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Schlagwortarchiv für: Manipulation

Charlotte Schippers

Rechtsprechungsübersicht Strafrecht und Strafprozessrecht 1. Halbjahr 2020

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Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung unbedingt erforderlich. Neue Urteile und Beschlüsse werden immer wieder als ein Teil der Prüfung herangezogen oder bei besonders wichtigen Entscheidungen ausdrücklich abgefragt. Der folgende Überblick soll für die examensrelevanten Entscheidungen in Strafsachen des Jahres 2020 (und Ende 2019) als Stütze dienen und Ausgangspunkt für eine tiefere Auseinandersetzung sein.
 
Strafrecht

BGH, Urt. v. 26.11.2019 – 2 StR 557/18: Strafrechtliche Verantwortlichkeit von JVA-Beamten für den Mord eines Häftlings während eines Freigangs

Zu folgendem Fall urteilte der BGH Ende letzten Jahres: T, Häftling in einer JVA, beging während eines Freigangs mehrere Straftaten, u.a. tötete er bei einer Flucht vor der Polizei, indem er mit rasanter Geschwindigkeit als „Geisterfahrer“ auf die Gegenfahrbahn fuhr, eine im Gegenverkehr befindliche junge Frau. Wegen dieser Tat wurde er wegen Mordes rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Relevant war hier nun die Strafbarkeit der zuständigen JVA-Beamten.
Die Vorinstanz hatte eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB angenommen, der BGH sprach die Beamten nun frei: In ihrer Entscheidung, den Strafgefangenen in den offenen Vollzug zu verlegen und ihm weitere Lockerungen in Form von Freigängen zu gewähren, liege keine Sorgfaltspflichtverletzung; den Beamten stehen Beurteilungsspielraum und Ermessen zu, sodass

„die getroffene Entscheidung bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen [ist]. Bei der Beurteilung der Sorgfaltswidrigkeit darf sich das Gericht weder von einer aus dem späteren Kenntnisstand rückschauenden Wertung (ex post) leiten lassen, dass sich eine Prognoseentscheidung im Ergebnis als ,falsch‘ erwiesen hat, noch seine eigene, abweichende Prognoseentscheidung als Maßstab anlegen. Maßgebend ist vielmehr die fachliche und rechtliche Vertretbarkeit der Entscheidung aus der Perspektive der Lockerungsentscheidung (ex ante). Eine im Ergebnis falsche Prognose erweist sich als pflichtwidrig, wenn die Missbrauchsgefahr aufgrund relevant unvollständiger oder unzutreffender Tatsachengrundlage oder unter nicht vertretbarer Bewertung der festgestellten Tatsachen verneint worden ist.“ (Rn. 25)

Der BGH erläutert in der Folge, die Angeklagten hätten sich aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht den Anforderungen entsprechend verhalten.
Diese examensrelevante Entscheidung hat Tobias Vogt besprochen.
 

BGH, Beschl. v. 17.12.2019 – 1 StR 364/18: Unvermeidbarer Verbotsirrtum bei Auskunft eines Rechtsanwalts und einer unzuständigen Behörde?

Mit Betäubungsmitteldelikten beschäftigte der BGH sich Ende letzten Jahres und erhielt hierbei auch die Gelegenheit, sich zu den Anforderungen an die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums zu äußern. Kurz gefasst ging es um den Apotheker A, der mit anderen zusammen einen Versandhandel mit über das Internet bestellten verschreibungspflichtigen Medikamenten, die Abhängigkeitserkrankungen verursachen können, führte. Diese wurden an Kunden aus dem Ausland, überwiegend in die USA, geliefert. Über die für die Ausfuhr nach dem BtMG erforderliche Erlaubnis verfügte keiner der Beteiligten. Rechtsanwalt R, der A an die anderen vermittelt hatte, hatte ihm mitgeteilt, das Vertriebssystem sei von weiteren Rechtsanwälten geprüft. Dazu zeigte er ihm mehrere Blätter, die er als Gutachten bezeichnete, ohne sie ihm aber zum Lesen zu überlassen. Zudem erhielt A von der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz die telefonische Auskunft, gegen den Versand von Medikamenten ins Ausland auf der Grundlage von Rezepten bestünden keine Bedenken.
Festgestellt wurde ein Verbotsirrtum gem. § 17 S. 1 StGB des A. Fraglich war nun, ob dieser vermeidbar war oder nicht. Zu den Anforderungen an die Unvermeidbarkeit führt der BGH aus:

„Unvermeidbar ist ein Verbotsirrtum erst dann, wenn der Täter alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat. Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist. Bei der Auskunftsperson ist dies der Fall, wenn sie die Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende Auskunftserteilung bietet, sie muss insbesondere sachkundig und unvoreingenommen sein und mit der Erteilung der Auskunft keinerlei Eigeninteresse verfolgen. Zudem darf der Täter nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände, insbesondere seine Verhältnisse und Persönlichkeit; daher sind zum Beispiel sein Bildungsstand, seine Erfahrung und seine berufliche Stellung zu berücksichtigen.“ (Rn. 21)

Daher ist auch der Rat eines Rechtsanwalts nicht ohne weiteres vertrauenswürdig. Der Rat muss, von notwendiger Sachkenntnis getragen, nach eingehender sorgfältiger Prüfung erfolgen. Sind die Auskünfte offenkundig mangelhaft, reicht das nicht zur Entlastung, notwendig ist bei komplexen Sachverhalten ein detailliertes, schriftliches Gutachten. Die durch R erteilten Hinweise, ohne die Möglichkeit, die Blätter durchzulesen, hätten durch A hinterfragt werden müssen, subsumiert der BGH.
Hinsichtlich der telefonischen Auskunft ist zu berücksichtigen, dass unzutreffende Auskünfte unzuständiger Behörden nur dann zur Unvermeidbarkeit des Irrtums führen können, wenn sich für den Täter die fehlende Zuständigkeit und Beurteilungskompetenz nicht aufdrängt (s. dazu BGH, Beschl. v. 2.2.2000 – 1 StR 597/99).

„Bei [A] handelt es sich um einen approbierten Apotheker mit langjähriger Berufserfahrung. Zur Ausbildung eines Apothekers gehören auch Grundkenntnisse im Betäubungsmittel- und Arzneirecht. Gerade aufgrund seiner beruflichen Stellung und der hiermit verbundenen Verpflichtungen war von [A] zu erwarten, dass ihm bekannt ist, dass der Handel mit Benzodiazepinen und NonBenzodiazepinen wegen der erhöhten Gefahr einer Abhängigkeitserkrankung bei dauerhaftem Konsum einer besonderen betäubungsmittelrechtlichen Kontrolle unterliegt und daher einer betäubungsmittelrechtlichen Erlaubnis bedarf. Jedenfalls hätte er dies bei gebotener Anstrengung von Verstand und Gewissen erkennen können. Gleichermaßen hätte er – unter Berücksichtigung seiner beruflichen Stellung und Erfahrung – erkennen können, dass er sich an das für die Erteilung von Erlaubnissen und Genehmigungen im Betäubungsmittelrecht zuständige BfArM [Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte] hätte wenden müssen.“ (Rn. 21)

Schließlich verneint der BGH, dass das BfArM ebenfalls dieselbe Auskunft gegeben hätte:

„Hat der Täter einer Erkundigungspflicht nicht genügt, so setzt die Feststellung von Vermeidbarkeit voraus, dass die Erkundigung zu einer richtigen Auskunft geführt hätte.“ (Rn. 21)

Insbesondere wegen der Ausführungen zu den Anforderungen an die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums handelt es sich hierbei somit um eine wichtige und examensrelevante Entscheidung.
 

BGH, Beschl. v. 8.1.2020 – 4 StR 548/19: Erpressung bei Nötigung zur Begehung von Eigentumsdelikten?

T brauchte dringend Geld, um sich Marihuana kaufen zu können. Deswegen bedrohte er zwei 13-jährige Jungen mit einem Messer und forderte sie auf, für ihn in der Innenstadt Wertgegenstände zu stehlen. Wie beabsichtigt, hatten die beiden Jungen Angst vor ihm und waren von dem vorgehaltenen Messer so beeindruckt, dass sie sich nicht zu widersetzen wagten. Auf dem Weg in die Innenstadt konnten sie aber weglaufen.
Der BGH beschäftigte sich mit der Strafbarkeit des T wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung gem. §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB. Die Erpressung scheitert am Vermögensnachteil der Genötigten – das abverlangte Verhalten liegt „nur“ in der Begehung strafbarer Handlungen, ein Vermögensschaden auf Seiten des Nötigungsopfers fehlt. Weiterhin wäre für eine Dreieckserpressung ein Näheverhältnis zwischen dem Genötigten und dem zu Schädigenden erforderlich, an dem es hier, wie der BGH knapp feststellt, fehlte (vgl. auch BGH,  Urt. v.  20. 4.1995 ‒ 4 StR 27/95). Somit kam hier nur eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung in zwei tateinheitlichen Fällen gem. §§ 240 Abs. 1, 2, 3, 22, 23 Abs. 1 StGB infrage.
 

BGH, Beschl. v. 22.1.2020 – 3 StR 526/19: Wohnungen i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB

Der BGH beschäftigte sich zur Klärung der Frage, ob die Wohnung eines Verstorbenen auch eine Wohnung i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist, mit folgendem (leicht abgewandeltem und gekürztem) Sachverhalt: Einbrecher E beschloss, vorrangig in die Häuser von Verstorbenen einzubrechen. Über entsprechende Todesfälle informierte er sich durch Traueranzeigen in der Tageszeitung. In der Folgezeit brach er, entsprechend seines Plans, unter Aufhebeln von Fenstern und Terassentüren in verschiedene Wohnungen von Verstorbenen ein.
In dem Beschluss bejahte der BGH, dass es sich bei den Immobilien, die noch voll eingerichtet und funktionsfähig waren, um Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB handelte mit einer lehrbuchartigen Gesetzesauslegung:

„Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift. Der Begriff „Wohnung“ bezeichnet eine für die private Lebensführung geeignete und in sich abgeschlossene Einheit von gewöhnlich mehreren Räumen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist somit der Zweck der Stätte maßgebend, nicht deren tatsächlicher Gebrauch. […].
Diese Betrachtungsweise erfährt ihre Bestätigung in der Gesetzessystematik. Das Strafgesetzbuch sieht bei Einbruchdiebstählen eine Staffelung in Deliktsschwere und Strafmaß vor, die vom besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB über den Wohnungseinbruch im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB bis zum Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nach § 244 Abs. 4 StGB reicht. Spätestens mit Einführung der letztgenannten Vorschrift im Jahr 2017 hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die (dauerhafte) Nutzung der Wohnung nicht als tatbestandliche Voraussetzung des einfachen Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verstanden wissen will. Die sprachliche Betonung dieses zusätzlichen Tatbestandsmerkmals in § 244 Abs. 4 StGB wäre sonst nicht geboten gewesen.“ (Rn. 16 f.)

