Erstmalig hat nun das LG Frankfurt ein Fahrverbot für einen privaten Faher, der seine Dienste über die App Uber angeboten hat, erteilt (s. https://beck-aktuell.beck.de/news/lg-frankfurt-am-main-taxifahrer-erwirkt-einstweilige-verf-gung-gegen-uber-fahrer). Auch hier handelt es sich um ein wettbewerbsrechtliches Verfahren, sodass die Ausführungen in unserem Uber-Artikel übertragbar sind.
Als kurze, schlagwortartige Zusammenfassung: Mangels erforderlichem Personenbeförderungsscheins verstoßen sowohl Uber als auch die Fahrer gegen das PBefG. Dieses stellt eine Marktverhaltensregel nach § 4 Nr. 11 UWG dar, sodass Konkurrenten diesen Verstoß vor den Zivilgerichten geltend machen können.
Dennoch empfehle ich, sich anhand des Artikels in das UWG und PBefG einzuarbeiten – gerade für eine anstehende mündliche Prüfung.
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Eine neue Episode in der rechtlichen Auseinandersetzung um die umstrittene Taxi-App Uber: Das LG Frankfurt hat den Betrieb dieser App in Deutschland per einstweiliger Verfügung gestoppt und bei Zuwiderhandlung Ordnungsgelder von bis zu 250.000€ je Einzelfall oder Ordnungshaft bis zu sechs Monate angedroht. Aufgrund der enormen Resonanz in allen Medien und den zahlreichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren (s. nur hier und hier) bietet sich dieser Sachverhalt sehr für eine Klausur oder mündliche Prüfung im juristischen Staatsexamen an.
I. Was ist Uber?
Uber ist eine Online-Plattform, über die Fahrgäste an Mietwagen mit Fahrer (Uber Black) und auch private Fahrer (Uber Pop) zur Personenbeförderung vermittelt werden. Die Vermittlung erfolgt über eine Taxi-App oder über eine Website. Uber übernimmt auch die Zahlung zwischen Gast und Fahrer, wofür es ca. 20% des Fahrtpreises berechnet. Da viele Kosten entfallen, die bei gewerblichen Personenbeförderern anfallen (Versicherungen, geeichte Fahrpreisanzeiger, Funk- und Sicherungsanlagen), sind Fahrten mit Uber (hier Uber Pop) bis zu 50% günstiger als Fahrten mit klassischen Taxidiensten. Im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung steht Uber Pop, da hier private Personen ohne Personenbeförderungsschein gegen Entgelt Fahrgäste transportieren.
II. Anwendbares Recht
Das LG Frankfurt entschied über die rechtliche Zulässigkeit der Taxi-App Uber inzident in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren nach §§ 3, 4 Nr. 11, 8, 12ff. UWG. Der Anbieter „Taxi Deutschland“, der eine Vermittlungs-App für klassische Taxifahrten in ganz Deutschland anbietet, hatte einen Antrag auf Untersagung der Vermittlungstätigkeiten Ubers per einstweiliger Verfügung beantragt, deren Erlass sich nach den §§ 935 ff. ZPO richtet.
Die internationale und örtliche Zuständigkeit des LG Frankfurts ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, § 32 ZPO, da in Frankfurt (auch) der Erfolgsort der unerlaubten Handlung (Anbieten von Fahrdiensten über die App) liegt.
Der Rechtsstreit richtet sich nach deutschem Recht, da nach Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO (außervertragliche Schuldverhältnisse), das Recht des Staates Anwendung findet, in dessen Hoheitsgebiet die unerlaubte Handlung vorgenommen wurde.
