Im Vorliegenden erhaltet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der gelaufenen Klausur im Strafrecht des 1. Staatsexamens im Mai 2016 in NRW. Vielen Dank dafür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
T tritt in das Unternehmen seines Vaters ein und führt eine Apotheke weiter. Da T wegen seiner Spielsucht in Geldnöten ist, überlegt er sich ein raffiniertes System, um sein Einkommen hinreichend zu Ergänzen.
Das System funktioniert wie folgt:
Kassenpatienten, die bei T ein ärztlich verordnetes Medikament erwerben möchten, es aber nicht benötigen, erhalten von T eine Gutschrift für nicht verschreibungspflichtige Arzneien, die T teurer bei der Krankenkasse abrechnen kann als die verordneten Medikamente. Diese „Tauschkunden“ erhalten dann ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament, das T anstelle des eigentlich ärztlich verordneten in seiner späteren Abrechnung einträgt.
Die Abrechnungen schickt T an ein Abrechnungsunternehmen, die G – GmbH, wo der Mitarbeiter P diese Abrechnungen und Rezepte bündelt und dann in einen Computer eingibt. Eine Überprüfung der Rezepte oder Abrechnungen erfolgt bei diesem Prozess nicht. Dem T ist dieser Vorgang bekannt.
Weiter wird die fertige Datei an die Krankenkasse K übersendet, deren Mitarbeiter Mals gängiges Prozedere bei der K diese nur auf Anzahl und Preis hin überprüft. Hierbei werden keine Unregelmäßigkeiten seitens des M oder der K festgestellt. Daraufhin veranlasst M die Zahlung an T. In einem Monat macht T mit dieser Methode 300.000€ von denen 60.000€ Reingewinn für T sind.
T, der wie seine Kunden auch Patient bei Arzt A ist, lässt sich dort untersuchen. Als er auf dem Tisch ein Rezept für einen Kunden seiner Apotheke sieht, ergänzt er ein für den Kunden nicht erforderliches Medikament und legt das Rezept wieder auf den Tisch. Weiter entdeckt T als A kurz aus dem Zimmer geht einen Rezeptblock samt Praxisstempel in der unverschlossenen Schreibtischschublade und stecke beide in seine Jackentasche.
Zuhause angekommen, fertigt T mit dem Rezeptblock und dem Stempel ein weiteres Rezept an, das er mit der Unterschrift des A unterschreibt.
T möchte mit den beiden Rezepten zur Post, um es für seine Abrechnung geltend zu machen. Daraufhin fährt T durch eine unübersichtliche mit Bodenwellen übersäte Straße auf der ein Tempolimit von 50 km/h besteht. Da ihm der Radfahrer R vor ihm zu langsam ist, überholt er ihn mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h. Er geht bei dem Überholvorgang davon aus, dass er, obwohl er dies nicht beabsichtigt, mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidieren könnte. Als T ausschert verliert er die Kontrolle über den Wagen und gerät auf die Gegenfahrbahn, wo er mit dem C kollidiert. Der neue VW Touran des C hat einen Totalschaden. C selbst ist lebensgefährlich verletzt worden. Nach der Kollision ist T sofort weitergefahren. R, der das ganze beobachtet hat begibt sich zu dem eingeklemmten C und sagt ihm, er (R) würde sofort Hilfe holen. Dies tat er aber nicht. C verstarb noch am Unfallort. Hätten T oder R den Notarzt gerufen, wäre C mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet worden.
Wie haben sich T und R strafbar gemacht?
Bearbeitervermerk: Es ist auf alle aufgeworfenen Fragen einzugehen. Erforderliche Strafanträge sind gestellt.