Er argumentiert an dieser Stelle mit weiteren Delikten, namentlich § 123 Abs. 1 StGB, § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, die sich auch in der Klausur gut zur Begründung heranziehen lassen!

„Schließlich gebieten Sinn und Zweck der Qualifikation aus § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB die Einbeziehung von unbewohnten Immobilien, jedenfalls so lange sie nicht als Wohnstätte entwidmet sind. Die Vorschrift soll das Eigentum an höchstpersönlichen Gegenständen und die häusliche Integrität an sich schützen. Diese Rechtsgüter können auch dann verletzt sein, wenn sie neben den aktuellen Bewohnern weiteren Personen zuzuordnen sind, die einen Bezug zu den Räumlichkeiten aufweisen – etwa, weil sie sich häufig in ihnen aufhalten, weil es sich um ihr Elternhaus handelt oder weil sie in dem Haus private Gegenstände lagern.“

Somit bejahte der BGH den Wohnungseinbruchsdiebstahl.
 

OLG Hamm, Beschl. v. 7.4.2020 – 4 RVs 12/20: Verwendung einer fremden EC-Karte zum kontaktlosen Zahlen

Ein Dauerbrenner im Examen sind die EC-Karten-Fälle, sodass sich ein Blick auf die aktuelle Entscheidung des OLG Hamm zum kontaktlosen Zahlen mit einer fremden EC-Karte lohnt. Folgender Fall (leicht abgewandelt und gekürzt) wurde entschieden: T erhielt von seiner Bekannten B die auf der Straße gefundene Geldbörse des O, in der sich neben ein wenig Bargeld und diversen Papieren und Karten auch eine EC-Karte befand. Mit dieser Karte tätigte T Einkäufe, u.a. im H-Markt, durch kontaktloses Bezahlen – also Auflegen der Karte auf das Lesegerät –, die jeweils einen Wert von unter 25 Euro hatten, sodass die Eingabe der PIN nicht erforderlich war. Diese Tatsache war T bekannt und er nutzte sie bewusst aus.
Eine Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 StGB lehnte das OLG ab, denn eine Täuschung liege bei der Zahlung ohne PIN-Abfrage nicht vor. Nach lesenswerten Ausführungen zu den Elementen der kontaktlosen Zahlung, folgert das OLG:

„Vor dem Hintergrund dieser Zahlungsmodalitäten hatten die Kassenkräfte des H-Marktes vorliegend keinerlei Anlass, sich Vorstellungen über die Berechtigung des Angeklagten zur Kartenverwendung zu machen. Im Gegenteil liefen sie vielmehr Gefahr, bei positiver Kenntnis von der Nichtberechtigung wegen kollusiven Zusammenwirkens mit dem Kartenverwender ihren Zahlungsanspruch gegen die […] kartenausgebende[…] Bank zu verlieren, weshalb aus Händlersicht gerade kein Anreiz bestand, über die Berechtigung des Angeklagten nachzudenken und so womöglich bösgläubig zu werden. Auch traf den Betreiber des H-Marktes bzw. seine Kassenmitarbeiter nach den Händlerbedingungen gegenüber der […] kartenausgebende[n] Bank keine Pflicht, die Berechtigung des Angeklagten anderweitig zu überprüfen, etwa durch Ausweiskontrolle. Damit aber fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, dass der Angeklagte als Kunde seine Berechtigung zur Kartennutzung nach der Verkehrsanschauung fälschlich konkludent erklärt hätte und dass die Kassenmitarbeiter wenigstens im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins einer entsprechenden irrigen Vorstellung unterlegen wären.“ (Rn. 14)

Gleichfalls scheidet auch ein Computerbetrug nach § 263a StGB aus, insbesondere wird nicht die einzig in Betracht kommende Variante der unbefugten Verwendung von Daten erfüllt – die h.M. setzt nämlich für das Merkmal „unbefugt“ voraus, dass die Verwendung gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte. Das scheidet hier aber aus, denn geprüft werden mit dem Vorhalten der Karte vor das Lesegerät nur die Einhaltung des Verfügungsrahmens, die Nicht-Eintragung in eine Sperrdatei und das Vorliegen der Voraussetzungen für das Absehen von der starken Kundenauthentifizierung.
In Betracht zieht das OLG nach Verneinung einiger anderer Delikte schließlich noch eine Urkundenunterdrückung nach § 274 I Nr. 2 StGB: Die Verwendung der Karte im kontaktlosen Bezahlvorgang stellt eine Löschung/Veränderung beweiserheblicher Daten dar:

„Der noch bestehende Verfügungsrahmen sowie die Umstände der bisherigen Kartennutzung seit der letzten PIN-Abfrage stellen Gedankenerklärungen dar, die durch die Speicherung im Autorisierungssystem bzw. auf dem Chip der ec-Karte perpetuiert sind. Weiterhin sind diese Daten auch beweiserheblich, weil sie für die Autorisierung weiterer Bezahlvorgänge mit der ec-Karte relevant sind. Nur wenn der Verfügungsrahmen noch nicht ausgeschöpft ist und in Bezug auf die Umstände der bisherigen Kartennutzung die Voraussetzungen […] für das Absehen von der PIN-Abfrage erfüllt sind, erteilt die kartenausgebende Bank im POS-Verfahren die Autorisierung der Zahlung (ohne PIN-Abfrage). Anders als im Hinblick auf die Transaktionsdaten ist in Bezug auf den Verfügungsrahmen und die Umstände der bisherigen Kartennutzung auch die Garantiefunktion des Urkundenbegriffs erfüllt. Es ist nämlich die kartenausstellende Bank als Aussteller dieser Daten ohne Weiteres erkennbar.“ (Rn. 37)

Verwirklicht wurde darüber hinaus auch § 303a Abs. 1 StGB.
Insgesamt ist das hier also eine wichtige und examensrelevante Entscheidung, die man sich genauer anschauen sollte!
 

BGH, Beschl. v. 14.4.2020 – 5 StR 93/20: Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel in Abgrenzung zur „Mehrfachtötung“

Im April hat der BGH die Anforderungen an das Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel (speziell für den Fall naturgemäß gemeingefährlicher Mittel) konkretisiert. Folgender Sachverhalt (gekürzt) lag dem zugrunde: T zündete in dem von ihm bewohnten Zimmer im 1. OG eines Wohnkomplexes eine auf seinem Bett liegende Wolldecke an, schloss die Zimmertür und verließ das Haus. Es war ihm bewusst, dass A und B sich im 1. OG aufhielten und C sich möglicherweise im Dachgeschoss befand. Mögliche Verletzungen oder den Tod der anderen nahm T in Kauf. A entdeckte den Brand und alarmierte B und C. Sie flüchteten und alarmierten die Feuerwehr. A und C erlitten Rauchgasvergiftungen. Die Feuerwehr konnte ohne Atemschutz nur bis zur Hälfte der Holztreppe ins OG vordringen; ab dort bestand akute Lebensgefahr. Der im Zimmer des T lodernde Vollbrand konnte schließlich gelöscht werden.
Maßgeblich war zunächst die Frage, ob ein gemeingefährliches Mittel vorliegt, wobei die Tatsache, dass T den Brand in seinem Zimmer gelegt hat, die Gemeingefährlichkeit des Mittels nicht grundsätzlich ausschließt, vielmehr wohnt Handlungen wie der vorliegenden aufgrund ihrer naturgemäß fehlenden Beherrschbarkeit die Gemeingefährlichkeit bereits inne:

„Es gibt nach ihrer Eigenart grundsätzlich gemeingefährliche Mittel, bei denen allenfalls im Einzelfall die Beherrschbarkeit bejaht oder bei der speziellen Art ihrer Handhabung die Gefahr für eine Vielzahl von Menschen ausnahmsweise verneint werden kann. Dazu zählen Brandsetzungsmittel und Explosionsstoffe. Bei ihnen hat der Täter die Folgen seines Tuns typischerweise nicht in der Hand […]. An der gemeingefährlichen Verwendung fehlt es bei an sich nicht beherrschbaren Mitteln nur dann, wenn der Täter im konkreten Fall davon ausgeht, es könne dadurch nur die zur Tötung ins Auge gefasste Person getroffen werden.“ (Rn. 9)

Wichtig war außerdem die Abgrenzung zu „Mehrfachtötungen“, wobei es nach früherer Rspr. darauf ankam, ob sich die Tat trotz Einsatzes eines naturgemäß gemeingefährlichen Mittels gegen einen individualisierten Kreis von Personen richtet – dann war das Vorliegen dieses Mordmerkmals zu verneinen (s. BGH, Beschl. v. 18.7.2018 – 4 StR 170/18). Daran zweifelte der BGH aber nun:

„Es erscheint wertungswidersprüchlich, den Täter, der von vornherein eine konkrete Vielzahl von Opfern durch ein in seinem Gefahrenpotential nicht beherrschbares Mittel tötet, gegenüber demjenigen zu privilegieren, der ohne diese Konkretisierung aufgrund der Gemeingefahr des Tötungsmittels auch nicht bereits individualisierte Opfer in Kauf nimmt. Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung müsste in Fällen nicht weiterer Aufklärbarkeit der Tätervorstellung der Zweifelssatz für die Annahme sprechen, dem Täter sei es gerade auf die Tötung aller in die Gefahrenlage einbezogenen Personen angekommen. Weder die Formulierung noch der Sinn und Zweck des Mordmerkmals gebieten nach Ansicht des Senats eine solche Auslegung. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal stellt lediglich auf die vom Vorsatz umfasste Art des Tatmittels, nicht auf die Konkretisierung des Opfers in der Vorstellung des Täters ab. Die Unbestimmbarkeit des Opferkreises folgt vielmehr aus der besonderen Art des Tötungsmittels, das nach Freisetzung der in ihm ruhenden Kräfte für den Täter nicht mehr beherrschbar ist. Entscheidend muss es deshalb darauf ankommen, ob für den Angeklagten nicht mehr berechenbar ist, wie viele Menschen durch das Tatmittel verletzt und getötet werden können, weil er den Umfang der Gefährdung nicht beherrscht […]. Hat es der Täter bewusst nicht in der Hand, wie viele Menschen in den von ihm geschaffenen Gefahrenbereich geraten und durch sein Verhalten gefährdet werden, tötet er nach Ansicht des Senats auch dann mit gemeingefährlichen Mitteln, wenn er mit dem für ihn unbeherrschbaren Mittel eigentlich nur eine bestimmte Zahl konkreter Menschen töten will […].“ (Rn. 11 f.)

Im vorliegenden Fall fehlte aber sowieso die Individualisierung des Opferkreises, sodass die Frage i.E. nicht abschließend beurteilt werden musste.
Für weitere Details sei auf die ausführliche Besprechung von Melanie Jänsch verwiesen.
 