III. Prozessuale Einkleidung – UWG als Einstieg für das PBefG
Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zunächst ein Verfügungsanspruch glaubhaft zu machen. Dieser konnte sich aus einem Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel nach § 4 Nr. 11 UWG ergeben. Eine Marktverhaltensregel hat der BGH in st. Rspr. (BGH v. 2.12.2009, I ZR 152/07) definiert:
„Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die verletzte Norm muss daher jedenfalls auch die Funktion haben, gleiche Voraussetzungen für die auf einem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen. Es reicht nicht aus, dass die Vorschrift ein Verhalten betrifft, das dem Marktverhalten vorausgegangen ist oder ihm erst nachfolgt. Fällt der Gesetzesverstoß nicht mit dem Marktverhalten zusammen, ist eine zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion der verletzten Norm erforderlich.“
Zunächst müsste es sich bei Uber und Taxi Deutschland demnach um Mitbewerber auf dem Markt handeln. Beide vermitteln gegen ein Entgelt Taxifahrten, so dass gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises angeboten werden und die Parteien Wettbewerber i.S.d. UWG sind.
Doch liegt auch eine Marktverhaltensregel vor gegen die Uber durch seine Vermittlung von Taxidienstleistungen verstößt? Eine solche könnte sich aus den Vorschriften des PBefG ergeben, das Vorgaben hinsichtlich der Personenbeförderung beinhaltet. Stein des Anstoßes im Fall Uber ist insoweit § 2 PBefG, der eine Genehmigungspflicht für die entgeltliche Personenbeförderung vorsieht. Diese Genehmigungspflicht soll die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs sicherstellen (vgl. Voraussetzungen der Genehmigung, § 13 PBefG) und somit gleiche Marktbedingungen für alle Teilnehmer schaffen. Aus den Vorschriften zur Genehmigungspflicht des PBefG ist daher eine Markverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG abzuleiten (s. hierzu auch BGH v. 18. 10. 2012 – I ZR 191/11 – Taxibestellung)
IV. Verstößt Uber tatsächlich gegen das PBefG?
Über den Begriff der Marktverhaltensregel nach § 4 Nr. 11 UWG findet man also den Weg in die Vorschriften des PBefG. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, 9 Abs. 1 PBefG ist die Beförderung mit einem Personenkraftwagen genehmigungspflichtig, so dass jeder Taxifahrer vor der entgeltlichen Beförderung von Kunden eine Genehmigung einholen muss. Das klassische Taxi fällt hierbei unter den Begriff des Gelegenheitsverkehrs nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 46 PBefG. Eine Definition findet sich in § 47 PBefG:
„(1) Verkehr mit Taxen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die der Unternehmer an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt.“
Somit ist die Mitnahme nach Anruf auf der App gegen ein Entgelt grundsätzlich genehmigungspflichtig. Problematisch ist insoweit, dass die privaten Mitfahrgelegenheiten in aller Regel einen solchen Personenbeförderungsschein nicht erworben haben.
Etwas anderes könnte sich somit allein aus der Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 PBefG ergeben. Hiernach besteht keine Genehmigungspflicht, wenn die Beförderungen „unentgeltlich sind oder das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt“. Solche Fahrten sind schon gar nicht vom Anwendungsbereich und der Genehmigungspflicht des PBefG erfasst. Zwar sind die von Uber vermittelten Fahrten im Vergleich zu klassischen Taxifahrten deutlich günstiger (ca. 50%); sie sind jedoch nicht unentgeltlich und das Entgelt übersteigt die Betriebskosten typischerweise. Somit sind die von Uber vermittelten Fahrten vom Anwendungsbereich des PBefG erfasst und genehmigungspflichtig.