Schlagwortarchiv für: Mai 2016
Vielen Dank auch für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der dritten Zivilrechtsklausur des 1. Staatsexamens im Mai 2016 in NRW. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Fall 1
Arzt Dr. A betreibt ein Kursanatorium in Bonn, in dem er nicht – medizinische Leistungen wie z.B. Qui Gong oder kosmetische Massagen sowie diverse Schönheitsprodukte anbietet. Er hat 30 Mitarbeiter und einen regelmäßigen Umsatz von 10 Millionen Euro im Jahr. Des Weiteren betreibt er einen Diplombetriebswirt zur Erstellung der Verträge und rechnet jedes Jahr mit mehr als 5000 Patienten. Außerdem betreibt Dr. A Werbung im online – und offline – Auftritt unter dem Namen „Kurhaus Dr. A“. A ist jedoch nicht im Handelsregister eingetragen.
Er schließt mit dem Arzt Dr. Z, der eine Privatpraxis in Köln betreibt, einen „Austauschvertrag“ bei dem A und Z vereinbaren, dass A seine Patienten auch zu Z schicken kann, um die versprochenen Leistungen zu verwirklichen. Zweck soll es sein, die teure Ausstattung für die Behandlungen nicht doppelt anschaffen zu müssen. Weiterhin vereinbaren A und Z, dass die Gerichtsbarkeit in Bonn für alle vertraglichen Streitigkeiten aus diesem Vertrag zuständig sein soll.
Im November 2015 geht Dr. Z ohne vorige Rücksprache mit dem Dr. A in die Betriebsferien. Zu allem Übel ist der November der Umsatzstärkste Monat im Jahr, sodass er einige Patienten, trotz ihrer Termine, nicht behandeln kann und Dr. Z auch nicht für diese Patienten da sein kann. Daraus ergibt sich, dass A seine Patienten nach hinten verschieben muss. Patient X sucht daraufhin einen anderen Dienstleister auf und hat dort Mehrkosten im Wert von 500 Euro.
X verklagt den A auf Zahlung dieser Mehrkosten, die nach rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Bonn auch von A überwiesen werden.
A nimmt daraufhin den Z ebenfalls klageweise in Anspruch, um die 500 Euro von diesem Zurückzuerhalten. Dabei erhebt er die eine allen Formanforderungen entsprechende Klage bei dem Amtsgericht Bonn. Zur mündlichen Verhandlung am 2.12.15 erscheint der A nicht jedoch der Z, der auch sonst keine Klageerwiderung von sich gegeben hat, sodass der A beantragt, gegen Z ein Versäumnisurteil ergehen zu lassen. Einen Antrag auf Verweisung an das Amtsgericht in Köln stellt er trotz Hinweis gem. § 504 ZPO nicht.
Wie wird das Amtsgericht entscheiden?
Fall 2
Dr. A betraut Prokurist P im Jahre 2014 im Rahmen seiner Tätigkeit ausdrücklich mit einer Prokura. P bestellt darauf hin regelmäßig Waren. Wenige Tage nach Erteilung der Prokura weist A den P ausdrücklich darauf hin, dass alle Bestellungen über 2000 Euro nur in Rücksprache mit ihm zu treffen sind. Am 11.03.15 bestellt P erneut Waren im Namen des A, die dieser mal wieder nicht gebrauchen kann. Daraufhin widerruft er die Prokura ausdrücklich gegenüber P. P, davon unbehelligt, bestellt jedoch bei der V – GmbH, ordnungsgemäß vertreten durch ihren Geschäftsführer 1000 Packungen Heilschlamm zu einem Preis von 5500 Euro. Weder P noch A standen vorher jemals in Kontakt mit der V – GmbH. A, der mit fortgeschrittenem Alter, nicht immer an alles denkt, hat vergessen, den Widerruf der Prokura ins Handelsregister einzutragen. Ebenso hat er auch die Erteilung derer aus dem Jahre 2014 versäumt.
Als die Packungen am 28.03.2015 geliefert werden, lässt A diese ungeprüft ins Lager schaffen, da er mit seinen Gedanken bei dem Eintritt des E ist. Dieser ist ein junger aber sehr eifriger Mitarbeiter, soll in das Geschäft des A einsteigen. Daher vereinbaren sie mit Gesellschaftsvertrag vom 31.03.2015, dass E „von nun an an allen Gewinnen und Verlusten teilhaben“ soll. Dabei ändert A auch den Namen seines Unternehmens in die A&E OHG.
