In den letzten Wochen erschienen in den Medien einige Meldungen darüber, dass neue Religionsgemeinschaften den Status als Körperschaft des Öffentlichen Rechts zuerkannt bekommen haben. Namentlich sind dies die Ahmadiyya Muslim Jamaat in Hessen als erste muslimische Gemeinde sowie ein Hindu-Tempelverein.
Juristisch relevant ist vor allem die Frage, welche Bedeutung der Status als Körperschaft des Öffentlichen Rechts überhaupt hat und wo dessen Ursprünge liegen.
I. Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Grundlage zur Zuerkennung des Körperschaftsstatus“ ergibt sich aus Art. 140 GG iVm. 137 Abs. 5 S. 2 WRV. Die Art. 136-139, 141 WRV sind vom Grundgesetzgeber in das GG übernommen worden und daher geltendes Verfassungsrecht, sodass sie auch eine taugliche Anspruchsgrundlage bieten können.
Nach Art. 137 Abs. 5 WRV sind damit diejenigen Religionsgemeinschaften Körperschaft des öffentlichen Rechts, die dies bereits zum Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung 1919 waren. Das Verfahren zur Zulassung weiterer Religionsgemeinschaften regelt Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV:
Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.
Folge der Zuerkennung des Status“ als Körperschaft des Öffentlichen Rechts ist, dass diese Religionsgemeinschaften zumindest partiell hoheitlich tätig werden können und insbesondere nach Art. 137 Abs. 6 WRV Steuern erheben können. Den Religionsgemeinschaften stehen damit die Handlungsformen des Öffentlichen Rechts zu. Gleichwohl darf dieser Status nicht dazu führen, dass die Religionsgemeinschaften als Teil des Staates anzusehen sind; eine Staatskirche besteht nach Art. 137 Abs.1 WRV explizit nicht. Es herrscht eine strikte Trennung von Kirche und Staat. Insofern zeigt sich ein starker dogmatischer Unterschied zu anderen Körperschaften des Öffentlichen Rechts (bspw. Universitäten oder Rundfunkanstalten) bei denen der Bezug zum Staat deutlich stärker ist.
Dass die Kirchen nicht Teil des Staates werden ergibt sich auch daraus, dass sie vollumfänglich grundrechtsfähig bleiben; hingegen sind sie nicht grundrechtsgebunden.
Dogmatisch liegt also ein gravierender Unterschied zu anderen Körperschaften des Öffentlichen Rechts vor. Dieser sollte auf jeden Fall bekannt sein.
II. Verfahren zur Zuerkennung
Wie erhält man aber nun den Status der Körperschaft des Öffentlichen Rechts? Ein konkretes Verfahren mit strengen Voraussetzungen sieht die WRV nicht vor. Stattdessen hat die Rechtsprechung hier umfangreiche Kriterien über den Gesetzeswortlaut hinaus entwickelt.
1. Geschriebene Voraussetzung: Gewähr der Dauer
Explizit spricht das Gesetz davon, dass die Religionsgemeinschaft durch Verfassung und Zahl der Mitglieder die Gewähr der Dauer bildet. Der Status soll nicht an Gemeinschaften verliehen werden, die nur kurzzeitig bestehen. Eine feste zahlenmäßige Grenze ist dabei nicht zu beachten; vielmehr gebietet sich eine Prognose (BVerwG Urt. v. 28.11.2012 – ). Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob auch eine vielgestaltige Altersstruktur vorliegt, sodass von einem Untergang der Religionsgemeinschaft nicht auszugehen ist.
Desweiteren ist aber auch die Verfassung der Religionsgemeinschaft zu überprüfen. Dabei ist insbesondere auf die selbst entwickelten Ziele und Zwecke abzustellen. Hier zeigt sich eine dogmatische Nähe zum Begriff der Religionsgemeinschaft an sich. Maßgeblich ist aber stets das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft.
In einer Klausur sollte an dieser Stelle folglich kurz geprüft werden, ob es sich überhaupt um eine Religionsgemeinschaft handelt (eine Religionsgemeinschaft ist eine Vereinigung von mehreren Personen, die durch einen gemeinsamen Glauben einander innerlich verbunden sind – Pieroth/Schlink, StaatsR II, 17. Aufl., Rn. 517ff). Damit verbunden sollte dann geprüft werden, ob dieser gemeinsame zweck der Verbundenheit gerade dauerhaft gelten soll oder ob sich bereits jetzt zeigt, dass die Verbindung nur temporär ist.
