bereich der Konfliktlösung durch staatliche Gerichte fokussieren, sollten jedem Prüfling die Grundprinzipien der außergerichtlichen Konfliktbeilegung bekannt sein.
Wer in der mündlichen Prüfungssituation die wesentlichen Unterschiede der jeweiligen Modelle aufzeigen kann, tut sich positiv hervor. Gerade im Bereich der Freiwilligkeit, der Ergebnisoffenheit sowie der Streitlösung im Konsens oder durch Konfrontation unterscheidet sich das Litigation-Verfahren deutlich von der Schiedsgerichtsbarkeit und der Mediation. Auch wenn der ordentliche Gerichtsprozess mit seiner starken Formalisierung ein wirkungsvolles Mittel zur Durchsetzung der eigenen Rechtsposition darstellt, bieten die Alternativen durch die Freiräume der Privatautonomie erhebliche Vorteile, um eine interessengerechte Lösung im Konsens herbeizuführen.
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