Uber zieht sich nun aber auf den Standpunkt zurück, dass es selbst keine Fahrdienstleistungen erbringe bzw. erbringen lasse, daher nicht Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 PBefG sei und somit auch keiner Genehmigung bedürfe. Die via App angezeigten Entgelte seien bloße Vorschläge und keine endgültige Vergütungsfestsetzung. Hiergegen wird eingewendet, dass Uber durch die Vermittlung zum Teilnehmer der von den Fahrern begangenen Verstöße wird und durch die prozentuale Beteiligung am Fahrtpreis wie ein Unternehmer auftritt. Das LG Frankfurt möchte in diesem Zusammenhang § 6 PBefG fruchtbar machen, der ein Umgehungsverbot statuiert:
„Die Verpflichtungen des Unternehmers nach diesem Gesetz werden durch rechtsgeschäftliche oder firmenrechtliche Gestaltungen oder Scheintatbestände, die zur Umgehung der Bestimmungen des Gesetzes geeignet sind, nicht berührt.“
Ob dies überzeugen kann, ist fraglich: § 6 PBefG setzt überhaupt erst eine Verpflichtung seitens des Unternehmers voraus, die durch rechtliche Gestaltungen umgangen werden sollen. Uber ist nach der Konstruktion jedoch kein Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 PBefG, sondern bloßer Vermittler. Man müsste aus § 6 PBefG also den Rechtsgedanken herauslesen, dass jede Beihilfe, Anstiftung oder sonstige Teilnahme an nicht genehmigten Taxifahrten ihrerseits verboten ist. Dies könnte man aufgrund der von Uber berechneten Provision (20% des Fahrpreises), die das einzige Ziel der Plattform ist, durchaus annehmen. Letztlich kann man so aus § 6 PBefG ein allgemeines Umgehungsverbot konstruieren.
Nimmt man dies an, verstößt Uber – mit einigem Begründungsaufwand – mit seiner bisherigen Praxis gegen das PBefG, das seinerseits Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG ist. Die bisherige Praxis von Uber ist damit sowohl nach dem PBefG als auch nach wettbewerbsrechtlichen Vorschriften unzulässig. Durch die von Uber angekündigte Fortführung des Dienstes liegt auch die nach § 8 Abs. 1 UWG notwendige Wiederholungsgefahr vor, so dass ein Verfügungsanspruch gegeben ist. Der Verfügungsgrund wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet.
V. Mitfahrzentrale.de
Immer häufiger wird gegen dieses Ergebnis eingewendet, dass andere Vermittler privater Fahrten wie Mitfahrzentrale.de nicht als rechtswidrige Umgehung des PBefG angesehen werden und rechtlich zulässig sind. Dies stehe im Widerspruch zu den Uber auferlegten Vermittlungsverboten.
Die Unterscheidung zwischen Plattformen wie Mitfahrzentrale.de und Uber ist jedoch recht einfach zu begründen: Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG ist die unentgeltliche oder lediglich die Betriebskosten deckende Mitnahme in einem Personenkraftwagen nicht vom Anwendungsbereich des PBefG erfasst, so dass keine Genehmigung erforderlich ist. Mitfahrzentrale.de vermittelt im Gegensatz zu Uber lediglich solche rein privaten ohne Gewinnabzielungsabsicht vorgenommenen Fahrten, wofür nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG gerade keine Genehmigungspflicht besteht. Soweit Privatpersonen die Plattform für kommerzielle Zwecke ausnutzen kann nur bei Duldung durch Mitfahrzentrale.de von einer Umgehung i.S.d. § 6 PBefG ausgegangen werden. Jedenfalls ist durch die Kostenfreiheit der Plattform diese nicht wie Uber bestimmunsgemäß und zielgerichtet auf den illegalen Betrieb von Taxis ausgerichtetund daher nicht von vornherein unzulässig.
VI. Fazit
Zusammenfassend gilt also: Zwar handelt Uber rechtswidrig, doch ist die Begründung rechtlich nicht so trivial wie teilweise behauptet. Vielmehr muss eine Hilfskonstruktion über § 6 PBefG helfen. Das PBefG sollte zumindest im Überblick für das Examen bekannt sein – zufällig war es auch Gegenstand meiner damaligen ÖR II-Klausur, eingebettet ebenfalls in einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (dort § 123 VwGO). Kennt man hier bereits die Grundzüge (Anwendungsbereich, Genehmigungspflicht, Voraussetzungen der Genehmigung) spart man Zeit und kommt in der Regel zu vertretbaren Ergebnissen. Der Fall Uber selbst sollte im Auge behalten werden, es ist momentan wohl das Hot Topic im Verwaltungsrecht BT.