Die V – GmbH wendet sich nun an E und möchte von ihm die Zahlung des Kaufpreises. E macht sich sofort auf den Weg ins Lager und entdeckt, dass statt der bestellten 1000 Packungen nur 500 Packungen geliefert wurden. Daraufhin wendet E ggü. der V – GmbH ein, dass er den Kaufpreis zurückbehalten werde. Nach interner Prüfung stellt die V – GmbH fest, dass es sich bei der fehlerhaften Lieferung um einen Fehler des sonst stets zuverlässigen Mitarbeiters M der V – GmbH handelt.
Hat die V – GmbH gegen E einen Anspruch auf Zahlung von 5500 €?
Fall 3
Nach einem Sturm im Oktober 2015 ist das Dach der Einrichtung des A teilweise abgedeckt worden. A begutachtet den Schaden und möchte sich später daranmachen, einen Dachdecker zu bestellen. Zufällig fährt an seiner Praxis gerade der D mit seinem mit einigen Dachziegeln beladenen Leiterwagen vorbei, dessen Aufschrift „Dachdeckermeister D“ trägt.
D erkundigt sich bei dem A, ob D ihm die Ziegel austauschen soll. Bei den Dachziegeln handelte es sich jedoch – von außen nicht erkennbar – um Ziegel mit minderer Qualität. A nimmt das Angebot, in dem Glauben er schließe den Vertrag mit D, an. Später begleicht A die Rechnung in Höhe von 300 €. Auf dem Rechnungsbogen ist als Briefkopf jedoch die „D UG (beschränkte Haftung)“ vermerkt. A übersieht diesen Umstand und verabschiedet sich dankend von D.
Im Dezember 2015 herrschte Frost. Die Dachziegel hielten dem Temperaturschock nicht stand und zersplitterten. Noch am gleichen Tag zog ein Hagelsturm auf, der einen Teil der Einrichtung durch das erneut undichte Dach zerstörte. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 16.000 €. A verlangt von D persönlich den Ersatz dieser Kosten. D entgegnet, A habe den Vertrag nicht mit D persönlich, sondern mit der D UG geschlossen.
Jedoch ist die D UG seit Anfang des Jahres 2015 zahlungsunfähig geworden. Ein Insolvenzverfahren wurde mangels Masse abgelehnt.
Kann A von D persönlich Zahlung von 16000 Euro verlangen?
Bearbeitervermerk: Es ist auf alle aufgeworfenen Fragen ggf. Hilfsgutachterlich einzugehen. Die §§ 812 ff., 677 ff. 823 ff. sind nicht zu prüfen. Es ist davon auszugehen, dass die Klagen ordnungsgemäß zugestellt wurden und alle ggf. erforderlichen gerichtlichen Hinweispflichten erfüllt wurden.
Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll der zweiten gelaufenen Klausur im Zivilrecht des 1. Staatsexamens im Zivilrecht im Mai 2016 in NRW. Vielen Dank für die Zusendung. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Fall 1
A, der nicht viel Glück in seinem Berufsleben hat und deshalb einer unspektakulären Tätigkeit als Kostenfestsetzer bei der Behörde B in Düsseldorf nachgeht, sehnt sich zum Ausgleich nach dem Glück bei den Frauen. Daher trifft er sich regelmäßig mit der Prostituierten P die ihm viele schöne Stunden bereitet. Im Jahre 2014 teilt A der P mit, dass er, um ihre Beziehung aufrecht zu erhalten, seinen Dienstherrn angewiesen hat, ein Teil seines Arbeitsentgelts direkt an sie zu überweisen. In Wahrheit, nimmt A die Überweisungen an P jedoch selbst auf Kosten der Landeskasse vor. Dabei gibt er als Zahlungszweck stets „Gebühr“ an. Er stellt sich dabei so geschickt an, dass die Behörde dieses Vorgehen selbst mit regelmäßigen Kontrollen und stichprobenartigen Überprüfungen nicht aufdecken kann.