BGH, Beschl. vom 19.5.2020 – 4 StR 140/20: Habgier bei angestrebter staatlicher Versorgung in einer JVA?

Einen versuchten Mord aus Habgier nahm der BGH in vorliegendem Fall an: Der vermögenslose und nicht krankenversicherte A nahm sich vor, eine schwere Straftat begehen, um langfristig Unterkunft, Verpflegung und Krankenversorgung in einer JVA zu erhalten. In dieser Absicht fuhr er mit seinem Fahrzeug mit mindestens 80 km/h gezielt von hinten auf den auf einem Fahrradweg radelnden B auf. A wollte ihn erheblich verletzen. Zudem hielt er den Eintritt seines Todes ernsthaft für möglich und nahm ihn billigend in Kauf. B wurde von seinem Fahrrad geschleudert und erlitt durch den Aufprall und den Sturz schwere Verletzungen.
Zur Erinnerung:

„Habgier bedeutet ein Streben nach materiellen Gütern oder Vorteilen, das in seiner Hemmungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit das erträgliche Maß weit übersteigt und das in der Regel durch eine ungehemmte triebhafte Eigensucht bestimmt ist. Voraussetzung hierfür ist, dass sich das Vermögen des Täters ‒ objektiv oder zumindest nach seiner Vorstellung ‒ durch den Tod des Opfers unmittelbar vermehrt oder dass durch die Tat jedenfalls eine sonst nicht vorhandene Aussicht auf eine Vermögensvermehrung entsteht.“ (2. a))

A wollte nun durch seine Tat lediglich eine langfristige Versorgung durch eine staatliche Einrichtung und dadurch eben auch eine Verbesserung seiner Vermögenslage i.S.e. rücksichtslosen Gewinnstrebens erreichen. Dass sich hiermit eine Begehung aus Habgier begründen lässt, wird auch nicht durch die Nachteile der Inhaftierung widerlegt, da diese für A nicht maßgeblich waren und er vornehmlich aufgrund der Vermögensvorteile handelte. Weiter begründet der BGH das Mordmerkmal der Habgier:

„Für die Annahme einer Tötung aus Habgier ist ferner unerheblich, dass der erstrebte Vermögensvorteil nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Opfers stammen sollte. Ebenso steht einem Mordversuch aus Habgier nicht entgegen, dass der Angeklagte eine staatliche Versorgung auch auf legale Weise durch Beantragung von Sozialleistungen hätte erreichen können. Einen funktionalen Zusammenhang zwischen Tötung und Vermögensvermehrung in dem Sinne, dass der Angriff auf das Leben aus Sicht des Täters unerlässliches Mittel zur Zielerreichung ist, setzt das Mordmerkmal nicht voraus; entscheidend ist vielmehr die Motivation des Täters.“ (2. b)).

 

BGH, Beschl. v. 19.5.2020 – 6 StR 85/20: Erpresste Bankkarte und leeres Bankkonto

Der BGH traf ebenfalls am 19. Mai dieses Jahres einen Beschluss, wobei er die Anforderungen an einen Vermögensnachteil i.S.d. § 253 StGB darstellte. Der Sachverhalt ist schnell erzählt: T bedrohte O mit einer Schreckschusspistole und forderte ihn auf, am Automaten Geld abzuheben. Das gelang O aber nicht, da sein Konto nicht ausreichend gedeckt war. Daraufhin zwang T ihn unter Drohung mit der Waffe zur Aushändigung der EC-Karte und der PIN. Eine Strafbarkeit wegen Erpressung scheitert aber am Vermögensschaden:

„Zwar ist der Nachteil für das Vermögen i.S. des § 253 StGB gleichbedeutend mit der Vermögensbeschädigung beim Betrug, so dass auch schon eine bloße Vermögensgefährdung einen Vermögensnachteil darstellt. Dabei kommt es aber entscheidend darauf an, ob im Einzelfall durch die Verfügung das Vermögen konkret gefährdet, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist. Durch die Kenntnis der geheimen Zugangsdaten zu einem Bankkonto ist das Vermögen des Opfers grundsätzlich beeinträchtigt, wenn sich der Täter zudem im Besitz der zugehörigen Bankkarte befindet und ihm deshalb die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten gegenüber der die Karte akzeptierenden Bank eröffnet ist.“ (Rn. 4)

Das setzt aber voraus, dass tatsächlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen ist, was hier jedoch mangels Deckung des Kontos nicht der Fall ist.
Auch hierbei handelt es sich also um eine Entscheidung, die man sich in Anbetracht der Examensrelevanz der einschlägigen Delikte zu Gemüte führen sollte.
 

BGH, Beschl. v. 23.6.2020 – 5 StR 164/20: Mehrfacher Einsatz einer fremden EC-Karte an demselben Geldautomaten

Noch ein EC-Karten-Fall hat den BGH diesen Juni beschäftigt, in konkurrenzrechtlicher Hinsicht: T erlangte EC-Karte und PIN des O. Daraufhin hob er an einem Geldautomaten der örtlichen Sparkasse zunächst 400 € und etwa eine Minute später weitere 600 € ab.

„Bei mehrfachem unberechtigtem Einsatz einer fremden ec-Karte an demselben Geldautomaten innerhalb kürzester Zeit – mit von vornherein auf die Erlangung einer möglichst großen Bargeldsumme gerichtetem Vorsatz – stellen die einzelnen Zugriffe eine einheitliche Tat nach § 263a StGB im materiellrechtlichen Sinne dar.“ (Rn. 3)

 
Strafprozessrecht

BGH, Beschl. v. 11.3.2020 – 4 StR 307/19: Kein Strafklageverbrauch durch Einstellung durch die Staatsanwaltschaft gem. § 153 Abs. 1 StPO

In einem Beschluss dieses Jahr stellte der BGH klar, dass eine Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1 StPO ohne Zustimmung des Gerichts kein Verfahrenshindernis begründet und der Aburteilung der Tat daher nicht entgegensteht, es kommt nicht mal ein begrenzter Strafklageverbrauch infrage. Das ist insofern anders als bei einer gerichtlichen Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 2 StPO, nach der eine Verfahrensfortführung nur unter den Voraussetzungen des § 153a Abs. 1 S. 5 StPO möglich ist.

„Denn anders als bei einem gerichtlichen Beschluss nach § 153 Abs. 2 StPO, der auf der Grundlage einer auch für ein Urteil ausreichenden Sachverhaltsaufklärung ergehen kann, handelt es sich bei der staatsanwaltschaftlichen Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO strukturell um eine Entscheidung, der unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensschutzes nicht die einem Urteilsverfahren ähnliche Verlässlichkeit zuzumessen ist. […] Da die Staatsanwaltschaft die von ihr […] verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens auf neue Erkenntnisse und Tatsachen, die den Verdacht einer vorsätzlichen Tatbegehung begründeten, gestützt hat, liegt auch kein Verstoß gegen das Willkürverbot vor.“ (Rn. 4)

Alles in allem also eine Entscheidung, die sich gut in einer StPO-Zusatzfrage z.B. abfragen lässt, da man hier gut den Vergleich der Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO und der nach Abs. 2 ziehen kann.
 

BGH, Beschl. v. 27.5.2020 – 5 StR 166/20: Entzug des letzten Wortes bei Missbrauch

Kurz gehalten ist der Beschluss des BGH zu dem Fall, dass der Angeklagte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte, weil ihm nicht ausreichend Gelegenheit zum letzten Wort (§ 258 StPO) gegeben worden sei, als ihm nach fünf Tagen das Wort entzogen wurde:

„Nach zehn Tagen Beweisaufnahme konnte er fünf Tage lang Ausführungen zu seiner Verteidigung machen. Dass er durch die Vorsitzende dabei 31 mal darauf hingewiesen wurde, dass seine Ausführungen Wiederholungen und Weitschweifigkeiten enthalten, und ihm schließlich eine Frist zur Beendigung seiner Ausführungen gesetzt wurde, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Denn ein Vorsitzender darf nach § 238 Abs. 1 StPO einschreiten, wenn sich die Ausführungen des Angeklagten in seinem letzten Wort mit nicht zur Sache gehörenden Umständen befassen, fortwährende Wiederholungen oder andere unnütze Weitschweifigkeiten enthalten oder sonst einen Missbrauch seines letzten Wortes darstellen. Nach mehrmaligen erfolglosen Ermahnungen ist auch der Entzug des letzten Wortes möglich.“ (Rn. 7)

 

Weitere Beiträge

Folgende Beiträge beschäftigen sich nicht mit Entscheidungen aus dem hier betrachteten Zeitraum, sind aber dieses Jahr erschienen und behandeln Examensrelevantes:
 
Unsere ausführliche Besprechung des Beschlusses des OLG Karlsruhe vom 13.3.2019 (1 Rv 3 Ss 691/18) zur Manipulation von Warenetiketten, wobei das Gericht über einen examensrelevanten Fall entschied, der sich im Kontext der Vermögens- und auch Urkundendelikte bewegt: Der Täter tauschte zwei Warenetiketten aus und zahlte an der Kasse in der Folge einen „falschen“ geringeren Preis, was der Kassiererin nicht auffiel. Er machte sich dadurch strafbar wegen Betrugs, woran sich im Hinblick auf den Vermögensschaden auch nichts dadurch ändert, dass er von einer Ladendetektivin beobachtet und vor Verlassen des Ladens aufgehalten wurde:

„Dass der von dem Täter erstrebte Vermögensvorteil erlangt oder auch nur erreichbar ist, ist hingegen wegen der überschießenden Innentendenz zur Tatbestandsvollendung nicht erforderlich. Danach ist erst recht dann von Vollendung auszugehen, wenn der Täter die rechtswidrig erstrebte Vermögensposition – wie hier Eigentum und Besitz an der Schlauchtrommel – bereits erlangt hat, diese aber noch nicht gegen die unmittelbar drohende Erhebung berechtigter Rückgabeansprüche des Geschädigten sichern konnte, weil er sich noch in dessen Herrschaftsbereich aufhält und seine Tat von einem im Auftrag des Geschädigten handelnden, eingriffsbereiten Dritten beobachtet wurde.“ (Rn. 22)

Eine Urkundenunterdrückung hat der Täter ebenfalls verwirklicht, denn das Etikett i.V.m. der Ware stellt eine zusammengesetzte Urkunde dar, die durch das Abreißen des Etiketts, um das Austauschen zu ermöglichen, vernichtet wurde. Eine Urkundenfälschung kam im konkreten Fall aber nicht in Betracht.
 