Hinweis: Dabei ist es freilich unerheblich, wenn die Religionsgemeinschaft an den nahen Weltuntergang glaubt und deshalb – nach ihrem Verständnis – bald nicht mehr besteht. Die Dauerhaftigkeit bis zu einem hypothetischen Weltuntergang wäre ausreichend. Ansonsten würde der Glaube der Religionsgemeinschaft selbst „zensiert“.
2. Ungeschriebene Voraussetzungen
Neben diese formellen Voraussetzungen treten aber nach Ansicht des BVerfG noch weitere Kriterien. Obgleich die Religionsgemeinschaft nach dem oben Gezeigten nicht unmittelbar Teil des Staates wird, gibt es dennoch eine gewisse nähe zum Staat. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass die Verleihung dieser Stellung – sie umfasst z.B. Dienstherrenfähigkeit, Besteuerungsrecht gem. Art. 137 Abs. 6 WRV u.a. hoheitliche Befugnisse – mit erhöhten Einflussmöglichkeiten und damit mit erhöhter Missbrauchsgefahr verbunden ist. Bei der Bestimmung der Voraussetzungen für die Erlangung dieser Vergünstigungen muss daher auch die Verantwortung des Staates zur Geltung gebracht werden, welche das GG ihm auferlegt. Damit entspricht es der einhelligen Meinung, dass die Anforderungen des Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV um ein ungeschriebenes Erfordernis der Rechtstreue zu ergänzen sind
Fraglich ist aber, wie stark diese Rechtstreue ausgestaltet sein muss. Hier werden unterschiedliche Ansichten vertreten. Letztlich ist eine Abwägung zwischen den Prinzipien der absoluten Staatstreue und dem Interesse der Religionsgemeinschaften an Selbstbestimmung zu treffen. Zu beachten bleibt dabei, dass die Religionsgemeinschaften dogmatisch dem staat wie jedermann gegenüberstehen. Ihr durch Art. 4 GG gewährleisteter Schutz ist damit von zentraler Bedeutung. Aus diesem Grund kann von Religionsgemeinschaften, die den Körperschaftsstatus innehaben oder anstreben, nicht die gleiche Loyalität zum Staat gefordert werden, wie von sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Damit ist einer weiten Ansicht zu folgen. Rechtstreue iSv. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV erschöpft sich folglich darin, dass die Religionsgemeinschaft Gewähr dafür bietet, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten fundamentalen Verfassungsprinzipien, Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet.
Eine vollständige Bindung an die Grundrechte unterbleibt dabei. Nur fundamentale Verfassungsprinzipien dürfen nicht verletzt sein.
Exemplarisch hierfür sind die Urteile zu den zeugen Jehovas, bei denen es insbesondere um die Tatsache geht, dass Bluttransfusionen untersagt werden (siehe hierzu BVerfG, Urteil vom 19. 12. 2000 – 2 BvR 1500/97 und OVG Berlin v. 2.12.2004 – 5 B 12/01, NVwZ 2005, 1450).
3. Verfahren
Abschließend noch einige Worte zum Verfahren zur Zubilligung des Körperschaftsstatus“: Das Grundgesetz bzw. die Weimarer Reichsverfassung schweigen sich zur Zuständigkeit der Behörden vollständig aus. Aus Art. 30 GG ergibt sich aber klar, dass die Zuständigkeit hierfür bei den Ländern liegt; die Wirkung einer Verleihung des Körperschaftsstatus“ erstreckt sich hingegen auf das gesamte Bundesgebiet.
III. Zusammenfassung
Die Bedeutung von Religionsgemeinschaften im Status der Körperschaft des Öffentlichen Rechts sollte im Examen zumindest in Grundlagen bekannt sein. Die Materie eignet sich – gerade aufgrund der Vielzahl von neuen Fällen – sehr gut für die mündliche Prüfung. Aber auch in der schriftlichen Prüfung lässt sich bspw. der Fall der Zeugen Jehovas sehr gut abfragen.