Später, im Jahre 2015 fliegt der Schwindel jedoch auf. A sitzt wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Die Behörde wendet sich nun an P die Zahlungen in Höhe von insgesamt 8000 € zurückzuzahlen.
P wendet ein, dass sie das ganze Geld bereits für die allgemeine Lebensunterhaltung ausgegeben habe. Ebenso habe sie 3000 Euro für Hotelzimmer und teure Getränke aufgewendet, um A schöne Stunden zu bereiten. Des Weiteren sagt sie, dass es – was zutrifft – nicht unüblich ist, dass ihre treuen Kunden, ihre Vorgesetzten anweisen, einen Teil ihres Arbeitsentgeltes direkt an sie zu zahlen. So habe sie sich auch nichts bei den Zahlungen für ihre Dienste bei A gedacht. Im Übrigen habe A die Zahlungen, was ebenfalls zutrifft, stets vorher bei der Behörde angekündigt.
Die Behörde wendet jedoch ein, dass es allgemein bekannt sei, dass Behörden niemals Zahlungen aufgrund Weisungen privater Personen vornehmen. Sondern ihre Zahlungen einzig und allein auf der Kostenfestsetzungsanordnung beruhen, um lediglich öffentlich – rechtliche Pflichten zu erfüllen.
Welche Ansprüche hat das Land gegen P?
Fall 2:
Für A läuft es immer schlechter. Als seine Hauptverhandlung für eine Pause unterbrochen wird, ergreift A die Möglichkeit und klettert durch das Fenster in der Toilette des ersten Stocks des Gerichtsgebäudes und springt vier Meter in die Tiefe. A ist geübter Sportler und verletzte sich dabei nicht. J, der Justizwachtmeister ist, rannte ihm sofort nach und sprang ebenfalls aus besagtem Fenster. Dabei verstauchte er sich den Knöchel schwer und erlitt eine Platzwunde. Angesichts der Wunde bekam J einen Schock und musste in medizinische Behandlung.
Im Folgenden wurde J erfolgreich behandelt muss jedoch für einen längeren Zeitraum Schmerztabletten im Wert von 80 € einnehmen. Seine Behandlungskosten werden von der Krankenkasse übernommen, nicht jedoch die Schmerztabletten. Ebenso wenig kommt sein Dienstherr für die Kosten auf. Des Weiteren kann J eine Woche lang nicht zur Arbeit erscheinen. Zu allem Übel hatte J in dieser Woche zwei Auftritte mit seiner Musikband, mit der er regelmäßig privat auf Veranstaltungen auftritt, sodass er auch auf eine Gage von insg. 350€ verzichten muss.
Welche materiell – rechtlichen Schäden kann J geltend machen?
Zusatzfrage:
J erhebt am 20.04.2016 Klage auf Zahlung des Schadensersatzes i.H.v. 430€. Die Klage des örtlich zuständigen Amtsgerichts wird A am 27.04.2016 zugestellt. Am 2.5.2016 zahlt A den entsprechenden Betrag auf dem Konto des J ein. J erklärt die Sache daraufhin für erledigt. A widerspricht der Erklärung des J.
Wie wird das Amtsgericht entscheiden?
Bearbeitervermerk: Es ist auf alle aufgeworfenen Fragen ggf. hilfsgutachterlich einzugehen. Auf das Prostitutionsgesetz (Schönfelder Ergänzungsband Nr. 29a) wird verwiesen. Im Übrigen ist unabhängig von Ihrem Ergebnis in Fall 2 bei der Zusatzfrage davon auszugehen, dass der Anspruch auf Zahlung von 430€ besteht.