Der Beitrag von Dr. Lorenz Bode, in dem er klausurtaktische Hinweise zu dem Beschluss des BGH vom 6.6.2019 (STB 14/19) zu Beweisverwertungsverboten und Widerspruchslösung gibt. Hier wurde die Pflicht, dass Beweisverwertungsverbote im Ermittlungsverfahren „unabhängig von einem Widerspruch des Beschuldigten von Amts wegen zu beachten“ sind, „auch wenn der zugrundeliegende Verfahrensmangel eine für ihn disponible Vorschrift betrifft“, festgeschrieben.
 
Keine Gerichtsentscheidung, aber eine brandaktuelle Frage wird im Beitrag von Tobias Vogt behandelt: Es geht um die Strafbarkeit durch Ansteckung mit dem Coronavirus, die im Kontext einer Anzeige gegen eine Strafrichter wegen versuchter Körperverletzung, nachdem dieser auf die Durchführung einer Gerichtsverhandlung bestand, auch im Grundsatz betrachtet wird. Hierbei kommt die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung, §§ 223, 224 StGB, in Betracht, die aber wohl häufig am fehlenden Vorsatz scheitern wird. Dann ist aber an eine fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB, denkbar. Bei tödlichem Verlauf ist natürlich an die Tötungsdelikte zu denken, auch ist immer der Versuch zu berücksichtigen.

03.08.2020/1 Kommentar/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2020-08-03 08:16:002020-08-03 08:16:00Rechtsprechungsübersicht Strafrecht und Strafprozessrecht 1. Halbjahr 2020
Charlotte Schippers

OLG Karlsruhe zur Manipulation von Warenetiketten

Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht

Im Strafecht sind besonders Vermögens-, aber auch Urkundendelikte examensrelevant. Ein klassischer Fall ist in diesem Kontext der Austausch von Warenetiketten bzw. Strichcodes, wie er dem vorliegenden Beschluss des OLG Karlsruhe vom 13.3.2019 (1 Rv 3 Ss 691/18) zugrunde lag. Hierbei geht es maßgeblich um eine Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 Abs. 1 StGB sowie wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Diese Straftatbestände sollten unbedingt für das Examen beherrscht werden.
 
 I. Sachverhalt (leicht abgewandelt und gekürzt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: T nahm im Baumarkt eine Gartenschlauch-Anschlussgarnitur zum Preis von 14,50 € aus der Auslage. Auf dem zugehörigen Karton befand sich u.a. die für die Anschlussgarnitur ausgegebene European Article Number (EAN) bzw. Global Trade Item Number (GTIN-13) mit zugehörigem Strichcode, die zur Feststellung der Artikel- und Preisinformationen dient. Diese Garnitur brachte er mittels der für den Betrieb des Schlauchs vorgesehenen Steckvorrichtung an einer Schlauchtrommel zum Verkaufspreis von 54,95 € an. T riss das an der Schlauchtrommel angeklebte Etikett mit EAN und Strichcode ab, sodass auf dem Karton nur EAN und Strichcode der günstigeren Anschlussgarnitur angebracht waren. Mit der so manipulierten Ware begab er sich zur Kasse und legte die Schlauchtrommel mit dem Anschlussstück der Kassiererin K in der Absicht vor, diese über den wahren Kaufpreis zu täuschen. K scannte die auf der Kartonverpackung der Anschlussgarnitur aufgedruckte EAN in den Kassencomputer ein. Sie machte sich hierüber keine weiteren Gedanken, fragte T aber, ob der Preis „richtig“ sei, was er bejahte. Nach Zahlung der 14,50 € wollte T den Markt verlassen, wurde aber direkt hinter der Kasse von einer Ladendetektivin aufgehalten, die ihn von Anfang an beobachtet hatte.
 
II. Rechtliche Ausführungen
1. Zunächst kommt eine Strafbarkeit des T wegen Betrugs gem. § 263 Abs. 1 StGB infrage:
a) Das Vorlegen der manipulierten Schlauchtrommel zur Bezahlung an der Kasse beinhaltet eine konkludente Täuschung über den Preis für die Ware. Dies wurde weiterhin durch die bewusst wahrheitswidrige Erklärung, die T auf Nachfrage von K abgab, es handle sich um den „richtigen“ Preis, bestätigt.
b) Hierdurch sollte bei K eine Fehlvorstellung, also ein Irrtum, über den Preis hervorgerufen werden. Hier beschäftigte sich das OLG kurz mit der Aussage der K, sie habe sich keine weiteren Gedanken über den Preis gemacht. Denn dies könne darauf schließen lassen, dass die konkrete Fehlvorstellung fehle und K möglicherweise gar keine Vorstellung über den Preis habe. Allerdings lasse die Frage nach der Richtigkeit des Preises und die Aushändigung erst nach der Bestätigung durch T darauf schließen,

„[…] dass [K] […] – auch wenn sie sich üblicherweise keine Gedanken über die Richtigkeit der Preise der ihr zur Bezahlung vorgelegten Ware machte – jedenfalls im vorliegenden Einzelfall der positiven Fehlvorstellung unterlag, der Preis für Schlauchtrommel und Anschlussschlauch betrage lediglich 14,50 €“. (Rn. 18)

c) In Abgrenzung zum Diebstahl liegt hier infolge des Irrtums eine freiwillige Gewahrsamsübertragung von K an T vor, also eine Vermögensverfügung. Der Verfügungswille war auf die Schlauchtrommel konkretisiert.
d) Diese Vermögensverfügung führte auch zu einem Vermögensschaden: Ohne den Kaufpreis für die Ware zu bekommen, also ohne dass die Vermögensminderung kompensiert wurde, hatte K gem. § 929 S. 1 BGB das Eigentum an der Schlauchtrommel durch Übergabe und konkludente Einigung über den Eigentumswechsel an T übertragen.
e) Zu beachten ist noch, dass T durch die Ladendetektivin beobachtet und nach Abschluss des Bezahlvorgangs gestellt wurde. Das steht einer Vollendung des Betrugs aber nicht entgegen, denn der Vermögensschaden, der unmittelbar aus der Vermögensverfügung resultiert, ist zumindest teilweise eingetreten.

„Dass der von dem Täter erstrebte Vermögensvorteil erlangt oder auch nur erreichbar ist, ist hingegen wegen der überschießenden Innentendenz zur Tatbestandsvollendung nicht erforderlich. Danach ist erst recht dann von Vollendung auszugehen, wenn der Täter die rechtswidrig erstrebte Vermögensposition – wie hier Eigentum und Besitz an der Schlauchtrommel – bereits erlangt hat, diese aber noch nicht gegen die unmittelbar drohende Erhebung berechtigter Rückgabeansprüche des Geschädigten sichern konnte, weil er sich noch in dessen Herrschaftsbereich aufhält und seine Tat von einem im Auftrag des Geschädigten handelnden, eingriffsbereiten Dritten beobachtet wurde.“ (Rn. 22)

Daher ist T wegen Betruges strafbar.
 
2. Darüber hinaus kommt eine Strafbarkeit des T wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht.
a) Schwerpunkt ist die Überlegung, ob das Etikett zusammen mit der Schlauchtrommel eine zusammengesetzte Urkunde ist. Zur Erinnerung: Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die ihren Aussteller erkennen lässt und zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist. So können auch mit einer Sache fest verbundene Zeichen Urkundenqualität aufweisen, so z.B. Nummernschilder an Autos.
Die mit der Ware fest verbundene EAN ist eine verkörperte Gedankenerklärung. Denn: Diese Nummer ermöglicht es, jedes Produkt weltweit zu identifizieren. Darüber hinaus kann mit der Nummer auf Produktinformationen zugegriffen werden, insbesondere den Preis der Ware, wofür lediglich der Strichcode eingescannt werden muss. Dieser hat selbst keinen eigenständigen Erklärungswert, sondern dient nur als für den Scanner lesbare Darstellung der Nummer. Die Tatsache, dass die Nummer dazu dient, die Ware zu identifizieren, ist auch allgemein bekannt. Das OLG führt hierzu aus:

„Die GTIN-13 dient danach nicht nur zur Unterscheidung und Erfassung verschiedener Produkte in der Sphäre eines Herstellers oder Händlers. Aufgrund der Bedeutung, welche sie insbesondere durch ihre massenhafte Verwendung bei der Abwicklung von Kaufgeschäften zwischen Einzelhändlern und Verbrauchern, wenn auch nicht durch Rechtsvorschriften, so aber doch durch entsprechende Übung erlangt hat, fungiert die GTIN-13 in ihrer festen Verbindung mit einer Ware vielmehr auch im Rechtsverkehr als Identitätsnachweis eines Produkts. Die Beweiserheblichkeit dieses Identitätsnachweises zeigt sich insbesondere daran, dass Einzelhandel und Verbraucher sich bei der Ermittlung des Preises für eine Ware während des Bezahlvorgangs an der Kasse gleichermaßen auf die Richtigkeit dieses Identitätsausweises verlassen. Auch bei der Frage, ob es sich bei einem bestimmten Produkt um eine Fälschung oder ein Original handelt, kann der mit einem Produkt fest verbundenen GTIN-13, die aussagt, dass das fragliche Produkt von einem bestimmten, aus der Basisnummer ersichtlichen Hersteller gefertigt und als nach seiner Gattung weltweit einzigartiges Produkt in den Verkehr gebracht wurde, Beweisbedeutung zukommen.“ (Rn. 28)

Folglich verkörpere die mit einem bestimmten Produkt fest verbundene GTIN-13 die Erklärung des Herstellers, dass die Nummer dem jeweiligen Produkt zur Identifizierung im Handelsverkehr zugeordnet ist.

„Beweisrechtliche Relevanz erlangt dieser Umstand insbesondere in Fallkonstellationen wie der vorliegenden, in der sie an der Kasse eines Einzelhandelsgeschäfts nach der Verkehrsübung zur verlässlichen Ermittlung des Preises herangezogen wird, zum dem der Einzelhändler die jeweilige Ware zum Verkauf anbietet.“ (Rn. 28)

Der Aussteller muss nach außen erkennbar sein. Hierbei ist ausreichend, dass er sich aus dem Inhalt ergibt, was hinsichtlich der GTIN-13 der Fall ist: Das Unternehmen, das die GTIN-13 vergeben hat, kann durch die Nummer identifiziert werden.
Des Weiteren ist eine feste Verbindung zwischen Etikett und Ware erforderlich. Weil das Etikett hier so fest mit der Schlauchtrommel verbunden war, dass es abgerissen werden musste, ist auch diese Voraussetzung gegeben.
Mithin liegt eine zusammengesetzte Urkunde vor.
b) Die Urkunde gehörte auch nicht dem T. Er hob durch das Abreißen die Gebrauchsfähigkeit dieser Urkunde und damit ihre Beweisfunktion auf: Der gedankliche Inhalt wurde völlig beseitigt, die Urkunde daher i.S.v. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB vernichtet.
Im Ergebnis hat T sich, da auch der subjektive Tatbestand verwirklicht wurde, wegen Urkundenunterdrückung strafbar gemacht.
 
3. Eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB scheidet aus:

„Zwar können zusammengesetzte Urkunden auch durch Auswechseln ihres Bezugsobjekts verfälscht werden. Dies setzt jedoch voraus, dass auch die neue in der Verbindung von Bezugsobjekt und Beweiszeichen liegende Gedankenerklärung den Anschein erweckt, sie rühre unverändert von dem ursprünglichen Aussteller her. Auch bei der neu zusammengesetzten Urkunde muss daher eine feste und dauerhafte, wenn auch nicht untrennbare Verbindung zwischen Beweiszeichen und Bezugsobjekt zu einer Beweiseinheit bestehen.“ (Rn. 36)

Das ist hier mit dem Anbringen des Anschlussschlauchs auf die Steckvorrichtung, wodurch keine ausreichend feste Verbindung zwischen Umkarton und Schlauchtrommel erzeugt wird, gerade nicht der Fall. Ein Bedürfnis, den Tatbestand der Urkundenfälschung insoweit auszudehnen, besteht mangels Strafbarkeitslücken ebenfalls nicht.
 
4. Herauszustellen ist schließlich noch, dass Betrug und Urkundenunterdrückung in Tateinheit gem. § 52 StGB stehen:

„Denn beide Gesetzesverletzungen beruhten nicht nur auf demselben Tatentschluss, sie standen auch in einem engen räumlichen und zeitlichen sowie finalen Zusammenhang, weil das Zerstören der zusammengesetzten Urkunde nach dem Tatplan des [T] der Vorbereitung der Täuschungshandlung dienen sollte. Gesetzeskonkurrenz liegt nicht vor, weil § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 263 StGB verschiedene Rechtsgüter schützen.“ (Rn. 35)

 
III. Summa
Festzuhalten bleibt, dass es sich hiermit um einen spannenden und examensrelevanten Fall handelt. Vermögensdelikte stehen häufig im Zentrum strafrechtlicher Examensklausuren, ebenso die Urkundendelikte. Gerade die Überlegungen zur zusammengesetzten Urkunde bilden in Fällen wie hier den Schwerpunkt. Diesen Beschluss jedenfalls sollte man kennen.

12.02.2020/1 Kommentar/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2020-02-12 09:31:062020-02-12 09:31:06OLG Karlsruhe zur Manipulation von Warenetiketten
Gastautor

BGH: Neues zu Ebay: Von Abbruchjägern und Preismanipulationen

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Verkaufs- und Auktionsplattformen im Internet sind beliebte Prüfungsaufhänger in Examensklausuren, weil hier Standardprobleme, wie zum Beispiel das Zustandekommen eines Vertrages in einem anderen Gewand auftreten und den Examenskandidaten daher mehr Argumentationsvermögen abverlangen. Gestern, am 24.08.2016, hat der BGH gleich zwei unter Käufern und Verkäufern bei eBay-Auktionen gängigen Methoden, dem Spekulieren auf den Auktionsabbruch und der Manipulation durch Eigengebote, eine klare Absage erteilt (Az. VIII ZR 182/15 und VIII ZR 100/15). Garniert wird das Ganze noch von weiteren Klassikern wie der gewillkürten Prozessstandschaft und dem Rechtsmissbrauch. Für denjenigen, der regelmäßig solche Plattformen nutzt, sind diese beiden Entscheidungen also gleich in mehrfacher Hinsicht interessant.
I. Keine Prozessführungsbefugnis für sog. „Abbruchjäger“
1. Was war passiert?
In dem Sachverhalt, welcher dem ersten Urteil zugrunde liegt (BGH v. 24.08.2016 – VIII ZR 100/15) hatte der Kläger, der Sohn des Verwalters einer GbR, mit deren Zustimmung ein eBay-Nutzerkonto in deren Namen eröffnet und daraufhin für ein gebrauchtes Motorrad, welches mit dem Startpreis 1€ angeboten wurde ein Maximalgebot von 1.234,57 € abgegeben. Die Auktion wurde allerdings schon am ersten Tag durch den Beklagten abgebrochen, weil dieser das Motorrad falsch beschrieben hatte, im Anschluss bot er es aber mit den richtigen Angaben erneut an. Der Kläger, der der einzige Bieter geblieben war, verlangte aber erst ein halbes Jahr später Erfüllung des Kaufvertrages gegen Zahlung von 1 €. Als er erfuhr, dass das Motorrad bereits veräußert war, forderte er stattdessen 4.899 € Schadensersatz von dem Beklagten ein, wobei die GbR ihm bereits vor Klagezustellung sämtliche Ansprüche unentgeltlich abgetreten hatte.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts
Während die Klage in der ersten Instanz noch teilweise vom Erfolg gekrönt wurde, wies das Berufungsgericht (LG Görlitz v. 29.07.2015 – 2 S 213/14) das Klägerverlangen bereits als rechtsmissbräuchlich zurück, denn: der Kläger war kein Unbekannter. Bereits zuvor hatte er unter mehreren Benutzerkonten bei verschiedenen Auktionen zahlreiche Gebote im insgesamt sechsstelligen Bereich abgegeben.  In vier Fällen, in denen die Auktion vorzeitig abgebrochen wurde, hatte er den Anbieter anschließend verklagt. Im vorliegenden Fall hatte er zudem erst nach längerer Zeit, nämlich sechs Monaten Klage erhoben, sodass mit dem anderweitigen Verkauf zu rechnen war. Der Kläger sei also das, was man unter einem sog. „Abbruchjäger“ versteht, jemand der bewusst Angebote abgibt, um bei einem Auktionsabbruch Schadensersatz einklagen zu können.
3. BGH: Klage sogar unzulässig!
Der BGH setzt die Erfolglosigkeit des Klägerbegehrens aber noch an einem früheren Punkt an: Die Klage sei bereits mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig. Es handele sich im vorliegenden Fall um eine gewillkürte Prozessstandschaft, sodass die bloße Ermächtigung zur Prozessführung nicht ausreiche, sondern der Kläger vielmehr ein eigenes schutzwürdiges Interesse geltend machen müsse, welches auch wirtschaftlicher Natur sein könne (vgl. BGH v. 21.4.2016 – I ZR 43/14). Ein solches liege hier aber nicht vor, da dem Kläger der Anspruch unentgeltlich abgetreten wurde.
4. Vorgehen in der Klausur
In einer Examensklausur ist zum einen denkbar, dass gleich nach den Erfolgsaussichten einer Klage gefragt wird. Diese würde mit der Begründung des BGH bereits in der Zulässigkeit scheitern. Gibt die Klausur sonst nichts her, wird das Hilfsgutachten unvermeidlich. Ebenso gut und auch etwas prüflingsfreundlicher lässt sich aber auch zunächst nach dem materiellen Bestehen des Anspruchs fragen, um danach in einer prozessualen Zusatzfrage nach der Zulässigkeit zu fragen.
Wichtig ist in beiden Fällen die saubere Prüfung der Voraussetzungen der gewillkürten Prozesstandschaft, also die Zustimmung des Rechtsträgers (§ 185 Abs. 1 BGB analog) und das Vorliegen eines eigenen, schutzwürdigen Interesses des Prozessstandschafters. Typische Beispiele für letzteres sind z.B. die Sicherungsabtretung und die Drittschadensliquidation. Auf der materiellen Seite beim Vertragsschluss auf die Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB durch den späteren Kläger einzugehen, sowie auf die Besonderheiten bei eBay-Auktionen (dazu mehr im nächsten Fall). Trotz des Abbruchs ist ein wirksamer Kaufvertrag zu bejahen, der auch weder durch eventuelle Anfechtung, noch durch Widerruf beseitigt werden kann (siehe dazu unseren Beitrag).Bei vermutetem Vertretenmüssen kann ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung also grundsätzlich bejaht werden. Er scheitert dann aber schließlich an der im Rahmen von § 242 BGB anerkannten Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs.
II. Schadensersatzpflicht bei „Shill-Bidding“
1. Was war passiert?
Im zweiten Fall (BGH v. 24.08.2016 – VIII ZR 100/15) ging es ebenfalls um ein Gebrauchtfahrzeug, den der Beklagte auch zu einem Startpreis von 1 € angeboten hatte. Der Kläger nahm an der Auktion teil, wurde aber immer wieder vom Beklagten, der noch ein zweites Benutzerkonto nutzte, überboten (sog. Shill-Bidding), bis am Ende der Beklagte selbst die Auktion mit einem Gebot von 17.000 € „gewann“. Der Kläger verlangte im Anschluss Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs gegen Zahlung von 1,50 € (1 € hatte der einzige weitere Fremdbieter geboten, sodass das nächsthöhere Gebot des Klägers, welches ohne die Eigengebote des Beklagten das Höchstgebot gewesen wäre, 1,50 € betrug). Auch hier war das Fahrzeug bereits verkauft, sodass der Kläger Schadensersatz verlangte.
2. Die Entscheidung
Vor dem Landgericht hatte der Kläger mit diesem Begehren auch Erfolg. Das Berufungsgericht hingegen war der Ansicht, das letzte Angebot des Klägers sei für das Zustandekommen des Kaufvertrags entscheidend. Das letzte Gebot habe den Wert des Fahrzeugs überstiegen, sodass dem Kläger durch die Nichterfüllung gerade kein Schaden entstanden sei.
Der BGH aber schloss sich der Entscheidung erster Instanz an: Bei einer Internet-Auktion kommt der Vertrag nicht gem. § 156 BGB nach den Regeln der Versteigerung zustande, sondern ganz klassisch nach §§ 145 ff. BGB. Der Wortlaut von § 145 BGB setzt aber bereits voraus, dass das Angebot gegenüber einem „anderen“ abgegeben wird. Die Eigengebote des Beklagten erfolgten aber gegenüber ihm selbst, sie waren folglich unwirksam. Zwar habe auch der Kläger immer wieder höhere Gebote abgegeben, der Erklärungswert dieser Gebote sei aber so auszulegen, dass immer nur der nächsthöhere Betrag geboten werden solle. Das einzige andere wirksame Gebot war allerdings das des einzigen weiteren Fremdbieters mit 1 €, somit war das nächsthöhere Gebot des Klägers mit 1,50 € das Höchstgebot.
Der niedrige Preis begründe auch keine Sittenwidrigkeit, denn das Erlangen eines „Schnäppchens“ sei bei Internet-Auktionen gerade immanent, zumal im konkreten Fall die Manipulationen des Beklagten bei der Preisgestaltung eine vordergründige Rolle spielten.
III. Fazit
Zwei Entscheidungen zum Thema Internet-Auktion an einem Tag – das fällt jedem Prüfer, der auf den Nachrichtenseiten der gängigen juristischen Datenbanken nach Inspiration sucht, ins Auge. Das Thema Internetauktion an sich ist zwar nicht mehr neu, dennoch zeigen die beiden Entscheidungen, dass es nach wie vor erhebliches Problempotential bietet, sowohl auf materieller, als auch prozessualer Ebene. Gerade derjenige, der die oft unbeliebten ZPO-Zusatzfragen souverän beantworten kann, hebt sich positiv ab.
Autorin des Beitrags ist Sabine Vianden aus Bonn. Sabine hat nach Ihrem erfolgreichen Ersten Staatsexamen im Sommer 2016 den Schwerpunktbereich beendet und bereitet sich aktuell auf Ihre Promotion vor.

