Durch die Medien geisterte in der letzten Woche ein Urteil des LG Düsseldorf (15 O 103/11) über einen „Schatzfund“ im Kachelofen, das sich sehr gut für eine mündliche Prüfung eignet.
Was war passiert ? (Sachverhalt vereinfacht und leicht abgeändert)
Eine vermögende ältere Frau versteckte zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt in dem Kachelofen ihres Eigenheims DM-Scheine im Wert von 307.000 DM. Nach ihrem Tod im Jahr 1993 wurde ihre Stiftung Alleinerbin der Verstorbenen. Allerdings erwarb wenig später der B das Gebäude. Bei Umbauarbeiten im Jahr 2010 wurden die Geldscheine entdeckt. Nun beansprucht der B das Eigentum an den Geldscheinen.
Lösung
Da es sich hier um eine typische sachenrechtliche Konstellation handelt, ist zu prüfen, ob und wie der B Eigentum erwerben konnte.
Erwerb nach § 984 BGB
Zentrale vom LG Düsseldorf geprüfte Norm war ein Eigentumserwerb nach § 984 BGB. Dieser Tatbestand fordert aber dass eine Sache so lange verborgen war, dass sich der Eigentümer nicht mehr ermitteln lässt. Sie greift also nur, wenn ein Eigentümer nicht mehr feststellbar ist. Im konkreten Fall sprachen aber alle Umstände dafür, dass die 1993 verstorbene Frau die Scheine im Ofen versteckt hatte. Insbesondere weil sie kurze Zeit vor ihrem Tod noch bemerkte: „Es gibt Menschen, die Geld im Kamin verstecken.“ Außerdem war sie in der relevanten Zeit die einzige Bewohnerin des Hauses. Es gilt damit als sicher, dass sie das Geld im Kamin versteckt hatte.
Damit war sie ursprünglich Eigentümerin. Dieses Eigentum ging mit dem Erbfall auf die Stiftung als Erben über (§ 1922 BGB). Eine Besitzergreifung, wie beim Eigentumsübergang nach §§ 929 ff BGB, ist hier gerade nicht nötig. Auch die mangelnde Kenntnis des Erben vom Versteck im Ofen ist damit unerheblich.
Ein Eigentumserwerb nach § 984 BGB scheidet damit aus.
Erwerb durch Eigentumserwerb an Gebäude
B könnte allerdings durch den Erwerb des Gebäudes von den Erben Eigentum an dem Geld im Ofen erlangt haben. Grundsätzlich hat er nach § 94 BGB auch an dem Kachelofen Eigentum erlangt. Allerdings ist das Geld nicht als wesentlicher Bestandteil hiervon anzusehen. Es konnte unproblematisch entfernt werden. Ein Eigentumserwerb an dem Geld durch Eigentumserwerb des Hauses scheidet damit aus.
Eigentumserwerb nach § 937 BGB
Hier könnte allerdings ein Eigentumserwerb nach § 937 BGB (Ersitzung) vorliegen. Unabhängig von der Frage nach der Bösgläubigkeit müsste der B die Geldscheine mehr als zehn Jahre im Eigenbesitz gehabt haben. Problematisch ist, dass er hier zwar das Haus im Eigenbesitz hatte, von den Scheinen im Ofen allerdings jede Kenntnis fehlte. Fraglich ist damit, ob er hieran Eigenbesitz hatte. Besitzer ist gem. § 854 I, wer die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt. Grundsätzlich wird Besitz an einer Sache durch den Erwerb der tatsächlichen Sachherrschaft begründet (§ 854 Abs. 1 BGB). Hierzu ist nach h.M. ein Besitzbegründungswille erforderlich. Denn eine Herrschaft ohne einen auf sie gerichteten Willen ist nicht denkbar. Hier hatte B grundsätzlich die Möglichkeit nach Belieben mit dem Geld zu verfahren, nur er hatte die Zugriffsmöglichkeit. Allerdings hatte er keinen konkreten Willen zur Besitzbegründung an den Geldscheinen, schließlich hatte er diesbezüglich keine Kenntnis. Folglich ist grundsätzlich ein Besitz des B mangels Besitzbegründungswillens zu verneinen. (Dies auch gerade der Unterschied zum Erbe, der auch ohne einen solchen Willen Eigentümer wird.)
Allerdings könnte man hier noch an einen generellen Besitzwillen bezüglich aller Dinge im Haus denken, handelt es sich hier doch um den persönlichen Bereich des B. Es muss nicht erwartet werden, dass man einen konkreten, auf alle Gegenstände gerichteten Willen hat. Hier ist ein solcher genereller Besitzbegründungswille an allen Gegenständen im Gebäude zu bejahen. Fraglich ist aber, ob dies ausreichend ist. Nach herrschender Ansicht (BGH NJW 87, 2812) bedarf dieser zumindest einer minimalen Manifestation (bspw. Briefkasten, Fundstelle in Kaufhäusern, Sammelbüchse etc.) denn ansonsten wäre ein genereller Wille reine Fiktion. Eine andere Ansicht bejaht hingegen ein Einfügen in die Herrschaftssphäre als ausreichende Manifestation (OLG Celle NJW 92, 2576).
Bessere Gründe sprechen m.E. für die erste Ansicht, verkommt der Besitzbegründungswille doch sonst zur reinen Symbolik und wird seiner zentralen Bedeutung beraubt. Etwas zu besitzen, wovon man keinerlei Kenntnis hat, widerspricht den zentralen Voraussetzungen, denn dann ist die Möglichkeit der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft nicht gegeben.
Damit scheidet mangels Besitzes auch ein Eigentumserwerb nach § 937 BGB aus. B hat damit kein Eigentum an den Geldscheinen.
Finderlohn nach § 971 BGB
Fraglich ist, ob B zumindest einen Anspruch auf Finderlohn hat. Dies erfordert, dass die Geldscheine besitzlos, aber nicht herrenlos waren (Palandt/Bassenge, Vorbem. § 965 Rn. 1). Jedenfalls war die Stiftung als Erbe Eigentümer (s.o.), sodass die Scheine nicht herrenlos waren. Die Stiftung dürfte aber auch nicht Besitzer gewesen sein. Hier hatte sie auch keine Kenntnis vom Versteck, mithin keinen Besitz. Allerdings greift die Besonderheit des § 857 BGB – der Besitz des Erblassers geht auf den Erben über. Dies würde dazu führen, dass auch kein Anspruch auf Finderlohn bestünde.
Fraglich ist, ob dieses Ergebnis aufrechterhalten werden kann. Zweck des § 857 BGB ist es insbesondere den Erben weiterhin den Schutz des § 935 BGB zuzugestehen. Im konkreten Fall stellt sich die Situation hingegen so dar, dass die fehlende Kenntnis von dem Versteck dem Verlust einer Sache gleicht, bei dem stets ein Fund bejaht werden muss. Es bestehen damit gute teleologische Gründe, den § 857 BGB so zu reduzieren, dass er nicht bei einem Fund greift. Damit sind die Geldscheinde hier trotz § 857 BGB als besitzlos i.S.d. §§ 965 ff BGB anzusehen. B hätte damit einen Finderlohnanspruch (a.A. gut vertretbar).
Fazit
Es zeigt sich damit, dass sich durch kleinere Modifikationen aus einem vermeintlich leichten Fall eine dogmatisch schwierige Konstellation entwickeln lässt, die für eine mündliche Prüfung perfekt geeignet ist.
Bei der hier vorgeschlagenen Lösung handelt es sich um kein Muster, jede andere gut begründete Ansicht kann auch vertreten werden und würde in einer mdl. Prüfung auch honoriert.
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