Im Folgenden eine Übersicht über im Mai veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15
Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH trifft die Pflicht im Sinne des Untreuetatbestandes (§ 266 StGB), das Vermögen der Gesellschaft zu betreuen. Es verletzt diese Pflicht u.a. dann, wenn es mit einem leitenden Angestellten der Gesellschaft bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden, die Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschreitenden Fehlverhalten zusammenwirkt. Ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen begründet jedoch keine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes; denn diese Regelungen dienen nicht dem Schutz des Vermögens des Beihilfegebers, sondern dem des europäischen Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen („Nürnburgringverfahren“; zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
II. BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15
Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen vollendeten Raubes (§ 249 StGB) ist neben einer finalen Verknüpfung zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme ebenfalls ein räumlich-zeitlicher Zusammenhang dergestalt, dass es zu einer nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist. Dieses neben den Finalzusammenhang tretende eigenständige Merkmal folgt aus der gegenüber einem Diebstahl erhöhten Strafdrohung bei Raub. Sie beruht auf dem wesentlich höheren Schuld- und Unrechtsgehalt, der an den Einsatz von qualifizierten Nötigungsmitteln zur Herbeiführung des Gewahrsamsbruchs beim Opfer anknüpft. Daher ist der Raubtatbestand nicht erfüllt, wenn der Täter auf das Opfer zwar mit Gewalt in der Absicht einwirkt, die Wegnahme zu erleichtern, das Opfer jedoch im Anschluss den Gewahrsam aus anderen Gründen preisgibt; es kommt dann nur ein versuchter Raub in Betracht (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
III. BGH, Beschluss vom 10. März 2016 – 3 StR 404/15
Wer eine Räumlichkeit durch eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Tür betritt, steigt nicht im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ein, unabhängig davon, auf welche Weise er die Tür geöffnet hat (Leitsatz des Gerichts). Daher verwirklicht eine Person, die durch ein auf Kipp stehendes Fenster eines Wohnhauses greift und die am oberen Fensterrahen angebrachte Verriegelungsschiene löst, um das Fenster weiter nach hinten zu kippen und sodann den Griff der danebenliegenden Terrassentür umzulegen, um zu Diebstahlszwecken in den Wohnbereich zu gelangen, lediglich einen einfachen Diebstahl. Dies entspricht der Binnensystematik der § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, da der Alternative des Eindringens zu entnehmen ist, dass das Betreten durch eine hierzu bestimmte Öffnung nur dann vom Regelbeispiel bzw. der Qualifikation erfasst sein soll, wenn dies unter Nutzung eines falschen Schlüssels oder eines anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten, auf den Schließmechanismus einwirkenden Werkzeuges geschieht. Das hergebrachte Begriffsverständnis deckt sich zudem mit dem allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne des Sichverschaffens unrechtmäßigen Zutritts durch Hineinklettern (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
IV. BGH Urteil vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15
Ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse im Sinne des § 316a Abs. 1 StGB (räuberischer Angriff auf Kraftfahrer) setzt in objektiver Hinsicht nur voraus, dass der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann. Daher ist es regelmäßig ausreichend, dass sich das Fahrzeug des Opfers noch in Bewegung befindet, ohne dass es darauf ankommt, dass sich die konkrete Tat an einem einsamen Ort ohne weiteres Verkehrsaufkommen ereignet. Subjektiv ist erforderlich, dass sich der Täter in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs im Zeitpunkt der Tat bewusst ist. Nicht notwendig ist hingegen, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht. Dass der Täter nicht von vornherein geplant hat, sich durch die verkehrsspezifischen Umstände einen Vorteil für sein Angriffsvorhaben zu verschaffen, ist daher unschädlich.