25.08.2016/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2016-08-25 14:45:292016-08-25 14:45:29BGH: Neues zu Ebay: Von Abbruchjägern und Preismanipulationen
Gastautor

Klausurrelevante Probleme: Manipulation von Organtransplantationsunterlagen

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Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Sina Nienhaus veröffentlichen zu können. Anhand eines Beispielsfalls analysiert sie die klausurrelevanten Probleme des „Organspende-Skandals“. Der Sachverhalt eignet sich aufgrund der vielfältigen Probleme aus dem Allgemeinen Teil sowie der Kombination mit den Urkundendelikten vortrefflich als Gegenstand einer Klausur oder mündlichen Examensprüfung.
A. Sachverhalt
Die Zuweisung von Organen erfolgt nach § 12 Transplantationsgesetz (TPG) über Eurotransplant als zentrale Vermittlungsstelle. Diese erstellt anhand bestimmter Parameter, welche den Gesundheitszustand und damit die Dringlichkeit einer Transplantation abbilden, eine Rangfolge. Für den Fall der vorliegend besonders relevanten Lebertransplantationen ist dabei der so genannte MELD-Score („Model for endstage Liver Disease“) ausschlaggebend. Dies wird durch Richtlinien der Bundesärztekammer, zu deren Erlass sie nach § 16 I 1 Nr. 5 TPG ermächtigt ist, medizinisch konkretisiert. Die Vergabe von Organen erfolgt dabei über das Standardverfahren, welches ein durch verschiedene Kriterien bestimmtes Rangsystem darstellt. Die Vergabe ist aber auch nach einem beschleunigten Verfahren möglich, wenn aufgrund medizinischer Erfordernisse eine möglichst orts- und zeitnahe Transplantation geboten ist. Der prozentuale Anteil dieser Fälle ist in den letzten Jahren stark angestiegen.
Der leitende Transplantationsmediziner  hat wiederholt die Krankenakten eigener Patienten, welche ein Spenderorgan benötigten, auf verschiedenen Wegen manipuliert, um eine schnellere Zuteilung eines solchen Organs im Wege des Standardverfahrens zu erreichen. So hat er Laborwerte gefälscht, durch das Verändern oder Erfinden von Dialyseprotokollen Nierenschädigungen vorgetäuscht und seine Krankenakten entsprechend verfasst, sodass sie auf der Warteliste für ein Spenderorgan vorrücken konnten. Aufgrund der Weiterleitung der manipulierten Krankenakten wurden die Patienten des Arztes weit oben in der Rangliste eingestuft oder rückten einige Plätze nach oben. Folglich wurden dadurch andere transplantationsbedürftige Patienten von ihrem bisherigem Rang verdrängt. Ein unmittelbar verdrängter Patient verstirbt, da er nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten hat.
B. Tötungsdelikte
I. § 212 StGB 
Der Arzt könnte sich der vorsätzlichen Tötung gegenüber dem verdrängten Patienten strafbar gemacht haben, indem er die Akten seiner eigenen Patienten manipulierte und jener daraufhin nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhielt.
1. Erfolg
Der tatbestandsmäßige Erfolg ist durch den Tod eingetreten.
2. Handlung: 
Dies müsste durch eine Handlung des Transplantationsmediziners geschehen sein. Dieser manipuliert die Akten zu Gunsten seines eigenen Patienten und übermittelt die Daten an Eurotransplant. So wird ein ranghöherer Patient auf der Warteliste unmittelbar durch den Patienten des Mediziners von seinem Listenplatz verdrängt und Eurotransplant verweigert ihm nun fälschlicherweise die Chance, ein Organ zu erhalten, obwohl er an sich an der Reihe wäre. Der Manipulationsvorgang kann nun in zweifacher Hinsicht gedeutet werden. Dies ist insofern relevant, als dass zwar in der Manipulation eine aktive Handlung liegt, diese aber nach einer Ansicht zu einem Unterlassen, nämlich der Verweigerung der Zuteilung eines Organs, durch ein  Werkzeug – Eurotransplant – führt (Schroth, NStZ 2013, 437, 443). Diese Konstellation wird bisher wenig diskutiert und es ist nicht geklärt, ob dies für den mittelbaren Täter als Tun oder Unterlassen zu werten ist. Letzteres würde dazu führen, dass es sich um ein unechtes Unterlassungsdelikt handelt, welches wiederum eine Garantenstellung des Mediziners gegenüber dem verstorbenen Patienten voraussetzt. Es erscheint angemessen auf die Grundsätze der vergleichbaren Problematik bei der Abgrenzung von Tun und Unterlassen abzustellen. Danach soll der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit maßgeblich sein (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen–Wohlers/Gaede, StGB, § 13 Rn. 7 mwN). Da das vorgeworfene Unrecht vor allem in der aktiven Handlung zu sehen ist – nämlich die Vornahme der Manipulationen – ist i.E. daher aktives Tun anzunehmen.
Nach anderer Auffassung kann in der Manipulation der Krankenakten auch eine „Störung rettender Kausalverläufe“ gesehen werden. Danach haftet derjenige für positives Tun ,der die Rettungsmöglichkeit eines anderen vernichtet (vgl. Kudlich, NJW 2013, 917, 918; Schönke/Schöder- Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl. 2010, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 159 mwN). Die Meinungen kommen letztlich zu demselben Ergebnis somit kann ein Streitentscheid offen bleiben. Die Begründung einer Garantenstellung des behandelnden Arztes ist somit nicht nötig.
Hinweis:
An dieser Stelle könnte noch problematisiert werden, ob durch die Manipulation überhaupt in eine zurechenbare strafrechtlich geschützte Rechtsposition eingegriffen wurde. Erörterungswürdig erscheint, dass sich weder aus dem TPG noch aus der Schutzdimension des Art. 2 II GG eine rechtliche Verpflichtung für Eurotransplant ergibt, das Organ einer bestimmten Person zuzuteilen. So beinhaltet Art. 2 II GG ein Recht auf Krankenbehandlung, das der Staat absichern muss, aber kein Recht auf Zuteilung eines Organs im Rahmen einer Krankenbehandlung (vgl. Schroth, NStZ 2013, 437, 443 f.).
3. Kausalität und objektive Zurechenbarkeit

Die Manipulation der Krankenakten müsste ferner kausal iSd der condito-sine-qua-non-Formel und den Tod des ursprünglich „ranghöheren“ Patienten in objektiv zurechenbarer Weise verursacht haben. Im vorliegenden Fall der Listenmanipulation erweist es sich schon als schwierig, die genaue Identität der Person nachzuweisen der das Organ zugeteilt worden wäre. Nur der Nachweis, dass das Organ, das hätte zugeteilt werden müssen, den Tod eines Menschen verhindert hätte oder dazu geführt hätte, dass es einem anderen Schwerkranken bei der Therapie geholfen hätte, ließe es zu, strafrechtlich davon zu sprechen, dass die fehlerhafte, unterlassene Zuteilung kausal war für den Tod (vgl. Verrel, Sanktionierung von Allokationsauffälligkeiten in Lilie/Rosenau/Hakeri (Hrsg.), Organtransplantation, 2011, S. 181, 184). Daneben könnten auch die Tatsachen, dass das Spenderorgan abgestoßen wird oder die Möglichkeit, dass der „Unbekannte” ein anderes Organ erhalten hätte („hypothetische Ersatzkausalität“)den forensischen Nachweis der Kausalität der Manipulationshandlung für den Tod eines anderen verhindern (so Schroth, NStZ 2013, 437, 442). So muss bei nicht hinreichender Sicherheit der Feststellung der Kausalität nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu Gunsten des Mediziners eine Kausalität abgelehnt werden (vgl. Terbille-Sommer/Tsambikakis, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2009, § 2 Rn. 87 mwN).
Auch das derjenige den Tatbestand des Totschlags erfüllt, der durch die pflichtwidrige Handlung  die Lebenserwartung sogar um eine nicht messbare kurze Zeitspanne verkürzt (Terbille-Sommer/Tsambikakis, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 2 Rn. 89; Spickhoff-Knauer/Brose, Medizinrecht, § 212 Rn. 13 mwN), ändert an dem Ergebnis nichts. Denn auch hier muss die Verkürzung kausal und objektiv zurechenbar sein. Auch diese scheitert jedoch aufgrund der oben dargestellten Erwägungen.
Eine Zurechnung des Todeseintritts könnte darüber hinaus auch dem Schutzzweck der Vergaberegeln widersprechen. Dies ist der Fall, wenn sich die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolgs als bloßer Schutzreflex der Sorgfaltspflicht darstellt (Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 86). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Platzierung auf einer Warteliste mit einer Reihe weiterer Unsicherheiten verbunden ist. So besteht immer die Gefahr von der eigenen akuten Verschlechterung des Gesundheitszustands, bevor durch eine Listenkorrektur reagiert werden kann, bis zum „Überholtwerden“ von neuen Patienten oder von solchen, deren Gesundheitszustand sich verschlechtert. Daher kann auch das gängige Vergabeverfahrens nicht mit hinreichender Sicherheit die Chance einer späteren Organzuteilung gewährleisten (vgl. Kudlich, NJW 2013, 917, 918). Somit wäre der objektive Tatbestand mangels objektiver Zurechnung nicht erfüllt.
Exkurs: Zur Beurteilung der Überlebenschancen gibt es zwar statistische Erfahrungswerte, die diesen Anforderungen der Höhe nach genügen dürften, angesichts des in der Natur des Organ-Vergabesystems liegenden typischerweise schlechten Gesundheitszustands der Empfänger und der nie auszuschließenden Operationsrisiken ist der volle Nachweis einer solchen Kausalität im Einzelfall wohl aber schwierig zu führen (Kudlich, NJW 2013, 917, 919 mwN). Vgl. dazu allein den aktuellen „Skandal“, bei dem sich die Kammer die Mühe gemacht hatte, für jeden angeklagten Fall der Manipulation zu recherchieren, was aus denjenigen Kranken wurde, denen die Patienten von O. vorgezogen wurden. Einer dieser bevorzugten Patienten sprang durch die Manipulationen gleich von Rang 34 auf Rang 2 und erhielt binnen Tagen eine Leber. Der Richter fasst die Recherchen zusammen: Der Patient auf Rangnummer 3 bekam ein Organ und lebt. Nummer 4 bekam ein Organ und starb nach der Operation. Nummer 5 bekam ein Organ und lebt, Nummer 6 bekam ein Organ und ist gestorben. Nummer 7 bekam ein Organ, er hatte sogar sieben Angebote. Nummer 8 wurde von der Liste genommen, weil sich sein Zustand besserte. Nummer 9 bekam ein Organ und starb, Nummer 10 lebt. (SZ vom 23.08.2013 http://sz.de/1.1753655).
4. Ergebnis zu I.
Der Transpantationsmediziner hat sich nicht der vorsätzlichen Tötung zu Lasten des ursprünglich „ranghöheren“ Patienten strafbar gemacht.
II. §§ 212, 22, 23 I StGB zu Lasten des ursprünlich „ranghöheren“ Patienten

Der Transplantationsmediziner könnte sich jedoch des versuchten Totschlags zu Lasten des verstorbenen Patienten strafbar gemacht haben. So könnte er den Tode eines Patienten zumindest billigend in Kauf genommen haben, dessen tatsächlicher (und auch kausal verursachter) Eintritt im Einzelfall aber unbeweisbar bleibt.
Vorprüfung
Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus der Verbrechensnatur des Totschlags (§ 212 StGB  iVm §§ 23 I, 12 I StGB). Mangels Kausalität bzw. objektiver Zurechnung liegt auch kein vollendetes Delikt vor.
1. Tatentschluss
Der behandelnde Arzt müsste einen Tatentschluss gefasst haben. Dies setzt voraus, dass er Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale hatte.
a) dolus directus 2. Grades: Wissentlichkeit
Der Arzt könnte mit dolus directus 2. Grades gehandelt haben. Dieser liegt vor, wenn der Täter sicher weiß, dass sein Verhalten die Merkmale eines Straftatbestandes erfüllen wird (MüKo/Joecks, StGB, § 16 Rn. 25). Ein Arzt, der Krankenakten manipuliert, um ein Organ für seinen Patienten zu erhalten, erkennt sicherlich die Beeinträchtigung einer Genesungsmöglichkeit eines anderen, er geht aber nicht davon aus, dass er durch sein Handeln fremdes Leben zerstört. Das Erkennen einer Gesundheitsgefahr für einen unbekannten Kranken, deren Intensität und Qualität er gar nicht hinreichend einschätzen kann, begründet möglicherweise einen Gefährdungs-, nicht jedoch einen Verletzungsvorsatz. (so auch Schroth, NStZ 2013, 437, 442).
b) dolus eventualis
G könnte jedoch mit dolus eventualis gehandelt haben. Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 15 Rn. 9a f. mwN). Das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes kann gleichwohl im Einzelfall fehlen. So etwa wenn der Täter trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut.
Nach ständiger Rechtsprechung wird vertreten, dass insbesondere bei der Tötung eines Menschen eine erhöhte Hemmschwelle überwunden werden muss, da vor dem Tötungsvorsatz eine viel höhere Hemmschwelle stehe als vor dem bloßen Gefährdungsvorsatz (vgl. nur BGH NStZ 1983, 407; zuletzt NJW 2012, 1524; allerdings möglicher Wandel der Rechtsprechung: BGH NStZ 2012, 384, 386). Zusätzlich ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Täter Arzt ist und somit schon grundsätzlich unterstellt werden kann, dass das Wohl der Patienten im Vordergrund steht. Daher sind zur Feststellung eine vorsätzlichen Schädigung von Leib oder Gesundheit eines Menschen noch höhere Hürden zu überwinden, weil derartige Handlungen eines Arztes zum Nachteil von Patienten nach der Lebenserfahrung regelmäßig die Ausnahme darstellen (vgl. BGHSt 56, 277; OLG Braunschweig vom 20.03.2013 – Ws 49/13, juris)
Diese Sorge um den eigenen Patienten wird nun von Rechtsprechung und Literatur konträr gedeutet. Wie im Folgenden dargestellt, sieht die Rechtsprechung darin vor allem ein vorsatzbegründendes Element, da die Sorge gleichzeitig mit der Gleichgültigkeit gegenüber dem benachteiligten unbekannten Patienten einhergehe. Für die Literatur hingegen bedeutet es ein alle anderen Emotionen und Motivationen verdrängendes Kriterium, sodass eine billigende Inkaufnahme ausscheidet. .
aa) Rechtsprechung
Hinsichtlich des Wissenselements wurde vom OLG Braunschweig zunächst festgestellt, dass es offensichtlich bei der Manipulation der Wartelistenrangfolge zu Verzögerungen für die anderen Wartenden kommt. Diese Tatsache ist jedem bewusst (OLG Braunschweig, aaO, Rn. 39) Nun müsste dem Mediziner auch weiterhin bewusst gewesen sein, dass diese Verzögerung zu einer unmittelbaren Todesgefahr für die „Übergangenen“ führen kann. Nach dem „MELD-Score”-System werden vorrangig diejenigen Patienten berücksichtigt, die ohne Transplantation unmittelbar vom Tod bedroht sind. Für diese Patienten kann jede noch so geringe Verzögerung der Transplantation eine lebensverkürzende Wirkung entfalten. Da der Transplantationsarzt mit dem Vergabesystems des MELD-Scores vertraut sei, wüsste er auch um die lebensverkürzende Wirkung.
Der Arzt  müsste schließlich auch ein voluntatives Element aufweisen. Dies werde bereits durch seine große Sorge um die eigenen Patienten indiziert. Die Hemmschwellentheorie greife im vorliegenden Fall gerade nicht, weil es hier nicht um eine Tötung eigener Patienten gehe, sondern um fremde und zudem anonyme Menschen. Die hemmschwellenbegründende Situation, nämlich der direkte persönliche Kontakt mit einen Individuum, liegt daher gerade nicht vor. Vielmehr werde die Hemmschwelle aufgrund der Anonymität („Gesichtslosigkeit möglicher Opfer“) noch herabgesenkt.  Hinzu kommt die Sorge  um das Wohl des eigenen Patienten. Diese  kehrt im vorliegenden Fall aufgrund der Organknappheit als vorsatzbegründendes Element wieder. Denn hier begründe die Nähe zum eigenen Patienten, ein von Mitgefühl getragenes Engagement auf der einen Seite, während auf der anderen Seite nur ein Rangplatz auf der Warteliste stehe, hinter dem sich ein anonymer nur durch eine Nummer individualisierbarer Mensch verberge, an dessen Schicksal man keinen Anteil nehme (OLG Braunschweig, aaO, Rn. 45)
Schließlich könne aufgrund der Unwägbarkeiten des Vergabeprozesses, welche zu erneuten weiteren Verzögerungen führen können, auch nicht von einem vorsatzausschließenden Vertrauen auf das Ausbleiben der schweren Folgen geschlossen werden (OLG Braunschweig Rn. 48). Der Mediziner handelte danach vorsätzlich.
bb) Literatur
Die Literaturmeinung sieht hingegen in der Sorge des Arztes um seine Patienten gerade ein vorsatzverneindes Argument So sehe zwar ein Arzt, der Krankenakten manipuliert, um ein Organ für seinen Patienten zu erhalten, wahrscheinlich die abstrakte Möglichkeit der Beeinträchtigung der Genesung eines anderen Wartelistenpatienten, er wird jedoch auch aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten des Vergabeverfahrens – so werden Organe unter bestimmten Umständen nicht nur an high urgency Patienten verteilt und es gibt die Möglichkeit des beschleunigten Verfahrens – nicht davon ausgehen, dass seine Handlung fremdes Leben zerstört. Hinzu komme die Sorge um das Wohl des eigenen Patienten, die andere unbekannte Patienten aus dem Motivationsgefüge des Arztes völlig verdränge und nicht automatisch eine Billigung des Eintritts des Erfolges bei anderen impliziere. So könne insbesondere die derzeit nicht seltene Nutzung des beschleunigten Verfahren ein Vertrauen beim manipulierenden Arzt begründen, dass ein eventuell benachteiligter Patient noch ein Organ erhält.
Auch die Annahme von dolus eventualis begründender absoluter Gleichgültigkeit überzeuge nicht da diese voraussetzt, dass auch sicheres Wissen den Täter nicht abgehalten hätte (Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht, 1964, S. 186 ff.). In einem derartigen Fall ist dem Arzt jedoch sowohl die Identität, sowie die genaue Krankensituation eines möglicherweise Geschädigten unbekannt. Nicht zuletzt wollen Ärzte Leben retten und nicht zerstören. (Schroth, NStZ 2013, 437, 442 f.):
cc) Ergebnis
Letztlich erscheint es entscheidend, wie der Begriff „billigend in Kauf nehmen“ zu verstehen ist. So stellte der BGH vom 22.04.1955 fest, dass unter „billigend In-Kauf-Nehmen“ nicht das Billigen im alltagssprachlichen Sinne zu verstehen sei, sondern ein „Billigen im Rechtssinne“, das dann vorliege, wenn der Täter den Erfolg für den Fall wolle, dass er „anders sein Ziel nicht erreichen kann“ (BGHSt 7, 363, 369). Die Bestimmung des Begriffs blieb dennoch schwierig und auch von zahlreichen Einzelfallentscheidungen geprägt (vgl. nur Übersicht in MüKo-Schneider, StGB, § 212 Rn. 15 – 51). Fest steht lediglich, dass diese Formel nicht bedeutet, dass der Täter den Erfolg gewünscht hat, dass er ihm gegenüber gleichgültig eingestellt gewesen ist, oder dass er ihn im natürlichen Sinne des Wortes gebilligt hat. Aber es genügt auch nicht, dass ihm der Vorwurf der Gleichgültigkeit in einem normativen Sinne gemacht werden kann, weil er sich durch die Erkenntnis einer großen Gefahr der Erfolgsverursachung nicht von seinem Handeln hat abbringen lassen (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen-Puppe, StGB, 4. Aufl. 2013, § 15 Rn. 31). Schließlich ist bei der Beurteilung über das Vorliegen eines Eventualvorsatzes auch die Motivation und Täterpersönlichkeit zu berücksichtigen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 39). Der Arzt ist in der Regel davon angetrieben nur das Beste für seine Patienten zu wollen.
Auch aus der Tatsache, dass er als Transplantationsmediziner das Vergabeverfahren kennt und er daher wohl auch eine grundsätzliche Vorstellung über mögliche Konsequenzen einer Manipulation eigener Akten für die Anderen auf der Warteliste haben könnte, ist nicht zwingend vosatzbegründend.
So setzt das „billigende in Kauf nehmen“ zumindest voraus, dass der Täter einen möglichen Todeserfolg überhaupt erkannt, sich mit diesem grundlegend auseinandergesetzt und diesen „ins Bewusstsein“ mit aufgenommen hat (vgl. BGH vom 08.05.2001 – 1 StR 137/01 Rn. 9 = NStZ 2001, 475). Aus dem grundsätzlichen Wissen ist also nicht automatisch die bewusste Inkaufnahme zu folgern (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 14 Rn. 9). Hier ist letztlich der Einzelfall entscheidend. ISd in dubio pro reo-Grundsatzes müsste aber dem Mediziner unterstellt werden, dass das leitende Motiv die Hilfe der eigenen Patienten war und er die möglichen Folgen bei einer Weitergabe der manipulierten Akten an Eurotransplant nicht in seine Überlegungen mit einbezogen hat.
III. § 222 StGB
Der Transplantationsmediziner könnte sich aber weiterhin der fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB strafbar gemacht haben. Eine Zurechnung scheidet jedoch auch aufgrund der Kausalitätproblematik aus. So reicht insbesondere die bloße Erhöhung des Gesundheitsgefährdungsrisikos für einen unbekannten Schwerkranken durch manipulierte Nicht-Zuteilung eines Organs zur Begründung nicht aus (gegen die Risikoerhöhungslehre etwa BGHSt 11, 1; 33, 61; Jakobs, StrafR AT, 2. Aufl., 7/98ff.; dagegen Anhänger der Risikoerhöhungstheorie dagegen Roxin, Strafrecht AT, § 11 Rn. 90; u.a. auch Ebert/Kühl, Jura 1979, 572 f.; Kretschmer, Jura 2000, 274f.)
IV. Ergebnis
Der Transplantationsmediziner hat sich nach hier vertretener Auffassung keines Tötungsdelikts strafbar gemacht.
Bei einer Bejahung des Vorsatzes müssten folgende Überlegungen weiter angestellt werden:
2. Unmittelbares Ansetzen
Der Transplantationsmediziner müsste auch unmittelbar zur Tathandlung angesetzt haben. Darunter ist jede Handlung zu verstehen, die nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert ist und im Falle ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden soll (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 22 Rn. 10 f. mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil jede falsch gemeldete Dialyse eine Organzuteilung an den eigenen Patienten bewirken sollte, damit unmittelbar die Todesgefahr für die anderen (fremdem) Patienten begründet wurde und insoweit der weitere Verlauf und Ausgang für G nicht mehr steuerbar und auch nicht mehr rückgängig zu machen war.
3. Rechtsfertigungs- und Entschuldigungsgründe
Schließlich dürften keine Rechtsfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vorliegen.
a) § 32 StGB
Dazu übersichtlich OLG Braunschweig, aaO, Rn. 52:

„Eine Rechtfertigung wegen Nothilfe gem. § 32 StGB scheidet aus, weil die anderen Patienten trotz der auf der Organknappheit beruhenden Konkurrenzsituation keine Angreifer der vom Beschuldigten behandelten Patienten sind. Dass Patienten mit einem MELD-Score von 40 in der Regel eine deutlich höhere Sterblichkeit nach der Transplantation haben als Patienten mit einem geringeren Zuteilungswert, rechtfertigt, auch wenn das Zuwarten die Chancen der eigenen Patienten auf ein Überleben der Erkrankung deutlich verschlechtert, schon deshalb keine Eingriffe in das Verteilungssystem, weil das Leben des Menschen nach dem Grundsatz des absoluten Lebensschutzes in jeder Phase ohne Rücksicht auf die verbliebene Lebenserwartung den ungeteilten Schutz der Rechtsordnung genießt (vgl. BGHSt 21, 59, 61; LK-Jähnke, StGB, 11. Aufl., Rn. 5 Vor § 211).“

b) § 34 StGB
Auch scheidet der rechtfertigende Notstand gem. § 34 StGB aufgrund der Gleichwertigkeit der betroffenen Rechtsgüter aus (vgl. nur BGHSt 48, 255, 257). Die Manipulationen waren auch nicht durch eine etwaige Pflichtenkollision gerechtfertigt. G war nicht zu einer Rettung seiner Patienten um jeden Preis, insbesondere nicht unter Verletzung der Vergabevorschriften unter Manipulation der Patientendaten, verpflichtet. Ebenfalls ist eine hypothetisch unterstellte mögliche ähnliche Manipulation auch anderer oder aller tätigen Transplanteure als Rechtfertigung nicht geeignet, weil es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt (LG Braunschweig vom 11. Februar 2013 – 9 Qs 20/13, juris).
c) § 35 StGB
Da es sich bei den durch die Manipulation begünstigten Patienten nicht um dem Beschuldigten nahestehende Personen handelte, scheidet schließlich auch ein entschuldigender Notstand gem. § 35 StGB aus.
d) Ergebnis zu 3.
Es liegen keine Rechtsfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vor.
4. Ergebnis
Der Transplantationsmediziner des versuchten Totschlags nach §§ 212 I, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.
C. Urkundsdelikte 
I. § 267 StGB
Der behandelnde Arzt könnte sich der Urkundenfälschung strafbar gemacht haben, indem er die Krankenakten mit falschem Inhalt angelegt hat. Dabei ist es umstritten, ob es sich bei einer Krankenakte überhaupt um eine Gesamturkunde handelt (Vgl. BeckOK-Weidemann, StGB, § 267 Rn. 13.1 mwN). Dieser Streit kann jedoch ohne Entscheidung bleiben, wenn schon keine  tatbestandliche Handlung vorliegt. So kommt eine Verfälschung einer Gesamturkunde durch den Aussteller nur in Betracht, wenn und soweit Teile entfernt oder gelöscht werden nachdem er die Dispositionsbefugnis darüber verloren hat. In Bezug auf Krankenakten ist dort wiederum strittig wann dieser Zeitpunkt einsetzt (vgl. Spickhoff-Schuhr, Medizinrecht, 1. Aufl. 2011, § 267 Rn. 35). Der G legt vorliegend jedoch die Krankenakten schon falsch an. Die inhaltliche Wahrheit wird jedoch gerade nicht von § 267 StGB umfasst (vgl. MüKo-Erb, StGB, § 267 Rn. 9 a.E.; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, Rn. 789). Er hat sich damit nicht nach § 267 StGB strafbar gemacht.
II. § 268 I Nr. 1 StGB
Der Arzt könnte sich jedoch nach § 268 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben, in dem er die Dialyseprotokolle nachträglich verändert. Bei Dialyseprotokollen handelt es sich um technische Aufzeichnungen iSd § 268 II StGB. Das Schutzgut des § 268 StGB ist die Zuverlässigkeit der selbständigen Arbeitsweise des funktionstüchtigen und ordnungsgemäß vorbereiteten Geräts. („Garantiefunktion“ Spickhoff-Schuhr, Medizinrecht, § 268 Rn. 5.) Durch seine Handlung verletzt G genau dieses Gut. Eine Strafbarkeit nach § 268 I Nr. 1 StGBist im Ergebnis zu bejahen.
III. § 278 StGB
Der Transplantationsmediziner könnte sich zudem nach § 278 StGB strafbar gemacht haben, indem er unrichtige Krankenakten an Eurotransplant übermittelt. Er müsste ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde wider besseres Wissen ausgestellt haben.
Gesundheitszeugnisse sind Urkunden mit Tatsachenaussagen über den Gesundheitszustand eines lebenden Menschen. Dazu gehören auch Krankenakten. (MüKo-Erb, StGB, § 277 Rn. 2). Im Gegensatz zu § 267 umfasst § 278 StGB auch die schriftliche Lüge. Die Übermittlung von vornherein falsch angelegter Akten ist somit tatbestandsmäßig.
Fraglich ist jedoch ob es sich bei Eurotransplant auch um eine Behörde iSd §§ 278, 11 Nr. 7 StGB handelt. Eurotransplant ist eine privat gegründete, gemeinnützige Stiftung nach niederländischem Recht mit Sitz in den Niederlanden, welche ermächtigt ist die Verteilungskriterien von Organen zu gewichten und Vermittlungsgsentscheidungen im Einzelfall  – mit eigenem Ermessen – zu treffen. Eurotransplant muss gemäß § 12 III TPG nach Regeln vermitteln, die dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen.
Auch ausländische Institutionen sind über § 278 StGB geschützt. Dies allerdings nur dann, wenn sie Behörden sind  (MüKo-Erb, § 277 Rn. 8). Nach h.M. wird Behörde als  „ständiges, von der Person des Inhabers unabhängiges, in das Gefüge der öffentlichen Verwaltung eingeordnetes Organ der Staatsgewalt mit der Aufgabe, unter öffentlicher Autorität nach eigener Entschließung für Staatszwecke tätig zu sein”(BVerfGE 10, 48; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 11 Nr. 29 mwN) definiert. Eurotransplant müsste somit hoheitlich tätig werden. Dies wäre der Fall, wenn ihr Hoheitsrechte als Aufgabe des Staates übertragen worden wären zur. Faktisch ist zwar die Ausübung von Hoheitsrechten gegeben, es liegt jedoch keine legitime Übertragung von Hoheitsrechten, wie sie Art. 24 GG verlangt vor. Zudem weist Eurotransplant keine Behördenstruktur auf und ist auch nicht in das Gefüge der öffentlichen Verwaltung eingeordnet. Darüber hinaus ist Eurotransplant als privatrechtliche Stiftung organisiert. Dies spricht gegen eine Interpretation als Behörde (ausführlich Schroth, NStZ 2013, 437, 446 f. mwN). Der Ttransplantationsmediziner hat sich somit nicht nach § 278 StGB strafbar gemacht.
IV. Ausblick
Angesichts der jüngsten Skandale um manipulierte Organvergaben hat der Bundestag nun zum 01.08.2013 einen Absatz 2a in § 19 TPG eingefügt (BGBl I, 2423), wonach künftig mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer absichtlich entgegen dem ebenfalls neu eingefügten § 10 III 2 TPG den Gesundheitszustand eines Patienten erhebt, dokumentiert oder übermittelt (NJW-Spezial 2013, 505).
Hinweis
Der Transplantationsskandal ist nicht nur für strafrechtliche Fragestellungen ausgesprochen interessant, sondern enthält auch eine relevante Problematik des öffentlichen Rechts. So ist es stark umstritten, ob die Ermächtigung der Bundesärztekammer zum Erlass von Richtlinien nach § 16 I 1 Nr. 5 TPG, die letztlich über „Leben und Tod“ entscheiden, überhaupt verfassungsgemäß ist oder ob der Gesetzgeber nach der Wesentlichkeitstheorie den Modus der Verteilung lebenswichtiger Organe nicht selbst definieren muss (Schroth/König/Gutmann/Oduncu-Gutmann, TPG, 1. Aufl. 2005, § 16 B II; zu § 12 III TPG Gutmann/Fateh-Moghadam, NJW 2002, 3365).

24.09.2013/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-09-24 08:00:522013-09-24 08:00:52Klausurrelevante Probleme: Manipulation von Organtransplantationsunterlagen

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