– – –
Zum Schluss noch eine Entscheidung, die sich mit dem absoluten Revisionsgrund der fehlerhaften Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) und damit der Frage nach dem gesetzlichen Richter im Zusammenhang mit der Anordnung der Zuziehung eines Ergänzungsrichters (§ 192 Abs. 2 GVG) durch den Vorsitzenden beschäftigt:
V. BGH, Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15
Kann ein zur Urteilsfindung berufener Richter wegen Krankheit nicht zu einer Hauptverhandlung er
scheinen, die bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO), so kommt der Eintritt eines Ergänzungsrichters (§ 192 Abs. 2 GVG) grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn der erkrankte Richter nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen kann (Leitsatz des Gerichts). Im Hinblick auf das Prinzip des gesetzlichen Richters ist es insoweit geboten, die Feststellung des Verhinderungsfalls zurückzustellen und abzuwarten, ob die Hauptverhandlung noch unter Mitwirkung des erkrankten Richters fortgesetzt werden kann. Solange die Fristen gehemmt sind, ist für eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden deshalb kein Raum, und der Eintritt des Ergänzungsrichters kommt erst in Betracht, wenn der erkrankte Richter nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen kann (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
Vielen Dank für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur des Öffentlichen Rechts im 1. Staatsexamen in NRW im Mai 2016. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
A betreibt ein kleines Ladenlokal in der kreisfreien Stadt S. Dort befindet sich das Grundstück in einem Gebiet, dessen Bebauungsplan keine Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung vorsieht. In dem Gebiet befin-den sich vorwiegend Mehrfamilien – Wohnhäuser aber auch eine Gaststätte, ein Café und drei kleinere Hand-werksbetriebe, die über das gesamte Gebiet verteilt sind.
A erhielt für dieses Ladenlokal eine Baugenehmigung im Jahre 2008 auf Antrag bei der zuständigen Behörde.
A betreibt entsprechend dem Nutzungszweck in der Baugenehmigung in seinem Laden eine Lotto – Annahme-stelle, in der er die Lottoscheine entgegennimmt und Gewinne auszahlt. Weiter nimmt er auch Totoscheine an und verkauft Zeitschriften sowie Tabakwaren. In seinem Geschäft steht ein Tisch zum Ausfüllen der Lotto – und Totoscheine, sowie die Ladentheke und diverse Regale für die Zeitschriften. Die Fläche des Ladeninnenraumes beträgt 60m². Die Ladenöffnungszeiten belaufen sich Werktags zwischen 7:00 und 18:30h sowie sonnabends von 7:00 – 12:30h. Die Kunden kommen fast ausschließlich aus den umliegenden Mehrfamilienhäusern.
Nachdem A sein Geschäft über die Jahre hinweg betreibt, muss er viele Verluste hinnehmen, sodass A sich im Jahr 2015 entschließt, sein Geschäft umzugestalten. A möchte zusätzlich für einen Wettanbieter dessen Sitz auf Malta liegt, Wetten auf diverse Sportereignisse verteilen und annehmen. Entsprechende Gewinne der wettenden Kunden zahlt er an diese bei erfolgreicher Wette aus.
Um seinen Plan zu verwirklichen, möchte A aber ganz sicher gehen. Er glaubt zwar, dass die 2008 erteilte Bau-genehmigung auch diese Nutzung gestattet. Er ruft aber zur Sicherheit bei der Bauaufsichtsbehörde an und fragt, ob auch dieses Angebot mit der Baugenehmigung von 2008 im Einklang steht. Daraufhin erhält er die Antwort, dass die Bauaufsichtsbehörde annimmt, dass dies nicht mehr im Einklang mit der Genehmigung steht und daher eher nicht umgesetzt werden sollte.
A bleibt von dieser Information aber unbehelligt und gestaltet sein Ladenlokal entsprechend um. Dazu baut er 4 Tische mit je 6 Sitzplätzen auf und installiert sieben Monitore. Auf fünf dieser Monitore lässt er aufzeichnungen oder Live – Übertragungen der jeweiligen Sportereignisse laufen. Auf den anderen beiden werden die Quoten für das jeweilige Ereignis präsentiert. Er ändert außerdem die Öffnungszeiten des Lokals, sodass der Zugang von nun an Von Montag bis Sonnabend zwischen 11:00 und 23:00h möglich ist. A führt sein Geschäft mit die-sem Modell weiter.
Als bei einer rechtmäßigen Kontrolluntersuchung seines Ladenlokals durch die Baubehörde am 27.04.2015 auffällt, dass A seinen Laden umgestaltet hat, erhält er daraufhin einen schriftlichen Bescheid vom gleichen Tag, der ihm am 06.05.15 zugestellt wird. Dort heißt es, dass A keine Erlaubnis habe, das Gebäude in dieser Weise zu nutzen. Dies decke sich nicht mehr mit der Baugenehmigung von 2008, da es sich bei einem Wettbü-ro um eine Vergnügungsstätte handele und die Gefahr des dauerhaften Verweilens in seinem Lokal bestehe. Im Übrigen ordnet die Behörde die sofortige Vollziehung an. Die sofortige Vollziehung begründet die Behörde da-mit, dass diese im öffentlichen Interesse liege und A sich trotz der Information der Behörde auf dieses Angebot unzulässig erweitert habe. Schließlich liegt dem Bescheid auch eine schriftliche Vollstreckungsanordnung bei, in der es heißt, dass A drei Tage Zeit habe, die Monitore zu entfernen und die entsprechenden Änderungen zu erfüllen. Anderenfalls drohe die Versiegelung seines Ladenlokals.
Die Behörde begründet diese Vollzugsanordnung damit, dass die bloße Androhung eines Zwangsgeldes nicht mehr ausreiche, da sich Wetten derart stark finanziell rentieren, dass die Kosten für ein rechtswidrig errichtetes Bauwerk weitaus eher zu verkraften seien, als die Einstellung des Betriebes. Im Übrigen kam bei anderen Fäl-len ebenfalls zur Versiegelung, sodass diese auch hier erforderlich sei.
A erhebt am 06.05.15 Klage beim zuständigen Gericht. Gleichzeitig stellt er einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid sowie die Vollstreckungsanordnung.
Zur Begründung führt er dabei aus, dass sich sein jetziger Betrieb von dem vorigen kaum unterscheide und damit weiterhin sein Wettangebot immer noch von der Baugenehmigung aus dem Jahre 2008 umfasst sei. Au-ßerdem verweilen die Kunden nicht, entgegen der Annahme der Behörde dauerhaft in seinen Räumlichkeiten. Sollte das Gericht zu dem Schluss kommen, dass die Genehmigung diesen Betrieb nicht mehr umfasste, so sei sein Angebot aber genehmigungsfähig.
Des Weiteren führt er aus, dass wenn auch eine Genehmigungsfähigkeit abgelehnt würde, der Bescheid sowie die Anordnung mithin unverhältnismäßig seien. Die drei Tages Frist sei viel zu kurz bemessen. Im Übrigen müsste die Behörde dann auch gegen die anderen baurechtswidrigen Vorkommnisse vorgehen, was A wie folgt zutreffend darlegt:
Facharzt F betreibe eine Praxis, diese seine Patienten aus allen Teilen der Stadt besuchen. Im Übrigen ist auch der Betreiber des Cafés dazu übergegangen, Spielautomaten und Fernseher aufzustellen. Nach Bescheid ge-gen ihn von der Behörde hat er sich zwar geäußert, den ursprünglichen Zustand wieder herstellen zu wollen, bis heute habe sich aber noch nichts getan.
Des Weiteren habe A, was zutrifft, bereits am 2.5.15 die Tische und Sitzplätze durch Stehtische ersetzt, sowie die Monitore nicht mehr auf die Live – Übertragung programmiert, sondern nur noch auf die Anzeige der Spiel-stände und der dazugehörigen Wettquoten.
Schließlich sei die Vollstreckungsanordnung auch unverhältnismäßig. A hätte sich, was zutrifft, auch bei der Androhung eines Zwangsgeldes um die sofortige Änderung in das alte System bemüht. Es könne nicht sein, dass man von anderen Wettanbietern auch sofort auf ihn schließen dürfe.
Haben die Anträge des A Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitervermerk: Gehen Sie auf alle Fragen nötigenfalls hilfsgutachterlich ein. Es ist davon auszugehen, dass A alle gewerberechtlichen Anforderungen erfüllt, sowie die §§ 3 – 59a BauO NRW eingehalten wurden. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass das Wettangebot, so wie A es anbietet legal ist.